Die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) hat zwischen 1989 und 1999 mit mehr als hundert Projekten im nördlichen Ruhrgebiet etliche Veränderungen in Gang gesetzt. Dazu gehören der Emscher Landschaftspark, der ökologische Umbau des gesamten Emschersystems, die Route der Industriekultur, das Weltkulturerbe Zollverein, der Landschaftspark Duisburg-Nord und viele andere mehr. Barbara Underberg sprach mit dem Erfinder und Initiator der IBA, dem damaligen NRW-Stadtentwicklungsminister Christoph Zöpel. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter und dem IBA-Chef Karl Ganser hat Zöpel vorgeführt, was möglich ist, wenn man nicht macht, was üblich ist.
Außerdem hat SPD-Mitglied Zöpel konkrete Vorschläge, was im Ruhrgebiet heute passieren müsste, um die Region zu stärken. Er erwartet, dass im Vorfeld der Landtagswahlen in der Fünfmillionenstadt „Ruhr“ noch einiges in Bewegung gerät.
Herr Zöpel, stimmt es, dass Sie und Karl Ganser die IBA bei einem Spaziergang erfunden haben?
Richtig ist, dass ich mit Karl Ganser und Wolfgang Roters, seinem Nachfolger im Ministerium, bei einer Wanderung in den Augsburger Wäldern darüber geredet habe. Aber natürlich war die IBA die konsequente Fortsetzung der Stadtentwicklungspolitik, die ich als Minister und Karl Ganser als Abteilungsleiter damals über acht Jahre entwickelt hatten. Und die ließ sich im Ballungsraum Ruhr schlechter durchsetzen. Deshalb suchten wir nach einer neuen Methode, vor allem im nördlichen Ruhrgebiet was zu machen.
Sie wollten also dem regionalen Beharrungsvermögen etwas entgegensetzen?
Jein. Die Verständigung mit den Oberbürgermeistern und Oberstadtdirektoren hat zu den leichteren Übungen gehört. Aber es gab eine Grundauseinandersetzung: Viele kommunalpolitisch Verantwortliche und auch das Landeswirtschaftsministerium meinten, die Wiederherstellung besserer Wirtschafts- und Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet würde über die Reindustrialisierung erfolgen. Industrieflächen wurden weiter gepflegt in der Hoffnung, da käme wieder irgendwas hin, nach wie vor wurden zu breite Straßen gebaut und so weiter.
Die Botschaft der IBA war: Es wird Zeit, in diesem durch die Industrialisierung zerstörten Gebiet endlich Stadtentwicklung zu betreiben, die es bis dahin schlicht nicht gab. Die städtebauliche Entwicklung sollte nach dem Rückgang der Industrie auch zur Herausbildung der Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft passen. Viele Stadtplaner haben uns dabei unterstützt. Auf der anderen Seite wollte eine Allianz vieler Wirtschaftsförderer, der Ruhrkohle und anderer Großunternehmen, dass Industrie sich weiterhin ungestört, auch ökologisch ungestört, verbreiten darf. Dieser Streit musste irgendwann mal geführt werden.
Was ist der größte Gewinn durch die IBA?
Heute ist breit akzeptiert, dass aus der vor der IBA völlig ungeplanten Industrielandschaft Stadt wird. Und zwar unter Einbeziehung bedeutender baulicher Dokumente, die von der Industrie übrig geblieben sind. Wir haben diese Konzeption „erhaltende Stadterneuerung“ genannt.
Wirtschaftlich steht die Emscherregion heute immer noch schlecht da, auch im Vergleich zu den anderen Teilregionen des Ruhrgebiets.
Ich empfehle immer meine Eröffnungsrede zur IBA – dort kam das Wort Wirtschaft nicht vor. Die IBA war eine Veranstaltung, die vom Stadtentwicklungsministerium inszeniert wurde. Eine Städtebauausstellung hat nicht die geringste Chance, kurz- und mittelfristig Wirtschaftseffekte zu erzeugen. Die Umstrukturierung einer Industrielandschaft, die einseitig konzentriert ist auf schwerindustrielle Arbeitsplätze und Chemie, kann möglicherweise langfristig positive Effekte für eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft bringen. Ein solcher sektoraler Wandel dauert aber mindestens eine Generation.
