Zur Sprache des Fußballs

Es begann mit einer Abseitsstellung. Mitspieler Sul. war schon wieder unzufrieden mit der Schiedsrichterentscheidung, zeterte und meckerte, wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Der Referee zückte die gelbe Karte. Sul. war immer noch auf Touren und kommentierte die Verwarnung mit einer abwertenden Handbewegung. Der Schiri nestelte nach der roten Karte, zeigte sie und sagte dem weiter wütenden Sul.: "Das ist eine Missbilligung". Das wollte Sul. natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er konterte: "Bist selber eine Missbildung". Verließ aufreizend langsam das Spielfeld. Buhrufe beider Mannschaften. Da sage einer, die Sprache des Fußballs ist international.

Dinge, für die die Finanzkrise leider zu spät kam

Die Finanzkrise ist Mist. Menschen müssen kurz arbeiten, oder gar nicht mehr. Länder gehen Pleite. Banken, Versicherungen und Konzerne sowieso. Dazu feiert Vater Staat ein Comeback, durch das selbst Martin Schulz (SPD) aus Würselen ein bisschen wie Barack Obama klingt. Die Finanzkrise hat aber auch guten Seiten: Wettbüros, die so tun, als wären sie Banken, finden wir jetzt doof. Genauso künstliche Palmeninseln vor Dubai, das fernöstliche Hochhauswettrüsten, den Rhein für Hochseedampfer ausbaggern. Doch für manche Dinge kommt die Finanzkrise zu spät. Heute: Die Siemens cookingLounge.

Abbilddungen: ruhrbarone

In der Bayern München Spielstätte von Fröttmaning direkt neben einer Mülldeponie, diesem Stadion am Ende der Welt, das seine Außenhaut wie ein Chamäleon verfärben kann und doch nur aussieht wie ein breit getretener Golfball, in diesem Stadion kann man nicht nur mit dem BMW vor die VIP-Lounge vorfahren und dann abgehalftetere und/ oder wechselwillige Fußballweltstars ansehen. Hier kann man jetzt auch Kochen lernen.

Ein Koch namens Stefan Ziemann betreibt mitsamt dem Münchner Weltkonzern Siemens hier eine Kochschule mit Hochleistungsküche und Logenfenster – was eine genauso beknackte Geschäftsidee ist wie hier eine Bibliothek, ein Kino oder ein Theater zu eröffnen. Doch statt den Ball flach zu halten, und die Stadionpanoramaküche zu den anderen Nieten wie die Rolltreppe ins Nichts (klick) zu legen, haut Siemens im aktuellen Magazin der Süddeutschen Zeitung kräftig auf die Sahne.

"Wenn die Fußballstars des FC Bayern München in die Allianz Arena einlaufen", schreiben die stilblühenden Konzerntexter, "verwandelt sich das Stadion in einen brodelnden Hexenkessel. Ein Kessel, in dem man nun auch kochen kann, denn für fußballbegeisterte Genießer hat Siemens im schönsten Stadion der Welt einen besonderen Ort geschaffen." Oink.

Ich wiederhole: Siemens hat den "fußballbegeisterten Genießer" entdeckt, für den es im "schönsten Stadion der Welt" (?) jetzt das Angebot gibt, "während rundum die Emotionen hochkochen", auf 160 Quadratmetern "Spitzengastronomie und Fußball" zu "genießen". Der fußballbegeisterte Genießer darf auch wählen, ob er während des Spiels mit einem Menu bekocht wird oder ob sich für ihn an das Fußballspiel "noch ein exklusiver Kochkurs" anschließt.

  Ich versuche es mir vorzustellen, bin schließlich auch fußballbegeistert und ein Genießer: Ich fahre  Samstags zum FC Bayern in die cookingLounge, treffe auf andere Genießer, stehe um den Herd von Herrn Ziemann. Während sich draußen die Spieler warm machen, gucke ich zu wie der putzt, schneidet und brutzelt. Setze mich zum Anpfiff auf die Freischwinger, plaudere mit Tischnachbarn, höre Stadionatmosphäre, sehe mal zum Stadion TV mal aufs Spielfeld. Es gibt einen leckeren Tropfen aus dem Rheingau, es duftet nach Basmatireis und Noilly Prat. Und für die Halbzeitpause hat Herr Ziemann was ganz besonderes in Petto: "Meine Empfehlung zur Halbzeitpause: Mit Vanilleschote gepiercter Seeteufel an Risotto und Frühlingszwiebeln".

