FDP: Bereit zum Umfallen

Immer pöstchenbereit: Andreas Pinkwart

Spektakuläres Comeback der machtgeilen liberalen Wendehälse: Die FDP will mit der SPD sprechen. Und stellt dafür Bedingungen. Die gelben großen Wahlverlierer im Land sind bereit zu Sondierungsgesprächen mit Grünen und Sozen – aber nur, wenn mit ihnen zuerst gesprochen wird. „Das haben wir eindeutig und mit Applaus in der Fraktion besprochen“, sagte Andreas Pinkwart heute morgen im Düsseldorfer Landtag.

Damit hat der igelhaarige Professor aber Unmögliches verlangt: Der kleinste potentielle Koalitionspartner fordert klare Beschlüsse der Gremien von SPD und Grüne. Wenn diese jetzt über das Stöckchen springen sind sie auf Gedeih und Verderb auf die Liberalen angewiesen. Auf die Liberalen, mit denen sie im Landtag nicht einmal einen Kaffee trinken wollen und mit denen sie porgrammatisch nichts verbindet. Und so treibt Pinkwart mit seinen absurden Forderungen SPD und Grüne gerade in die Koalition, die aus „staatsbürgerlichem Verantwortungsbewusstsein“ angeblich so gerne verhindern würde.

Der Wahnsinn ist möglich

Die grüne Spitzenkandidatin und künftige Königsmacherin Sylvia Löhrmann prognostiziert: „Wenn jetzt zwei Frauen Nordrhein-Westfalen regieren wäre das der Wahnsinn“. Ein Bericht von der grünen Partei-Kirmes

Für die Grünen ist am Abend voller Wankelmut zumindest eins sicher: Sie sind die Sieger an Rhein und Ruhr. Mit mehr als 12 Prozent der Stimmen haben sie das beste Ergebnis einer Landtagswahl errungen und ihre Stimmen im Vergleich zu 2005 verdoppelt. „Bei uns gibt es keine Nebenwirkungen – bei uns gibt es nur riesige Freude,“ rief die grüne Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann auf der Wahlparty 100 Meter vom Landtag entfernt am Rhein. Sie kam minutenlang nicht zu Wort und wurde von ihren Anhängern frenetisch bejubelt. Auch wenn sich im ersten Moment noch kein Bündnis aufdrängte – die Grünen wurden an den Verhandlungstisch gewählt.

Bei den vergangenen vier Wahlen in Nordrhein-Westfalen – ob Kommunal oder Europa – haben die Grünen jeweils zugelegt. Und haben in den vergangenen Monaten klar für Rot-Grün in Düsseldorf geworben. „Wir sind die Königsmacher für eine Energiewende und eine neue Schulpolitik“, rief Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann. Sie wird bei fast allen der potentiellen Bündnis-Optionen die entscheidende Stimme liefern. Nur bei einer sehr unwahrscheinlichen großen Koalition wären die Grünen draußen – aber immerhin die mit Abstand größte Fraktion auf der Oppositionsbank.

Erstmal aber glauben alle an die zukünftige Macht. „Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen ist weg“, jubelte auch Löhrmann. Als die bedrückten FDP-Kandidaten auf den Fernseh-Bildschirmen auftauchten setzte ein vielstimmiger „Auf-Wiedersehen“-Chor ein. Die bisherige Düsseldorfer Regierungspartei war den Grünen an Rhein und Ruhr in den vergangenen fünf Jahren das liebste Feindbild. Bündnisse mit den Liberalen haben die Grünen per se ausgeschlossen. Schon lange vor den ersten Prognosen tanzten die Grünen am Düsseldorfer Rheinufer zu Trommelmusik und tranken fair gehandelten Kaffee. Grün angezogene Kinder wurden mit I-Phones von ihren Eltern neben einem überdimensionierten grünen Bär fotografiert. Es war eine sonnenbeschienene Partei-Kirmes. Ihre Unterstützer lagen zufrieden und unaufgeregt im Gras, in Sichtweite zum Landtag.

Am späten Nachmittag ging das erste Raunen durch die Menge. „Wir sind zweistellig“, brüllte ein Mittzwanziger im lila T-Shirt und Anti-Atom-Button. „Dies ist ein klares Votum gegen die Atompolitik und die neuen Kohlekraftwerke an Rhein- und Ruhr“, sagte die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger. Die Details aber würden erst am heutigen Montag in den Gremien der Partei geredet. Der Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion und Kölner Volker Beck sieht nach den ersten Prognosen „keine Chance mehr für schwarz-grün.“ Beck glaubt an das rot-grüne Wunschbündnis. „Zwei Frauen an der Spitze ist nach Egobossen wie Wolfgang Clement wäre für das Land kulturell sehr wohltuend.“

Die Grünen haben sich an Rhein und Ruhr etabliert. Gerade im sozialdemokratischen Ruhrpott holten sie in vielen Großstädten weniger als fünf Prozent. Nur universitäre Hochburgen wie Münster, Aachen und Bonn hievten die Partei seit 1990 über die 5-Prozent-Hürde. Nach zehn Jahren an der Regierung kam 2005 der Abstieg auf 6 Prozent und der Gang in die Opposition. Ein bisschen waren sie damals auch froh über die Trennung der zehnjährigen Ehe mit der SDP. Der traditionell linke Landesverband hatte an den Alleinkämpfern wie dem früheren SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement schwer zu knacken.