Niemand hat den Wirtschaftsminister oder die Industrieunternehmen daran gehindert, in der gleichen Zeit alle Maßnahmen anzustoßen, die sie für sinnvoll hielten. Die IBA war keine Konkurrenz zur Wirtschaft. Sie hat eher etwas anderes dokumentiert, nämlich die völlige Hilflosigkeit der Wirtschaftspolitik, Arbeitsplätze zu schaffen. Eine Bauausstellung kann nicht primär Arbeitsplätze schaffen. Dazu braucht man im nördlichen Ruhrgebiet andere Maßnahmen, nämlich die Beendigung der Ausbildungsvernachlässigung, den Aufbau von Arbeitsplätzen, die für Frauen geeignet sind, usw..
Was ist in der Region falsch gelaufen?
Am schlimmsten war für das nördliche Ruhrgebiet, dass sich Staat, Unternehmen und Gewerkschaften darauf verständigt haben, die Leute mit etwas über 50 Jahren auszumustern und sich selbst zu überlassen. Das hat eine Mentalität erzeugt, die Arbeitsleben mit Industriearbeit gleichsetzt. Die gibt es noch heute. Die Leute haben auch ihren eigenen Enkeln nicht vermittelt, dass es nie wieder Industriearbeitsplätze geben wird, und wenn doch, werden sie nach drei Jahren nach Rumänien verlagert wie zum Beispiel bei Nokia. Das ist auch gut so. Und es zeigt, Industrie kann inzwischen jeder auf der Welt, jedes Land kann technisch Bergbau oder Stahlindustrie betreiben. Deutschland bringt sich in der Wirtschaftskrise jetzt um, weil es Exportweltmeister ist. Das war abzusehen. Das ist die logische Konsequenz einer grundsätzlich falschen Wirtschaftspolitik.
Was hat bei der IBA nicht geklappt?
Viel kritisieren möchte ich gar nicht. Einige Projekte, bei denen es um neuen Wohnungsbau ging, haben nicht so gut funktioniert. Es macht wenig Sinn, für einen bestimmten Lebensabschnitt modellhaft Siedlungen zu bauen. Als Erstes gescheitert war eine Wohnsiedlung nur für Frauen. Nach zehn Jahren sind die Kinder aus dem Haus, die Frauen haben andere Wohnbedürfnisse und ziehen weg. Das ist das Problem, wenn man zu spezifisch baut, und vielleicht war da auch ein bisschen viel Ideologie im Spiel.
Das wäre das Einzige. Während ich alle konzeptionellen Dinge nach wie vor richtig finde. Ohne die IBA hätte es zum Beispiel die Emscher-Renaturierung nicht gegeben. Das ist vermutlich die größte Wiederherstellung öffentlichen Raums in der Welt, auf jeden Fall in Europa. In dem berühmten Entwicklungsprogramm Ruhr von 1968 steht, wir brauchen ein neues Klärwerk an der Emschermündung. Das haben wir bei der Eröffnung der Bauausstellung 1989 verkündet – so lange dauern solche Prozesse. 2020 werden wir eine renaturierte Emscher inklusive aller Nebenbäche haben. Es muss erkennbar sein, dass das hier ein integrierter urbaner Raum ist, gestaltete Kulturlandschaft. Besonders gut wird das an den Landmarken sichtbar. Das ist sicherlich die genialste Idee, die Ganser hatte, die hat er auch alleine gehabt. Darüber haben wir bei der Eröffnung noch nicht gesprochen.
Manche IBA-Projekte wirken wie Inseln, ohne Bezug zu ihrer Umgebung, zum Stadtteil. Der Wissenschaftspark in Gelsenkirchen zum Beispiel oder auch Zollverein in Essen, beide inmitten sozial benachteiligter Stadtteile.
Ja gut, sollten wir den Rest abreißen? Beim Wissenschaftspark kann man darüber reden, ob man ein derartiges Gebäude des ausgehenden 20. Jahrhunderts in ein etwas traditionelles Stadtviertel stellen kann. Aber es ist nicht weit entfernt von der Innenstadt, es liegt direkt neben der ehemaligen Zeche Rheinelbe mit weiteren IBA-Projekten und es dokumentiert, dass man mit Glas und Solarenergie heute Häuser bauen kann. Gelsenkirchen ist durch den Wissenschaftspark nicht hässlicher geworden.
