New York City und das Fahrrad

New York City hat ein Thema auf die politische Agenda gesetzt, das selbst eingefleischte Kenner dieser Megalopolis in Erstaunen versetzt: Das Fahrrad als Nahverkehrsmittel der Zukunft und als wesentliche Problemlösung der wachsenden Mobilitätskrise in den Groß- und Weltstädten.

Das Fahrrad war auch in New York schon mal ein ganz normales Fortbewegungsmittel. Der erste Fahrradweg in den USA wurde nämlich im heutigen Stadtteil Brooklyn gebaut, und zwar 1894, 2 Jahre bevor die erste alltagstaugliche Alleinspur dieses Typs in den Niederlanden erstellt wurde. Er verlief vom Prospect Park bis nach Coney Island, d.h. in einer Länge von ungefähr 8,5 km entlang des heutigen „Ocean Parkway“ in der damals noch selbstständigen Stadt Brooklyn.

Die explizit nur für Biker nutzbare Feinschotterstrecke verlief sogar in beide Richtungen der Straße, die damals allerdings schmaler war und hauptsächlich von Pferdekutschen befahren wurde. Die Anzahl der „Pedalpusher“ wurde in der damals viertgrößten Stadt Nordamerikas auf ca. 80.000 geschätzt und sie hatten eine eigene, politisch äußerst aktive Organisation. Radfahren war am Ende des 19. Jahrhunderts nämlich nicht nur in Europa „in and fashionable“, und zwar auch für das weibliche Geschlecht.

Radfahrer um 1890 im Riverside Park (Foto: Sammlung Voss)
Radfahrer um 1890 im Riverside Park (Foto: Sammlung Voss)

Nicht viel später wurden auch in anderen Stadtteilen des heutigen New York Fahrradwege gebaut und zum Teil miteinander vernetzt. Zu den bekanntesten zählte in Manhattan die Strecke durch den Riverside Park entlang des Hudson River und in der Bronx die entlang des Pelham Parkway. 1895 war ein Teil der Wege sogar schon asphaltiert, und die New York Times veröffentliche die erste „Cycling Map“ der Stadt.

Mit dem Aufstieg des Automobils begann dann im 20. Jahrhundert – weltweit – der Niedergang des Fahrrades als Alltags- und Stadtfahrzeug, wobei die USA der Vorreiter waren. Alle hier besonders genannte Radwege existieren jedoch teilweise heute noch bzw. haben den Umbau New Yorks zur autogerechten Stadt überdauert. New York hat sogar, im Gegensatz zu anderen Großstädten Nordamerikas, auch in den kommenden Jahrzehnten noch neu Radwege gebaut. Aber parallel dazu verfielen die meisten, verschwanden unter den verbreiterten Straßen oder wurden zu Bürgersteigen. Von einem Radwegenetz war spätestens nach dem 2. Weltkrieg in der Stadt nichts mehr zu sehen. Gerade entlang des Wassers, den attraktivsten potentiellen Strecken für den muskelbetriebenen Verkehr, hatte Robert Moses, der wohl einflussreichste New Yorker Stadtplaner des 20.Jahrunderts, stattdessen vier- bis achtspurige Highways bauen lassen.

Auch das ansonsten meist rechtwinklig ausgerichtete Straßenmuster war, zumindest was die Avenues betrifft, in seiner ganzen Breite auf den mehrspurigen Autoverkehr ausgerichtet worden. Manhattan, der am

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Der öffentliche Raum ist (auch) eine Zumutung, und das ist gut so.


Wer hat eigentlich in die Welt gesetzt, dass unsere soziale und gebaute Umwelt zu unser aller Gefallen zu sein hat? Dass, kaum dass wir aus unserer mehr oder weniger unaufgeräumten und nicht ohne  persönliche Geschmacksverirrungen eingerichteten Wohnung treten, alles nach den Gesetzen der sozialen Harmonie und der äußeren Schönheit zu funktionieren hat?