In der Opposition haben sie sich auch neu erfinden können: Unter der früheren Lehrerin Sylvia Löhrmann wurde die Bildung zu ihrem Hauptthema. Fortan stritten sie für eine kostenlose Schulmahlzeit und gemeinsames Lernen bis zur zehnten Klasse. Vorhaben, die sie mit ihrem „Wunschpartner“ SPD zu hundert Prozent teilen. Auch am Wahltag war den Parteigängern am Rhein klar: Rot-Grün ist die Wunschoption.

Mit der erneuerten SPD von Hannelore Kraft können sich die meist jungen Supporter sehr viel besser anfreunden als ein Bündnis mit dem schwer abgestraften Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Schon kurz nach der ersten Prognose riefen die sektbeseelten Anhänger ununterbrochen „Rot-Grün“. Die Basis haben ihre Sympathien eindeutiger verteilt als die Wählerinnen und Wähler an Rhein und Ruhr. Und auch wenn die Hochrechnungen noch minütlich schwankten – zwei Fahnenschwenker von der SPD wurden frenetisch im grünen Hauptquartier begrüßt.

CDU tarnte Pro-Lammert -Initiative

Die CDU hat offenbar eine als unabhängig auftretende Wählerinitiative für Bundestagspräsident Norbert Lammert finanziell und organisatorisch gefördert. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau hat die Partei Flyer der Initiative „Bochumer für Norbert Lammert“ gedruckt und Veranstaltungen im Bundestagswahlkampf 2009 organisiert. Ein Sprecher der CDU NRW erklärt schriftlich: „Im Rahmen des Bundestagswahlkampfs für Norbert Lammert wurden Aktivitäten der Wählerinitiative auch von der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Bochum unterstützt.“ Möglicherweise muss sich der oberste Prüfer des Bundestages jetzt selbst überprüfen.

Denn die logistische und finanzielle Unterstützung der Partei wurde auf den Flyern der Initiative verschleiert. Wörtlich und mehrfach steht dort, die Initiative sei „überparteilich“, über ein Impressum verfügt es nicht. Lammert sei „ein Mensch unserer Stadt und des Reviers, der über eine hohe politische Kompetenz verfügt und dem man Vertrauen schenken kann“, heißt es dort. Aufgelistet sind lediglich „Bochumer“, die für Lammert werben – angeblich unabhängige lokal oder regional bekannte Personen. Doch die große Mehrheit gehört der CDU an, andere gelten als parteilos wie der VFL-Trainer Darius Wosz oder der Bochumer Theater-Intendant Elmar Goerden.

Gründer der Initiative ist offenbar Klemens Kreuzer, altgedientes CDU-Mitglied in Bochum. Der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion engagiert sich seit Jahren wie der Bochumer Lammert für ein Konzerthaus in der bankrotten Revier-Stadt. Während des Wahlkampfes im September 2009 veranstaltete die Gruppe zum Beispiel Diskussionsabende, auch diese wiederum mit CDU-Größen wie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel.

Dies ist schon die zweite zweifelhafte Wählerinitiative der CDU in den vergangenen Wochen. Zurzeit beschäftigt sich Bundestagspräsident Lammert auch mit der CDU-Initiative „Wähler für den Wechsel“. Sie hatte im Wahlkampf 2005 den damaligen Oppositionsführer Jürgen Rüttgers (CDU) unterstützt. Für den Aufbau der Gruppe hatte die NRW-CDU Geld bezahlt. Die Spenden, die die Initiative eingeworben hatte, tauchen aber nicht im Rechenschaftsbericht der CDU auf.

Auch diese angeblich unabhängige Gruppe war personell eng mit den Christdemokraten verwoben. Zwar bezeichnet die CDU den damaligen Initiator der „Wähler für den Wechsel“-Gruppe, Tim Arnold, immer verharmlosend als Student, obwohl er schon längst Manager bei Bertelsmann gewesen war. Nur ein Jahr nach der Wahl wurden die engen Kontakte von Arnold zur CDU aber offensichtlich: Rüttgers machte den jetzt 40-Jährigen zum Leiter der NRW-Landesvertretung beim Bund in Berlin. Spenden soll das Bochumer Pendant jedoch nicht gesammelt haben. „Nach jetzigem Kenntnisstand hatte die Initiative weder ein eigenes Konto, noch hat sie Spenden für sich eingeworben“, formuliert es der CDU-Sprecher vorsichtig.

