Die klassische Tragödie

Foto: Ruhrbarone

 

Im Intendanten-Streit an der Essener Philharmonie geht es um die Macht in der Kulturhauptstadt.

FAZ-Kollege Andreas Rossmann machte sich vor ein paar Tagen diesen Reim darauf. Essen sei eine Stadt ohne breites Bürgertum, dessen kulturelle Aufgaben würden deshalb traditionell Mäzene der regionalen Wirtschaft übernehmen. Gesagt getan. Als vor zwei Wochen der Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie (TuP), eine hundertprozentige Tochter der Stadt Essen, den Philharmonie-Intendanten Michael Kaufmann wegen wiederholter Etatüberschreitung fristlos kündigte, ging also kein Aufschrei der Bürgerlichen durch die Stadt. Sondern ein Großindustrieller. Und der klingt so:

Ein just gegründetes Kuratorium für die Essener Philharmonie versammelt die geschäftliche Beletage der Stadt. Und unter Führung von MAN-Ferrostahl-Manager Matthias Mitscherlich  – hat jetzt eigentlich andere Sorgen – wird gegen die Aufsichtsratentscheidung getrommelt und gefeuert und gedroht. Kaufmann habe "zuverlässig" für "Qualität" gesorgt. Seine Rückkehr sei ein "conditio sine qua non" für alle weiteren Entwicklungen in der Kulturstadt, heißt es. Dazu wird das Kuratorium um den ostdeutschen Klassikopa Kurt Masur (Ehrenmitglied), die Gattin des RWE-Chefs oder den Chefredakteur der NRZ erweitert. Äußerst hilfreich und machtvoll wendet sich in Berthold Beitz der letzte echte Ruhrbaron gegen die Demission des als Kaufmann wenig begnadeten Impressarios an der Huyssenallee. Die Aufsichtsräte handelten "unseriös", "unverantwortlich", das Schicksal des einstigen Saalbaus stehe auf dem Spiel. Usw. Masur will in dem Haus erst wieder dirigieren, wenn Kaufmann zurück ist. Gedroht wird auch damit, aus dem Sponsoring der Kulturhauptstadt auszuscheiden. Immerhin: Vielleicht treffen sich der scheidende Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger und der Kuratoriums- und Stahlboss Mitscherlich noch in dieser Woche zum Gespräch. Was jedoch wenig bringen wird, wenn die städtischen Dezernenten Hülsmann und Scheytt weiter bei ihrer Linie bleiben.

1) Ich deute den Krieg der Kapitalisten für Kaufmann ohnehin anders. Im Kern geht es um die Macht in Essens Kulturpolitik. Gerade vor der Kulturhauptstadt. Ob die bestimmen, die zahlen – oder die, die die Verantwortung tragen, oder die, die wählen?! Essen, das Ruhrgebiet tut sich ja tatsächlich schwer mit seinem Bürgertum, vor allem die Großunternehmer.

Die "Causa Berger Bergmann" (FAZ) der frisch gebackene Geschäftsführer der TuP, spielt da eine Nebenrolle. Wenn es auch merkwürdig ist, dass Bergmanns quasi erste Amtshandlung die Kündigung eines leitenden Angestellten ist. Läuft es so wie dazumal, wird der Philharmoniechef übrigens in einer Woche wieder in Ehren eingesetzt, ein bedauerliches Missverständnis bemüht und der neue Geschäftsführer in die Wüste geschickt. Läuft es anders, ist Essen und das Ruhrgebiet tatsächlich auf dem Weg zu mehr Bürgerlichkeit, einer demokratischeren Kulturhauptstadt.                              