Klar, ich will nicht gleich ins nächste Loch stolpern, wenn ich auf die Straße gehe. Erst recht will ich  nicht bei nächster Gelegenheit von Jemandem überfallen werden, wenn ich mich aus dem abschließbaren Schutz meiner vier Wände in die Außenwelt  begebe. Aber muss das Straßenpflaster deswegen  gleich meinem Geschmack entsprechen auf dem ich ansonsten sicher gehe?

Müssen die Häuser entlang meines Weges alle in den richtigen Farben und Proportionen gefasst sein und das städtische und landschaftliche Ganze irgendeinem ästhetischen Idealbild entsprechen? Müssen obendrein die Menschen die mir dabei begegnen ausnahmslos freundlich, zumindest aber in ihrem Äußeren meines Blickes würdig sein?

Menschen sind nun mal sehr unterschiedlich und Architekten nicht die Herren der Welt sondern nicht mehr und nicht weniger als die zeitweisen Angestellten ihrer jeweilige Bauherren. Wie soll da Harmonie und Schönheit hergestellt werden, ohne dass sich eine Meinung gegen alle anderen durchsetzt?

Wie soll aus der Zumutung durch die Anderen einen Anmutung für mich, ja für alle werden, ohne dass dabei die Individualität und Kreativität des Einzelnen geopfert wird? Ohne dass die gestalterischen Wünsche des Einzelnen in der Einheitlichkeit und Konformität von manipulierten Massenwünschen untergeht? Oder ist die Mehrheit per Demokratie befugt im öffentlichen Raum den Rest ästhetisch und sozial glatt zu schleifen.

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„Woanders käme ich zu spät“– Ein Gespräch mit dem Künstler Oscar Ledesma

ElSecretoDelMal

Oscar ist vor 37 Jahren in Mexiko City geboren. Er kommt aus sehr ärmlichen Verhältnissen, hat es aber in dieser Stadt zu einem abgeschlossenen Studium der Mathematik, der Fotografie und der Literatur gebracht. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD hat ihn dann nach Essen verschlagen. Dort hatte er 2003 auch seine erste Fotoausstellung und wurde Mitbegründer der Galerie Clowns & Pferde.

Aus der geplanten Promotion wurde nichts. Stattdessen gab es zahlreiche Ausstellungen und 2 Kunstpreise von denen ein Fotograf keineswegs leben kann. Seit  Jahren arbeitet Oscar deswegen in einer Essener Software Firma um seine Existenz als freier Künstler zu

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Radfahren: Verwirrt zwischen Bochum und Dortmund

Indisches KohleradEs war die letzten Tage einfach zu schön, als das man auf eine Radtour hätte verzichten können. Frühling, du holder Sommerbote, du warst zu überzeugend, und da du zum Wochenende gleich wieder verschwinden könntest, bin ich froh, dass ich für die Pedalerei meine Arbeit habe liegen lassen. Besser gesagt habe  ich sie verschoben, um ein paar Stunden am Stück Wind und Sonne auf dem Sattel zu genießen.

Spätes Frühstück im B3E. Draußen still sitzen war früh morgens noch zu kalt. Draußen bewegen dagegen nicht. Also danach aufs Rad und zu den Grummer Teichen. Von da hatte ich einen Radweg Richtung Dortmund in Erinnerung. Durch Bochum Grumme fließt ein Bächlein in einem kleinen Tal, das immer mal wieder aufgestaut worden ist. Da entlang geht wirklich ein regionaler Radweg. Genauer gesagt der Emscherpark-Radweg. Zumindest sah es so aus. Ein winzig  kleines Schild an irgendeinem Masten zeigte es mir nämlich an. Allerdings ohne jede Richtungs- und Zielangabe.

Da die Sonne jedoch unverhohlen warm auf meinen Buckel schien, wusste ich zumindest grob, wo lang es nach Dortmund geht. Bald jedoch verlor ich die Orientierung, weil ich keine Schild mehr entdeckte, so sehr ich auch danach Ausschau hielt. Nach einigen Haken quer durch ein Industriegebiet tauchte der Mini-Hinweis mit dem roten Förderturm aber wieder auf. Jedoch erneut ohne Richtungsangaben.  Das ist ungefähr so, als würde auf einer Autobahn nur ein einziges Schild mit der Aufschrift  „Autobahn“ stehen.