Weder die Bochumer CDU noch das Bundestagsbüro von Norbert Lammert wollten sich zur Initiative äußern. Lammert sei im Flieger unterwegs. Offenbar aber hat der Parteistratege sich schon vorher selbst prophylaktisch in Schutz. Laut WAZ hat er heute im Ältestenrat Wählerinitiativen generell in Schutz genommen. Er könne nur davor warnen, dass es im Wahlkampf „ohne Kenntnis des konkreten Sachverhalts zu hysterischen Überreaktionen kommt“, sagte er dort lau WAZ. Ob Lammert dies seinem Leib- und Magenblatt selbst gesteckt hat? Wir wissen es nicht. Aber schon ein denkwürdiger Zufall.

Feuerwehrchef ist Brandstifter

Nationalisten haben V-Mann bei der Feuerwehr

Die rechtsradikale Szene verfügt möglicherweise über vertrauliche Informationen von Polizei und Feuerwehr: Der Chef des Dortmunder Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR) ist offenkundig Anhänger von Neonazis. Jetzt ist Klaus Schäfer suspendiert. Er verfügt über intimes taktisches Wissen aus Polizei und Feuerwehr.

Schäfer nahm am vergangenen Wochenende auf einer Demo der bundesweit aktiven „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund teil. Als Leiter des IFR war er maßgeblich an strategischen Planungen für Polizei und Feuerwehr beteiligt. Die Stadt Dortmund ist „überrascht“ von ihrem hohen Beamten mit der Nazi-Gesinnung.

Im IFR hat Schäfer bundesweit bedeutsame Forschungen betreut. Eines der Projekte namens „LAGE“ erforscht die zivile Sicherheit und wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung gefördert. Auf der Internetseite heißt es dazu: „LAGE will eine „vernetzte Einsatzführung“ bei „innerstädtischen Großveranstaltungen“ ermöglichen. Dazu zählen Großdemonstrationen, wie sie gerade im Ruhrgebiet häufig von Rechten und Gegendemonstranten organisiert werden. Auch die Vize-Vorsitzende der Dortmunder SPD, Nadja Lüders, bestätigt: „Schäfer hat in einem hochempfindlichen Bereich“ gearbeitet. Die Rechtsanwältin kennt den Mann aus vielen Ratssitzungen. Nach ihren Aussagen habe Schäfer an Plänen für Gefahrenabwehr mitgearbeitet, an Notfallplänen für Anschläge. „Inwieweit er dieses Wissen nun an die Rechten weitergibt wird noch geprüft“, so Lüders.

Klaus Schäfer ist in Dortmund eine bekannte Person. Er gilt intern als „pressegeil“. Der 55-Jährige hat in seinem früheren Amt als Leiter der Feuerwehr viele öffentlichkeitswirksame Auftritte hingelegt. Von seiner rechtsradikalen Gesinnung ist die Stadt aber nun “sehr überrascht“, so ein Sprecher. Sie hat ihm alle Zugänge zum IFR versagt und vorläufig vom Dienst suspendiert. Auch die SPD, bei der Schäfer seit 13 Jahren Mitglied ist, hat ein Parteiausschlussverfahren gegen das abtrünnige Mitglied begonnen.

Seine neue politische Heimat, die Autonomen Nationalisten, gelten als extrem aggressiv. Sie waren für die gewaltsamen Ausschreitungen bei den Maidemonstrationen im vergangenen Jahr in Dortmund verantwortlich, bei der dutzende Demonstranten der Gewerkschaften mit Steinen beschmissen und umgeknüppelt wurden. Ein Jahr zuvor sorgten sie in Hamburg für die gewalttätigsten Krawalle, die die Stadt seit langem gesehen hatte. Laut Verfassungsschutzbericht des Landes NRW gehören den Glatzen rund 450 Personen an, die ein „rassenbiologisch geprägtes völkisches Menschenbild“ verfolgten.

Schäfer hat sich nun krank schreiben lassen und bislang jede Aussage verweigert. Erich Pulpanek aber, Genosse aus seinem SPD-Ortsverein in Dortmund Barop, sprach mit Schäfer am Telefon. „Er hat zu mir gesagt – wenn ich auf die Demo des Gewerkschaftsbundes gehen kann, kann ich doch auch zu den Autonomen gehen“, erzählt Pulpanek. Er könne nicht verstehen, was in Schäfer vorgehe. „Er war ein allseits bekannter und angesehener Mann.“

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Pappsatt der Propaganda

Dies ist kein Aufruf, die Linke zu wählen. Dies ist ein Aufruf, nach Überzeugungen zu wählen. Die nervtötende Linken-Jagd zu beenden. Und einen kühlen Blick auf Partei-Programme und Personen zu werfen. Eine Polemik

Alles prima im Land?

Wenn ich mit Freunden und Freundinnen über die Wahl rede, werde ich wütend. Bei vielen blinkt nach dem Wahlomat die Linke als Partei mit den größten Übereinstimmungen auf. Wählen wollen sie die junge Partei trotzdem nicht. „Die sind verrückt“, „nicht regierungsfähig“, haben „Flausen im Kopf“ und die DDR-Mauer fanden sie auch noch toll. Für mich sind das gehirngewaschene Äußerungen ganz auf der Propaganda-Linie von CDU und Co. Nach dem Motto „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“.