Ich schätze mal, auch beim schrumpfenden, kriselnden Weltkonzern Siemens möchte man einige Geschäftsideen der letzten Jahre gerne ungeschehen machen: mit bundesdeutschen Handyschraubereien angefangen zu haben, blind auf die Einschienenbahn (klick) zu setzen, die geschmierten Pseudogewerkschaften. Auch die Kochschule im Fußballstadion dürfte bald dazu gehören. Das kommt dann bei der nächsten Wirtschaftskrise unter die Räder.

Der Bilderbuchtorwart

Manuel Neuer hat sich jemand ausgedacht. Der Fußballgott? Ein Forscher? Vielleicht die Fügung. "Der Junge" (Werner Hansch) ist der perfekte Torhüter. Auf Jahrzehnte unbesiegbar. Ein Jahrhunderttalent. Und jetzt wollen ihn die Bayern. Natürlich. Eine Hommage aus gegebenem Anlass.

Grafik: ruhrbarone.de

Manuel Neuer ist Ian Thorpe unter den Fußballtorleuten. Hände wie Bratpfannen, Finger wie Bratwürste. Statt Arme Adlerschwingen. Ein Schrank von Kerl. An Neuer ist kein Vorbeikommen, wenn er sich groß macht, breit, wenn er auf die Stürmer zuhüpft, aufrecht, zögernd, wie ein Riesenochsenfrosch. Neuer hat Fäuste wie Diamant, eine Sprungkraft wie Spiderman. Dazu Herz, Gemüt, Zähne, ein Grinsen.

Manuel Neuer hat gejubelt und geweint mit Schalke. "Der Junge" (Werner Hansch) aus Gelsenkirchen-Buer hat noch die Eurofighter siegen sehen und die Meisterschaft flöten gehen. Wenn er sich freut, rennt er selbst die Zäune vor Fankurven weg, überwindet Wassergräben, fünfzehn Meter hohe Stufen, und dann herzt er die alten Freunde von der "Buerschenschaft". Manuel Neuer ist so schnell, er kann sich gleichzeitig anfeuern und durch den Strafraum segeln. Neuer ist nicht von dieser Welt.              

Manuel Neuer hat diese magischen Momente. In der Champions League in Portugal, ganz alleine hat er sich 534 Angreifern entgegen geworfen, sein Tor sauber gehalten. Der Blondschopf, der Recke, Drachentöter, Siegfried unter den Kickern. In der Höhle des Löwen hat er die Bayern besiegt, in der Schlangengrube hat er den Titan gegeben, die Eckfahne gewuchtet, die Bayern verhöhnt. Und jetzt?

Manuel Neuer ist ein Fußballmärchen. Selbst auf dem Trainingsplatz dehnt er sich bis zu einer Spannweite von 7,32. Von Pfosten zu Pfosten. Ich habs gesehen. Irgendwann gibt es keine Gegentore mehr für einen wie ihn. Modellathlet. Mit dem rechten Bein stößt er sich ab in den blauen Himmel über der Ruhr. Lacht bis die Geschäftsstellenscheiben klirren, der Gute-Laune-Manuel, ein Bilderbuch von Keeper, ansteckend.

Das wissen sie auch vor den sieben Bergen, jeder sieht es, ohne Neuer keine Zukunft, nur Butt und Rensing, keine Turniersiege, keine Stimmung, keine Legende, keine Champions League. Bayern München ist also "interessiert" an "dem Jungen ausm Kohlepott" (Werner Hansch). Und der? Was macht er?

Sagt, dunkle Schatten auf der rosigen Wange, "war auf Asienreise, kann dazu nichts sagen, denke, die Vereine haben gesprochen." Der Berater sagt, wenn Bayern fragt, würde sich jeder Spieler, Achtung, Gedanken machen. Nein, tu es nicht! Man möchte brüllen: Manuel, Manuel, MANUEL, mach Dir alles, nur keine Gedanken. Bleib Du, bleib Weltwundertorbeschützerschalkerdurchunddurchsonnenkindfußballborisbecker. Doch der Herr Berater sagt, Schalke sei jetzt "am Zug". Ein Drama?

Aber auf Schalke haben sie zum Glück mehr Weltwunder. Einen Weltfleischer und den Weltfelix. Was die sagen? "Es gibt keine Schmerzgrenze." (Neu-Trainer Felix Magath) Oder:  "Ich sehe es hundertprozentig wie Felix Magath. Wir lassen uns von den Bayern nicht das Gesicht wegreißen!“ (Boss Clemens Tönnies). Nicht das Gesicht wegreißen, gut gesagt. Puh!

