Die B3E-Story 2: Entstanden aus dem Nichts?

Handelshof Foto: Mandragora

Wie das legendäre Bermudadreieck in den blauen Fluten der Karibik, ist auch das gleichnamige Gastronomie- und Entertainmentviertel der Legende nach aus dem Nichts entstanden. Aber wie es bei Legenden so ist, sie stimmen in der Regel höchstens zur Hälfte. Es ist wahr, in den 50er Jahren und auch noch Anfang der Sechziger war von diesem heute pulsierenden Ort nichts zu sehen, und jemand, der ihn zu dieser Zeit vorausgesagt hätte, wäre Gefahr gelaufen, kurzfristig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen zu werden.

Schaut man jedoch genauer hin, dann war dort, wo heute an sonnigen Sommerwochenenden bis zu 50.000 Menschen feiern und flanieren, früher einmal das Bahnhofsviertel der damals äußerst dynamischen und ständig wachsenden Industriestadt Bochum. In gewisser Weise schlug dort ihr Herz. Es wurde zusammen mit dem größten Teil der Innenstadt im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gebombt. Nach dem 4. November 1944, dem Tag des schwersten Bombenangriffs, war die Bochumer City ein Trümmerfeld. Vom alten Bochumer Hauptbahnhof steht heute nur noch ein behelfsmäßiger Nachbau. Der so genannte Katholikenbahnhof, heute bekannter als Veranstaltungsort namens Rotunde, wurde zum Katholikentag, der ersten von den Alliierten in Deutschland genehmigten Großveranstaltung, 1949 in Bochum auf dem Schutt des alten Bahnhofes, wesentlich kleiner und schlichter als dieser erbaut.

Der Katholikenbahnhof sollte von Anfang an nicht mehr als ein Provisorium sein. Nach dem Krieg waren sich die Bochumer Stadtplaner darin einig, dass der „richtige“, neue Hauptbahnhof an einem neuen, dem heutigen Platz, wieder in alter Größe entstehen sollte. Es war ein alter Plan, denn die Verlegung dieses zentralen Eisenbahnhaltepunktes war schon seit der Jahrhundertwende eine Überlegung der Stadtplaner. Da der Bochumer Hauptbahnhof ursprünglich kein Umsteigebahnhof war, musste man, um nach Wanne-Eickel und Gelsenkirchen zu kommen, erst einmal zum ehemaligen Nordbahnhof laufen. Zudem war der Bahnhofsvorplatz schon lange nicht mehr dem zunehmenden Reiseverkehr gewachsen.

Trotz aller städtebaulichen und verkehrstechnischen Probleme bot sich dem, der vor dem Zweiten Weltkrieg mit der Eisenbahn in Bochum ankam und sich Richtung Innenstadt auf den heutigen Konrad-Adenauer-Platz zu bewegte, eine ausgesprochen großstädtische Kulisse. Mehrere Hotels mit so illustren Namen wie Royal, Zum weißen Schwan und Union, sowie ein Kino namens Weltlichtspiele reihten sich nacheinander auf. Ebenso im Blickpunkt lag der heutige Handelshof, der 1914 errichtet worden war. In ihm befand sich zu seiner Eröffnung, wie heute wieder, im Erdgeschoss Gastronomie und darüber ein Billardsaal. Damals hieß dieser allerdings Billardakademie, und stand unter der Leitung eines – wie die Zeitungen schrieben – „erstklassigen“ Meisters seines Faches.

Weiter ging es die heutige obere Kortumstraße, damals noch Bahnhofstraße, am 1925 fertig gestellten Lueg-Haus vorbei, dessen Erdgeschoß vor dem Krieg noch im wesentlichen aus einer 450 qm großen Ausstellungshalle für – wie es früher hieß -Automobile bestand und eines der ersten Hochhäuser im Ruhrgebiet war. Das von dem Düsseldorfer Architekten Emil Pohle erbaute Haus war noch bis 1955 das höchste Gebäude der Stadt und beherbergt heute das Union-Kino. In den umliegenden Häuser gab es auf der untersten Ebene , wie heute auch, Gaststätten und Einzelhandel. Ein richtiges Kneipenviertel war das Quartier am Bochumer Bahnhof jedoch nicht. Es hatte eher –wie viele Bahnhofsviertel großer Städte – die Anmutung eines Rotlichtviertels.