Wenn immer sich eine neue Partei bildete wird sie verhöhnt und als nicht regierungsfähig abgestempelt. Das ging den Grünen so und das geht jetzt den Linken so. Warum? Weil sie vieles anders machen wollen und die meisten Menschen vor großen Veränderungen zurück schrecken. Weil sie anders aussehen, anders sprechen, und die Wahrheiten der etablierten Parteien anzweifeln.

Und das ist richtig. Ich werde wütend, wenn ich die verblichenen Armen an der Supermarktkasse sehe, und zeitgleich konsequenzlos die Millionen-Gehälter der Banker veröffentlicht werden. Ich werde wütend, wenn ich sehe wie Männerbünde die von unseren Steuern geretteten Konzerne beherrschen und Flüchtlinge rechtlos in Kasernen siechen, bis sie in ihr Elendsland zurücktransportiert werden. Und ich werde wütend, wenn ich die lange Liste der Getöteten im Afghanistan-Krieg sehe. Wer diese grellen Ungerechtigkeiten aushält und von einer neuen Regierung nur ein bisschen mehr Windrad und kleinere Klassen wünscht, der muss blind sein. Oder wohlstandssatt.

Was ist die Linke in NRW? Sie sehen anders aus, ja. Sie tragen keine Maßanzüge und haben meistens auch kein Geld dazu. Sie reden anders, ja. Sie wurden nicht darauf trainiert, immer dieselben belanglosen Phrasen zu dreschen wie die gecoachten Spitzenpolitiker. Es gibt ein paar Seltsame in der Partei, auf die immer wieder die Scheinwerfer der Öffentlichkeit gelenkt werden. Es gibt Ideen, die nie Wirklichkeit werden und auch die Linke hat ihre Kungelrunden und Hinterzimmer. Und es gibt Kotzbrocken und Halb-Verrückte, undurchsichtige Strategen und Machtgeile. Aber ich kenne mindestens zehn Landtagsabgeordnete von SPD, CDU, Grünen und Liberalen, die kriegen keinen geraden Satz raus, sind besoffen im Landtag oder haben Null Ahnung davon, worüber sie gerade abstimmen. Jede größere Gruppe hat unfähige Mitglieder und bei einer neuen Partei sind es halt ein paar mehr. Ihr Einfluss wird schwinden.

Wichtiger ist das Programm. Was wollen die Linken? Sie wollen eine andere Gesellschaft, ja. Sie wollen eine kostenlose Bildung, weiche Drogen legalisieren und Energiekonzerne in die Hände von Kommunen geben, sie wollen den Religionsunterricht abschaffen und eine Frauenquote in der Wirtschaft. Sie wollen eine Vermögenssteuer und höhere Spitzensteuersätze und einen angemessenen Mindestlohn. Das alles ist nur mit einer ängstlichen Brille von Bestandswahrern betrachtet erschreckend. Ihr Bildungsprogramm ist in Teilen übrigens wortgleich mit dem der SPD, die Grünen wollen schon lange den legalen Joint und es ist noch gar nicht so lange her, dass die Kommunen höhere Anteile beim Stromriesen RWE besaßen als jetzt.

Und dann immer diese hohle Formel der SPD: „Wir suchen die Auseinandersetzung, nicht die Zusammenarbeit.“ Klingt gut, ist aber gelogen. Es gibt keine Gespräche zwischen den Parteien, keine Diskussionen, nur eine aggressive Abschottung der SPD gegenüber denen, die mit ihren Positionen mal bei den Genossen zuhause waren.

Politik ist Psychologie – und bei der Linken sehen wir wie die Machthabenden die Hackordnung fest legen, die Neuen sabotieren und runterputzen. Aus Sicht der konkurrierenden Parteien ist das verständlich. Aber wir, die Wählerinnen und Wähler, sollten uns nicht einlullen lassen von Parolen gegen eine angeblich extremistische Partei. Und ruhig mal den Wahlomaten sprechen lassen.

Beamte observieren Geburt

MüPi will es wieder nicht gewusst haben

Die Mutter einer Gefangenen erzählt: Wie ihre Tochter vor den Augen eines JVA-Beamten ihr Kind gebären musste. Und unmittelbar nach der Niederkunft stramm ans Krankenhausbett gefesselt wurde. Und wieder hat Justizministerin Müller-Piepenkötter (CDU) nicht auf die verzweifelten Hilferufe aus der Anstalt reagiert.

Als Brigitte Walch ihre Tochter kurz nach der Entbindung besuchte war sie in Tränen aufgelöst. Im Kreißsaal war nach ihrer Aussage unmittelbar ein Beamter der JVA Willich anwesend, in der die Tochter auch heute noch einsitzt. „Sie hat sich so geschämt“, sagt Mutter Walch. Die 27-jährige Gefangene hatte wenige Stunden nach der Geburt am 5. August 2009 noch Schmerzen und schwere Nachblutungen und ihre rechte Hand war stramm an den Bettpfosten gekettet. Ihren neugeborenen Sohn hatten ihr die JVA-Beamten für wenige Minuten in den angebundenen Arm gelegt, bevor er ihr endgültig weg genommen wurde. „Sie wollte ihn umarmen und konnte nicht.“ Es sei ein Alptraum gewesen.