Denn 2) Was lustig ist: WAZ  – natürlich sitzt auch WAZ-Eigner Stephan Holthoff-Pförtner in dem Philharmonie-Kuratorium – und NRZ wollten nicht nur die Großkopferten, auch den einfachen Bürger eine Stimme geben. Flugs wurde ein Internet-Forum eingerichtet mit Voting und Kommentarlink. Während der Stand der Abstimmung geheim ist, sind die derwesten-Kommentare schon jetzt zu lesen. Und, Überraschung, die allermeisten zeigen tatsächlich Verständnis für die Kündigung eines Intendanten, der mehrfach seinen Etat überzogen haben soll. Dazu hagelt es auch noch reichlich Kritik am Führungsstil des angesehenen Kulturmanagers. Bisher ein Eigentor von Rüdiger Oppers (NRZ) und den seinen.

PS: Ob Kaufmann tatsächlich eine solche Wucht als Intendant war und ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich vermute, es kann nicht wirklich schwer sein, einen Nachfolger zu finden für die Intendanz an einer der größten, klangschönsten Klassikbühnen Europas.

 

Und der Wolfram Siebeck …

Heute wird Wolfram Siebeck 80. Das Zeit-Magazin hat ihrem berühmtesten Kolumnisten eine ganze Ausgabe gewidmet. In einem bemerkenswerten, leider nur gedruckt vorliegenden Interview spricht Deutschlands Kulinator ausführlich über seine Zeit in Ruhrgebiet. In Duisburg geboren, in Essen-Borbeck, Bochum-Langendreer aufgewachsen, bei der WAZ hat er als Zeichner angefangen. Zur Feier seines Geburtstages hat Siebeck auch eine Deutschlandkarte gemalt. Fur das Ruhrgebiet wichtig: Er mag Essener Milch, isst im Schloss Hugenpoet und trinkt Bochumer Bier; was ich gut verstehe.

Ich finde das ja klasse, das einer aus dem Pott, mit einem verkrachten Nazi-Vater, der den Familienbesitz (u.a. einen Zeitungsverlag) verjubelte, dass so einer zum Feinstschmecker wurde, zum Geschmacksträger Deutschlands. Dass sich Siebeck gerne "Kaviarlinker" nennt, dass er aus dem Mief des Fünfziger-Jahre-Reviers ausbrach (Siebeck: "Wir bewegten uns in der Journalistenszene im Ruhrgebiet. Das waren ja Zustände damals, die hockten immer in diesen Kneipen herum, die man nicht mit Kaffeehäusern verwechseln sollte, und spielten Skat. Diese Trinkhallen, ich mochte das nicht." Zeit: "Sie waren schon damals ein bisschen elitär." Siebeck: "Aber ja. Mit dem ersten Geld bin ich mit meiner Freundin Erika nach Paris gefahren, das muss so 1952 gewesen sein."). Und leider wegging – Ammersee, Schondorf, eine Burg bei Freiburg, Südfrankreich.

Sonst würde es bis auf die paar Luxusküchen, Milch und Bier mehr gutes Essen, vor allem, mehr gute Lebensmittel aus und in der Region geben. Was etwa Ruhrgebietsbäcker hierzulande ihren Kunden anbieten, gibt es schon im Rheinland nicht mehr im Back-Discounter. Übrigens auch so eine sehr zweifelhafte Erfindung dieser Gastrosteppe namens Ruhrgebiet. Was der Wolfram Siebeck wohl dazu sagt?

Star spangled banner

 

Ich gebe zu, ich finde Barack Obama nicht sehr sympathisch. Wenn der redet, höre ich einen ehrgeizigen, verbissenen Berufspolitiker, sehe ich einen Monoman, der so tut, als grüße er ins Publikum, dabei sieht er nichts im Glanze der Scheinwerfer. Ich denke dann: Würde ich den gut finden, wenn ich Amerikaner wäre? Nö.

Dieser grässliche Kitsch, fast wie Italien, die gediegene Bühne, die Immitation von Fensterflügeln und Intimität vor 80.000 Parteigängern – als ob Barack Obama schon im Garten des White House vor die Kameras treten würde. Hat er wirklich in einem Hotelzimmer ausgeharrt wie eine Jungfrau vor der Trauung, bis er nach Tagen seiner Partei zugeführt wurde? Hat der eigentlich Humor? Und dann ganz scheußlich – er wird sie nicht dahin gestellt haben – vier Flaggen mit Seeadlern die sich leicht im Wind wiegen. Im Wind? Welchem Wind?