Puh, update (!):

Neuer im Kicker, Thema Bayern ist durch (1). Bin durch (2) und durch (3; sic!) Schalker. Hab Vertrag bis 2012.

Liveschalte zum Werkstor

Heute um 16 Uhr will Jürgen Rüttgers ein Pressestatement am Bochumer Opelwerk 1 abgeben. Der Ministerpräsident ist Gast der Betriebsversammlung der Automobilwerker. Ganz gleich, wie man den Einsatz der Regierenden aus den Opelländern, aus USA und Russland zur Opelrettung beurteilt – in diesem Fall ist der Ort die Nachricht. Die Staatskanzlei hat SMSen herumgeschickt, trommelt die Presse zusammen. Damit Rütte, wie gewünscht, gleich vorm "Werkstor 1" stattfindet – ein Symbolbild. Oder: Wenn Politik Wirklichkeit trifft, lagern dort Übertragungswagen, Reporter, Techniker. Professionelle Schaulustige. Und ich frage mich, ob das sein muss? Wozu das gut ist? Ich frage mich das spätestens seit der Nokiatragödie.

Fotos: ruhrbarone.de

Damals musste ich ein paar Stunden nach der überraschenden Nachricht von der Schließung der Fabrik vors Tor. Sollte ein Fotos machen, Betroffene befragen, Stimmungen einfangen. Und ich habe mich selten so geschämt als Journalist. Hatte doppeltes Mitleid mit den verhuschten Arbeiterinnen. Erinnere mich an Privatfernsehkollegen, die sich mit blendendem Arbeitslicht auf jede/n stürzten, die/der aus dem Werk kam und immer die gleiche (W_)Fragen loswurden: Wie fühlen Sie sich? War das ein Schock? Was machen Sie jetzt? Und wenn sie genug Wut, Trauer, Tränen im Kasten hatten, machten sie wieder dumme Sprüche über die Privatwagen der Mitarbeiter – "sitzen die auch nicht mehr lange drin, höhö". Echt, fies.

Ich habe mich deshalb gefreut, dass ich in den letzten Wochen nicht vorm Opel-Werk stehen musste. Und mir dann diese Frage gestellt: Darf man das, überhaupt? Sollte man die Leute, die "Betroffenen" nicht in Ruhe lassen, die gerade von Kündigung, Schließung, sonst was erfahren? Sollte es nicht ein Echttränenverbot geben im Fernsehen.

Oder muss man gerade dahin, muss die Nachricht ein Bild bekommen? Gewerkschafter sagen, natürlich muss die Presse dahin, im Falle Nokia haben sich die Kollegen explizit bei der Presse bedankt. Ohne Medien, wären sie sang- und klanglos abgewickelt worden.

Ich weiß es nicht, ich weiß nicht, wer mehr davon hat: Sender, Journalisten, Profischaulustige? Oder der Mitarbeiter?

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Finale Trainerdiskussion

"Noch zwei Siege, dann ist der Drops gelutscht."
(Felix Magath)

Ich mochte Schalkes Trainer Fred Rutten, das Rudi-Völler-Double, der sich nicht nur der Bundesliga übervorsichtig näherte. Ich habe mit ihm einmal in der Arena warme Curry-Suppe aus einem Glasfläschchen gesaugt, als er mich fragte, "waas is daas". Ich anwortete: "Suppe." Rutten: "Ah, Schuuppe." Es ist wirklich schade, dass er gehen musste – vor allem deshalb: Mein Lieblingstrainer war für einige Monate nicht mehr der farbloseste, vorsichtigste, ja, langweiligste seiner Zunft.

Bochum-Trainer Marcel Koller hat in dieser Saison nur zwei Fehler gemacht: Er hat sich nach Fankritik dazu breit schlagen lassen, einen Fanschal zu tragen, der nicht zu ihm passte. Wenigstens ließ er sich nicht auf den albernen Trainingsanzug und die Fußballschuh-Nummer ein! Und er hat nach der Genesung seiner Stamminnenverteidiger herum geeiert, um Anthar Yahia und Marcel Maltritz doch noch, irgendwie, in die Mannschaft zu kriegen. Weil das nur fast schief gegangen ist, wird der Schweizer wohl endgültig als Erfolgstrainer in die Bochumer Fußballgeschichte eingehen, der den Mythos der ewigen Abstiegskämpfer wieder aufleben lassen hat. Um nicht von "Unabsteigbar"keit zu reden; – als dieses Schlagwort in der Welt war, stieg der VfL auch schon das erste Mal ab. Das Kollers trockene, vorsichtige, ja: langweilige Art auch auf Spiele und Spieler abgefärbt hat, wird Koller oft vorgeworfen. Für mich beweist es nur, dass der Fußball-Existenzialist seine Mannschaft "hundertprozentig" erreicht.

