Die B3E-Story 16 – Ein gewisser Dirk Steinbrecher

Dirk Steinbrecher, weniger an kleidnerische Eleganz interessiert und nicht so eloquent wie Johannes Dittfeld, jedoch organisatorisch genau so begabt und vor allem immer noch erfolgreich im Dreieck aktiv, begann 1986 seine „Kneipenkarriere“ mit 21 Jahren im Mandragora, im Ausschank des dazugehörigen Biergartens auf dem Konrad-Adenauer-Platz. „Ich begann ein Jahr zuvor mit meinem Maschinenbau-Studium und da ich schon als Jugendlicher immer nebenbei gejobbt habe, suchte ich nach einer festen Aushilfsstelle, um meinen Eltern nicht allzu sehr auf der Tasche zu liegen. Da ich schon länger Gast im „Mandra“ war, lag es nahe dort zu arbeiten, wo man sich auch privat wohl fühlt. In die Gastronomie einzusteigen hatte ich damals nicht vor.“

Nach der ersten Sommersaison wurde ihm das Privileg zuteil, im Mandragora an der Theke zu arbeiten. Als in der Küche jemand ausfiel, sprang er auch dort ein, und langsam entdeckte er die Gastronomie für sich. Drei Jahre später leitete er für den damaligen Pächter den gesamten Biergarten mit an die 100 Mitarbeitern, meist studentische Aushilfen. Mitte der 90er gab es kaum Chancen, als Ingenieur eine Stelle zu bekommen, und so entschied er sich kurz vor Beendigung seines Studiums spontan dieses abzubrechen und bei Leo Bauer in die kaufmännische Lehre zu gehen.

Sein „Gesellenstück“ war mit Sicherheit die Wiedergeburt des Biercafés am Schauspielhaus, eine Heba-Kneipe die nicht mehr lief und für die man auch keinen Pächter fand. Bauer, pragmatisch wie er bis heute ist, sagte damals zu Steinbrecher: „Dann machen wir das eben selber“. Bis heute betreibt ein ehemaliger Mitarbeiter von Steinbrecher diese Kultur-Kneipe mit Erfolg.

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Die B3E-Story 15 – Bürgerliche Hochkultur und Bermuda-Kneipenkultur verbinden sich.

Der eigentliche Ursprung der im Tucholsky begonnenen und später  immer wieder aufflammenden und weiter geführten Kooperation zwischen der sogenannten bürgerlichen Hochkultur, vor allem der des Bochumer  Schauspielhauses,  und dem Bermudadreieck, liegt allerdings nicht in der dortigen Gastronomie sondern im dortigen Buchhandel begründet. Der Büchernarr und Literaturkenner Hanns Janssen eröffnete nämlich schon 1965 an der Brüderstraße nicht seinen ersten – aber die Zeichen der Zeit erkennend und sich dazugehörig fühlend – den ersten sehr bald als „links“ bezeichneten Buchladen Bochums.

Genau so etwas suchte der erste als „links“ geltende Intendant der Stadt, Peter Zadek und sein äußerst literaturbeflissener und belesener Chefdramaturg Greiffenhagen, als sie in diese Stadt kamen. Welches Glück, der Buchladen war nur fünf Minuten zu Fuß von ihrem neuen Arbeitsplatz entfernt. Zu dieser Zeit sah es in dessen Umgebung  allerdings noch ganz anders aus, als heute. Die Brüderstraße war noch ein Hort des Einzelhandels und des Handwerks. Ein Friseur, ein Schuhmacher, ein Installateur, ein Malermeister, ein Neonröhrenhersteller, verschiedene kleine Boutiquen, zwei Kneipen und ein Kolonialwarenhändler bestimmen das Straßenbild. Die typische Mischung eines innenstadtnahen Gründerviertels. In den 70er  und 80er Jahren mussten sie dann Stück für Stück der einrückenden Bermuda-Gastronomie weichen oder wurden von ihr übernommen.

