Wem die Sanktionen gegen den Iran nützen – im Iran

Im Iran gab es diese Woche neue Proteste, offensichtlich größer als im Sommer. Gleichzeitig fordert der Westen neue Sanktionen nach dem Scheitern des Uranium-Deals. Man fragt sich irgendwann: Warum schottet sich das Land eigentlich ab? Warum verzichtet es auf Handel und dringend benötigte Investitionen in seine Energie-Wirtschaft, indem es Sanktionen in Kauf nimmt?

Tehran besteht auf seinem Atomprogramm, weil es eine regionale Großmacht sein will. Es geht aber nicht nur um Macht, sondern auch um (noch) mehr Geld für die, die sie ausüben. Denn ein leicht übersehener Grund ist, dass – wie bei Bürgerkriegen, die Jahrzehnte andauern – wirtschaftliche Interessen hinter den Sanktionen stehen; Gruppen, die sich in ihnen eingistet haben, die ihre Macht auf die durch Sanktionen entstehenden wirtschaftlichen Strukturen stützen.

Die Revolutionären Garden sind wichtiger Teil des iranischen Sicherheitsapparats. Sie sichern dem Regime die Macht, falls die reguläre Armee eines Tages nicht mehr mitzieht. Aber die Garden haben auch viele Firmen. Baufirmen vor allem, kaum ein großes Infrastrukturprojekt im Iran wird nicht von ihnen gebaut. Im Oktober haben sie sich die Mehrheit an einem Telefonanbieter gesichert, und mittlerweile haben sie auch ihre eigene Bank

Das ist erst einmal nichts besonderes, in vielen Ländern im Nahen Osten kontrolliert das Militär mehr oder wenig große Teile der Wirtschaft. Zum Beispiel in Ägypten. Schließlich sind im Nahen Osten meistens die Militärs an der Macht, auch wenn man das bei den (mittlerweile) alten Männern an der Spitze in ihren zivilen Anzügen leicht übersieht. Vor allem aber kontrollieren die Garden den iranischen Außenhandel, und wegen der Sanktionen besteht der aus verschiedenen Stufen von Schmuggel.

Rainer Hermann von der FAZ mag der beste deutsche Nahost-Korrespondent (neben denen der NZZ) sein, und das liegt daran, dass er Wirtschaft studiert hat und eigentlich Wirtschaftsjournalist ist. In den arabischen Ländern wird die Politik entweder von intransparenten Familienclans kontrolliert (Golf) oder Generälen (Ägypten, Algerien, Syrien etc). Man sollte daher westliches, institutionengebundenes Politikverständnis hinter sich lassen und sollte wenig Zeit mit Wahlen und Scheinparlamenten vergeuden. Die Wirtschaftsinteressen dieser Herrscher und ihre alliierten Geschäftsleute bieten am ehesten Einblicke in instransparente Herrschaftszirkel.

Im Juni hat Hermann das geschrieben: "Ein früherer Handelsminister zuckte jüngst mit den Schultern und erklärte, die Regierung sei nicht für alle Häfen zuständig. In einigen Häfen wachen keine Zollbeamten über den Import. Die See- und Flughäfen, über welche die nicht erfassten (und damit nicht verzollten) Waren ins Land kommen, unterstehen den Revolutionswächtern. Keine Überraschung war es daher, als jüngst an die Spitze des größten iranischen Containerhafens in Bandar Abbas, der nach dem "Märtyrer Radschai" benannt ist, ein General der Revolutionswächter berufen wurde."

Als 2004 der neue Flughafen in Tehran eröffnet wurde, haben ihn die Revolutionären Garden am nächsten Tag wieder zu gemacht. Bis sie die Verwaltung unter ihre Kontrolle hatten. Sie sorgten sich, dass der neue Flughafen ohne ihre Kontrolle zu einer Konkurrenz für ihre eigenen Flugfelder wird, über die sie ungestört von Zoll- und Steuerbehörden Güter ein- und ausfliegen konnten. Die Kontrolle des Schmuggels mag auch der Grund dafür sein, dass die Garden die iranische Marine bei der Kontrolle des Golfs ausgebootet haben und die Küstenwache unter ihrem Kommando steht.

Der Iran ist nicht von der Außenwelt abgeschlossen. Jedem Taxifahrer am Grenzübergang zwischen der Türkei und dem Iran ist die billige Verfügbarkeit von Whiskey anzusehen. In die andere Richtung gehen Pistazien. Über das Schmuggeldrehkreuz Dubai werden billige asiatische Konsumgüter auf die andere Seite des Golfs geliefert. Andersrum wird iranisches Geld in Dubai angelegt und über das Emirat sonstwohin  in die Welt transferiert. Niemand kontrolliert, wo nach Kuweit und dem Irak gelieferte Waren am Ende landen. Iranisches Schweröl wird in indischen Raffinerien verarbeitet.