Davon völlig zu unterscheiden sind die großen Industriedenkmäler. Die haben nur dann eine Chance, wenn sie als Kathedralen des Ruhrgebiets tatsächlich Stadtteilmittelpunkte werden. Im Landschaftspark Duisburg-Nord geschieht dies und in Hattingen mit der ehemaligen Henrichshütte. Zollverein in Essen-Katernberg ist auf dem Weg, aber es wird 25 Jahre dauern. Diese riesigen Industriedenkmäler haben ganz unterschiedliche Funktionen. Zollverein ist erhaltenswert als Höhepunkt von Zechenarchitektur, es ist gerade noch ästhetischer Bauhausstil. Danach begann Bauhaus als industrialisierte Massenbauweise verheerend zu wirken.
Ob Zollverein erhalten bleibt oder nicht, war eine der schwierigsten Entscheidungen, die ich ganz allein treffen musste, und die sich noch nicht einmal Ganser zutraute, der sich sonst fast alles zutraute. Zollverein wirkt monumental, aber es wird dauerhaft nur überleben, wenn es das Zentrum eines neuen attraktiven Stadtteils mit Bedeutung wird.
Der Kontrast zwischen dem Designstandort Zollverein und den benachteiligten, teilweise heruntergekommenen Stadtteilen Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck drum herum ist immens. Spielte das eine Rolle?
So werden Entscheidungen nie getroffen. Eines Tages wurde Zollverein zugemacht. Das war 1986. Dann kommen Wirtschaftsförderer und überlegen, welche Industrie sie hier ansiedeln könnten. Dann kommen Denkmalschützer und gucken sich die Architektur an, ein monumentales Bauwerk. Das kannte ja vorher keiner, das war nicht-öffentlicher Raum. Noch nie zuvor ist ein Industriebauwerk dieser Größe erhalten worden, nachdem der Bergbau weg war. Ganser rief mich an und sagte, das kannst nur noch du entscheiden. Dann war ich da, ganz alleine mit meiner Familie, es war Heiligabend. Das alles abzureißen wäre ein riesiger kultureller Verlust. Da kann man nur entscheiden, das Ding bleibt als Denkmal stehen. Neujahr wurde das öffentlich, und es hieß sofort, der Minister ist verrückt.
Erst fällt die Entscheidung und danach überlegt man, was man damit macht. Kein Mensch denkt abstrakt darüber nach, was man mit dem größten Bauwerk des Ruhrgebiets machen könnte, wenn man es erhält. Wenn Sie dafür tausend Leute versammeln, entwickeln die fünfhundert Ideen. Die diskutieren so lange, bis die Ruhrkohle eines Morgens alles gesprengt hat, und zwar aus Versehen. Nach der Entscheidung konnte sich entwickeln, was künftig auf dem Gelände passiert.
Ich gebe zu, dass ich damals nicht informiert war, ob daneben sozial benachteiligte Menschen wohnen oder nicht. Die Frage habe ich mir auch nicht gestellt. Heute kümmert man sich ganz anders um Katernberg, als man sich um Katernberg gekümmert hätte, wenn Zollverein abgerissen worden wäre. In 25 Jahren wird das als einer der tollsten Standorte neuer metropolitaner Landschaft weltweit anerkannt werden.
Eine Losung der IBA war „Planung durch Projekte“. Haben Sie Konflikte vermieden, indem Sie die traditionellen Ruhrgebietsstrukturen, die ja für die Schwäche der Region mitverantwortlich sind, unangetastet ließen?
Das wäre der Auftrag des Ministerpräsidenten gewesen. Johannes Rau war immer leidenschaftlich gegen die Integration des Ruhrgebiets. Er hat den Regionalverband Ruhr bekämpft, er fühlte sein Landeswappen dadurch gefährdet. Ich schätze ihn sehr, aber ihm die IBA abzuringen war eine schwierige Anstrengung. Die IBA war, mit Unterstützung bestimmter Gremien, die Veranstaltung eines genialen Stadtplaners, aber sie können Karl Ganser nicht vorwerfen, dass er nicht gleichzeitig noch die Städte des Ruhrgebiets zusammengelegt hat. Die IBA war eine Ausstellung, sie konnte ja nur mit Projekten zeigen, was alles geht. Um so besser, wenn einige davon eine langfristige Wirkung haben.