Die Buchhandlung, in der der heute in Funk und Fernsehen bekannte Kabarettist Jochen Malmsheimer eine Lehre zum Buchhändler absolvierte,  hielt sich nicht nur, sie wurde sogar erweitert. Mit den 70er Jahren bricht dann das große Jahrzehnt des Lesens an, des politischen Lesens vor allem, des Interesses an kritischer Gesellschaftsliteratur und der Diskussion darüber. Wie überhaupt dieses „rote Jahrzehnt“ mehrheitliche die jungen Köpfe bewegt, und nicht oder nur sehr selten die realen

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Die B3E-Story 14 – Ein gewisser Johannes Dittfeld

Café Tucholsky Foto: art Hotel Gastronomie GmbH

Die Bermudageschichte von Johannes Dittfeld  begann im Jahre 1989 mit einer Art Nacht- und Nebelaktion des Logos-Triumvirats, das bis drei Tage vor der Eröffnung des berühmten Tucholsky noch keinen passenden Pächter ihres Vertrauens  gefunden hatten – bis Frank Nokielski und Joachim Hauschulz sich eines engen Kumpels aus Studientagen erinnerten. Das Problem war nur, dass  dieser zwar schon  im Appel und viel später noch mal im  Sachs als Zapfer tätig war, bislang jedoch jede größere Verantwortung konsequent abgelehnt hatte. Das „Frickeln“ an Autos und Motorrädern hatte ihm immer viel mehr gelegen, so viel mehr, dass auch sein Studium sehr darunter litt. So war es

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Die B3E-Story Teil 13: Die drei Ebenen der Bermuda-Ökonomie

Schon in den 80er Jahren begann eine innere Umstrukturierung der Bermuda-Gastronomie und ihrer Clans. Auch hier war Leo Bauer wieder einmal der unvermeidliche Vorreiter. Die neue Struktur war ein Zeichen der weiteren Professionalisierung und sorgte für eine systematischere Organisation innerhalb des größer gewordenen Unternehmens. Leo Bauers Heba GmbH übernahm seit jeher zu günstigen Preisen heruntergewirtschaftete Lokale und entwickelt dann für das jeweilige Objekt ein neues Konzept, bei dem weniger das gastronomische Angebot, sondern mehr, wie z.B im Cotton Club, das Erlebnis oder aber kulturelle Veranstaltungen wichtig sind.

Sobald der Betrieb lief, zog sich die Heba ganz oder teilweise zurück, und das Lokal wurde verpachtet. Die Heba blieb allerdings immer Verpächter, Eigentümer des Inventars und Getränkelieferant. Es ging bei dem Pächterkonzept zum einen um die Delegation von betriebswirtschaftlicher Verantwortung, zum anderen um Rationalisierung. Bestimmte Service- und Zulieferleistungen konnten für alle Lokale gemeinsam von einer Zentrale aus organisiert werden, die zugleich auch die Pächter anheuerte.

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Die B3E-Story 12 – Wie aus dem baulich-materiellen Dreieck ein soziokulturelles wurde.

Mit der gastronomischen und organisatorischen Etablierung der drei „Hauptclans“ um Leo Bauer, Alex Schüler und Armin Reisewitz hatte sich das städtebauliche Dreieck  – bestehend aus der Viktoriastraße zwischen Konrad Adenauer Platz und Südring, dem Südring zwischen Viktoriastraße und Brüderstraße, und der Brüderstraße selbst, verlängert um die obere Kortumstraße bis wiederum zum Konrad Adenauer Platz, endgültig zum Bermudadreieck entwickelt.

Obwohl sich dieser Name zu diesem Zeitpunkt bereits im öffentlichen Sprachgebrauch durchgesetzt hatte, gab es Leute, die im Rahmen des Stadtteilmarketings ,damals hieß es noch  hausbacken „Werbegemeinschaft der Kaufleute“, den alten Namen Engelbertviertel erneut und nun erst recht in den öffentlich Sprachgebrauch einbringen wollten. Dieser Zusammenschluss der Einzelhändler des Viertels wollte damit natürlich auch seine fortschreitende räumliche Verdrängung durch die Gastronomie deutlich machen und, wenn möglich, zum Stillstand bringen. Aber auch die noch verbliebenen Händler- und Gewerbetreibenden konnten sich der neuen Dominanz der Kneipiers, und erst recht nicht der realen Dreiecksform entziehen, an dem sich baulich, räumlich und vor allem soziokulturell die neue Identität des Quartiers als Szene-und Entertainementviertel ausgebildet hatte.

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Die B3E-Story Teil 11- Ein gewisser Armin Reisewitz

Schon in Leo Bauers Club Liberitas am Nordring saß, damals gerade einmal 16 Jahre alt, ein gewisser Armin Reisewitz herum. Nicht zuletzt auch, weil seine damalige Freundin dort ab und zu Bier zapfte. Einige Jahre später, nach Ableistung des Wehrdienstes, stand er dann selbst zwecks Finanzierung des Studiums hinter dem Tresen im Club am Hellweg. Er fiel Leo Bauer bald auf, weil er eigene Ideen für Partys und Events entwickelte, die so gar nicht ins bisherige Konzept von Leo Bauer passten. Reisewitz wollte alternativ angehauchte Karnevalspartys veranstalten und schreckte auch vor der Beschallung des Lokals mit deutschem Schlager nicht zurück. Eine nicht nur für Bauer, sondern auch für andere Bochumer Szenegänger eher befremdliche Idee. Doch der überragende Publikumserfolg und die unbedingte Loyalität und Zuverlässigkeit dieses „Zapfers“ überzeugten schließlich auch den Chef.

