Sie wollten nicht mehr in Turnhallen hausen – dagegen haben im März und April geflüchtete Menschen lang vor dem Bochumer Rathaus protestiert. Am vergangenen Dienstag sollten einige von ihnen umziehen, in eine Zeltstadt mitten im Nirgendwo. Nachdem die Stadt vor Wochen gemachte Zusagen nicht einhält, setzt sie nun auf Repression. Spätestens jetzt ist klar: Sie hat die Menschen – hart gesagt – schlicht verarscht. Ein Kommentar.
NSU-Ausschuss will Umfeld von Michael Berger hören
Eine Polizistin und zwei Polizisten hat der Neonazi und Waffennarr Michael Berger am 14. Juni 2000 getötet. Doch was für ein Mensch war er, wie war er der rechten Szene verbunden und in sie eingebunden? Damit befasst sich zurzeit der NSU-Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag. Nach der Aussage seines Neurologen und eines ehemaligen Staatsschutzbeamten am gestrigen Donnerstag werden heute ein mutmaßlicher Freund und die damalige Partnerin des Neonazis vor dem Gremium erwartet. Wir berichten von 10 Uhr an aus dem Landtag.
Verbesserungen zugesagt: Protestcamp in Bochum ist unterbrochen
Das Protestcamp von Geflüchteten vor dem Bochumer Rathaus ist, zumindest vorerst, zu Ende. In einem weiteren Gespräch mit den Protestierenden und dem Unterstützungskreis am gestrigen Mittwoch hat die Stadt Zusagen gemacht, die Bedingungen aller geflüchteten Menschen in Bochum zu verbessern.
„Protestcamp wird ausgesetzt und gerade abgebaut. Gespräch mit der Stadt gut verlaufen“, gab die Gruppe am Donnerstagmittag über Twitter bekannt. Zwei Wochen lang hatte dieses Camp zuvor auf dem Willy-Brand-Platz vor dem Bochumer Rathaus gestanden. Die Protestierenden hatten schnellere Asylverfahren, Sprach- und Integrationskurse und die Möglichkeit gefordert, Wohnungen und Arbeitsstellen zu suchen.
Die Zusage der letzten Woche, bis Ende des Monats 200 Menschen zu ermöglichen, ihren Asylantrag zu stellen, stockte die Stadt Bochum am Mittwoch auf 250 auf. Der erste Bus mit knapp 50 Personen startete nach Angaben eines Unterstützers am Donnerstagmorgen in Richtung Dortmund, wo das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Außenstelle betreibt. Eine weitere Außenstelle soll im Mai in Bochum geschaffen werden. Bis Oktober sollen alle in Bochum lebenden Geflüchteten ihren Asylantrag gestellt haben. Auch auf die Forderung nach Arbeitsmöglichkeiten reagierte die Stadt und will, durch die Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur, Bochumer Unternehmen und der Universität, verstärkt nach Wegen suchen, Arbeits- oder Studienplätze zu schaffen, berichteten die Protestierenden aus dem gestrigen Treffen.
Die Wohnungssuche soll erleichtert werden: „Refugees können ihre Wohnungen selber suchen! Allerdings sind Einzelfallprüfungen noch stets nötig. Die Verwaltung will flexibler mit den Regeln für die Wohnungsanmietung umgehen“, heißt es in der Erklärung des Camps. Auch Sprach- und Integrationskurse sollen ausgebaut werden.
Ob die Zusagen, geltendes Recht umzusetzen, eingehalten und wie sie konkret aussehen werden, wird sich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Darum bezeichnen die Protestierenden das Camp auch als unterbrochen, nicht als beendet. Auf der Facebook-Seite der Gruppe hieß es am Donnerstag aber auch: „Die Gesprächsrunden über wichtige Fragen gehen in den kommenden Tagen weiter. Denn die Lebensbedingungen, in die die Camp-Aktiven jetzt erst einmal zurückkehren werden, sind nach wie vor unerträglich.“
Hier die Erklärung des Protestcamps von Donnerstagnachmittag im Wortlaut:
Liebe Leute, wie ihr sicher gesehen oder gehört habt, haben wir das Protestcamp heute morgen abgebaut. Deswegen kommt unsere Erklärung zu den gestrigen Verhandlungen mit der Stadt erst jetzt. Hier nun endlich eine Zusammenfassung der Ergebnisse:
Es werden im April 5 Fahrten mit je 50 Refugees zum BAMF Dortmund stattfinden, damit die Asylanträge endlich gestellt werden können. Die erste Fahrt hat heute morgen bereits stattgefunden. Diejenigen, die bereits am längsten auf ihre Asylanträge warten, können diese nun als erstes stellen.