 

Lässig betont lässig

Helmut Linssen liebt es ganz offenbar Finanzminister von Nordrhein-Westfalen zu sein. Das ist in jedem Kabinett der schönste Job. Bei guter Konjunktur. Dann fließt Geld in die klammen Kassen, und das heimst der Finanzminister ein oder verteilt es auch mal, ganz der nette Großonkel. Wie ein pater familias spielt er entweder Gönner oder den eisernen Helmut, Hans, Peer, Theo, Oskar – was auch immer. Nach Lust und Laune.

Foto: eppreu-autogramme.de

Bei guter Konjunktur stehen Finanzminister gewissermaßen über der Tagespolitik und haben Zeit über viele Dinge nachzudenken, wie verlorene Schachpartien oder die Bevölkerungsentwicklung in NRW bis zum Jahr 2040. Oder die Weltrevolution. Muss Spaß machen. Und Linssen hat ja immerhin 25 Jahre auf den Job warten müssen.

Was der Mann vom Niederrhein aber besonders mag, was sie alle mögen, und was mich richtig schwach macht, ist dieses Funktionalvokabular, das Finanzdeutsche, Merkantilgermanische, Kameralwissenschaftliche.

Gestandene Fiskalpolitiker sagen deshalb nicht haushalterisch, sondern haushalteeerisch. Sie tragen gestreiften Zwirn und betonen die Dinge anders, hanseatisch, vornehm. Mal auf der Drei, mal auf die Eins. Sie sagen deshalb Veerkauf, statt Verkauf. Und Innsolvenz statt Insolvenz. Konnnsumm, statt Konsuuum. Weitere Beispiele "umbetonter Wörter" – bittee posteeen, danke. 

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Schweres Knalltrauma*

Ich schwärme für den Reviersport. Früher habe ich mich auf jeden Wochentag mit "o" gefreut, dann gab es eine neue Ausgabe. Ich habe die Hefte sogar aufgehoben in Ikea-Schubern und sie erst Jahre später an einem traurigen Tag weggeworfen. Heute kaufe ich mir Reviersport nur noch selten, aber die Essener Durchhalter verehre ich immer noch; auch wenn das Blatt seit Frühjahr zur "Dr.Oetker" Gruppe gehört. Seit Anfang August bin ich nun zum Stammgast der Online-Ausgabe geworden. Denn hier schreibt Thorsten Legat. Nochmal: Thorsten. Legat. Schreibt. Kolumnen. Uff.

Foto: flickr.com

"Thorsten Legat schreibt" klingt erstmal wie "Michael Phelps ertrinkt" oder "Wolfgang Clement entschuldigt sich". Im ersten Moment dachte ich deshalb, ich habe mich verlesen: Dass Legat schreit, laut in den Diskant kippend, soll ja vorkommen. Aber nein, der Mann aus Bochum-Werne schreibt. Jede Woche. Und wie.

Die erste Kolumne hieß "Man meint, man hätte einen Panzer auf dem Rücken". Was für ein Titel. Ich habe es vor mir gesehen: Tarzan Legat auf der Außenbahn, seine Rufe kreischen über den Platz, japsend trägt er einen Leo II. auf dem verschwitzten breiten Kreuz. Ansonsten handelt der Erstling von der ersten Pokalrunde mit eigenen Gesetzen gegen unterklassige Mannschaften. Naja. Legat verspricht natürlich die eine oder andere Überraschung, mutmaßt, dass Borussia es in Essen schwer haben wird. Es kam anders, Schwamm drüber.

