Der Kandidat von morgen und eine Rede von gestern

schwarz-rot-goldenes Laschet-Buch

Armin Laschet gilt als Zukunftshoffnung der NRW-CDU. Morgen tritt er gegen Karl-Josef Laumann für den Fraktionsvorsitz der CDU an. Vor gut 20 Jahren aber veröffentlichte der Aachener ein zweifelhaftes Buch über eine skandalöse Rede

Armin Laschet ist auf dem Sprung. Der 49-jährige Christdemokrat wird nach dem Zusammenbruch der Rüttgers-CDU in Nordrhein-Westfalen hoch gehandelt. In der Presse gilt er als „Vertreter der Großstadt-CDU“ („FAZ“), als „Modernisierer“ („Spiegel“). Die Christdemokraten seien dank Integrationsminister Laschet „im Einwanderungsland Deutschland angekommen“, lobte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann in der „taz“. Ausländerfreundlich, offen, modern – der Katholik und ehemalige Journalist scheint bei seinem Aufstieg kaum noch aufzuhalten.
Wer ist dieser Armin Laschet, der sich so geschickt als besserer, mitfühlender Konservativer darzustellen versteht? Was sind seine politischen Wurzeln und Grundüberzeugungen? Aufschluss darüber kann unter anderem ein schmales Büchlein aus dem Jahr 1989 geben. Gemeinsam mit dem Autor Heinz Malangré gab Laschet den Band „Philipp Jenninger – Rede und Reaktion“ heraus -in einer Schriftenreihe des „Rheinischen Merkur – Christ und Welt“.
Jenninger? Da war doch was? Der damalige CDU-Präsident des Deutschen Bundestags löste am 10. November 1988 mit seiner Rede bei der offiziellen Gedenkfeier zum damaligen 50. Jahrestag der Kristallnacht/Reichspogromnacht einen Skandal aus. In einem eigentümlich buchhalterisch-hobbyhistorischen Stil referierte Jenninger in kühlem Tonfall über die Jahre 1933 bis 1938. Er bezeichnete die „Erfolge“ von Adolf Hitler als ein „Faszinosum“. Und „was die Juden anging“, fragte Jenninger, ob sie „sich nicht doch eine Rolle angemaßt hatten, die ihnen nicht zukam“, ob sie es „nicht vielleicht sogar verdient hatten, in ihre Schranken gewiesen zu werden“. Abgeordnete von SPD und Grünen verließen aus Protest gegen Jenningers Rede den Sitzungssaal. Die Weltöffentlichkeit reagierte irritiert bis empört. Jenninger trat zurück und machte alles noch schlimmer, als er in einem ARD-Interview beleidigt sagte: „Man muss daraus lernen, nicht alles darf man beim Namen nennen in Deutschland.“ Im übrigen sei er missverstanden wollen.
So weit, so schlecht. Jenningers Rede ist als Teil der neokonservativen, revisionistischen 80er-Jahre-Debatte in die Geschichte der Vergangenheitspolitik eingegangen. Im Windschatten des Historikerstreits, in dessen Zuge rechte Gelehrte und Publizisten die Besonderheit der Shoa anzweifelten, war die Rede ein weiteres Beispiel für einen Diskurs, der böse Nazis sorgsam von „verführten“ Deutschen trennte und die Mitläufer und Mittäter entlastete. Auf dem langen Weg der Selbstzuschreibung der Deutschen als Unbeteiligte und indirekten Opfer der Nazis (durch Bombennächte und Vertreibung) war Jenningers Vortrag ein wichtiger Meilenstein.
Und Laschet? Bei dem gemeinsam mit Malangré herausgebenen Büchlein – im schwarz-rot-goldenen Design übrigens  – sollte es sich nach Angaben aus dem Vorwort nicht um ein „Rechtfertigungswerk“ für Jenninger handeln. Dennoch ist der gesamte Tonfall des Werks apologetisch. Im Vorwort weisen die Herausgeber sogleich darauf hin, dass Jenninger „mehrfach den Staat Israel besuchte und seine Solidarität bekundete“. Zerknirscht fragen sich die Herausgeber, wie Jenninger „so gründlich mißverstanden werden konnte“. Der Wortlaut der Rede sei vielen gar nicht bekannt, jammern Laschet und Malangré. Die Reaktion auf die Rede in Italien sei zunächst von „unerbittlicher Härte“ gewesen – eine im Zusammenhang mit den Nazi-Verbrechen bedenkliche Wortwahl, auch wenn Italiens Gazzetten Jenninger besonders harsch attackiert hatten. Als ultimative Rechtfertigung drucken die Herausgeber seitenlang zahlreiche lobende-rechtfertigende Briefe an Jenninger ab. Etliche Briefe stammen von emigierten Juden und anonymen Sozialdemokraten – wer will da nicht widersprechen? Die Herausgeber „verbürgen“ sich dafür, dass die Auswahl der abgedruckten Pro-Jenninger-Briefe repräsentativ ist für die insgesamt etwa 10 000 Zuschriften, mit denen Jenninger „überschwemmt“ worden sei.
Nach der Lektüre des Bandes bleiben viele Fragen. Warum hat Laschet dieses Buch herausgegeben? Damals war er offenbar noch kein „linker“ CDUler. Laschet arbeitete nach Angaben auf dem Buchumschlag zu dieser Zeit als „wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Bundestag in Bonn“ und hat die Aufregung um Jenninger hautnah miterlebt. Das Buch wirft Fragen über den jungen politischen Menschen Armin Laschet auf. Er hat auf knapp 150 Seiten eine fragwürdige Reinwaschung einer skandalösen Rede veröffentlicht. Vielleicht schämt sich Laschet heute für dieses Werk und es ist eine Jugendsünde. In jedem Fall zeigt das Buch Brüche im Leben des möglichen künftigen CDU-Fraktionschefs.