Wie sind Sie mit den Betonköpfen zurechtgekommen?
Die Ruhr-Universität wurde aus Beton gebaut, sie hat eine hohe Symbolik. Sie gehört weg. Als ich Karl Ganser gefragt habe, ob er die IBA leiten will, haben wir wieder einen langen Spaziergang gemacht von diesem Haus aus hinunter ins Lottental Richtung Uni. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, dass nie wieder so etwas passieren darf wie die Ruhr-Universität. Die IBA hätte es nie gegeben, wenn Ganser und ich nicht beschlossen hätten, die Ruhr-Universität ist ein Verbrechen.
Die IBA kam zustande, weil ein Minister zusammen mit einem genialen Mitarbeiter gesagt hat, so wie das bisher gemacht wurde, geht es nicht. Wir müssen zeigen, dass es anders geht. Mit denselben, trotz derselben Personen, trotz der Betonköpfe, trotz eines Wirtschaftsministeriums, das das nicht wollte. Es gab viel berechtigte Kritik an der Industrielastigkeit der nordrhein-westfälischen SPD, was bis heute so ist. Aber dafür war Ganser nicht zuständig. Ihm ist es gelungen, schlicht etwas anderes zu machen, als die gemacht hätten, und dafür Leute zu begeistern. Das Gesamtsystem konnte er nicht aushebeln.
Aber es verändert sich auch was in den Köpfen. Zum Beispiel gibt es eine Generation neuer Baudezernenten. Die Veränderung zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Stadt Bochum mit vierzig Jahren Verzögerung nun einen Masterplan Universitätsstadt macht. Ich bin mit dem Bochumer Baudezernenten Ernst Kratzsch völlig einig, dass man die Uni wenigstens äußerlich verschönern und sie in die Stadt einbinden muss, wenn man sie schon nicht abreißt.
Ein Beispiel für mangelnde regionale Zusammenarbeit ist der schlechte Nahverkehr im Ruhrgebiet.
Ich unterstütze die Nahverkehrsinitiative „10-10-60“ von Uwe Knüpfer und Professor Klaus Tenfelde – in maximal zehn Minuten kann jeder eine Haltestelle erreichen, muss dort maximal zehn Minuten warten und erreicht binnen sechzig Minuten jeden Punkt in der Region. Das ist auch mit der vorhandenen Organisationsstruktur umsetzbar. Erforderlich ist dazu überwiegend ein Investitionsprogramm in Fahrzeuge. Man muss entscheiden, für die Einstiegsphase ein höheres Defizit zu akzeptieren. Das kann keine einzelne Stadt machen, und das ist sicherlich das Haupthemmnis. Traut man sich das, wird es zweifellos neue Fahrgäste anlocken. Wie gut es funktionieren kann, sieht man an der U-Bahn-Strecke 35 zwischen Bochum und Herne.
Was würden Sie im Ruhrgebiet verändern?
Das Wesentlichste ist eine gemeinsame Außendarstellung. In Essen gibt es natürlich weniger Touristen als in Frankfurt, aber in Ruhr gibt es mehr als in Berlin. Wenn die Cranger Kirmes so lange dauern würde wie das Oktoberfest in München, wäre es das meistbesuchte Volksfest Deutschlands. Ruhr ist die drittgrößte Stadt Europas nach Paris und London. Auf dieser Ebene kann man nur mitspielen, wenn man auch als Fünfmillionenstadt auftritt. Ruhr muss als dezentrale Stadt akzeptiert werden, das ist aber nichts Besonderes, alle großen Städte dieser Art sind dezentral.
Alle Aufgaben, die bereits jetzt überstädtisch wahrgenommen werden, sollte man einer neuen gemeinsamen zentralen Instanz geben. Also alle Aufgaben, die beim Landschaftsverband, bei den Regierungspräsidenten, beim Regionalverband Ruhr, bei der Emschergenossenschaft und beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr erledigt werden. Gäbe man die alle einer neuen, für ganz Ruhr geltenden Stadtebene, wären dort ausreichend Kompetenzen gebündelt und sie bräuchten den Städten gar nichts wegzunehmen. Zusätzlich könnte man überlegen, einige große Kultureinrichtungen zu koordinieren.