Direkt lief der Neubochumer dann auf den 1910 eingeweihten und noch heute existierenden Engelbertbrunnen zu, der dem Viertel seinen Namen gab. Er wurde in seiner ursprünglichen, eher schlichteren Form von dem ortsansässigen Künstler Markus Wollner entworfen und verweist auf eine Zeit – auf das Jahr 1388 – in der es weder ein Bahnhofsviertel, noch Eisenbahnen gab, und Bochum noch nicht viel mehr als ein kleines Ackerbürgerstädtchen war. In diesem Jahr soll ein gewisser Graf Engelbert der III. von der Mark von Bochumer Junggesellen bei seiner Fehde mit der Freien Reichsstadt Dortmund unterstützt worden sein. – Auch dies wohl eine Legende mit eher zweifelhaftem Wahrheitsgehalt, zumal die Geschichte wohl erst vor gut hundert Jahren erfunden worden ist und den Bochumern seitdem als Grund für ein bis heute jährlich stattfindendes Stadtfest dient.

Graf Engelbert II. allerdings hat nachweislich zu Beginn des 13. Jahrhunderts Bochums Stadtrechte schriftlich niedergelegt. Was das Denkmal selbst betrifft, wurde es im Zweiten Weltkrieg als Kriegsmaterial eingeschmolzen und ist erst 1964 in der heutigen „modernen“ Fassung, nur wenige Meter vom alten Standort, wieder errichtet worden.

Von dieser städtebaulich attraktiven Vorkriegsszenerie sind im Wesentlichen nur der Handelshof und das Lueg-Haus erhalten geblieben. Selbst wenn die oben genannten Hotels die Bomben überstanden hätten, sie hätten letztlich an diesem Standort keine Zukunft gehabt. Die nun endlich realisierbare Bahnhofsverlegung schuf nämlich seit den 50er Jahren um den alten Standort eine Art städtebauliches Vakuum, eine Leerstelle am Rande der sich im Wiederaufbau befindlichen Innenstadt Bochums. Aus einem der zentralen Orte der Stadt war spätestens mit dem Bau des neuen Bahnhofs im Jahre 1957 ein blinder Fleck geworden, für den sich, von den Verkehrsplanern abgesehen, niemand mehr so Recht interessierte.

Die Verkehrsplaner Bochums  sahen schon bald nach Kriegsende  in der zu 70% zerstörten Innenstadt nicht nur das vergangene und überstandene Elend, sondern eine Zukunft, die breitere Straßen und eine optimalere Verkehrsführung für das sich anbahnende Wachstum der Region und natürlich auch Bochums anvisierte. Bochum sollte bereit gemacht werden für das Auto-Zeitalter. Ein urbanes Kneipen- und Szeneviertel  passte nicht in die Vison  dieser Leute.Sie nahmen der alten Bahnhofstraße die verkehrliche Erschließungsfunktion zur Innenstadt, und verlegten diese auf die nun vierspurig verbreiterte Viktoriastraße und den neuen Innenstadtring.  Die alte Bahnhofstraße wurde so zu einem Teil der Kortumstraße und nahm auch ihren Namen an.