Ich bin eigentlich kein Anhänger des Trainerfußballs. Ärgere mich bei TV-Übertragungen über jedes Bild von der Bank. So lange der Ball rollt, brauche ich keine brüllenden Mitfünfziger, interessiert es mich nicht, wie Sir Alex Ferguson (Man U) versucht sein Kaugummi zu zerstören. Das Spiel hat keine Nahaufnahmen von der Seitenlinie nötig, mir ist egal, wenn es Diskussionen mit dem vierten Offiziellen gibt, ob die Coaching Zone verlassen wird. Ich glaube, ich habe im Stadion während eines Spiels noch nie darauf geachtet, was gerade auf der Trainerbank vor sich geht außer bei den Aus- und Einwechslungen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es den Spielern groß anders geht.

Andererseits geht es bei den Trainerdiskussionen um etwas anderes, um Ideale. Fußball ist ein Mikrokosmos im Flutlicht, eine Scheinwelt, ein Olymp. So ähnlich wie Mode, wie Musik und Kunst, wie Second Life oder Casting Shows nehmen wir Anteil mit unseren Meinungen, Sympathien, Haltungen zum großen Spiel. Fußball ist ein Labor der Arbeit. Und die Trainer die Vorarbeiter, Vorzeigechefs.

Auch Jürgen Klinsmann, den sie nun "Hi Hi" nennen. Mir ist dieser JK schon immer zu sektiererisch, zu beseelt, ein bisschen Tom Cruise an der Linie. Ob bei der Nationalelf oder den Bayern. Dieses jeden jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen – wer will so einen anstrengenden Chef haben? Außerdem: Was riskiert ein Coach, der nebenbei Vorstand seiner Firma "Soccer Solutions" bleibt, der auch als Bundestrainer konkurrierende Fußballverbände beriet, Verträge für Turnierbälle aushandelte, was riskiert der außer seine Glaubwürdigkeit? Als Geschäftsmann für Fußball und Motivation ist Klinsmann eben sehr erfolgreich, als Trainer war und ist er es nicht.

Andererseits – Klinsmann im Gespräch mit Günter Jauch zeigte auch, wofür der Schwabe auch steht: Für Wandel, Veränderungen, die immer neue Suche nach Tempo, Klasse, Begeisterung, Weltgewandheit im deutschen Fußball. Erst beim DFB – heute immerhin ein Verband, der sich gegen Rassismus, Homophobie und für Dribbelkünstler mit Migrationshintergrund stark macht – dann bei den Bayern. Klinsmann scheiterte natürlich an sich, seinem peinlichen Psychosprech, fehlender Authentizität und "Rüberkomme", wenig Gelassenheit und Erfahrung, aber eben auch an den eitlen Alten in der FCB-Chefetage, den Netzers des Blätterwaldes, den Beleidigten bei Springer, an bockigen Spielern, verwöhnten Zuschauern. Am Mittwoch hat er mich trotzdem fast überzeugt.

Übrigens steht der neue Bayerntrainer Louis van Gaal nur vordergründig für den alten Schleifer, das Fußballlehrer-Style, das Karl-Heinz Rummenigge vorschwebt: Van Gaal schreibt Gedichte, kleidet sich wie eine Gestalt aus Tim und Struppi, steht auf hypermodernistischen Fußball und kämpft gegen Homophobie.

Noch ein JK, vielleicht  d e r  JK, die zur Zeit angesagteste Mischung aus Wahnsinn, Kompetenz und Charme im Fußball. Mit Jürgen Klopp hat Dortmund den Coup des Jahres gelandet. Die Stadt ist aufgewacht, die Mannschaft geht lange Wege, spielt kurze Pässe, wird Rekordsieger. Und plötzlich steht – nach müden Jahren – wieder Fußball im Mittelpunkt, nicht die ökonomischen Aufräumarbeiten der überdrehten Neunziger Jahre, nicht der Präsident, sondern ein Trainer.