Ab Ende Mai soll die BAMF Aussenstelle in Bochum ihren Betrieb aufnehmen. Büros sind bereits angemietet, aber die Infrastruktur muss noch geschaffen werden. Bis Ende Oktober sollen alle Asylanträge in Bochum gestellt sein.
Eine Kooperation mit dem Arbeitsamt und verschiedenen Betrieben in Bochum (z.B. Bogestra, Krankenhäuser) ist bereits im Gange, um Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu schaffen. Mit der Universität wurde vereinbart, dass eine gemeinsame Studienberatung eingerichtet werden soll.
Die Stadt möchte Refugees als Multiplikatoren einstellen. D.h. diese sollen etwa als Kontaktpersonen in den Unterkünften fungieren, um auf Probleme besser aufmerksam machen zu können und Lösungen für solche zu finden.
Refugees können ihre Wohnungen selber suchen! Allerdings sind Einzelfallprüfungen noch stets nötig. Die Verwaltung will flexibler mit den Regeln für die Wohnungsanmietung umgehen. Sprachkurse und Integrationskurse werden ausgebaut.
Es gab auch Anfragen von Seiten der Stadt: Zu den oben genannten Fahrten zum BAMF wurde um Begleitung durch Ehrenamtliche gebeten. Das machen Tareq und Michael. Es gab auch die Anfrage von Seiten der Stadt, ob Ehrenamtliche, die im Umfeld der Unterkünfte aktiv sind, bereit wären, Listen der Bewohner zu erstellen, in denen etwa Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und Familiengröße aufgenommen werden. Dies soll dazu dienen, die Wohnungs- und Arbeitsvermittliung zielgerichteter durchführen zu können. In Bochum gibt es bisher keine Liste über die Dauer der Anwesenheit der Flüchtlinge in der Stadt. Es soll versucht werden, solch eine Liste zu erstellen.
Der nächste Termin für ein gemeinsames Gespräch mit den Refugees und der Stadt ist der 13.04. um 16:00.
Nun wollen wir hoffen, dass all diese begrüßenswerten Veränderungswünsche und -Zusagen auch entsprechend umgesetzt werden. Aus diesem Grund betrachten wir unser Camp als „unterbrochen“.
Zehn Jahre nach dem Mord an Mehmet Kubaşık – Versagen als Teil des Systems
Vor zehn Jahren wurde Mehmet Kubaşık in der Dortmunder Nordstadt erschossen. Verantwortlich für diesen Mord, neun weitere und mindestens zwei Bombenanschläge waren – so wurde erst Jahre später öffentlich bekannt – Neonazis um den „Nationalsozialistischen Untergrund“. Der NSU-Komplex offenbarte Strukturen in deutschen Sicherheitsbehörden, die mindestens in diesem Fall von Ignoranz, Vertuschen und Versäumen geprägt waren – und er offenbarte, dass es für Rassismus in einer Gesellschaft keine Nazis braucht. In Dortmund wird heute der Opfer des NSU gedacht.
Protest von Geflüchteten in Bochum: Weiter kein Erfolg bei der Stadt
Seit mehr als einer Woche protestieren Geflüchtete vor dem Bochumer Rathaus gegen die lange Dauer ihrer Asylverfahren und ihre Unterbringung. Sie fordern zudem den Zugang zu Sprach- und Integrationskursen, ein Recht auf Arbeit und Wohnungen. Für heute Nachmittag ruft die Gruppe zu einer Kundgebung und öffentlichen Diskussion auf.