Ihr zweites Teilstück Richtung Innenstadt, der Bogen zwischen Engelbert und Südring, wurde zur Brüderstraße. Die für ihre heutige Nebenstraßenfunktion sichtbar überdimensionierte Breite erinnert heute noch an ihre alte Hauptstraßenrolle. Diese „Übergröße“ war es auch, die es den heutigen Stadtplanern erlaubte, die für das Bermudadreieck typische Außengastronomie zuzulassen, da dies den Fußgängerfluss nicht einschränkte. Der alte Bahnhofsvorplatz und heutige Konrad-Adenauer-Platz vor dem Handelshof wurde zum Berliner Platz, war aber eigentlich überhaupt kein Platz mehr, sondern nur noch eine mit ein wenig Grün versehene, großzügige  Straßenabzweigung der Viktoriastraße in die obere Kortumstraße.

Im Ergebnis war das Viertel um den Engelbert  durch das neue, innerstädtische Erschließungskonzept auf einmal von zwei Seiten durch  vierspurige Verkehrstrassen von der restlichen Innenstadt abgeschnürt. Viktoriastraße und Südring bildeten dabei einen rechten Winkel zueinander und dadurch zusammen mit der nun in Obere Kortumstraße und Brüderstraße umbenannten ehemaligen Bahnhofstraße ein reales Straßendreieck. In diesem Straßendreieck nahm nun auch der aus der Vorkriegszeit verbliebene oder wieder erstandene Einzelhandel kontinuierlich ab. Die Menschen, die aus dem Süden über die Viktoriastraße durch die ebenfalls ausgeweitete Eisenbahnunterführung gelangten, hielten nicht mehr vor dem Südring an und stiegen dort auch nicht mehr aus. Auch wer aus der Innenstadt kam, sah keine große Veranlassung mehr, den Südring Richtung Engelbert zu überschreiten.

Wer allerdings am neuen Berliner Platz ganz nach oben zur Dachkante des Handelshofes schaute, konnte mit etwas Phantasie schon 1951 in großen Leuchtbuchstaben sehen, wohin die Reise zukünftig gehen sollte. Seit diesem Jahr stand dort wie ein positives Menetekel in großen Leuchtbuchstaben: „Treffpunkt Bochum – Schaufenster des Reviers“. Die Stadt hatte mit neidischem Blick auf den ebenfalls direkt am Bahnhof gebauten Handelshof in Essen und dem dort weit sichtbar angebrachten Spruch „Essen – Einkaufsstadt im Revier“ einen Bürger-Wettbewerb ausgeschrieben, und dieser Slogan war dabei herausgekommen.

Dass dieser 1988, nach dem er sich im wahrsten Sinne des Wortes erfüllt hatte, statt „Schaufenster im Revier“ das Wort „Bermudadreieck“ in sich aufnehmen würde, konnten aber weder die Bochumer Bürgerin, die ihn getextet hatte, noch die Preisverleiher ahnen. Erst recht nicht, dass niemand in Bochum etwas dagegen haben würde. Bei genauerem Hinsehen war aber auch nach dem Krieg im ehemaligen Bahnhofsviertel nicht alles Leben erstorben.

In der hektischen Gründerzeit während der Wirtschaftswunderjahre gab es sowohl im Einzelhandel als auch in der Gastronomie zahlreiche Wieder- und Neueröffnungen. Anfang der 60er Jahre hatten sich dort sogar schon wieder so genannte Bars, im damaligen Beamtendeutsch: „Unterhaltungsgaststätten mit verkürzter Polizeistunde“, etabliert. Diese eher mit zweifelhaftem Ruf beleumundeten Lokalitäten trugen Namen wie Die Kulisse an der Brüderstraße 8, die Stripteasebar Romantica an der Kortumstraße 19 und das Tanzcasino an der Kreuzstraße, und die damals wohl unvermeidliche Lidobar an der Viktoriastraße.

Auch im näheren Umkreis hatten zwei Tanz- bzw. Nachtlokale eröffnet: Das heute noch existierende New Orleans am Südring, und das wohl besonders feurige Nachtlokal Paprika am Ring an der Kreuzung Südring/Viktoriastraße.