Jedes Verbot bringt einen Schwarzmarkt mit sich, denn Waren und Dienstleistungen finden immer vom Verkäufer zum Käufer. Verbote ändern nur, wer der Handel kontrolliert. Im Mindesten steigen ihre Gewinne. Ein freier Außenhandel wäre transparenter und von den Garden viel schwieriger gegenüber anderen Gruppen im Iran abzuschirmen. Die Sanktionen bedeuten also: Geld fließt in die Kassen der Revolutionären Garden. Sie und die angeschlossenen Unternehmen werden alles dafür tun, Stimmen im Iran zu schwächen, die für eine Öffnung des Landes plädieren. Denn eine Annäherung an den Westen könnte ein Ende der Sanktionen mit sich bringen.

Sanktionen halten die an der Macht, gegen die sie gerichtet sind. Nach Zahedi, dem Schah, Saddam und Iran-Contra wissen die USA vielleicht selber nicht mehr, wen sie im Iran eigentlich an der Macht haben wollen. Die Revolutionären Garden werden es nicht sein.

Sport: Max und Moritz‘ nächster Streich

Alte Liebe rostet nicht: Jean Todt, ehemaliger Ferrari-Rennsport-Chef und frisch gebackener Fia-Präsident, und Michael Schumacher, Alltime-Wunderrennfahrer-Ruheständler, blicken auf eine gemeinsame höchst erfolgreiche Zeit auf der Piste zurück – und auch wieder nach vorn.

Wenn nun am Sonntag das letzte Rennen der Formel1 für diese Saison in Abu Dhabi stattfindet, guckt die PS-begeisterte Motorsportwelt schon gar nicht mehr richtig hin, weil der Weltmeister Jenson Alexander Lyons Button längst feststeht. Nein, das wirklich Spannende am Rennsport vollzieht sich zur Zeit fernab des Rampenlichtes, falls Todt Schumi ein Pöstchen anbieten sollte, was allerorten gemutmaßt wird. Ist das eine Art freundliche Ferrari-Übernahme und sollte sich da ein langweiliges Funktionärsleben anbahnen, nachdem Schumachers zweites Sportler-Leben als Motorradfahrer nicht geklappt hat? Flankiert von der üblichen Medienpräsenz mit lukrativen Werbeverträgen von Rolladenkasten-Herstellern und Versicherungen? It’s better to burn out, than to fade away…

Kunst: Ai Weiwei in München oder wie ein weicher Teppich die harte Geschichte offenbart

Zur Zeit findet in München im Haus der Kunst die Ausstellung des berühmtesten chinesischen Konzeptkünstlers Ai Weiwei statt. Der ist streitbar und hat sich nicht nur in der Kunstwelt sondern auch bei politich Denkenden einen Namen gemacht.

Es gab einigen Wirbel um den Künstler: Weil die chinesische Regierung nicht wollte, dass er zur Buchmesse kommt, weil er jüngst in München am Kopf operiert werden mußte, da chinesische Polizisten ihn mißhandelt hatten und weil er auch sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, die eigene Regierung (aber auch den westlichen Kapitalismus) zu kritisieren.

Ein speziell für Deutsche Besucher interessantes und sehr zurückhaltendes Exponat in der Münchener Ausstellung ist ein Teppich: Das exklusiv für diesen Anlaß gestaltete Kunstwerk trägt den Titel „Soft Ground“. Ai Weiwei beweist damit, wie genau er sein Umfeld beobachtet und wie sensibel er das Erleben in Kunst umsetzt. Der Wollteppich ist eine genaue Nachbildung des darunterliegenden Steinbodens des größten Raumes im Münchner Haus der Kunst, der aus insgesamt 969 Fliesen besteht. Adolf Hitler hatte seinerzeit darauf gedrungen, dafür anstatt italienischem Marmor deutschen Kalkstein zu verwenden. Der ist nicht so haltbar und die Jahrzehnte haben ihre Spuren hinterlassen.

Ai Weiwei hat jede Fliese fotografieren und in einer Weberei in der Provinz Hebei nach diesen Vorlagen einen 1:1-Teppich originalgetreu reproduzieren lassen – wie ein neuer, komfortabler doppelter Boden, der den alten, abgenutzten, überdeckt. In den kann man ob seiner Dicke leicht einsinken, kein Zufall also, dass man in der Auseinandersetzung mit diesem Werk tief in die deutsche Geschichte eindringen kann. Er regt zum Nachdenken über einen geschichtlichen Hintergrund an, der in Vergessenheit geraten war. All das mit einem hohen kunsthandwerklichen Aufwand, der vielen seiner Werke gemein ist.