Legats zweiter Streich "Van Buyten hatte nicht einmal Bezirksliga-Niveau" kann dann das Niveau der Überschrift locker halten. Eine Tirade gegen hüftsteife, übergroße Verteidiger: "Was bringt mir ein Sechs-Meter-Mann, der in der Luft alles wegholt?" fragt sich der menschgewordene Außenbordmotor. Natürlich rein rhetorisch. Um dann einzuräumen, dass alle Bundesligisten im DFB-Pokal eine Runde weitergekommen sind, "hätte ich nie gedacht!" Selbstkritik bei Legat, das ist zu schön.

"Bei der E-Jugend in Wermelskirchen sind genauso viele Leute am Seitenrand" ist dann die dritte und wohl reifeste Arbeit des hauptberuflichen Übungsleiters von TuRa Rüdinghausen. Hoffenheim an der Tabellenspitze ist für Legat ein Alptraum. Seinen beiden Söhen habe er beim Fernsehgucken erstmal erklären müssen, wo Hoffenheim liegt – wenn man die Tabelle umdrehe, da gehöre der Club hin, beklagt der einstige Star des VfL Bochum. Den Leuten, die jetzt meinen würden, Hoffenheim könne Meister werden, hält Legat eine schallendes "Was denn, Kartoffelmeister?" entgegen, um sich kurzerhand mit einem routinierten "Ich bin mal gespannt, wie es weitergeht" zu verabschieden. Ich bin es auch, Herr Kollege, ich bin es auch.

*Ach ja: Georg Koch schreibt leider noch keine Kolumnen, wären aber gewiss lesenswert. Mein Lieblingstorwart hat sich am Wochende beim Wiener-Derby verletzt, ein Feuerwerkskörper explodierte neben seinem Ohr. Diagnose, auch auf Reviersport gelesen: "Schweres Knalltrauma". Ganz zauberhaft.

Ein klassischer Fehlstart

Die Bundesliga ist gestartet. Am Freitag spielte Bayern gegen Hamburg. Vor dem Anpfiff wurde eine kurze Eröffnungszeremonie mit Fackeltänzerinnen und Feuerwerk abgehalten. Paul Pots gab seine schlanke Version von "nessun dorma". Und die übertragende ARD legte mal wieder einen klassischen Fehlstart hin.

 

Der Reihe nach: Paul Pots ist Gewinner einer britischen Talentshow, so ählich wie DSDS in nice. In England ist Pots seither ein Superstar mit Aufsteigermärchen: Ein Handyverkäufer aus Wales mit schiefen Zähnen wird zum Opernsänger mit gerichteten Zähnen. Und zur Werbe-Ikone der deutschen Telekom. Die hat nämlich einen Werbefilm über die Geschichte produziert, lässt Pots seit Wochen aufs deutsche Publikum los. Ergebnis: Paul Pots erste LP ist ein Verkaufsrenner. Motto des Werbeclips: "Erleben, was verbindet".

Um gute Verbindungen, genau darum geht es seit einigen Prozesstagen auch in Frankfurt im Prozess gegen Jürgen Emig. Vorgeworfen wird dem Ex-Sportchef des Hessischen Rundfunks, dass er gegen Geldzahlungen an die Agentur seiner Frau Liveübertragungen im öffentlichen Fernsehen arrangierte. Tanzverbände, Veranstalter von Stadtjubiläen oder Radrennen sollen mit dem einstigen Tour-de-France-Reporter solche Gegengeschäfte eingegangen sein. Natürlich hatte Emig auch mit den engen Geschäftsbeziehungen zwischen Telekom und ARD zu tun. klick "Das Erste" war bekanntlich jahrelang Co-Sponsor des Radsportstalls Team Telekom und Männer wie Emig am Mikrophon machten gleichzeitig kräftig Werbung für die cofinanzierten Pedaleure und den einstigen Staatskonzern. Heraus kam dabei das Gegenteil von Journalismus. Und jetzt schauen wir noch einmal auf das Aufmacherbild…