Es gab aber auch bürgerliche Gaststätten wie das Zum Ritter an der oberen Kortumstraße und den Handelshof  im gleichnamigen Gebäude. Auch das heutige  Tucholsky hatte zu dieser Zeit schon einen gastronomischen Vorläufer. Ebenso das heutige Café Konkret, das zu jener Zeit in seinen Räumen die Gastwirtschaft Zum Engelbert  beherbergte. Die kleine schmale Kneipe namens IT-Stübchen (heute die Pinte) neben dem Kino mit dem heute zweifelhaft wirkenden Namen Intimes Theater (heute Casablanca) gehörte mehr zum Rotlichtmilieu der Stadt. Auch das Kino Union war schon in Betrieb.

Das Bochum der 50er Jahre war allerdings, was das Nachtleben betraf, so wie die meisten Ruhrgebietsstädte, eher provinziell. Anständige Menschen gingen – erst recht wenn man bedenkt dass die Masse  schwerindustrielle Arbeiter waren – damals nun einmal früh ins Bett. Erst 1959 gab es wieder zwei Bars in  Bochum. Bis 1965 hat sich die Zahl der „Tanz- und Vergnügungsstätten“ immerhin auf insgesamt 20 erhöht. Für eine normale Großstadt auch damals keine beeindruckende Zahl.

Mehr:

Teil 1: Die B3E-Story – oder wie das Bochumer Szeneviertel namens Bermudadreieck entstanden ist

Teil 3: http://www.ruhrbarone.de/die-b3e-story-vom-proletarischen-moltkeviertel-zur-bochumer-studentenbewegung/#more-44327

Die B3E-Story – oder wie das Bochumer Szeneviertel namens Bermudadreieck entstanden ist

Es kommt selten vor, dass ein Kneipenviertel zum Aushängeschild einer ganzen Stadt avanciert. Die Frauenkirche in München ist bekannter als Schwabing, in Berlin sind Gedächtniskirche und der Kudamm nach wie vor größere Besuchermagnete, als die Szeneviertel in Mitte, Kreuzberg und am Prenzlauer Berg, und selbst Düsseldorf ist vor allem Landeshauptstadt und erst dann die vermeintlich größte Theke der Welt. In 20 Folgen  stellen wir die Geschichte des Quartiers vor.   

In Bochum sieht das anders aus: Hier ist das Bermudadreieck der wichtigste Besuchermagnet der Stadt. Das in den 80er Jahren entstandene Kneipenviertel ist, betrachtet man seine Kontinuität, erfolgreicher als der VfL-Bochum, zieht mehr Gäste in seinen Bann als die Rollschuhläufer des Starlight-Express und ist mit über 1600 Mitarbeitern ein wichtiger Faktor auf dem Bochumer Arbeitsmarkt.

Gelungen ist dies, weil das Bermudadreieck etwas metropolenhaftes ins Ruhrgebiet hinein gebracht hat, ja, im Sommer sogar etwas mediterranes. Der Grund: Das Bermudadreieck macht keine Pause. Hier kann man morgens um acht seinen ersten Kaffee trinken und nachts, kurz vor sechs, bekommt man das letzte Bier.

Es gibt Cafés mit einer exzellenten Auswahl an Tageszeitungen und Magazinen und Kneipen, in denen es erst ab zwei Uhr in der Nacht richtig voll wird. Das Bermudadreieck ist ein Mikrokosmos, offen, nicht nur um jede

Continue Reading

Die Zeugen Jehovas, 1000 Kommentare und der vielleicht längste Religions-Thread der Welt

Es begann am 13 April 2009. Die beiden Ruhrbarone-Autoren Patrick Joswig und Bastian Schlange von der Wattenscheider Schule veröffentlichen einen ihrer Insiderstories mit dem Titel: Die Zeugen Jehovas sind die besten Menschen der Welt. Was darauf hin begann ist meines Wissen einmalig im Bereich des religiösen Dialogs: 1000 Kommentare bis zum heutigen Tag, und kein Ende in Sicht.