Diese unwürdige Behandlung von schwangeren Gefangenen in nordrhein-westfälischen Gefängnissen waren offenbar im Düsseldorfer und Berliner Justizministerium seit langem bekannt. Nach Informationen der Ruhrbarone hat sich Walch schon im September 2009 in einem Einschreiben hilfesuchend an das damals noch SPD-regierte Berliner Ministerium gewandt. Sie beschwerte sich darüber, dass ein männlicher Beamte bei der Entbindung ihrer Tochter anwesend war. „Es ist erschütternd was meine Tochter Katharina im Kreißsaal durchmachen musste“, so Walch. Eine Antwort hat sie nie erhalten. Auch ein Brief ihrer Tochter an das NRW-Justizministerium vom 1. November 2009 blieb ohne Reaktion.

Katharinas Schicksal betrifft viele Gefangene. In dieser Woche wurde öffentlich, dass Gefangene von nordrhein-westfälischen Haftanstalten auch bei und kurz nach der Geburt im Kreißsaal ans Bett gefesselt werden. Die hat der Sozialdienst katholischer Frauen berichtet. Den meisten wird kurz nach der Entbindung das Neugeborene entzogen. Mediziner und Politiker verurteilten diese bislang unbekannte unwürdige Behandlung als skandalös und menschenverachtend.

Auch Walchs 27-jährige Tochter Katharina A. verließ den Kreißsaal wenige Stunden nach der Geburt in Handschellen. Sie sitzt seit mehr als einem Jahr im Gefängnis Willich II ein. Sie hat Diebstähle begangen und ist mehrfach schwarz gefahren und wird noch zwei Jahre sitzen. Im vergangenen August hat sie in einer Krefelder Klinik ihr siebtes Kind geboren. Es war der heißeste Tag des Jahres, die meiste Zeit über sei sie ans Bett gefesselt gewesen. Der anwesende Beamte habe die gesamte Geburt sehen und hören können. Persönlich habe er der Mutter am nächsten Morgen zu ihrem Enkel gratuliert und gescherzt, er sei ja quasi Geburtshelfer gewesen.

Brigitte Walch widerspricht entschieden der Darstellung der JVA Willich. Der Vize-Anstaltsleiter Dieter Paulus hatte behauptet, der Beamte habe hinter einem Vorhang gestanden und „nichts sehen, nur hören“ können. „Es gibt keinen Vorhang in dem Raum, der Beamte stand direkt neben meiner Tochter“, so Walch. Dabei ist es den männlichen Beamten laut schriftlicher Angabe des NRW-Justizministeriums nicht erlaubt, „bei einer körperlichen Untersuchung einer weiblichen Gefangenen anwesend zu sein.“ Reagiert hat das Ministerium der umstrittenen Christdemokratin Roswitha Müller-Piepenkötter allerdings nicht. Es gab den Hilferuf von Katharina A. an die JVA zurück.

„Die Würde von Gefangenen wird mit Füßen getreten“, sagt Susanne Kramm (Name geändert) im Gespräch mit den Ruhrbaronen. Die 51-Jährige hat im vergangenen Jahr ihre Zelle über Monate mit Katharina A. geteilt, seit Februar ist sie wieder frei und in Arbeit. „Wir lebten zu viert auf 14 Quadratmetern, die Toilette war unabgeschirmt in einer Ecke des Raumes“, so die Ex-Gefangene. „Manchmal platzten auch männliche Beamte in den Raum, wenn eine von uns auf der Toilette saß“, erinnert sich die gelernte medizinisch-technische Assistentin. „Wir schämten uns.“

Doch die Beschwerden der Gefangenen laufen ins Leere. „Die meisten trauen sich nicht aufzumucken“, so Kramm. Sie fürchten um Hafterleichterungen, um längere Besuchszeiten. Bei kritischen Gefangene hätten die Beamten dann plötzlich keine Zeit mehr, sie zu dem wöchentlichen Telefonaten zu begleiten oder es gibt keine Stelle in den knasteigenen Werkshallen. „Dann sitzt Du 23 Stunden auf der Zelle, das ist die Hölle.“ Auch Kramm saß ein wegen Diebstahls. Sie hatte kurz hintereinander viele Familienmitglieder verloren und verfiel in einen Klau-Rausch. „Und dann kommst du ins Gefängnis, das ist wie ein schwarzes Loch. Die Leute sind nicht unschuldig und man wird bestraft, das ist ja auch ok. Aber wir werden behandelt, als sei man nicht den Schmutz unter dem Fingernagel wert.“

Neue Schlappe für Eons Mega-Kraftwerk

Die Bezirksregierung Münster stoppt weitere Bauarbeiten am Dattelner Kohlekraftwerk: Die Teilabschnitte 4 und 5 dürfen nicht weiter gebaut werden

Das Riesenprojekt des Düsseldorfer Energiekonzerns Eon wurde schon am 16. März vom Bundesverwaltungsgericht gebremst. Die Leipziger Richter sahen den Bebauungsplan Nr. 105 der Stadt Datteln für das Kraftwerksgelände als rechtsungültig.