Paul Pots, einem Telekom-Werbeträger, hat die ARD am Freitag Abend mal wieder die ganz große Bühne bereitet. Damit es auch jeder merkt, stand auf dem weißen Gestell für den Tenor groß und fett "Das Erste". Dahinter leuchtete die passende Bandenwerbung auf: "Erleben, was verbindet". Wenig später spielten die Bayern auf, natürlich in Telekom-Wäsche. Immerhin wird Dr. Jürgen Emig diesen Ligaauftakt gerne gesehen haben. In diesem neuen Fall von Schleichwerbung und Interessenverquickung ist er garantiert unschuldig. Vor drei Jahren wurde ihm fristlos gekündigt.

History Repeating

Schön, ne! Super Foto, Gerdas Durchschnittsfamilie traumhaft aufm Tippelsberg (ja?). Nur das reingestempelte "unbeugsam seit 1848" stört. Ist mir ein bisschen viel historische Kontinuität für einen von den Nazis zusammenfusionierten Verein. Aber dafür steht man motivisch ganz auf Seiten von Freedom & Democracy: 


Andererseits, wer "Flags of our Fathers" beziehungsweise "Letters from Iwo Jima" gesehen hat, weiß selbst das nicht mehr so genau. Letztlich funktionierte das übrigens gestellte Flaggen-Photo aber als prima Werbemaßnahme für neue Kriegsanleihen.

Und was das Fußballerisch zu bedeuten hat?

1) Ein anderes un-wort "unabsteigbar" brachte dem VfL schon einmal Pech

2) Würde gerne wissen, wie die Fußballfan-Adaption der amerikanischen Siegerästhetik im pazifischen Krieg dem Japaner Ono im Kader des Bundesligisten gefällt.

3) Tatsächlich haben die US-Truppen den Kampf um Iwo Jima nach Wochen mit tausenden Toten gewonnen und schließlich eine fast unbewohnbare Insel erobert. Was könnte uns das über den Saisonverlauf 2008/09 sagen? Wahrscheinlich: Nichts. 

Olympische Krieger

Ich boykottiere die Olympischen Spiele nicht. Ich glaube, es ist egal, ob ich mir um drei Uhr morgens den Wecker fürs Fernsehen stelle oder die Sache ignoriere. Ob ein bundesdeutscher Mediennutzer die Peking-Spiele Diktatur-Spiele sein lässt, global gesehen ist das ungefähr so wichtig, als wenn in China ein Sack Reis umfällt. Wie übersetzen sich das eigentlich die Chinesen? In Frankreich ein Sack Kartoffeln? In den USA ein Sack Mais? In Deutschland ein Fernseher?

Ich finde olympische Spiele, so staatsbefrachtet sie auch sein mögen, lehren Demut. Wie viele Menschen in der Welt die gleiche Sportart betreiben, wie jung und schön und gut gelaunt die sind, wie schnell, groß, geschickt, schlau. Und wie dumm der Beobachter bleibt, den nur interessiert, ob sein Land Bronze, Silber und Gold abräumt. Schön, dass es das digitale Fernsehen, dass es dafür Zattoo gibt, denn ZARDF zeigen wenigstens auf ihren digitalen Ablegern Wettkämpfe, ganz unabhängig davon ob nun ein deutscher Athlet dabei ist oder nicht.

Ohne das medienwissenschaftlich erhärten zu können, scheint es mir, dass es früher im kalten Krieg fairer zu ging. Da wurde moderner Fünfkampf gezeigt, obwohl immer ungarische Soldaten gewannen. Da lief Frauenturnen zur Primetime ohne FRA, oder Keirin ohne Brustring. Erst recht bei den Winterspielen, der DDR-Domäne. Die Welt mag globaler geworden sein, die Aufmerksamkeit hat sich verengt. Die USA haben mir das vorgemacht. Als ich dort in den Achtzigern ein Frühjahr verbrachte und wirklich sehr, sehr viel Fernsehen guckte, erinnere ich mich an zwei Meldungen aus Europa: eine Geiselnahme in einer Londoner Botschaft und einen Straßenlauf aus Paris, es siegte ein US-Amerikaner. Die einzigen beiden Deutschen, auf die ich angesprochen wurde, waren Hitler und "The Albatross" Michael Gross.