Ein heißer Schlitten für den Ex

Rüttgers A8-Dienstwagen - dick und umweltschädlich

Der abgewählte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will weiter über dem Rhein thronen. Auch nach seiner geplanten Abwahl Mitte Juli will der Christdemokrat für eine volle Legislaturperiode sein Büro in der gläsernen Staatskanzlei, seine Sekretärin, Fahrer, Wagen und einen Referenten erhalten. Dies sei „so üblich“, heißt es aus der Staatskanzlei.

Allerdings schafft der sich gerne mit Sozialthemen schmückende Christdemokrat Rüttgers einen Präzedenzfall: Seine Vorgänger allerdings waren nicht unbedingt bescheiden. Aber sie sind entweder nach Berlin abgehauen, wie Peer Steinbrück und Wolfgang Clement, die beide Bundesminister mit noch größeren Privilegien und Mitarbeiterstäben wurden. Der langjährige Regierungschef Johannes Rau konnte nach seiner Ablösung durch Clement als Bundestagspräsident seine Rentenzeit verbringen. Die CDU kündigte nun an, mit der SPD über „allgemeine Regeln“ zu besprechen. Bislang hat laut SPD noch kein Gespräch statt gefunden, aber der Ministerpräsident hätte „diesen Wunsch“ geäußert. Die wahrscheinlich zukünftige Regierungspartei will dieses Anliegen nun prüfen, so ein Sprecher.

In Bayern gibt es diese schon lange. Im so genannten „Ministergesetz“ steht geschrieben: „Für Tätigkeiten und Aufgaben, die von einem ehemaligen MP im Zusammenhang mit seinem früheren Amtsverhältnis wahrgenommen werden, können Einrichtungen und Personal nach Maßgabe des Haushalts zur Verfügung gestellt werden.“ Dies sei eine sinnvolle Regelung, sagt der Sprecher der bayerischen Staatskanzlei, Rainer Riedel. „Die Idee ist, dass ein Landeschef auch nach seiner Amtszeit zum Beispiel noch Briefe von Bürgern beantworten oder internationale Kontakte pflegen muss“, so Riedel. Allerdings hänge dieser Aufwand von der Amtszeit ab. So verfüge Edmund Stoiber, der mehr als zehn Jahre lang den Freistaat regierte, auch heute noch über einen größeren Mitarbeiterstab als zum Beispiel Günther Beckstein, der den Job nur ein Jahr inne hatte.

Im Unterschied zu Stoiber ist Rüttgers aber weiterhin Abgeordneter des Düsseldorfer Landtages und ihm stehen dort ohnehin Mitarbeiter und ein Büro zu. Einen Dienstwagen hat er als einfaches Fraktionsmitglied aber natürlich nicht. Und bescheiden war Rüttgers bei seiner Autowahl ohnehin noch nie: Laut der Deutschen Umwelthilfe fährt er nach dem inzwischen zurückgetrenen Parteifreund Roland Koch unter den Ministerpräsidenten den Dienstwagen mit dem höchsten CO2-Ausstoß: 324 Gramm pro Kilometer stößt sein Audi aus. Dreimal so viel wie ein durchschnittliches Familienauto.

Pommes gegen Pizza-Connection

lieber Pommes als Salat: Sozial-CDUler Laumann

Um den Vorsitz der CDU-Fraktion wird es zu einem Duell kommen: Sowohl NRW-Integrationsminister Armin Laschet als auch Sozialminister Karl-Josef Laumann wollen am 6. Juli für den Vorsitz kandidieren. Bislang hatte es in der CDU immer geheißen, ein Duell solle vermieden werden. Nun treten die beiden gegensätzlichen Charaktere offenbar beide an

„Ich nehm eine doppelte Pommes, sonst nix“. Wenn der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann in der ansonsten salatdominierten Kantine des Düsseldorfer Landtags zu Mittag isst, wird es zünftig. Der 52-Jährige unterhält jede Runde mit seinen manchmal zotigen Sprüchen. „Das wird ein ganz knappes Höschen“, sagte er am Wahlabend zu den ersten Hochrechnungen. DerWestfale kämpft ansonsten für den Arbeitnehmerflügel der CDU, für Mindestlöhne und verbesserte Hartz-IV-Regeln.Er gilt als Vertrauter von Rüttgers. Je nachdem wie groß die Sehnsucht nach einem Neuanfang ist könnte ihm dies auch schaden.