Zum Vergleich: Bremen hat nicht nur keinen Regierungspräsidenten, sondern nicht einmal eine Landesregierung über sich. Ich gehe so weit zu sagen, die Fünfmillionenstadt Ruhr braucht keinen Regierungspräsidenten. Niedersachsen hat alle Regierungspräsidien abgeschafft. Wenn Ruhr etwas mit dem Land zu tun hat, verhandelt es das mit dem Land. Der Mann an der Spitze hieße „Erster Bürgermeister von Ruhr“, und die Jungs in Essen und Dortmund heißen weiter Oberbürgermeister und behalten auch ihre Kompetenzen. Der Erste Bürgermeister und seine direkt gewählte Kommunalvertretung hätten zunächst einmal alle Kompetenzen, die jetzt schon übergeordnete Instanzen haben. Aber die hat er alle.
Halten Sie das für durchsetzbar?
Das ist eine andere Frage. Es ist aber zwingend erforderlich.
Ihre Partei …
Die sind da zurückhaltend, das weiß ich. Wenn Frank Baranowski als Gelsenkirchener Oberbürgermeister und Chef der Ruhr-SPD einen direkt gewählten Regierenden Bürgermeister für das Ruhrgebiet fordert, freut mich das. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Gerade die großen, am Rand gelegenen Ruhrgebietsstädte wie Dortmund haben sich solchen Überlegungen immer verweigert.
Ullrich Sierau, der Dortmunder Oberbürgermeisterkandidat der SPD, war mein Büroleiter. Der sieht das so wie ich.
Aha?
In Dortmund gibt es zweifellos ein merkwürdiges Dortmunder Eigenständigkeitsbewusstsein. Sierau kommt aus Wolfsburg.
Die Hauptdebatte ist, ob den Städten was weggenommen wird. Wenn man alle Kompetenzen bündelt, die derzeit bei den Regional- und Mittelbehörden liegen, wäre das nicht der Fall. Da kann ich Helmut Schmidt zitieren aus einer Zeit, in der er noch gar nicht so luzide war wie heute: "Das kann hier gar nicht klappen, so wie das hier regiert wird." Er hatte sich schildern lassen, was es hier alles an Behörden gibt.
Seit Jahrzehnten gibt es Diskussionen über die Strukturen im Ruhrgebiet, an Erkenntnissen herrscht kein Mangel. Was müsste passieren, damit sich real etwas verändert?
Ich vermute, dass man eine große Bürgerinitiative organisieren muss, als Landesinitiative, um ein Landesgesetz zu initiieren. Die großen Parteien werden sich nur auf Strukturveränderungen einlassen, wenn das auch ein Thema bei den Bürgerinnen und Bürgern wird. Ich freue mich über Baranowski, dass er das jetzt anstößt. Ein anderer Oberbürgermeister aus der Region hat mir neulich erklärt, es gibt nur einen einzigen Weg, grundsätzliche Veränderungen durchzusetzen: Nach der nächsten Wahl muss das ein Oberbürgermeister in die Hand nehmen, der nach fünf Jahren nicht wieder gewählt werden will. Und der muss einen Plan machen, der in Kraft tritt, wenn wir alle nicht wieder gewählt werden wollen. Da ist was dran.
Der RVR hat heute viel mehr Kompetenzen als er zwischen der kommunalen Gebietsreform 1975 und dem neuen RVR-Gesetz 2003 hatte. Es beginnt sich zu ändern. Bisher hat noch kein Ministerpräsident so entschieden wie Rüttgers gesagt, dass die Dreiteilung des Landes in Rheinland, Westfalen und Ruhr kommen wird und das Ruhrgebiet eine eigene Verwaltungsstruktur braucht. Das hätte Rau nie gesagt, im Gegenteil. Ich setze darauf, dass im Vorfeld der Landtagswahlen etwas passiert. Der neue Landtag muss sich dann dieser Sache stellen. Für die SPD stellt sich eine merkwürdige strategische Frage: Ist sie dagegen, weil es die CDU macht?
Auf die Antwort sind wir gespannt.
Herr Zöpel, für das offene Gespräch vielen Dank!
(Fotos: Zöpel: privat, Zollverein: Underberg)