Nach fünf Jahren Kellnerarbeit, bis in die Zeiten des neuen Mandragora hinein, schlug für Reisewitz dann die Stunde der Entscheidung: Er wollte selbst Gastronom werden und fand auch zwei weitere, langjährige Mitarbeiter im Mandragora, die mitmachen wollten: Rolf Lechterbeck und Günter Grummel. Die drei übernahmen das Brinkhoffs an der Brüderstraße vom Architekten und Gründer des „gesunden Stadthauses“ Knipping. Der nämlich wollte sich, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, mit anderen jungen Kollegen ganz  auf die ökologische Architektur konzentrieren. Armin Reisewitz und seine beiden Kumpels kamen ihm also gerade recht, um den ungeliebten Job als Teilzeitgastronom wieder loszuwerden.

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Die B3E-Story Teil 10 – Die Entstehung des „Bauer-Imperiums“

Wie schon erwähnt hatte Leo Bauer 1969 zusammen mit seinem Partner Ulrich Heerde schon 1969 seine erste GmbH gegründet, um dem Club Liberitas nicht nur eine Schankkonzession sondern dem Ganzen auch eine finanzielle Ordnung zu geben. Etwas zunächst Chaotisches auf sichere Füße zu stellen und dies stabil zu halten, war von Anfang an das große Talent des jungen Betriebswirts und gelernten Bankkaufmanns. Durch seine berufliche Erfahrung brachte er zugleich Theorie und Praxis in positiver Weise zusammen.

Bauer brachte das ins Team ein, was seinen häufig eher künstlerisch oder einfach nur alternativ gesinnten Freunden meistens fehlte: Realismus und ständige Kontrolle der Ausgaben und Einnahmen. „Das BWL-Studium“, so Bauer heute, „hat mir aber geholfen, viele Anfängerfehler zu vermeiden und ein vernünftig geführtes Unternehmen aufzubauen.“ Der Betriebswirt war ständig auf der Hut, behielt die Lage im Griff und versuchte, Fehler, wenn möglich, von vornherein zu vermeiden.

Das entsprach – bei aller unverhohlenen Zuneigung zu kreativen und ungewöhnlichen Menschen in seiner Umgebung – auch eher seinen ganz persönlichen Charakterzügen. Seine Durchsetzungsmethode war dabei weniger der elegante, öffentliche Auftritt vor Publikum, sondern das unmittelbare Gespräch, die persönliche und notfalls auch harte Auseinandersetzung hinter verschlossenen Türen und das, was man heute vornehm „Netzwerkarbeit“ nennt und früher treffender „Strippenziehen“ hieß.

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Die B3E Story 9 – Die Rolle der Bochumer Stadtverwaltung

Neue Leute haben es im Umgang mit einer städtischen Bürokratie immer schwer. Auch heute noch. Erst recht, wenn sie jung und unkonventionell sind, ja eventuell sogar als subversiv gelten. Alle drei Eigenschaften trafen auf Leo Bauer , aber auch auf die Mehrzahl seiner bislang schon beschriebenen und in den weiteren Folgen noch zu beschreibenden Mitpioniere zu. Heute würde man sie „dynamische Jungunternehmer“ oder noch treffender „Kreative“ nennen und vielleicht entsprechend goutieren. Damals allerdings waren Unternehmer per se alt und seriös und in der Gastronomie waren sie zudem mehrheitlich einfallslos.

Das gleiche galt für den damaligen Leiter des Ordnungsamtes, der für eben diesen Wirtschaftssektor zuständig war und die so wichtigen Konzessionen erteilte. So war die erste Phase der Entstehung des Bermudadreiecks vor allem für Leo Bauer mit Steinen gepflastert, und auch die später in das Dreieck strebende Gastronomengeneration sollte noch erhebliche Kämpfe mit der Stadt Bochum auszutragen haben. Zuerst einmal galt es jedoch, das Misstrauen der Verwaltung zu überwinden und seine Disziplin und Liquidität unter Beweis zu stellen. Auch musste um jede Veränderung,  jede Innovation – zum Teil bis heute – gekämpft werden.