Kinderfreund und Pizza-Fan: Armin Laschet

Der Rheinländer Armin Laschet ist hingegen ein eher verkopfter Jurist, der sich als einer der ersten in der CDU um Migranten als Wähler und Bürger kümmerte. Er gehörte zur legendären Pizza-Connection, einer Gruppe von jungen Politikern von Grünen und CDU, die sich in Bonn-Kessenich bei einem Italiener zum Essen trafen. Dieses neue Bündnis wird in Zukunft sicherlich eine größere Rolle spielen. Für sein freundliches Werben um Deutschtürken erhielt Laschet auf Parteitagen aber oftmals ungnädiges Raunen. Die CDU im Westen ist eben immer noch im konservativen Sauer- und Münsterland am stärksten. Deshalb werden Laumann die größeren Chancen eingeräumt.

Keine Chance bei der CDU haben wie immer weibliche Kandidatinnen. Die Partei hatte schon Schwierigkeiten, in ihre Sondierungskommission für die letztendlich gescheiterte Große Koalition Frauen zu entsenden. Bei einem Regieurngsduo aus Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) könnte diese schwarze Männerriege ganz schön alt aussehen.

Das Ende der Mini-Monarchen

Die letzten Mini-Monarchen im Land: Rüttgers und Rau

Wenn SPD und Grüne an Rhein und Ruhr ihren Minderheitsvertrag stricken, steigt bei vielen Menschen der Adrenalinspiegel, ihr Atem wird flach, der Körper bereitet sich auf die Flucht vor. Das Neue verbreitet oftmals Angst. Und doch kann die nach vielen ratlosen Wochen in Nordrhein-Westfalen gefundene Lösung schon bald ihren Schrecken verlieren. Sie ist viel mehr ein Projekt der Zukunft.

Die künftige Regierung ohne eigene Mehrheit könnte die Zukunft in einem politische System sein, das von mehr als zwei Volksparteien getragen wird. Mindestens fünf Parteien tummeln sich künftig in den Parlamenten in Ländern und in Berlin. Nur selten werden zwei von ihnen ausreichende Mehrheiten finden können. Schon allein strategisch ist die Minderheitsregierung also eine kluge Option. Weil die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft bei ihrer Wahl nur eine Stimme der Linken benötigt und schon im zweiten Wahlgang mit einer Enthaltung der linken Fraktion an die Macht käme, ist ihre Ernennung so gut wie sicher.

Aber vor allem ist die Minderheitsregierung ein gutes inhaltliches Projekt. Die umfassenden Sondierungen in Nordrhein-Westfalen zwischen SPD und allen anderen vier Parteien hat bewiesen, dass alle Parteien gemeinsame Ideen verfechten. So könnten sich SPD und CDU auf eine Linie bei Schulessen und besserer Finanzierung von Gemeinden einigen. Mit der FDP lagen sie beim längeren gemeinsamen Lernen auf einer Linie, mit den Linken wollen sie die Studiengebühren abschaffen und den Mitarbeitern mehr Einfluss in ihrem Job verschaffen. Zudem saßen sich die über lange Jahre sprachlosen Parlamentarier nun erstmals bei Kaffee und Keksen gegenüber. So wäre es lächerlich in Zukunft jedes Gesetz der rot-grünen NRW-Regierung abzuschmettern. Wer sondiert, sieht auch Gemeinsamkeiten. Öffentlich hat so die CDU von vielen Übereinstimmungen gesprochen, auch die FDP fand „Anknüpfungspunkte“. Schon deshalb sollten sie diese Einsichten in den Plenarsaal retten und für gemeinsame Gesetze stimmen.

Dass nun CDU und FDP nun trotzdem mit angstgeschwollenen Adern vor unsicheren Zeiten und wackeligen Regierungen warnen ist blanker Unsinn. Erstens zeigt die abgehalfterte schwarz-gelbe Bundesregierung täglich aufs Neue, dass auch eine Wunschkoalition kein getreuliches Bündnis ist. Nichts beweist, dass dieses Bündnis in den tatsächlich herrschen Krisen des Kapitalismus, der Eurozone und der Schuldenberge tatsächlich erfolgreicher handelt als es neue zu findende Mehrheiten im Parlament vermochten. Zweitens hat eine große Überlegenheit Parteien häufig selbstverliebt und das Land korrupt gemacht. Nur im Ein-Parteien-Land Bayern waren Amigo-Affären möglich, nur im jahrzehntelang SPD-regierten Nordrhein-Westfalen war der Filz in allen Ämtern, auf jeder öffentlichen Baustelle klebrig dick aufgetragen. Es ist gut, wenn diese Klein-Monarchen Macht abgeben und sich künftig für jedes Gesetz neu ihre Mehrheiten suchen müssen.