Demut lehrte dann auch die Eröffnungsfeier in Peking. Wie grandios die denken, wie anders, wie hypnotisierend und wie entlarvend die Trachtenkinder vorgeschickt wurden. Autokratische Systeme erkennt man an ihren Kindergesichtern. Immerhin, sie haben die Friedenstauben weggelassen. War es in Athen, als die Vögel in der olympischen Flamme geröstet wurden? Tauben waren gestern wirklich nicht angesagt. Ist es der erste vorolympische Krieg, der dort im Kaukasus, unweit des Austragungsortes der 22. Winterolympiade ausgebrochen ist?

Es ist natürlich kein Zufall, die Marschbefehle, Mobilmachungen, Maschinengewehrsalven ausgerechnet am Eröffnungstag. Es geht auch um Sotschi, um Putins-Gazproms-Olympiastadt 2014 an der Grenze zu Abchasien. Lang vor dem Krieg gab es in der Region ja schon einen Städtewettkampf. Georgien hatte sich mit Bordschomi auch um die Spiele 2014 beworben und war in der Vorschlussrunde ausgeschieden. Jetzt am 8.8.8 hat die georgische Regierung wohl darauf gesetzt, dass sich Russland als künftiger Gastgeber zurückhält, zurückhalten will oder muss; es galt ja mal Friedenspflicht, wenn das olympische Feuer brannte. Und Russland fördert die Separatisten von Südossetien, von Abchasien auf der anderen Seite der Grenze, auch weil es den Einfluss vergrößern würde, das Hinterland der Langlaufwettbewerbe.

Demut – und doch ein wenig Übermut: Warum Olympia auch Spaß macht? Im Ruhrgebiet? Wenn eine Fußballerin aus Wattenscheid für die ersten positiven Schlagzeilen sorgt. Wattenscheid, auch dass gibt es nur noch bei olympischen Spielen.

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Roter Humor?

Zwei Meldungen vom Tage. ddp meldet um 10:14, die SPD werde am 23. August zum Andenken an Johannes Rau eine Feier in Wuppertal abhalten. Eingeladen seien Kurt Beck, Frank Walter Steinmeier und sogar Jürgen Rüttgers. Nicht erwähnt als Gäste werden Raus Amtsnachfolger als Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Wolfgang Clement. Aber für WC hat dpa dann um 10:54 die passende Meldung: (Eil) Clement soll SPD verlassen – Schiedskommission für Ausschluss. Fullstop.

Eilig: Clement soll rausfliegen

Wie das ZDF Heute Journal gerade berichtet, plädiert die Schiedskommission der SPD-Landespartei dafür, Wolfgang Clement aus der SPD auszuschließen.

Das Blog der NRW-Sozialdemokraten bestätigt die Berichterstattung des Zweiten. klack Mehr soll morgen bekannt gegeben werden.

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident und Bundesminister hatte das Verfahren der Landesschiedskommission selbst angestrengt. Die Düsseldorfer Kommission tagte über die Causa Clement – allerdings nur parteiöffentlich – am 12. Juli. Zuvor hatte eine Kommission des Unterbezirks Bochum entschieden, Clement eine Rüge wegen parteischädlichen Verhaltens auszusprechen. Der Ex-Superminister hatte die Entscheidung nicht akzeptiert.

Während des hessischen Landstagswahlkampf hatte Clement in einer Zeitungskolumne gegen die Energiepolitik seiner hessischen Parteifreunde gewettert und von einer Wahl der Hessen-SPD abgeraten. Es ist  – trotz des überraschenden Votums aus der Landeshauptstadt – davon auszugehen, dass der Ex-MP nun die Bundesschiedskommission anrufen wird.