Der Künstler nimmt Bezug auf das Haus der Kunst, weil das ursprünglich in Hitlers Namen für deutsche Kunstleistungsschauen erbaut wurde, und setzt es ins Verhältnis zu Chinas bewegter Geschichte, in deren Verlauf sich unter dem kaiserlichen Regime ein hochstehendes Handwerk und künstlerisches Wirken entwickeln konnte. Die Luxuriosität des weichen Teppichs scheint also zu trügen.Ein Nachdenkstück mit doppeltem Boden, wie es viele in der Ausstellung gibt.

Fotos mit Genehmigung des Haus der Kunst.

Web-Phenomäne: Domo-Kun, Herr Dankeschön

Wir hatten Tamagotchi, kleine eletronische Tierchen, die man hegen und pflegen und, wenn’s denn sein mußte, auf elektronischen Friedhöfen begraben konnte. Die Frage, was das alles soll, war ja auch damals schon nicht gestattet. Deshalb weiter im Text.

Im aktuellen "be street magazine" aus Frankreich bin ich zwischen all den Interviews und Portraits von Künstlern und Illustratoren auf eine Doppelseite mit Domo-Kun-Foto-Illustrationen gestoßen. 90% aller japanischen Schüler kennen Domo-Kun. Wie und warum er entstanden ist, kann ich auch nach mehrmaligem Nachlesen der Historie einfach nicht nachvollziehen. Ist auch egal. Viel Wesentlicher war, dass nachdem es die Animations-Serie im japanischen Sender NKH gab, das folgende Bild im Web kursierte und sich wie ein Lauffeuer verbreitete:

Ein neuer Mythos war geboren. Das braune Pendant zum gelben Sponge-Bob war losgelassen auf die Massen. Inzwischen ist der Hype weltumspannend. Es gibt 18 kurze Spots im japanischen Fernsehen, die der reine Kult sind. Wer von uns, der auf der Suche nach Sinn im Leben ist, der wissen will, wo wir herkommen und wo wir hingehen, mag da nicht verzweifeln?

 

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Angela Merkel als Piratin?

Beim Schlendern durch Recklinghausens Innenstadt bin ich gedanklich über ein Überbleibsel des Wahlkampfes gestolpert. Ich habe über das Plakat nachgedacht. Sollte der dortige Slogan "Wir haben die Kraft" die Verkürzung von "Wir haben die Hannelore Kraft (am Wickel)" heißen? Aber dann habe ich mir das Bild angesehen: Nachdem die NRW-CDU sich imagemäßig sozialer als die SPD gebärdet und grüner als die Grünen, schuckt sie da bald auch die Piraten-Partei? Ist das so gemeint?

Die absolute Super-Wahl

Wow, Wahl der Rekorde: Geringste Wahlbeteiligung (71,2%), geringstes Wahlergebnis der CDU seit dem Adenauer Start-Up, geringstes Wahlergebnis der SPD überhaupt. Höchstes von FDP, Linken, Grünen. Immerhin, keine große Koalition mehr. Achtungserfolg der Piratenpartei mit 1,9%. Ende der Langeweile?

Wie süß schmeckt die Rache?

Es ist angezapft. Die Stärke der Linken liegt in ihrer profilieren Gegenposition. Oskar Lafontaine und Gregor Gysi haben kaum mehr zu bieten als ein soziales Gewissen, das jedoch in Zeiten der Wirtschaftskrise Konjunktur hat. Fast ist es, als habe sich die SPD in zwei Parteien gespalten, die wieder zueinander finden und eine tragfähige politische Achse bilden könnten. Das Schreckgespenst von CDU und FDP.

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Entschlafen auf dem grünen Zweig?

Ist ja schön gemütlich in der grünen Oase. Sie haben sich komfortabel eingerichtet darin, von gut situierten Bürgern gewählt zu werden. Umweltgewissen hat Konjunktur. Renate Künast und Jürgen Trittin muß es nicht kratzen, dass richtige Sozialpolitik woanders gemacht wird. Wer überholen will, blickt aber wegen des toten Winkels lieber nochmal links über die Schulter. Sonst wäre die Unfallgefahr zu hoch. Oder man wartet, bis der Hintermann überholt hat.

Zweiter Genscher oder weiter im Text?

Endlich am Ziel, Guido Westerwelle? Lange Jahre um Genschers Anerkennung gekämpft, Möllemann überlebt, mit dem Guido-Mobil viel Benzin verbraucht, im Big-Brother-Container herumgelungert, futuristische Prozentwerte für das FDP-Wachstum verkündet. Und nun: Groß geworden und sooo kurz davor – aber auch frustriert über das Taktieren der Kanzlerin um den Machterhalt. Guido-Minister oder weiter strampeln?