Dabei ging es zwischen den Kontrahenten so zur Sache, dass die Kommentarfunktion im Interesse aller Beteiligten sogar zweimal für einige Wochen ganz abgestellt werden musste, um danach wieder etwas abgekühlter, aber nichtsdestotrotz genauso antipodisch weiterzugehen. Ein kleiner Kreis hatte sich gefunden, der in seinen Positionen zum Glauben nicht unterschiedlicher sein konnte, und gerade darin offensichtlich einen besonderen Reiz des Diskutierens gefunden hat. So sehr, dass selbst Pausen die jeden andere Thread hier zum erliegen gebracht hätten, den sachlichen Fluss des Kommentierens nicht stoppen konnte.

Kaum dass die Beteiligten entdeckten, und das konnten sie nur, wenn sie fast täglich bei den Ruhrbaronen reinschauten, dass die Kommentarfunktion wieder freigeschaltet war, legte sie sofort wieder los. Mit Kommentaren, die nicht nur in ihrer Länge sondern auch in ihr biblischen und allgemeinphilosophischen Sachkunde alles übertreffen, was ich je in Blogs zu diesem Thema gelesen habe. Aber auch in ihrer Bissigkeit, Leidenschaft, ja religiösen Verrücktheit, und vor allem in ihrer Ausdauer. Denn wir haben jetzt die Mitte des Jahres 2012 überschritten.

Ich habe mich ganz zu Anfang sogar selbst mit einem sehr kurzen Statement beteiligt, habe mich dann aber wie auch andere zurückgezogen. Geblieben ist ein Kreis der sich im Kern bis zum heutigen Tag treu geblieben ist.

Continue Reading

Wider den Ampelgehorsam oder: selbst der Rotlichtdeutsche kann sich ändern

Sie kennen das alle. Sie stehen vor einer roten Ampel, keine Auto weit und breit, aber dafür andere Passanten neben ihnen oder auf der anderen Seite der Straße. Eigentlich wollen sie gehen. Ihr Verstand sagt ihnen ganz klar: wenn die Ampel nicht da wäre, würde hier jetzt jeder die Straße überqueren. Die Logik der Erfahrung geht noch weiter: Man müsste bekloppt sein, wen man es genau jetzt nicht täte, denn es besteht genau jetzt keine Gefahr, von einem Auto überfahren zu werden.

Aber die Leute um sie herum bleiben stoisch stehen.  Als wäre die Ampel eine Art Gott, der alles sieht, und der sie irgendwann für das Überschreiten bei Rot zur Rechenschafft ziehen könnte. Oder vielleicht, weil sie im Inneren der Ampel eine ganz hinterhältig versteckte weltliche Kamera vermuten, die sie in Flagranti fotografieren wird.  In ihren Köpfen scheint auf jeden Fall der folgende Satz fest verankert zu sein: Rot heißt stehen bleiben, egal was der Verstand sagt und die Gefahrenrealität anzeigt.

Früher nannte man das Kadavergehorsam. Nur, dass das hier und heute gegenüber einem toten Gegenstand passiert. Einem, der einem deswegen auch nichts tun kann. Außer  wenn sich die Polizei in unmittelbarer Nähe befindet.  Die Ampel alleine hat man dagegen nicht zu fürchten. Sie wird einem nichts tun. Sie kann einem nichts tun. Ihr ist es sogar scheißegal ob man sie beachtet oder nicht. Dem deutschen Staat allerdings nicht. Er hat nicht nur wahnsinnig viele Straßenschilder aufstellen lassen, sondern auch massenhaft Ampeln der verschiedensten Formen.

Continue Reading
Werbung


Metropole Rad – ein wirklich gute Idee

Haus der Ruhrgebiets

Der RVR will das Ruhrgebiet zum Fahrradfahrer Paradies machen, und dieses Paradies soll den Namen Metropole tragen. Ich mag diese Bezeichnung für meine Heimat ganz und gar nicht, aber  in diesem Fall  bzw. in dieser Wortkombination ist sie genau richtig.