Daraufhin beantragte E.ON bei der Bezirksregierung Münster, Teile der Arbeiten am 4. und 5. Abschnitt, also zum Beispiel Gleise und Brandschutzbauten, weiterführen zu können. Die Münsteraner Bezirksregierung hat dieses Vorhaben an diesem Freitag abgelehnt „Ohne einen rechtsgültigen Bebauungsplan sind auch die Teilgenehmigungen derzeit rechtswidrig“, so Sprecherin Sigrun Rittrich.

Nun wartet der Konzern und das CDU-Wirtschaftsministerium auf einen neuen Plan des Dattelner Rates. Beide wurde im September 2009 von dem spektakulären Urteil des Münsteraner Oberverwaltungsgerichts kalt erwischt: Die Richter erklärten den Bebauungsplan der Stadt Datteln für den mit 1055 Megawatt größten europäischen Monoblock- Meiler für nichtig. Seitdem stehen die Bauarbeiten an den kilometerweit sichtbaren Türmen teilweise still.

Und das, obwohl Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) die Gesetze ihren Wünschen anpasst: Die Düsseldorfer Regierung hat das Landesentwicklungsprogramm Ende 2009 geändert, um das umstrittene Kohlekraftwerk doch noch ans Netz gehen zu lassen. Bislang legte das Programm klimapolitische Ziele wie die Förderung von erneuerbaren Energien fest. Diese Ziele wurden nun nachträglich ersatzlos gestrichen werden, weil sie den Dattelner Milliardenbau im September juristisch zu Fall gebracht haben. Das Münsteraner Verfassungsgericht urteilte damals, das Wirtschaftsministerium habe einen Regionalplan genehmigt, der nicht den eigenen Vorgaben des Landesentwicklungsprogramm entspreche.

Nun muss Eon erst einmal still halten. Die juristische Fehde um die größte Klimafeinde der Kohlelobby im Lande wird noch Jahre andauern. Vielleicht aber wird das Kraftwerk die nächste Landesregierung auch nicht überstehen: Die Grünen haben angekündigt, den Bau zu Fall zu bringen sollten sie mitregieren.

Gefesselt im Kreißsaal

MüPi will es wieder nicht gewusst haben

Der Skandal um menschenunwürdige Behandlung von schwangeren Häftlingen in NRW-Knästen weitet sich aus. Die Gefangene A. aus Willich hatte schon am 1. November 2009 in einem Brief an das NRW-Justizministerium Beschwerde eingelegt. Die CDU-Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötte bestätigt den Eingang des Briefes – und schiebt die Verantwortung für das Nichtstun weit von sich. Und so werden unter ihrer Führung weiter in NRW-Gefängnissen Menschen misshandelt und Ihre Würde verletzt.

Die Gefangene Katharina A. aus dem Frauengefängnis Willich II hat sich bei der Anstaltsleitung sowie beim Justizministerium darüber beschwert, dass bei der Geburt ihres jüngsten Kindes im August 2009 ein männlicher JVA-Beamter anwesend gewesen sei. Außerdem sei sie nach der Geburt am Bettgestell im Kreißsaal mit Handschellen gefesselt gewesen.

Müller-Piepenkötter behauptete am Mittwoch gleichwohl, „bei frauenärztlichen Untersuchungen der weiblichen Gefangenen waren und sind keine männlichen JVA-Bediensteten anwesend“. Zuvor hatte die FR menschenunwürdige Haftbedingungen für Schwangere aufgedeckt. Die durch zahlreiche Skandale angeschlagene CDU-Ministerin bestreitet, von Fesselungen im Kreißsaal gewusst zu haben.

Der zehnseitige Brief der Gefangenen A. sei der entsprechenden „Fachabteilung und nicht Frau Ministerin“ zugegangen, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Die Willicher Anstaltsleitung gibt zu, von der Beschwerde der Gefangenen A. gewusst zu haben. Sie beteuert aber, der männliche JVA-Beamte habe bei der Geburt „nichts sehen, sondern nur etwas hören können“, sagt Dieter Paulus, Verwaltungsleiter des Frauengefängnisses.

Der Mann habe hinter einem Vorhang gestanden. Gegen ein Uhr nachts habe die Gefangene „komplikationslos“ ihr Kind geboren, das ihr unmittelbar danach abgenommen wurde. Wann genau A. gefesselt wurde, kann Paulus nicht sagen. „Sicherlich aber erst nach den Reinigungsvorgängen.“

Geburt in Fesseln

Allerdings scheint die Situation im Kreißsaal auch nach Ansicht der Gefängnisleitung nicht rechtmäßig verlaufen zu sein. Die Abteilungsleiterin, die namentlich nicht genannt werden will, habe sich laut A. Monate später bei ihr entschuldigt. Sie selbst sei „nicht befugt, darüber zu reden“. Und so spricht der Vize-Leiter für seine Kollegin: „Sie kann sich nicht mehr genau erinnern, aber es ist gut möglich, dass sie sich entschuldigt hat“, so Paulus.