Und für die Bürgerinnen und Bürger ist das neue Parlament eine demokratische Wohltat. Wenn Koalitionen weniger entscheidend werden als die Programme, werden sie weniger strategisch wählen. Wer künftig das CDU-Programm will, wird nicht mehr die FDP wählen, nur um ein schwarz-gelbes Bündnis wahrscheinlicher zu machen. Künftig zählen die Mehrheiten für ein Gesetz, für eine Idee und eine Person. Und das ist doch sehr beruhigend.



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Staatsrechtler rügt Lammert-Wahlverein

Unschulds-Lammert und Bundespräsi

Elmar Goerden wurde unfreiwillig zum Wahlkämpfer der CDU. „Die Wählerinitiative von Norbert Lammert wurde mir in einem Brief ausdrücklich als überparteiliches Sprachrohr beschrieben“, so der Intendant des Bochumer Schauspielhauses. Er hätte niemals für eine CDU-Initiative geworben. „Das ist nicht meine Partei,“ so Goerden zur Frankfurter Rundschau. Der Theaterchef war einer von vielen Unterstützern der Initiative „Bochumer für Norbert Lammert“ im Bundestagswahlkampf 2009. Die angeblich unabhängige Initiative für den Bundestagspräsidenten wurde von der CDU finanziert und organisiert.

Unabhängig von Goerdens Einwänden hat Lammerts Parlaments-Vize Wolfgang Thierse die Initiaitive für spendenrechtlich unbedenklich erklärt: Der SPDler bescheinigt Lammerts Wählerinitiative, rechtmäßig zu sein. „Die finanzielle und logistische Unterstützung der Initiative ist als eine zulässige Wahlkampfausgabe der CDU zu verstehen“, so Wolfgang Thierse. Der Grad der Unabhängigkeit der Initiative sei aber nicht erheblich für die Prüfung gewesen.

Für den Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok ist aber auch diese Frage entscheidend. „Es ist rechtlich zweifelhaft, ob diese Initiative sich unabhängig nennen durfte“, so Morlok. Nach dem Parteiengesetz müssen Parteien im Wahlkampf unter ihrem eigenen Namen auftreten. „Es gibt ein Gebot der Wahrheit und Klarheit, das hier möglicherweise verletzt wurde.“ Wenn die CDU im Rechenschaftsbericht die Initiative als eigen anerkennt, hätte sie auch die Flagge der Partei hissen müssen. Morlok würde es begrüßen, wenn die Prüfung der Rechenschaftsberichte der Parteien künftig vom Bundesrechnungshof übernommen würde. „Das würde viel Vertrauen schaffen“, so der Rechtswissenschaftler. Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes genössen richterliche Unabhängigkeit, während die Beamten des Bundestages versetzt oder angewiesen werden können.

Eine Forderung, die Lammert immer wieder selbst erhoben hat. „Im Unterschied zu manchen Kolleginnen und Kollegen vertrete ich seit Jahren die Auffassung, dass diese Aufgabe nicht vom Bundestagspräsidenten , sondern von einer unabhängigen Instanz jenseits von Parlament und Regierung wahrgenommen werden soll“, so Lammert zu den Ruhrbaronen. Das abgeschlossene Verfahren bezüglich der Wählerinitiative wolle er aber nicht kommentieren. Er hoffe aber, dass „auch in Zukunft Wählerinnen und Wähler sich zu einem besonderen Engagement für Kandidaten unabhängig von ihrer parteipolitischen Bindung finden.

Auch der Grüne Volker Beck fordert einen Systemwechsel. „Der Fall Lammert hat letztlich doch verdeutlicht, wie notwendig eine Reform des Parteiengesetzes ist“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen zur FR. Die Übertragung der Überprüfung auf Thierse habe in einem rechtlichen Graubereich statt gefunden, der dringend aufgehellt werden sollte. „Das Parteiengesetz hat für diesen Fall der Übertragung nicht vorgesorgt,“ so Beck. Lammert ist qua Amt der oberste Prüfer aller Parteienfinanzen und konnte sich nicht selbst überprüfen. Auch sein Vertreter Thierse allerdings gehört einer Partei an, die in den vergangenen Wahlkämpfen ebenfalls einige Wählerinitiativen organisiert hatte. Vergleiche zwischen ähnlichen Projekten seien aber „nicht Teil der Prüfung gewesen“ und können insofern nicht beantwortet werden, so Thierse. Wählerinitiativen sind immer wieder strittige Versuche von Parteien, ihren Wahlkampf mit angeblich parteiunabhängigen Personen zu schmücken. Auch für Lammert warben Personen, die in seiner Heimatstadt bekannt sind – Professoren, der Dirigent des Orchesters und eben Intendant Goerden. Sie alle wurden in einem Werbebrief aufgefordert, sich der Initiative anzuschließen. Verschickt und bezahlt wurde der Brief von der Bochumer CDU – die Partei selbst ist auf dem zweiseitigen Papier aber mit keinem Wort erwähnt. Die Initiative für den Christdemokraten Lammert wird ausdrücklich als „überparteiliches Sprachrohr“ beschrieben für einen Mann mit „fundiertem politischem Urteil“ der eines der höchsten Staatsämter „souverän und überzeugend führt.“