Metropole sein heißt nämlich auch, einen räumlichen  Führungsanspruch zu übernehmen, zumindest aber systematisch und konsequent anzustreben. Eine weltweit führende Fahrradmetropole könnte das Land um Emscher und Ruhr denn auch wirklich werden, wenn sich die Verantwortlichen darauf auch entsprechend konzentrieren.

Das Ruhrgebiet bietet dafür nämlich alle Voraussetzungen. Es ist insgesamt eher flach, flächendeckend durchgrünt und zugleich so dicht besiedelt, dass für den alltäglichen Bedarf insgesamt eher kurze als lange Wege notwendig sind, um die entsprechenden Ziele zu erreichen. Das wird auch noch bei erheblich weniger Einwohnern der Fall sein, wobei dadurch die für das Radfahren so wichtige Störungsverringerung  durch den Autoverkehr sogar noch weiter ausgebaut werden kann.

Hinzu kommt, dass die insgesamt absehbare weitere Verarmung  großer Teile der Ruhrgebietsbevölkerung, in Kombination mit weiter steigenden Spritpreisen, den Umstieg aufs Rad beschleunigen wird. Nicht, dass ich

Continue Reading

Ruhrgebiet: Sparen kann man nur gemeinsam und parteiübegreifend

Das Ruhrgebiet ist bankrott. Das klingt nicht nur brutal, es ist es auch. Das Problem ist nur: das ganze Ruhrgebiet lässt sich nicht schließen wie irgendein Unternehmen, das Pleite geht. Im Gegenteil. Es wird noch sehr lange existieren. So oder so. Denn wir Ruhrgebietler können nicht einfach alle woanders hin. Wir sind schlicht zu viele. Selbst wenn wir noch schneller weniger werden als bisher bleiben auch noch  2050 mehr Einwohner über als in unserer Hauptstadt, deren  Zuwachs bis zu diesem Jahr mit eingerechnet. 

Ein räumlich konzentriertes Armutsgebiet mit mehr als 3 Millionen Einwohnern kann sich Deutschland aber nicht erlauben. Genauso wenig werden jedoch die noch vermögenderen Regionen Deutschlands bereit sein, die Menschen an Ruhr und Emscher bis dahin durchzufüttern. Auch wenn wir das umgekehrt lange Zeit mit anderen gemacht haben. Es wird also trotz Bankrott weitergehen. Nur sollte das, wenn wir nicht wollen dass die anderen irgendwann die Nase gänzlich voll von uns haben,  ganz anders laufen als bisher.

Es müsste ab jetzt darum gehen, nur noch in die Projekte Steuergelder zu investieren die die Kommunen  u n d die Region garantiert nach vorne bringen, und auf der anderen Seite darum, in anderen Bereichen rigoros zu sparen. Aber wer soll das entscheiden? Die einzelnen Kommunen jede für sich? Alle gemeinsam per Regionalverband? Ein vom Land und/oder Bund eingesetzter Sparkommissar? Oder weiterhin die Regierungspräsidenten per Haushaltssicherungsgesetz?

Es ist jetzt schon absehbar, dass die Kommunen das Problem einzeln nicht gebacken kriegen. Wer sich die durchaus redlichen, zugleich aber hilflosen, Bemühungen anschaut, egal ob per Bürgerabstimmung oder im stillen Kämmerlein, der weiß, dass dort vor Ort Niemand ans Eingemachte zu gehen bereit ist. Dem zu

Continue Reading

Rot-Grün reloaded: Das große Pendel schlägt wieder nach links

Die Wahl in NRW war, wie die meisten Wahlen der letzen Zeit, inhaltlich lau. Aber sie hatte es trotzdem in sich, und das ganz unabhängig von den Spitzenkandidaten. Die spielten eine weitaus geringere Rolle als uns die Presse und die Umfragen  jetzt glauben machen wollen. Es geht nämlich bei Wahlen nicht nur um Programme und/oder Personen sondern auch und vor allem um allgemeine Stimmungen. Diese wiederum sind keineswegs nur vom Gefühl sondern auch vom Verstand geprägt. Genauergesagt sind sie ein Quintessenz aus der Unmenge an Information die die Menschen die noch wählen, d.h. die noch an Gesellschaft und Politik Interesse haben, diesbezüglich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten aufzunehmen und zu verarbeiten bereit und in der Lage sind.

