Nazi-Angriff: Anzeige gegen Ruhrbarone-Journalist, weil der bei den Dortmunder Rathausverteidigern stand

Nazis vor dem Dortmunder Rathaus Foto: Jürgen Steinfelder
Nazis vor dem Dortmunder Rathaus Foto: Jürgen Steinfelder

Bastian Pütter ist Journalist, leitet die Redaktion des Straßenmagazins bodo und ist Ruhrbarone-Autor. Am 25. Mai besuchte er die Wahlparty im Dortmunder Rathaus, um über die Reaktionen auf den Einzug der rechten Parteien in den Rat zu berichten. Er war während des Angriffs der Nazis der Partei „Die Rechte“ auf Gegendemonstranten vor Ort, führte im Anschluss Interviews mit Augenzeugen und veröffentlichte Texte online und im Print. Nun erhielt er eine Vorladung des Staatsschutzes an seine Redaktionsadresse. Gegen ihn wird wegen Nötigung ermittelt. Nach Aussage des Staatsschutz-Beamten ihm gegenüber aufgrund „eigener Ermittlungsergebnisse“: Er habe sich nach Videoaufnahmen „zeitweise“ auf der Rathaustreppe aufgehalten.

Von Bastian Pütter

Am Wahlabend fuhr ich nach Schließung der Wahllokale ins Dortmunder Rathaus und sprach mit Mitgliedern mehrerer Fraktionen und Gästen der Wahlparty u.a. über die Prognosen zum Einzug von AfD, NPD und auch konkret über ein mögliches Erscheinen der Neonazi-Kader der Partei „Die Rechte“ im Falle eines Einzugs von Siegfried Borchardt in den Rat. Im Rathaus hing eine Fahne der Antifa, eher unüblich für eine Kommunalwahlparty.

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Roma: „Der ethnische Blick ist nicht hilfreich“

in_den_peschen_duisburgNorbert Mappes-Niediek  ist seit den Balkankriegen freier Ost- und Südosteuropa-Korrespondent und schreibt für ZEIT, Frankfurter Rundschau, den Wiener Standard oder die taz. Sein Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“ plädiert für einen Perspektivwechsel. 

Bastian Pütter.: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kontakt mit Roma?

Norbert Mappes-Niediek: Das war in meiner Kindheit. Noch bevor Recycling Thema war, gab es jemanden, der mit einem Pferdewagen bei uns durch die Straße fuhr und „Lumpen, Eisen, Papier“ rief und es gab einen Scherenschleifer. Wenn der kam, herrschte eine feierliche, ein bisschen ängstliche Stille. Man spürte die Fremdheit. Und irgendwann bekam ich erklärt: „Ja, das ist ein Zigeuner.“ Es wurde nicht viel dazu gesagt, aber das reichte eigentlich schon aus, um das Ganze mit einem gewissen geheimnisvollen Schleier zu umgeben.

Pütter: Als Journalist kamen Sie während der Jugoslawien-Kriege auf den Balkan. Die Roma waren gar nicht Ihr Thema. 

Mappes-Niediek: Stimmt. Aber wenn man auf dem Balkan arbeitet und dort regelmäßig reist, lernt man Leute kennen, man kommt in Roma-Dörfer. Und vor ein paar Jahren wurde das Thema aktuell, weil die Redaktionen mehr wissen wollten: Wie leben denn die Menschen, was treibt sie hierher? Und dann habe ich angefangen, mich auf dem Hintergrund vieler Erfahrungen, systematisch mit dem Thema zu beschäftigen.

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Srebrenica – vergessene Stadt. Ein Dortmunder zurück in Bosnien

Srebrenica Foto: Dirk Planert Lizenz: Copyright
Srebrenica Foto: Dirk Planert Lizenz: Copyright


Dirk Planert ist freier Journalist und war 14 Jahre lang eine der Nachrichtenstimmen des Dortmunder Lokalradios 91.2. Von 1992 bis 1994 riskierte er als humanitärer Helfer in den Balkankriegen sein Leben und fuhr mit seiner eige- nen Hilfsorganisation Medikamente und Lebensmittel durch die Kampflinien. Nun ist er zurück nach Bosnien gegangen, wieder um zu helfen.

Srebrenica ist eine vergessene Stadt, dabei ist ihr Name den meisten geläufig. Wer über Srebrenica spricht, meint den Friedhof. Im Juli 1995 wurden hier mehr als 8.000 Jungen und Männer unter den Augen der UN-Blauhelmsoldaten ermordet und in Massengräbern verscharrt. Das systematisch geplante Massaker ist das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Das Leid brachten die Balkankriege schon vorher über die Region. Als der junge Student Dirk Planert 1992 vor dem Hörsaalgebäude ein Flugblatt in die Hand gedrückt bekam, beschloss er kurzerhand: „Es gibt zwei Probleme. Das erste kann ich nicht lösen: Es ist Krieg. Das zweite ist ein logistisches: Dort fehlen Medikamente, Lebens- mittel, Kleidung – alles ist hier vorhanden. Man muss es nur eine Brücke bauen.“
»Logistik ist alles«

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