Das gleiche will Schalke auch. Ausgerechnet Clemens Tönnies. Dabei steht der vorlaute Aufsichtsratschef, der erst zum Schalker wurde, weil der Bruder starb, auf deftig, sich, labern. Auch bei der Trainersuche. Wie ein Sonnenkönig ließ er Muskeln und Moneten spielen, verhandelte mit Olli Kahn, kokettierte mit Rudi Völler, um dann doch den Dortmunder Coup vom vergangenen Sommer zu toppen: Ein Fast-Schon-Meistertrainer auf Schalke, dem VW-Wolfsburg wurde der zur Zeit erfolgreichste deutsche Fußballlehrer abgeworben.

Dass Felix Magath auf Schalke einschlägt wie ein Klopp ist nicht gesagt. Aber Magaths Motivation ist einfach: Welcher Club in der Bundesliga kann den Bayern zum wirklichen Konkurrenten werden? Wer hat die Fans, Begeisterung, Hinterland und Tradition, welches Stadion kann mithalten mit der Allianzarena an der Mülldeponie? Er hat die Frage mit Schalke beantwortet. Ich wär mir da nicht so sicher. 

Deutschland, ein Damenrad

 

Wir erleben feierliche Tage. Gestern im Bundestag, die Debatte zum 60. Geburtstag vom Grundgesetz. Vor einer Woche die Festveranstaltung der CDU zum selben Thema plus "20 Jahre Mauerfall" klick. Heute dann die passend patriotische Wurfpostsendung eines Fahrradhändlers. Welche  Wahrheit in Motiv und Form:  Bundesrepublik Deutschland, ein weißes Alu-Damenrad namens Pegasus, mit Gelsattel auf Continental Contact Reifen. Schaltung mit Rücktrittbremse. Sicher und komfortabel. Testurteil: Kauftipp, sehr gut!

Ganz schön deutsche Muslime

Die wirklich interessante Gallup-Studie zu Muslimen in Westeuropa erschüttert lieb gewordene Ansichten: Deutsche Muslime, fanden die Londoner Meinungsforscher in Zusammenarbeit mit der Coexist Foundation heraus, sind kreuzbrave Leute, die Vertrauen haben in deutsche Gerichte, Polizei und Wahlen, nur ein Viertel ist für die Todesstrafe, genauso wie der Rest der Bevölkerung.

Foto: ruhrbarone

Deutsche Muslime legen zudem großen Wert auf gute Aus- und Sprachbildung und sie sehen optimistisch in die Zukunft: Während nur ein Dittel der nicht muslimischen Bevölkerung damit rechnet, sich wirtschaftlich zu verbessern, glaubt  jeder zweite Deutsch-Muslime an den persönlichen Aufschwung. Nochmal: Befragt wurden muslimische deutsche Staatbürger.

Auch die WAZ hat der Studie eine halbe Seite eingeräumt, freilich etwas weniger Platz als dem Porträt von Müntes Neuer, was nicht schlimm ist. Blöder, dass die Autorin des Beitrags fortwährend zwischen Muslimen und Deutschen unterscheidet, als könne man nicht zugleich Muslim und Deutscher sein. Auch das nicht wirklich überraschend: Ein weniger gutes Ergebnis der Gallup-Studie besagt nämlich, das fast 40 Prozent der in Deutschland Befragten sich isoliert fühlen, kein Interesse an anderen Religionen haben und sich von anderen nicht genügend respektiert zu fühlen.

WIR gewinnt

Wenn es um Nordrhein-Westfalen geht, diesen Bindestrich in der Bundeslandschaft, dann kommt einem immer die gleiche Assoziationskette in den Sinn: Johannes Rau, Bodo Hombach, Wahlkampf 1985 und deeeer Slogan: "Wir in Nordrhein-Westfalen". Erst das Wir-Gefühl der Wahlkämpfer habe das Bundesland zusammengeschweißt. Und weil die Sozialdemokraten mit 50,1 Prozent auch einen hübschen Wahlsieg einfuhren, gelten die drei Buchstaben seitdem als Erfolgsrezept.

Zum Beispiel vor genau zwanzig Jahren, da versuchten es die Genossen wieder mit dem großen Wir. Mit "Wir sind Europa" zogen sie in den Europawahlkampf. Harold Faltermeyer ("Axel F.") schrieb die Melodie, der damalige "Agentur Butter"-Werber Ralf Zilligen Zeilen wie diese: "Wir wollen wie das Wasser sein. Nichts stoppt unseren Flug, jetzt sind wir am Zug." Dazu wurde ein erster sozialdemokratischer Videoclip produziert. Ich erinner mich an Horden junger Menschen, an viel Sonne, grünes Land, hüpfende blau-gelbe Weltkugeln, Hans-Jochen Vogel, Rau und Lafontaine. Und die Melodie klang wie "Give Peace a Chance". Leider ist das Stück verschollen.