Der Durchschnittswähler ist weder Experte noch Informationsspezialist. Er nimmt das an Daten und Fakten auf, was ihm in der allgemeinen Presse-, Fernseh- und Internetlandschaft geboten wird. Er lernt also weitaus langsamer als die professionellen Gesellschaftsbeobachter. Aber er/sie lernt und sie/er ändert entsprechend auch seine politische Meinung und Einstellung.  Grundsätzliche politische Mehrheitsänderungen, sprich ernstzunehmende politische Richtungswechsel, brauchen deswegen entsprechend lange, bis sie gesellschaftlich durchschlagen.

Das heißt: das große politische Pendel schwingt langsam, ja manchmal unmerklich, aber es bewegt sich ständig. Die beiden Grundrichtungen haben sich dabei trotz größerer sachlicher und parteilicher Differenzierung und zunehmender Problemkomplexität nicht geändert: Es geht entweder nach links oder nach rechts. Die letzte Dekade eindeutig nach rechts und

Continue Reading

Radschnellweg Ruhr – brauchen wir ihn wirklich?

Ein Radschnellweg, 60 -80 km lang, im Schnitt gut 5m breit, schön fahrradfreundlich asphaltiert, so gut wie kreuzungsfrei einmal längs durchs Ruhrgebiet, von Ost nach West, zwischen Hamm und Duisburg? Über diesen Plan unseres Regionalverbandes kann man als Alltagsradler doch nur begeistert sein, oder? Warum ich es nicht bin? Ich werde es euch erklären:

Weil es entlang der geplanten Strecke für die Ruhr-Rad Autobahn größten Teils parallel nicht nur eine Auto-Auto-Bahn gibt, sondern eine der höchst frequentierten ÖPNV-Trassen Deutschlands, in  deren Zügen man sein Fahrrad mitnehmen kann bzw. könnte. Diese Mitnahme ist leider kostenpflichtig und die Fahrradabteile reichen gerade in Ruhshour-Zeiten nicht aus. Aber das müsste nicht so sein. Im Gegenteil, es gibt prinzipiell kein schnelleres und zugleich ökologischeres Fahrradtransport- System als die Bahn.

Gegenüber der geplanten Radautobahn  hat es aber noch zwei weitere wesentlichen Vorteile: Es ist wetterunabhängig und erreicht direkt die Zentren der anliegenden Städte. D.h. bei fahrradunfreundlichem Wetter verkürzt sie z.B. für den zwischenstädtischen Biker die Zeit in Regen, Kälte und starkem Wind auf das unvermeidliche Minimum. Unsere Hardcore-Allwetter-Radler werden über solche Weicheierei zwar nur milde lächeln, sollten dabei aber bedenken, dass sie weit unter 10 % der Alltagsradler ausmachen.

Continue Reading
Werbung


Gauck: Not my President

Joachim Gauck Foto: J. Patrick Fischer Lizenz: CC 3.0 via Wikipedia

Klar, es ist Gauck geworden. Nach einem Schlecht- und einem Flachredner bekommen wir nun einen hoch begabten und zugleich gnadenlosen Vielredner zum Präsidenten. Andauernd oszillierend zwischen bildungsversierter Altersweisheit und oberlehrerhafter Geschwätzigkeit. Das kann noch heiter werden. Aber er lässt einen wenigstens, und das hoffentlich bald, den Mann vergessen, der den Begriff des Ehrensoldes endgültig ad absurdum geführt hat. (Wofür man wiederum Wulff in gewisser Weise auch dankbar sein muss.)