„Den Protestierenden wird seit vielen Monaten verwehrt, überhaupt ihren Antrag zu stellen: Sie bekommen einfach keinen Termin“, heißt es im Aufruf zur Kundgebung. „Stattdessen müssen sie jetzt schon bis zu neun Monate lang unter sehr schlechten Bedingungen in viel zu eng belegten Notunterkünften ausharren“. Einen Anspruch, einen Integrationskurs zu besuchen, zu arbeiten oder zu studieren oder sich eine Wohnung zu suchen, um aus den Notunterkünften herauszukommen, hätten sie dagegen nicht. Allein rund 1.200 Geflüchtete sind in Bochum in Turnhallen untergebracht, viele warten seit neun Monaten auf einen Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und appellieren an die Stadt, Zuständigkeiten zu klären und sich für die Beschleunigung der Verfahren einzusetzen.
NSU-Ausschuss lädt Staatsschützerin und Waffenexperten
In seiner letzten öffentlichen März-Sitzung befasst sich der NSU-Untersuchungausschuss im nordrhein-westfälischen Landtag heute noch einmal mit der Ermordung des Dortmunder Geschäftsmannes Mehmet Kubaşık. Nachdem die öffentliche Aussage eines Dortmunder Neonazis vor zwei Wochen stärker von dessen Selbstinszenierung als von tatsächlichen Erkenntnissen geprägt war, dürften heute wieder Inhalte im Vordergrund stehen. Geladen sind eine ehemalige Mitarbeiterin der Staatsschutz-Abteilung der Dortmunder Polizei, die in die Ermittlungen eingebunden war, und ein Waffen-Sachverständiger des Bundeskriminalamtes.
V-Mann spricht im NSU-Untersuchungsausschuss – aber nicht heute
Mit Toni Stadler hätte heute der erste V-Mann öffentlich im NSU-Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages aussagen sollen. Daraus wird zumindest heute nichts: Der Zeuge hat sich krank gemeldet. Ein weiterer ehemaliger Staatsschutz-Mitarbeiter ist damit der einzige Zeuge am heutigen Donnerstag.
NSU-Mord in Dortmund ist Thema im Untersuchungsausschuss
Von Mittwoch, 13. Januar, an behandelt der Parlamentarische Untersuchungsauschuss des NRW-Landtages den Mord des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrundes an Mehmet Kubaşık. Neben der Ehefrau und der Tochter des am 4. April 2006 von Neonazis Ermordeten werden in den nächsten Wochen an den Ermittlungen Beteiligte aus Polizei und Staatsanwaltschaft, Zeuginnen, Zeugen und weitere Sachverständige gehört. Die Ruhrbarone werden aus dem Untersuchungsausschuss berichten.
Drehscheibe ab 14. Dezember – ein zweites #trainofhope?
Dass es passiert, war seit einigen Tagen klar, das Wann und Wie steht erst jetzt offiziell fest: Dortmund wird vom 14. Dezember an wieder sogenannte Drehscheibe für Geflüchtete. Statt wie im September den Hauptbahnhof und das Dietrich-Keuning-Haus als Schleusungspunkt zu verwenden, werden die Menschen nun in der Nähe des Stadions ankommen und von dort aus weitergeleitet. Und auch Essen wird eine „Drehscheibe“ einrichten.
„Am Bahnhof ‚Signal Iduna Park‘ werden die IC und ICE Züge anhalten, um die Asylsuchenden in die vorübergehende Obhut der Dortmunder Einsatzkräfte zu übergeben“, so eine Pressemitteilung der Stadt Dortmund von Donnerstag. Auf dem Parkplatz E3 sollen Leichtbauhallen für eine kurze Pause aufgebaut werden, danach, so das Konzept, geht es für die Geflüchteten mit einem Lunchpaket weiter in die für rund 1000 Menschen ausgelegte Unterkunft nach Selm-Bork. Von dort aus werden die Menschen nach Münster-Greven gefahren, wo der formale Akt der Registrierung abgeschlossen wird. Die Erstaufnahmeeinrichtung, die seit einigen Wochen ihre Erstanlaufstelle am Westfalenpark eingerichtet hat, soll nach jetzigen Planungen nicht eingebunden werden.