Das große "Wir" ist es nicht. In NRW haben es sich erst Jürgen Rüttgers, Monika Piel und Bodo Hombach unter den Nagel gerissen. WDR und WAZ verlegen seit zwei Jahren mit Segen der Landesregierung Filme, Texte, Bilder, sprich: "unsere gesammelten Werke". Vom Wahlkampfmotto zur Marke – eine Karriere, die auch vor Johannes Rau nicht Halt macht.

Bekanntlich ist dem amtierenden Ministerpräsidenten wenig so wichtig wie Versöhnung und historische Kontinuität. JRüttgers tritt bewußt das politische Erbe des anderen JRau an, stapft deshalb Jahr für Jahr in den politischen Fußstapfen Raus in Israels herum, stellt Büsten auf, feiert Rau-Gedenktage, bedient sich des großen WIR – was zuvor weder Clement, noch Steinbrück konnten oder wollten. Und die Christdemokratisierung des Sozialdemokratischem hat längst Berlin im Griff.

Nach der Metamorphose Jürgen Raus zu Johannes Rüttgers vertraut die Bundes-CDU in ihrem Europawahlkampf auf die alten Sozirezepte, das große Wir. "Wir in Europa" steht auf den Paketen und Containern der Hoffnung. Und hinterlegt ist das WIR mit einer Deutschlandfahne. Würde mich gar nicht wundern, wenn die CDU im Herbst mit einem "Wir in Deutschland" in die Bundestagswahlen zieht.   

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Hobbythek: Mundschutz

Die Essener Feuerwehr ist schwer auf Zack. Ihre Website verspricht nicht weniger als die "Rettung". Und wer den Mund so voll nimmt, muss auch etwas bieten. Erst recht in Zeiten der Schweinegrippe. Gesagt, getan, die Kollegen der Pandemieplanung der Stadt Essen haben schnell eine Do-It-Yourself Nähanleitung zur Vorbeugung vor der Schweinegrippe ins Netz gestellt. Und wir sagen – mit diesen Screenshots – einfach mal Danke, liebe Feuerwehr Essen! Du bist wirklich unsere Rettung!

 

Demo vorm Derby

Foto: Ruhrbarone

Schalke oder Dortmund? Morgen fällt die Entscheidung im Museumsderby. Und zwar in Düsseldorf. In der Messe tagt der außerordentliche Bundestag des Deutschen Fußballbundes und die 260 Delegierten werden in geheimer Wahl entscheiden, wo das Deutsche Fußballmuseum hin kommt: Neben die Schalke-Arena? Oder auf das Gelände am Dortmunder Hauptbahnhof. Viel kommt an auf die Performance der Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer und Frank Baranowski. Aber noch mehr auf die Stimmung der Abstimmer.

Da die nicht beteiligten Landesverbände – wie etwa der Bayrische Fußballverband – ihren Delegierten freie Hand lassen bei der Entscheidung pro Gelsenkirchen oder pro Dortmund, ist der Ausgang ziemlich offen. Und was den Gelsenkirchener Bemühungen die Suppe versalzen könnte, hat nichts mit dem Fußballmuseum, dem Standort Schalke, mit Finanzierung oder Präsentation zu tun. Sondern mit dem anderen großen Thema des DFB-Bundestags.

Beschlossen werden soll dort nämlich auch der neue Grundlagenvertrag, der unter anderem vorsieht, die Sonntagsspiele der Bundesliga aufzusplitten und eines bereits um 15:30 anzupeifen. Die geplante Vorverlegung des Profikicks auf einen Zeitpunkt an dem traditionellerweise Amateurmannschaften auflaufen, hat für einige Verstimmung in unteren Ligen gesorgt. Ausgerechnet der Fußballkreis Gelsenkirchen steht an der Spitze der Gegner der vorverlegten Live-Spiele. Im Frühjahr wurde hier sogar gestreikt und für morgen zu einer Demo vor der Messe aufgerufen klick.

Nun gilt die "Bundestags"-Entscheidung für den neuen Grundlagenvertrag nur als Formsache. Die Mehrheit der Delegierten ist längst dafür – daran werden die Amateurdemonstranten nichts ändern können. Wahrscheinlicher ist, dass die Fußballbewegten die Entscheidung im Ruhrmuseumsderby beeinflussen. Wohl kaum zu Gunsten GEs.