CDU glaubt an Kraft-Wahl

Hannelore Kraft beim SPD-Landesparteitag im Februar 2010
Hannelore im Februar 2010 - jetzt glaubt selbst die CDU an sie als Chefin

Selbst ihr größter Konkurrent glaubt an eine SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Auch der zukünftige CDU-Fraktionschef wird Kraft Mitte Juli bei der Wahl zur Ministerpräsidentin nicht herausfordern. „Wir gehen davon aus, dass Kraft gewählt wird“, sagt ein CDU-Sprecher. Deshalb werde der voraussichtlich am 6. Juli gewählte neue Fraktionsführer sich im Landtag nicht der Spitzengenossin entgegen stellen. Schließlich wäre die Blamage ein schlechter Start.

So sicher wie die CDU scheint sich die SPD über ihre Machtchancen aber nicht zu sein. Zwar beginnen am heutigen Dienstagnachmittag SPD und Grüne ihre Koalitionsverhandlungen, schon in zwei Wochen soll der Vertrag stehen. Die als vorsichtig geltende Ökonomin Kraft soll durchaus ängstlich sein, ihr könne dasselbe Schicksal widerfahren wie den Parteifreundinnen Andrea Ypsilanti und Heide Simonis. Die Hessin Ypsilanti konnte erst gar nicht eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung bilden, weil vier Genossen schon vorher ihre Zustimmung verweigerten. Die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis war vor fünf Jahren durch alle vier Wahlgänge an einem anonymen Neinsager gescheitert.

Krafts 67-köpfige Fraktion steht offenbar hinter der 49-Jährigen. Bislang soll kein Abgeordneter Bedenken gegen das Experiment angemeldet haben. Andererseits sind die Parlamentarier auch schwer einzuschätzen: Fast die Hälfte von ihnen zog neu in den Düsseldorfer Landtag ein. Einzelgespräche soll Kraft aber bislang noch nicht geführt haben.

Allerdings ist Kraft in einer viel komfortableren Situation als einst Simonis oder Ypsilanti. Rot-Grün hat im Düsseldorfer Landtag zehn Sitze mehr als die abgewählte schwarz-gelbe Regierung und schon eine Enthaltung der Linken würde sie schon im zweiten Wahlgang ins Amt der Ministerpräsidentin hieven. Ohnehin wollen die Linken Krafts Wahl „nicht im Wege stehen“, heißt es unisono an der Parteispitze. Allerdings kann auch die elfköpfige Fraktion ihre Geduld verlieren: „Diese ewige Anti-Linke Kampagne von SPD und Grünen ist unerträglich“, so der Abgeordnete Sagel. „Die tun immer noch so, als bräuchten sie uns nicht.“ „Wir warten zunächst einmal die Ergebnisse der Koalitionsgespräche ab“, droht Sagel. Zukünftig wird der Ex-Grüne finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion sein und damit eine Schlüsselposition inne haben. Schließlich würde eine zukünftige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für die Verabschiedung eines Haushaltes im Herbst auf die Stimmen der Linken angewiesen sein.

Tatsächlich hat sich der scharfe Ton im linken Lager seit dem schnellen Ende der rot-rot-grünen Sondierungen vor knapp vier Wochen kaum gemildert. Damals diskutierten die drei Parteien stundenlang über das Geschichts- und DDR-Verständnis der Linken und gingen unversöhnlich auseinander. Auch in den vergangenen Tagen bezeichneten die Grünen die Linken als „Postkommunisten“, die SPD sprach von „regierungsunfähigen Abgeordneten.“

Intern ist dies wohl eine Strategie, der zu erwartenden Schelte eines „linksextremistischen Bündnisses“ von konservativen Medien zu entgehen. Auch deshalb setzt Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen offiziell auf die unwahrscheinliche Unterstützung aus den Reihen von CDU und FDP. „Bei vielen Themen gibt es viel größere Schnittmengen als die Fraktionsdisziplin nach außen erscheinen lässt“, sagte SPD-Generalsekretär Michael Groschek. Sein Werben wurde von der FDP umgehend zurück gewiesen. „Die FDP wird einer solch bizarren Einladung nicht folgen“, sagte der nordrhein-westfälische FDP-Generalsekretär Joachim Stamp. Was nach zwei erfolgten Sondierungsgesprächen an gemeinsamen Gesetzen bizarr sein soll erklärte Stamp nicht.

So ist abzusehen dass die meisten Gesetze mit Unterstützung der Linken verabschiedet werden. Denn inhaltlich gibt es weit weniger Konfliktpunkte, als die gegenseitige Häme nahe legt. Die Abschaffung der Studiengebühren, mehr Mitbestimmung für Landesangestellte und das Ende der Privatisierungen von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen wie der Stadtwerke sind Konsens in dem unfreiwilligen Trio. Auch deshalb wohl sieht die CDU kaum Chancen, die Minderheitsregierung unter Kraft mit einem eigenen Kandidaten noch aufhalten zu können.