Die Gefangene A. ist kein Einzelfall. Der Sozialdienst katholischer Frauen hatte der Frankfurter Rundschau von Fällen berichtet, in denen Schwangere während der Geburt gefesselt seien. „Gerade Mütter leben oft in menschenunwürdigen Zuständen“, sagt Frank Sichau, rechtspolitischer Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD-Fraktion.

Sie säßen immer am kürzeren Hebel. „Häufig können sie sich nicht auf die Zeugen verlassen, weil diese selbst auf Hafterleichterungen hoffen und sich plötzlich nicht mehr erinnern können“, so Sichau. Er will den Fall von A. im Petitionsausschuss des Landtages anbringen.

„Diese Frau muss in den offenen Vollzug verlegt werden und braucht psychologische Hilfe“, sagt Sichau. A. habe schon zwei ihrer sieben Kinder verloren und sei stark traumatisiert.

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Die Extremisten aus Düsseldorf

Fünf Freunde haben sich lieb

Wenn es wirklich um Inhalte, um längeres gemeinsames Lernen und eine gebührenfreie Uni ging, stände die zukünftige Koalition für Nordrhein-Westfalen jetzt fest: Die SpitzenkandidatInnen von SPD, Linke und Grüne sprachen im zweiten TV-Duell mit einer Stimme. Ein hagerer Landeschef Rüttgers setzte darauf, Angst vor Veränderungen zu schüren

Wenn fünf sich streiten, freut sich der Zuschauer. Nach dem staubtrockenen ersten TV-Duell zwischen NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) trafen am Mittwochabend die Spitzenkandidaten von FDP, Linke und Grüne aufeinander. Zehn Tage vor der NRW-Landtagswahl entbrannte ein politischer Glaubensstreit zwischen dem schwarz-gelben Regierungslager und der Opposition. Wenn nicht alle KandidatInnen zu Phrasendreschern gecoacht wären hätte es noch spannender sein können.

Gespannt schauten alle auf den roten Außenseiter Wolfgang Zimmermann, Landeschef der Linken. Die neue fünfte Partei, die bislang nur mit einem übergetretenen Grünen im Düsseldorfer Landtag vertreten ist, wird von CDU und FDP als eine Gruppe von Extremisten und Chaoten betitelt. Zimmermann aber, ein grauhaariger Gewerkschaftsfunktionär in den Endfünfzigern, eignete sich schlecht für eine Rote-Socken-Kampagne und war harmloser Diskutant in dem giftigen Duell. „Ich sehe keinen extremen Positionen“, sagte er selbst bürokratisch. „Es ist auch nicht extremistisch, den alten Spitzensteuersatz von Helmut Kohl wieder einzuführen,“ sagte Zimmermann. Auch RWE sei schon einmal im Gemeineigentum gewesen und selbst in der Landesverfassung sei dies vorgesehen. Rüttgers hatte zuvor mehrfach vor der „Verstaatlichung“ gewarnt. „Sie kennen wohl nicht die Verfassung.“ Der Ministerpräsident reagiert nicht weiter, sowohl Rüttgers als auch Pinkwart gönnten dem neuen Konkurrenten keinen Blick.

Dennoch sprach sich das umstrittene rot-rot-grüne Trio geschlossen für ein längeres gemeinsames Lernen aus, sie alle wollen Studiengebühren abschaffen und flächendeckenden Mindestlohn einführen. SPD, Grüne und Linke sprachen mit einer Stimme – all die aufgeheizte Stimmung um die angeblichen Extremisten prallte an dem hölzernen Zimmermann ab.

Und so gingen stattdessen Kraft und Rüttgers aufeinander los. Wie schon beim ersten TV-Modell brodelte es zur zukünftigen Schule, das größte Streitthema im Lande. Als eine der wenigen Ministerpräsidenten hält Jürgen Rüttgers an den getrennten Schulen fest und bezeichnet Gesamtschulen als „schädliche Einheitsschule“. Erneut malte er das Bild von geschlossenen Gymnasien an die Wand. Sylvia Löhrmann (Grüne) warf Rüttgers vor, „gegen alle Vernunft“ mit alten Angstbildern Stimmung zu machen.

Mit den notleidenden Kommunen hatten alle herzliches Mitleid. „Sie nehmen von den armen Städten und schenken es den Hoteliers“, sagte Kraft. Rüttgers und Pinkwart konterten mit ihrer Formel des „wirtschaftlichen Aufschwungs, der allen zugute kommen wird.“ Wie die mehr als 150 bankrotten Städte und Gemeinden an Rhein und Ruhr gerettet werden sollen blieb allerdings schleierhaft.