Köln, Düsseldorf, Essen und Dortmund werden sich abwechseln, sodass Dortmund nur alle vier Tage dran ist. „Mit den sehr einvernehmlich getroffenen Vereinbarungen kann Dortmund gut leben“, teilt die Stadt mit.
Schon im September waren in Dortmund mehrere Tausend Geflüchtete innerhalb weniger Tage in Dortmund angekommen, im Dietrich-Keuning-Haus in der Nordstadt erstversorgt und dann in NRW verteilt worden. Unter dem Label „Train of Hope“ war eine enorme Bewegung zivilgesellschaftlichen Engagements sichtbar geworden, die das stadtoffizielle Geschehen – auch kritisch – begleitet hatte. Freiwillige hatten zum Beispiel eine Kleiderkammer eingerichtet, Lebensmittelspenden und grundlegenden Bedarf an die Ankommenden verteilt.
Der Standort „Signal-Iduna-Park“ erleichtert den reibungslosen Ablauf der „Drehscheibe“. Immer wieder waren gerade in den ersten Tagen Gleise gesperrt worden, Hunderte Menschen hatten die Geflüchteten, die über München nach Dortmund gekommen waren, im Hauptbahnhof willkommen geheißen. Im Dietrich-Keuning-Haus hatte fast zwei Wochen lang der übliche Betrieb brachgelegen, um den Menschen eine Verschnaufpause zu ermöglichen.
Die Pläne der Stadt lesen sich jetzt anders. Der Aufenthalt der Flüchtlinge an der Dortmunder Drehscheibe soll sehr kurz sein, „um Sanitäreinrichtungen zu besuchen“. Das klingt nach einem sehr durchtakteten Ablauf. Ob für Menschen Platz sein wird, die weiter Unterstützung leisten wollen, wird sich zeigen. Die Bahn-Haltestelle am Stadion ist abseits der Innenstadt und erfährt weniger Öffentlichkeit als der Hauptbahnhof. Das dürfte die Hemmschwelle für Helferinnen und Helfer erhöhen. Ob die Helfenden vom September bei einem derart kurzen Aufenthalt, wie er nun in Dortmund geplant ist, überhaupt Handlungsspielraum haben werden, ist ebenfalls unklar. Beim letzten Mal hatte die Stadt jegliche zivilgesellschaftliche Unterstützung über institutionelles Ehrenamt hinaus zunächst klar abgelehnt.
Dortmund: Über 500 Menschen bei Demonstration für Geflüchtete
Rund 550 Menschen haben am Samstag in Dortmund für Solidarität mit Geflüchteten demonstriert. Insgesamt elf antirassistische, antifaschistische und andere Gruppen hatten dazu aufgerufen.
Unterschiedliche Redebeiträge befassten sich mit Aspekten, mit denen geflüchtete Menschen tagtäglich zu tun haben: rassistische Ausschreitungen, Angriffe und Anschläge auf Unterkünfte und Wohnungen, rassistisch motivierte Polizeikontrollen, Abschiebungen oder die Asylrechtsverschärfung durch eine Bundesregierung, die sich erst für ihre „Willkommenskultur“ feiern ließ und vor zwei Wochen dann Grenzkontrollen einführte. Zwei Menschen, die aus Pakistan und Guinea geflüchtet waren, berichteten von ihrem Weg nach Deutschland und davon, wie mit ihnen in Deutschland umgegangen wird. „Die deutsche Polizei hat mir gezeigt, dass sie zu Rassismus und Brutalität fähig ist“, war das bittere Fazit eines der beiden.
Andere Beiträge befassten sich mit der Selbstorganisation von Geflüchteten auf dem Weg nach Europa, aber auch mit verschiedenen Gruppen, die sie unterstützen, wenn sie es geschafft haben. Zu ihnen gehören karitative Organisationen, Kirchengemeinden, die in Dortmund in diesem Sommer zum ersten Mal seit 15 Jahren Kirchenasyl gewährt haben, oder eben Initiativen, die die politischen und gesellschaftlichen Zustände kritisieren. „Wir werden erst wirksam und sichtbar, wenn wir helfen und gleichzeitig politische Forderungen stellen“, hieß es in einem Beitrag.