Die Chef-Oppositionellen

Am heutigen Dienstagmorgen tagt die CDU-Fraktion. Ein Thema wird auch die Wahl des zukünftigen Fraktionschefs sein, die am 6. Juli statt findet. Noch-Landeschef Jürgen Rüttgers hatte am Wochenende seinen Verzicht bekannt gegeben. Drei Männer wollen gerne die 67 dann oppositionellen CDU-Abgeordneten führen: NRW-Integrationsminister Armin Laschet gilt als neues „Wohlfühl-Gesicht“ der CDU. Er erneuerte die antiquierte Migrationspolitik der CDU und wäre für potentielle schwarz-grüne Bündnisse der Richtige. CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid ist langjähriger Parteistratege. Seine Nähe zum Wahlverlierer Rüttgers könnte ihm jetzt allerdings schaden.

Der Dritte im Bunde, der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann, ist das soziale Gewissen der Union. Der gesellige Münsterländer wird von Rüttgers gestützt – schließlich gilt er als reiner Platzhalter ohne Ambitionen auf höhere Ämter. Das würde Rüttgers im Spiel halten.

Die Hydra aus Düsseldorf

Verblühende rotgelbgrüne Tulpe
Die neueste Hyra ist rot wie Kraft, grün wie Löhrmann und gelb wie Pinkwart

In der Landeshauptstadt wächst das vielköpfige Ungeheuer: So wie der griechischen Sagengestalt ein abgeschlagener Kopf zwei neue Häupter beschert, erhält die SPD nach jeder gescheiterten Sondierungsrunde neue Angebote. Heute probieren FDP, Grüne und SPD die Ampel. Sollte das inhaltlich völlig konträre Trio scheitern, steht wieder die Groß-Koalition auf dem Plan. Oder die Tolerierung durch die Linkspartei. Das wäre die inhaltlich und demokratisch beste Option – für jedes Gesetz müsste eine Mehrheit im Landtag erkämpft werden. Und angeblich geht es ja allen um „die Inhalte“

Unrealistisch scheint diese Option nicht. Zwar sind SPD. Grüne und Linke vor knapp zwei Wochen persönlich zerstritten auseinander gegangen. Aber bei inhaltlichen Ziele wie der Abschaffung der Studiengebühren, dem längeren gemeinsamen Lernen und finanzielle Hilfen für die Kommunen ist das Trio sich einig. Und Kraft könnte sich in geheimer Wahl mit den Stimmen der Linken wählen lassen – sie benötigt nur eine Stimme des fremden Lagers. Das ist vielversprechender als die Große Koalition mit der CDU, die auf ihren Vorzeige-Verlierer MP Jürgen Rüttgers nicht verzichten will.

Das weiß auch die SPD. Und könnte sich tolerieren lassen. „Als letzte Option vor Neuwahlen würden wir natürlich auch diese Karte ziehen“, heißt es aus dem SPD-Landesvorstand. Zwar hat Hannelore Kraft immer gesagt, dieses „große Land kann auf Dauer nicht so geführt“ werden. Aber nach dem politischen Wechselbad kalkulieren die Genossen langfristig: „Sollte es zu keinen Koalitionsverhandlungen kommen und CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers geschäftsführend weiter regieren, wird sich Kraft zur Wahl stellen.“ Dies sei auch mit Blick auf die dann gewonnene Bundesratsmehrheit für die unbeliebten Berliner Regierungsbeschlüsse notwendig.

Auch die Grünen wären dafür offen. So könnte das Wunschbündnis „Rot-Grün plus X“ doch noch Wirklichkeit werden. Der grüne Landeschef Arndt Klocke formuliert vorsichtig: „Eine Minderheitsregierung ist jetzt aktuell kein Thema.“ Es herrsche aber auch nach den gescheiterten rot-rot-grünen Gesprächen „keine Vereisung in der Atmosphäre“ mit den Linken. Somit hat SPD-Landeschefin Hannelore Kraft wieder eine Option mehr. „Jede Variante hat ihre Schwächen. Aber mit der CDU wäre es sicherlich nach den Erfahrungen in Berlin schwierig“, so der zum linken Flügel zählende Landesvize Jochen Ott. Er halte die „Ampel-Sondierungen für aussichtsreich“. In der Landespolitik gebe es große Berührungspunkte mit der FDP. Zum Beispiel seien die Liberalen in der Schulpolitik veränderungsbereit, auch in der Innenpolitik sind wir eher beieinander. Und in der Kinder- und Jugendpolitik gebe es viele Übereinstimmungen. Auch Klocke sagt, von den eingetragenen Partnerschaften bis zu den Bürgerrechten sähe er Übereinstimmungen.