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Gentrification in New York als Film

Ihr erinnert euch vielleicht noch an meine Williamsburg Story. Dort habe ich den Gentrifizierungsprozess in diesem Stadttteil von Brooklyn sozusagen von unten beschrieben. Aus der Sicht der Bewohner und vor allem der Künstlerpioniere, die aus Manhattan verdrängt wurden um gut 30 Jahr später erneut aus Williamsburg heraus gedrückt zu werden, weil auch dort für sie die Mieten nicht mehr zu bezahlen sind.

Nun gibt es einen Dokumentarfilm zum gleichen Thema: „Gut Renovation“ von Sue Friedrich. Er wird obendrein auch noch in Dortmund gezeigt. Im thematischen Schwerpunkt EXZESS des diesjährigen Frauenfilmfestivals, und zwar  am Mittwoch den 10.04., 18 Uhr und am Sonntag den 14.04., 12 Uhr in der Schauburg.

Mehr über den Film hier.
Alle Infos über das komplette Festivalprogramm vom 9.-14. April 2013 in Dortmund & Köln findet ihr auf  www.frauenfilmfestival.eu

Finissage der Fotoausstellung „ Essen – Eine Stadt“

ansMeer_nachParis1 Heute abend ab 19.00 Uhr ist  die Finissage  und damit der Abschluss der Ausstellung „Essen – Eine Stadt“. Der Fotograf Matthias Tränkle ist selbst anwesend. Ab 20 Uhr spielt „Festland“. Im Atelierraum gibt’s dazu “Territory and Time”, ein Installation von Bianca Wikinghoff und Oscar Ledesma. Mehr Infos:

Clowns & Pferde Galerie
Frankfurter Straße 33
45145 Essen
Tel + 49 176 62 419 755
info@clownsundpferde.de
www.facebook.com/events/429759927100896/

Warum ich Atheist bin

Gleich vorweg: Ich achte den Glauben an Gott, denn er scheint vielen Menschen ein wichtiges Bedürfnis zu sein. Ein Bedürfnis das es offensichtlich völlig unabhängig davon gibt, ob Gott existiert oder nicht. Ein Bedürfnis dessen Befriedigung diesen Menschen spirituelle Orientierung, geistige Werte, emotionalen Trost und nicht zuletzt auch eine sie tragende soziale Gemeinschaft bietet.

Ich habe solche Anliegen auch, aber ich brauche zu ihrer Befriedigung kein höheres Wesen und keinen höheren Sinn. Ich lehne es deswegen ab, an welchen Gott auch immer zu glauben. Die Existenz oder Nichtexistenz eines solchen Wesens ist für meine Lebensführung schlicht irrelevant. Besser gesagt habe ich  andere Bezugsgrößen die mir  Werte setzen und geistige Orientierung geben, und ich habe darüber hier schon des Öfteren ausführlich und – auf Grund der gegensätzlichen Meinungen – auch  heftig diskutiert. Mit gläubigen wie mit nichtgläubigen Menschen.

Es war mir jedoch leider nicht immer möglich, so gelassen und fair zu bleiben, wie es diesem Thema angemessen ist. Deswegen bin ich froh bei Youtube ein Video gefunden zu haben, in dem Jemand meine Position in einer Weise darzustellen in der Lage ist, die eine tragfähige Basis für weitere diesbezügliche Diskussionen in diesem Blog bieten könnte.

Wer also eine Stunde Zeit hat, sollte sich diese Folge der Fernsehserie „ Sternstunden der Philosophie“ zu Gemüte führen. Bei dieser Gelegenheit nochmal Dank an alle, die sich hier zusammen mit mir zum Thema Glaube und Religion immer wieder die Köpfe heiß geschrieben haben.

Zwei interessante Ausstellungen in Essen Frohnhausen

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Essen Frohnhausen liegt ganz nah an der B1 und trotzdem hat es mich bislang nicht sonderlich interessiert. Am vorletzten Sonntag jedoch habe ich mich aufgemacht, diesen Stadtteil näher in Augenschein zu nehmen. Es gibt dort nämlich 2 Orte die zu Zeit mit Sicherheit eine Reise wert sind: Die Notkirche der Apostelgemeinde und die kleine aber feine Galerie Clowns&Pferde. Vom öffentlichen Kunstraum Notkirche an der Mülheimer Straße 70 hatte ich schon gehört, auf die private Galerie bin ich jedoch per Zufall gestoßen. Wer vermutet so was in Frohnhausen.