Genauso wie die zukünftigen Koalitionen. Nach neuesten Umfragen gibt es für keine Koalition eine halbwegs sichere Mehrheit und so hielten sich alle Wahlkämpfer alles offen. Nur Zimmermann appellierte mit schöner ungecoachter Offenheit an Kraft und die grüne Löhrmann: „Mit uns können sie wenigstens einen Teil ihres Programmes durchsetzen.“

Niemand hat die Absicht eine große Koalition zu bauen

Eine Hochzeit von CDU und SPD wird es nicht geben: Holen die Sozialdemokraten mehr Stimmen als die Christdemokraten, gibt es rechnerisch Rot-Grün. Den kleinen Juniorpartner vom großen Bruder Rüttgers werden die Genossen aber nicht spielen.

Deswegen bauen führende Sozialdemokraten schon jetzt hohe Barrikaden für eine mögliche große Koalition in Nordrhein-Westfalen auf. „Ich bin entschieden dafür, dass wir bei allen schwierigen Koalitionen unsere Mitglieder befragen“ sagte Axel Schäfer, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion. „Eine Befragung fördert den inneren Frieden unserer Partei,“ so der Bochumer Abgeordneter.

An schwierigen Koalitionen steht für die NRW-Genossen nach den neuesten Umfragen vor allem die Große Koalition zur Debatte. Ausgeschlossen haben dies weder SPD-Herausforderin Hannelore Kraft noch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Die Basis aber winkt ab. „Die Große Koalition ist für niemanden ein Wunschprojekt“, sagt Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Region Westliches Westfalen. Römer selbst gehört dem konservativen Flügel der Partei an. „Auch die Mitglieder im traditionell schwarzen Sauerland, selbst die Bergleute, kämpfen inzwischen für Rot-Grün“, so Römer. Für die sei ein Bündnis mit der CDU undenkbar. Auch der Parteilinke Schäfer war unlängst mit dem Satz zitiert worden, „ein Bündnis mit der CDU komme in Nordrhein-Westfalen nicht in Frage. „Daran würde die SPD kaputt gehen.“

Nach Informationen der Ruhrbarone gibt es im NRW-SPD-Vorstand massive Vorbehalte gegen eine mögliche Zusammenarbeit mit Rüttgers, falls es bei der Landtagswahl am 9. Mai nicht für eine rot-grüne Koalition reicht. „Als Juniorpartner von Rüttgers würden wir kaputt gehen“, heißt es im Landesvorstand. Etliche Spitzengenossinnen haben den offiziellen Satz „Wir kämpfen für Rot-Grün“ offenbar auswendig gelernt und äußern ihre Abneigung gegen eine Elefantenhochzeit nur hinter vorgehaltener Hand.

Die NRW-Jusos reden Klartext. „Die Große Koalition ist für uns keine Option“, sagt Juso-Vorsitzender Christoph Dolle. Es gebe mit der CDU keine Gemeinsamkeiten. „Unsere wichtigsten Forderungen nach einem gebührenfreien Studium und gemeinsamen Lernen lehnt Rüttgers ab, da ist keine Schnittmenge“, so Dolle zu dieser Zeitung. Das Bündnis wäre für die SPD schädlich.

Strategisch bleibt diese Option aber offen. „Als Profis können wir natürlich miteinander reden“, sagt Hannelore Kraft immer zu ihrem Verhältnis zu Rüttgers. Im bislang einzigen direkten Fernseh-Duell am Montagabend gingen die SPD-Herausforderin und der CDU-Ministerpräsident nahezu sanft miteinander um. Nur beim Streit um die zukünftigen Schulen des Landes spannten sich die gecoachten Gesichter. Kraft plädierte für eine Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse, Rüttgers hingegen möchte an den getrennten Real-Haupt-und Gesamtschulen und Gymnasien fest halten. Doch die meiste Zeit blickten sich beide kaum an, gaben sich artig die Hand und verzichteten auf persönliche Angriffe.

Der größte Streit brach allerdings um die zukünftige mögliche Koalition der SPD mit den Linken aus. Rüttgers, ganz im Sinne seiner laufenden Rote-Socken-Kampagne, warf seiner Kontrahentin vor, mit den „Extremisten“ zu paktieren. Kraft wiederholte ihr ewiges Mantra, sie suche die Auseinandersetzung und nicht die Zusammenarbeit mit der Partei. Einer zukünftigen großen Koalition stünde aber dieser Streitpunkt ohnehin nicht im Wege.
Bei den Genossen der NRW-SPD gibt es tief sitzende Ängste gegen eine Koalition mit Jürgen Rüttgers. Der selbst ernannte „Vorsitzende der Arbeiterpartei“ könnte die Sozialdemokraten als Juniorpartner vor sich her treiben und mit in die Pflicht nehmen für die unpopuläre schwarz-gelbe Bundespolitik. Zudem hatte die SPD 2009 bei der Bundestagswahl ihre schlimmste Wahlpleite hinnehmen müssen – nach vier Jahren großer Koalition im Bund. Zwar hatte sogar die NRW-SPD mit Peer Steinbrück einen bekannten Bundesfinanzminister gestellt – aber genützt hat es ihr am Wahltag nicht.