Heute wird sich zeigen, wie groß die Ampelchancen tatsächlich sind. Das achtköpfige liberale Team für die Gespräche in einem Düsseldorfer Hotel ist paritätisch besetzt: Befürworter wie der Landesvorsitzende Andreas Pinkwart oder der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff halten sich mit ausgewiesenen Gegnern in etwa die Waage. Die Bundespolitik spielt der Ampel aber in die Hände: Je unzufriedener die Bürger mit dem schwarz-gelben Berliner Bündnis sind, umso größer ist die Not der FDP, nach neuen Partnern zu suchen. „Die Berliner Führung möchte deshalb gerne eine Ampel“, heißt es in Düsseldorfer Fraktionskreisen. Und gerade ältere Abgeordnete distanzieren sich zunehmend von den jungen neoliberalen Wadenbeißern aus Düsseldorf. „Es gab gute sozial-liberale Zeiten in Nordrhein-Westfalen“, sagt Detlef Parr, Mitglied des Landesvorstandes und präventionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Daran sollte angeknüpft werden. „Wir sollten uns tolerant prüfen“, sagt er. Wie dies ausgeht scheint in Düsseldorf niemand zu ahnen. Der Parteilinke Ott sagt: „Die vergangenen Wochen haben auch gezeigt: „Im Findungsprozess passieren viele unvorhergesehene Dinge.“

Rot-Grün testet liberale Wendehälse

Oberster Ampel-Fan Andreas Pinkwart

Dienstag geht der Sondierungs-Marathon in NRW weiter. Dann trifft die FDP auf das Wunschbündnis Rot-Grün. Menschlich ist sich das Trio fremd, inhaltlich passt es schon gar nicht. Aber der Wille, mitzuregieren könnte die Liberalen wieder wendig machen

Die Liberale Basis aber misstraut der Ampel nach wie vor: Vor den ersten Sondierungen erhalten viele FDP-Geschäftsstellen wütende Briefe und aufgebrachte Anrufe. „Die neuerliche Wende macht der Basis schwer zu schaffen“, sagt Stefan Romberg, Düsseldorfer FDP-Abgeordneter zur Frankfurter Rundschau. Das Thema sei „emotional hoch aufgeladen.“ Erst am Montagabend hatte der liberale Landesvorstand nach mehrstündiger Debatte beschlossen, doch mit SPD und Grünen in Gespräche einzutreten. „Inhaltlich und persönlich werden die Gespräche sehr schwierig,“ so Romberg weiter.

Mühevoll waren allerdings auch die Sondierungen für eine Große Koalition an Rhein und Ruhr. Sie ist neben der Ampel die einzige Regierungsoption in Nordrhein-Westfalen. Am Mittwochabend war das dritte und letzte Gespräch zwischen CDU und SPD in frostiger Atmosphäre beendet worden. „Leider ist die CDU aus taktischen Gründen in vielen Bereichen im Ungefähren geblieben“, sagte SPD-Chefin Hannelore Kraft anschließend. Laut Teilnehmern haben die Christdemokraten seit dem überraschenden Auftauchen des Nebenbuhlers FDP „die Schotten dicht gemacht“. Für einen Wechsel an der Spitze sei die CDU nicht bereit gewesen. Dies aber ist für die gewühlte Wahlsiegerin SPD unverzichtbar – die Genossen an der Basis würden eine Liaison mit dem lange Zeit bekämpften Rüttgers nicht schlucken wollen.

Entscheidend für den Erfolg der Ampel dürfte sein, wen die FDP in die Gespräche entsendet. Über die Kommission wird erst am Sonntagabend entschieden. Laut einer Sprecherin wird Landeschef Andreas Pinkwart die Personalien vorschlagen. Er tritt offen für eine Ampel ein, während die Fraktion, allen voran ihr Chef Gerhard Papke, bislang abwehrend waren. Sein eigener Kreisverband Rhein-Sieg hat sich am Mittwochabend auf einem kleine Parteitag für die Ampel-Sondierungen ausgesprochen. Die Zerrissenheit in der Parteispitze spiegelt sich an der Basis. Inhaltlich wird das Trio-Treffen am Dienstag ohnehin sehr schwer: Vom Mindestlohn bis zu Studiengebühren und Arbeitnehmerrechten trenne Rot-Grün und Gelb Welten. Einzig in der Schulpolitik ähnelt die von der FDP geforderte Mittelschule dem längeren gemeinsamen Lernen von SPD und Grünen.
Nach dem wochenlangen Düsseldorfer Schattenboxen wird am Ende ohnehin wieder die Basis in den Ring steigen: Die SPD wird voraussichtlich auf fünf Regionalkonferenzen über den Eintritt in Koalitionsgespräche debattieren. Und die FDP will nach erfolgreichen Sondierungen auf einem Landesparteitag eine mögliche Ampel ebenfalls noch einmal zur Disposition stellen. Und so wird die NRW-Landesregierung sicherlich erst in einigen Wochen in Kraft treten.