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Die B3E-Story – oder wie aus dem ehemaligen Bochumer Bahnhofsviertel das Bermuda3eck wurde

Konrad-Adenauer-Platz mit Handelshof 2004
Konrad-Adenauer-Platz mit Handelshof 2004

Wie viele unserer Leser wissen, wurde diese Story im letzten Jahr von mir hier schon einmal in 20 einzelnen Folgen vorveröffentlicht, um weitere Anregungen und Informationen für die nun folgende Endfassung zu bekommen. Ich erhielt sie durch Kommentare zu diesen einzelnen Folgen, aber auch durch e-Mails und persönliche Gespräche. Sie haben zu textlichen Veränderungen, neuen Dokumenten und Fotos – ja zu neuen bzw. weiteren Kapiteln geführt. Ich danke dafür allen, die mich bei meinen Recherchen unterstützt haben!

Prolog

Es kommt selten vor, dass ein Kneipenviertel zum Aushängeschild einer ganzen Stadt avanciert. Die Frauenkirche in München ist bekannter als Schwabing, in Berlin sind Gedächtniskirche und der Kudamm nach wie vor größere Besuchermagnete als die Szeneviertel in Mitte, Kreuzberg und am Prenzlauer Berg. Selbst Düsseldorf ist vor allem Landeshauptstadt und erst dann die vermeintlich größte Theke der Welt. In Bochum sieht das anders aus: Hier ist das Bermuda3eck der wichtigste Besuchermagnet der Stadt.

Das in den 70er und 80er Jahren entstandene Kneipenviertel ist – betrachtet man seine Kontinuität – erfolgreicher als der VfL-Bochum, zieht mehr Gäste in seinen Bann als die Rollschuhläufer des Starlight-Express und ist mit über 1600 Mitarbeitern ein wichtiger Faktor auf dem Bochumer Arbeitsmarkt.

Gelungen ist dies, weil das Bermuda3eck etwas Metropolitanes ins Ruhrgebiet gebracht hat; ja, im Sommer sogar etwas Mediterranes. Ein wichtiger Grund: Das Bermuda3eck macht keine Pause. Hier kann man morgens um acht seinen ersten Kaffee trinken und nachts – kurz vor sechs – bekommt man das letzte Bier. Es gibt Cafés mit einer exzellenten Auswahl an Tageszeitungen und Magazinen sowie Kneipen, in denen es erst ab zwei Uhr in der Nacht

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Meine dritte Begegnung mit Gott – dieses Mal als Göttin

Eigentlich wollte ich diese Begegnung verschweigen. Aber in Anbetracht  der wiederholten religiösen Debatten in den letzten Wochen in diesem Blog konnte ich es dann doch nicht. Und natürlich konnte ich auch nicht  ahnen, dass Gott mich ein drittes Mal aufsuchen würde. Ich, wie ihr wisst, würde das umgekehrt niemals tun. Nicht nur weil ich nicht an ein höheres Wesen  glaube. Ich würde deswegen ja auch nicht wissen, wo ich ihn finden könnte. Aber er hat mich mal wieder besucht: In Berlin Wedding auf einer Bank direkt an der Panke. Ganz in der Nähe von meinem Büro. Also ganz in der Nähe von dem Ort, ihr erinnert euch, wo er das erste Mal aufgekreuzt , sorry, mir erschienen ist.

Er scheint kanalartige Gewässer zu lieben. Oder besser sie, denn urplötzlich saß eine Frau mit Kopftuch neben mir. Es war das schönste seiner Art, das ich je in Deutschland gesehen habe. Mehrfach zu einer Art Turban um den Kopf gewunden um dann in einem ganz feinen leichtenSchleier über Brust und Schulter zu fallen. Auf jeder orientalischen Modenschau hätte es den ersten Preis für weibliche Kopfbedeckungen abgeräumt.

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