Nein Leute, mein Präsident muss keineswegs meiner politischen Meinung  sein, geschweige denn  meinen kulturellen und sozialen Wertekanon vertreten. Er muss mir, mit einem Wort, nicht in mein Weltbild passen. Aber er  sollte doch in der Lage sein, auch das meinige zu akzeptieren. Er sollte mir die gleiche Toleranz erweisen wie ich ihm gegenüber.

 Joachim Gauck, wird das aber nicht können. Nicht aus Dummheit oder Unwillen sondern aus Prinzip. Er ist nämlich Pastor der evangelischen Kirche. Dazu einer, der sich für eben diese in extremer  und durchaus achtenswerter Art  politisch engagiert hat, d.h. ihr in besonderer Weise auch persönlich verbunden ist.

Dieses Engagement, das sich gegen eine Diktatur wandte, verdient  meine Hochachtung. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Kirche, in deren Rahmen das geschah, ein Wesen in den Mittelpunkt stellt, an das ich, und mit mir gut ein Drittel der deutschen Bevölkerung, keine Veranlassung sehen, zu glauben: an einen allmächtigen und ewigen Gott.

Continue Reading

Begegnung mit Gott

Christuskirchen Foto: Ayla Wessel/Kulturagentür

Oooh Leute, ich glaube ich muss alles widerrufen. Unglaublich aber wahr. Ich habe, kurz nach dem mein letztes Posting hier geschaltet wurde, Gott getroffen. Oder sagen wir mal, ich bin ziemlich sicher, dass er es war. Er stand auf einmal in meinem Büro. Aus dem Nichts. Sehr elegante Erscheinung übrigens. Allerdings irgendwie androgyn. So ein bisschen wie Karl Lagerfeld, aber viel größer und ohne Sonnenbrille. Und noch viel eleganter, was ja eigentlich gar nicht geht.

Als ich mich etwas gefangen hatte, habe ich ihn spontan gefragt, ob er Gott sei. Er schien von der Frage nicht wirklich begeistert, aber er lächelte und nickte ganz leicht. So wie diese Italowestern Helden meiner Jugend, wenn sie auf die Bösen trafen und wussten, dass sie sie, obwohl die in der Überzahl waren, gleich komplett vermöbeln werden. Alleine. Einer gegen alle. Muss ein tolles Gefühl sein, Leute.

Ich hake nach. „ Wieso willst du ausgerechnet mit einem Ungläubigen sprechen?“ Ja, Leute, ich duzte ihn. Obwohl ich natürlich zuerst Sie sagen wollte. Es hätte ja auch ein Kunde sein können. Obwohl zu der Zeit. Äußerst unwahrscheinlich. Und diese Aura. Der ganze ästhetische Auftritt. Sein Style. Seine Moves eben. Es konnte einfach kein Kunde sein. Er hatte im wahrsten Sinne des Wortes zu viel Ausstrahlung. Sie war irgendwie überlegen aber auch freundlich. Irgendwie väterlich oder auch mütterlich, auf jeden Fall nicht arrogant sondern offen und herzlich.

Er lächelte erneut und sagt, zu meiner Überraschung leicht lispelnd, dass ihm die Gläubigen mittlerweile ziemlich auf die Nerven gehen. Er wolle einfach mal mit einem reden der keine vorgefasste Meinung, ja überhaupt kein Bild von ihm hat. Ohne diesen  Allmächtigkeitsquatsch. O.k.er hätte die Welt, ja das ganze Weltall, wirklich in einer Woche geschaffen, mit eingebautem Ausdehnungsfaktor. Was er, wie man ihm oder ihr ansehen konnte, auch noch im Nachhinein für einen klasse Einfall hielt. Und er wisse natürlich alles, sonst hätte er nicht vor ein paar Tagen mal wieder genauer auf das Ruhrbarone-Blog geschaut.

Continue Reading