Die 60er Jahren waren für die Gastronomie eine schwierige Zeit. Das Fernsehen und das Flaschenbier hatten ihren gesellschaftlichen Durchmarsch begonnen und den Kneipen zunehmend ihre Treffpunktfunktion genommen. Die Jüngeren wiederum, die nach neuen  Formen der Unterhaltung und der Kommunikation suchten, standen den herkömmlichen Lokalen skeptisch bis fremd gegenüber, was umgekehrt auch für deren Wirte galt. Lange Haare waren nicht gerne gesehen, und auch die Vorstellung, dass „Negermusik“ aus der Jukebox klingen könnte, befremdete nicht wenige konservative Gastronomen.

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Die B3E-Story 8 – Die 80ger Jahre und die Entstehung der Szenemagazine

Betrachtet man die bislang beschriebene Entwicklung aus einer räumlichen Warte, so wurde der ökonomische Grundstein des späteren Bermudadreiecks außerhalb des Engelbertviertels gelegt. Das Gebiet wurde räumlich gesehen quasi erst umzingelt und dann von außen Stück für Stück erobert. Das durch die Bahnhofsverlegung entstandene städtebauliche Vakuum um den Bahnhofsvorplatz entlang der oberen Kortumstraße und die damit verbundene wirtschaftliche Schwächung dieses Quartiers musste sich erst so weit steigern, dass sinkende Mieten, begründet durch Unternutzungen und Leerstände, eine Vereinnahmung durch neue Nutzer mit geringen finanziellen Mitteln möglich machten.

Die Promotoren dieser Entwicklung  kamen, von ihrer Profession her gesehen, ebenso von Außen. Sie  waren weder speziell für die Gastronomie ausgebildet, noch von ihrer Herkunft dafür prädestiniert. Es waren vielmehr im wahrsten Sinne Pioniere ihrer Zeit, die nichts anderes hatten als Ideen und den unbändigen Willen, diese umzusetzen. Vor allem aber wussten sie um die Potentiale des Engelbertviertels und nutzten seine ökonomische Schwäche bzw. seine gerade im Verhältnis zu ihrer Innenstadtlage niedrigen Mieten, zu ihrem Vorteil.

Leo Bauer und alle späteren Mitstreiter und Mitbewerber waren zugleich personifizierter Ausdruck einer Aufbruchsstimmung, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Generation und damit viele andere Menschen in Bochum – und nicht nur dort – prägte. Personen, mit denen die herkömmlichen Gastronomen und Brauereien und die städtische Bürokratie erst einmal gar nicht umzugehen wussten. Sie irritierten mit ihrem Lebensstil und ihrem Auftreten ihre

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Die B3E-Story Teil 7: Vom Appel zum Sachs

Als Leo Bauer schon längst so weit war, die erste Außengastronomie im zukünftigen Bermudadreieck zu eröffnen, übernahm Alex Schüler, wie schon in einem der vorherigen Kapitel beschrieben, 1979 das Appel in Langendreer, benannt nach dem vorherigen Besitzer der Rockerkneipe. Diese Diskothek wurde schnell zu einem Treffpunkt der örtlichen Jugend und auch der neuen Studentenszene. Zugleich funktionierte sie nach wie vor als Rockerlokal, wobei genau darüber das Ordnungsamt den neuen Laden zu Fall bringen wollte.

Die vielen Motorräder durften auf einmal nicht mehr vor der Tür parken und der, der das angeordnet hatte, war sich sicher, dass der neue Wirt das nicht durchzusetzen in der Lage wäre. Schüler aber schaffte es, weil er ganz schnell und ganz in der Nähe eine Brachfläche anmietete und denjenigen Bikern Hausverbot erteilte, die ihre Motorräder dort nicht parkten. Diesen schien der kurze Fußweg jedoch noch immer zumutbarer, als gar nicht mehr in das Appel hinein zu kommen.

Alex Schüler allerdings hatte größere Träume, als sich mit solchen Problemen herumzuschlagen. Er nutze auch jetzt die wenige freie Zeit die ihm blieb, in die Metropolen dieser Welt zu fahren und sich dortige Szenetreffpunkte anzuschauen. Und er merkte, dass er, wenn das Appel weiterhin erfolgreich laufen würde, bald genug Reserven hätte, noch etwas anderes auf die Beine zu stellen. Auch der Ort, an dem das geschehen sollte, war ihm als Bochumer Szenegänger mehr als klar: Das Engelbertviertel. Denn bei aller kosmopolitischen Orientierung war dem Elektroingenieurstudenten sehr wohl klar, dass er außerhalb von Bochum, ohne seine eigene Szeneeinbindung, dazu keine reelle Chance bekommen würde.

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