David Schraven und Uwe Weber haben ein Buch über Kumpel im Ruhrgebiet gemacht. Das Buch „Zechenkinder“. Das besondere daran: Sie haben keinen Kitsch aufgeschrieben, sondern die echten Geschichten der Männer unter Tage gesammelt. Ihre Erfolge und Niederlagen dokumentiert. Ihre Hoffnungen und Lebenswege nachgezeichnet. Dabei führten viele Strecken weg aus den Pütts hin in abenteuerliche Welten. In eine irische Tittenfabrik, zu den indischen Grubenfeuern oder an den Polarkreis. Alle Geschichten gibt es hier: Zechenkinder
Wir stellen hier eine Geschichte aus dieser Bergbauwelt vor. Die Geschichte von Thomas Such, dem Sändern von Sodom, einer bemerkenswerten Metal-Band aus Gelsenkirchen.
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KOHLE UND SCHWERMETALL
Als Kind einer Bergmannsfamilie landete Thomas Such früh auf dem Pütt. Seine Art von Musik ließ den Tanten an der heimischen Kaffeetafel den Eierlikör aus der Hand gleiten. Aber dann kam der Erfolg: Als Sänger der Band „Sodom“ ging Such sogar mit dem legendären Lemmy Kilmister auf Tournee.
Als wir in der Düsseldorfer Philipshalle auf die Bühne kamen, wussten wir: Wir haben es geschafft. Wir, die Band „Sodom“, waren mit „Motörhead“ auf Tour, 1993 war das. Was für ein Gefühl: Die dunkle Halle, wir drei Mann auf der riesigen Bühne und tausende Menschen vor uns. Wir waren laut, wir waren schnell, wir waren hart und Tausende standen auf unsere Musik. Vor ein paar Jahren noch unter Tage, Sohle Neun. Nun mit Lemmy Kilmister auf Reisen.
Durch meinen Onkel, einen Steiger, kam ich auf die Zeche. Ich wollte eigentlich Verkäufer werden, war aber knapp dran mit irgendwelchen Bewerbungsfristen. Mein Onkel sagte bloß: „Der Junge muss auf den Pütt, da gibt es Geld.“
Er nahm mich also mit zum Ausbildungsleiter. Der sagte: „Alles klar, der Junge kann anfangen. Schlosser, Elektriker oder Bergmann?“ Ich sagte: „Vor Strom hab’ ich Angst.“ Ich entschied mich dann für den Beruf des Maschinenschlossers. Mein Zeugnis mit Realschulabschluss wollte eh keiner sehen. Mein Opa war auf dem Pütt, mein Vater war auf dem Pütt, mein Onkel war auf dem Pütt. Alle waren auf dem Pütt. Diese Tradition durfte ich doch nicht brechen. Zwei Tage später stand ich in der Werkstatt.
Ich kann mich noch an meine erste Schicht erinnern: Wir waren alle ganz schwarz und stolz. Wir dachten: Jetzt sind wir richtige Bergleute. Obwohl wir nur gescheppt haben. Einmal, als wir gerade unter einem Förderband gescheppt haben, kam mein Onkel vorbei. Er war der Reviersteiger und sagte zu meinem Lehrsteiger: „Hol’ mir mal den Thomas, ich will dem den Streb zeigen.“ Mit dem Onkel im Streb? Das war cool.
Direkt nach der Lehre wurden wir auf die Reviere verteilt. Ich arbeitete im Schichtdienst, wobei die beste Schicht um 18 Uhr anfing. Zuerst hatten wir immer Wechselschicht. Das war anstrengend, der Wechsel von Früh-, zu Mittag- und Spätschicht. Aber als ich auf die neunte Sohle verlegt wurde, bekam ich nur noch die 18-Uhr-Schicht zugeteilt. Da konnte man die Sonne tagsüber auch mal sehen. Außerdem konnte man früher raus, wenn man wusste, wie.
Es dauerte ziemlich lange, bis wir auf der Sohle Neun waren. Dort kommt die Kohle von den Fördersohlen an, die dann über einen Schacht über Tage gefördert wird. In der Sohle war es extrem heiß und extrem staubig, allein wegen dieser kilometerlangen Gummibänder, über die die Kohle ratterte. Zu meiner Zeit hatten wir auf Sohle Neun oftmals recht früh unsere Ruhe. Keine Aufsicht. Manchmal sind wir dann schon etwas eher mit der Maschinenförderung, also mit der Kohle, raus aus der Grube. Natürlich war das verboten. Aber die Fördermaschinisten bestachen wir mit einer Pulle Schnaps. Wir verdrückten uns dann in die Kaue und Prost. Ganz ehrlich: Ich habe noch nie so viel gesoffen wie auf der