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Vom Arbeiterführer zum Sparminister

Rau-Groupie Rüttgers

Es läuft nicht rund für MP Jürgen Rüttgers: Erst bändelt sein Düsseldorfer Koalitionspartner FDP mit rot und grün an. Jetzt wird er auch noch als Nachfolger der potentiellen Bundespräsidentin Ursula von der Leyen im Arbeitsministerium gehandelt. Eine denkbar schwache Ausgangslage für die am heutigen Mittwochnachmittag laufenden dritten Sondierungsgespräche mit der SPD in einem Düsseldorfer Nobelhotel.

„Ich sehe meinen Platz in Nordrhein-Westfalen“, sagte Jürgen Rüttgers zwar am Mittwochmittag vor der dritten Sondierungsrunde mit der SPD. Allerdings hat der ohnehin geschwächte Verhandlungsführer während der laufenden Gespräche keine Alternative zu diesem Statement. Darin sollte es am Mittwoch auch um Personalfragen gehen. Mit der Berliner Rochade wird diese natürlich noch komplizierter. Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft hatte zwar stets gesagt, dass eine Große Koalition mit einem Ministerpräsidenten an der Basis kaum zu verkaufen wäre.

Aber nun hätte die SPD selbst ohne Rüttgers keinen zwingenden Grund, mit der CDU zu koalieren. Denn FDP und Grünen stehen für eine potentielle Ampel bereit. Ein wackeliger Chefunterhändler schwächt die NRW-Union nun noch mehr. Laut Teilnehmern der ersten Sondierungsrunden hat sich bislang niemand von den als Rüttgers Kronprinzen gehandelten Männern etablieren können. NRW-Integrationsminister Armin Laschet wird auch in der CDU nicht das Format eines Regierungschef zugesprochen, Generalsekretär Andreas Krautscheid ist ein Zögling von Rüttgers und verspräche nicht den passenden Neuanfang. Ohnehin gibt Rüttgers am Verhandlungstisch die Richtung vor und führt das schwierige Gespräch mit den Genossen. Als er direkt nach seiner krachenden Wahlniederlage am neunten Mai intern seinen Rücktritt anbot wurde er von Parteifreunden bekniet, weiterzuarbeiten. Stopfte Rüttgers eine Lücke in Berlin und reißt dafür in Düsseldorf ein neues schwarzes Loch auf.

Auch in Rüttgers persönlichen Plan würde die Abberufung sicherlich nicht passen. Zwar hat er sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Arbeiterführer an Rhein und Ruhr erklärt und würde deshalb ins Von-der Leyer-Ministerium passen. Er war es, der in der CDU immer wieder Schonvermögen, höhere Renten und eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes forderte. Aber laut seinem Parteifreund und Finanzminister Wolfgang Schäuble wird gerade in diesem Ressort gespart. Rüttgers würde so vom Arbeiterführer zum Kürzungsminister. Jahrelang war Rüttgers ein Kritiker und sozialpolitischer Nervtöter der Kanzlerin und müsste jetzt für sie die dreckigen und unpopulären Kürzungen durchboxen.

Der Rheinländer Rüttgers war schon immer ein Spielball der Geschichte. Erst verlor er die NRW-Wahl 2000 wegen der CDU-Spendenaffäre, dann gewann er sie 2005 weil Gerhard Schröders Agenda-Politik gerade im Arbeiterland NRW die SPD-Wähler davon trieb. Jetzt wiederum fiel seine Landesregierung vor allem der abgehalfterten schwarz-gelben Koalition in Berlin zum Opfer. Als Zukunftsminister unter Helmut Kohl hinterließ der 58-Jährige kaum Spuren. Erst als NRW-Ministerpräsidenten schien er seine Lieblingsrolle gefunden zu haben. Sollte er die Bühne wechseln dann nur gegen seinen Willen.

Niemand braucht einen Bundespräsidenten!

Schöne Aussicht: Bald zu vermieten?

Die höchste KW-Stelle im Staat: Der Neoliberale Horst Köhler hat das Sparkonzert eröffnet und sein Amt zum Kürzen frei gegeben. Endlich kann das unsinnige und teure Schlossgesicht abgeschafft werden. Bislang ist der Posten eine hoch bezahlte Versorgungsstelle für grauhaarige Wichtigtuer, die sich gerne reden hören.

Denn wofür braucht es einen Bundespräsidenten?

Er muss die Gesetze gegenzeichnen? Weil er von der Regierung bestimmt wird, wurde bislang fast jedes Gesetz abgenickt. Und wichtigste Instanz ist ohnehin das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Er kann begnadigen? Dieses Recht ist ein mittelalterliches rechtsstaatswidriges Relikt. Wie ein Monarch kann der Präsi nach Gutdünken Inhaftierte frei lassen. Das sollte er besser Gerichten überlassen.

Er ernennt die Mitglieder der Bundesregierung? Das kann auch der Bundestagspräsident. Urkunden zu überreichen ist nicht schwer.

Er kann das Parlament auflösen? Nach 61 Jahren Demokratie können diesen formalen Akt die gewählten Abgeordneten selbst vollziehen.

Oder wie die BBC gestern treffend formulierte: „The role of the german president is largely ceremonial.“ Also überflüssig. Unsere Republik braucht keinen Zeremonienmeister.