Einem gescheiterten Politiker hinterherzurufen, ist eigentlich nicht gehörig. Trotzdem tue ich das im Fall von Willi Nowack. Der ehemalige SPD-Fraktionschef von Essen hat im November Privatinsolvenz angemeldet. Zuvor hatte er seine Partei in Essen politisch ruiniert und dafür gesorgt, dass die Partei nach Jahrzehnten an der Macht alles verlor, von der Mehrheit im Rat bis zum Posten des Oberbürgermeister. Selbst seine Firma hat er kaputt gekriegt. Willi Nowack wird im kommenden Jahr 60 Jahre alt. Er kann auf einen Schrotthaufen zurückblicken.
Das ganze begann vor Jahren. Ich war damals gerade bei der Süddeutschen Zeitung und habe die ganzen Märchen rund um Nowack recherchiert. Damals saß er noch im Landtag, galt als mächtig, unanfechtbar und als reich. Es wurde gemunkelt, in Erfurt habe er große Besitztümer.
Ich bin fast alles durchgegangen. Und im Kern ging es bei Nowack immer wieder um dubiose Finanzflüsse. Dabei sah und sieht es für mich immer so aus, als habe Nowack seine Macht in Essen für sich ausgenutzt. Zur Erinnerung: Zwischen 1992 und 2003 war er der allmächtige SPD-Fraktionschef im Essener Rat und saß im Verwaltungsrat der Sparkasse.
Hier mal eine unvollständige Auflistung der dubiose Finanztransaktionen Nowacks. Zum Beispiel soll er als Geschäftsführer seiner eigenen Firma rund 900000 Mark hinterzogen haben, indem er an sich selbst mehrere Darlehen genehmigte. Das erklärte die Staatsanwaltschaft Essen damals. Darüber hinaus habe Nowack allein im Jahr 1996 zwei Kredite über insgesamt 2,53 Millionen Mark bei der Sparkasse Essen aufgenommen, obwohl seine Firma zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sein soll, bestätigten die Ermittler. Für einen Kredit in Höhe von 1,65 Millionen Mark seien danach lediglich Zinsen gezahlt worden. Tilgungen seien nicht geflossen. Während die Millionen bewilligt wurden, saß Kreditnehmer Nowack als SPD-Politiker im Verwaltungsrat der Sparkasse. Außerdem war er Mitglied des fünfköpfigen Kreditausschusses, der nach dem Sparkassengesetz den Millionenkredit an die Firma Nowacks bewilligen musste.
Nowack hat mir gegenüber bestritten, dass er Sonderkonditionen für die Sparkassen-Kredite bekommen habe. In einem Schreiben erklärte die Sparkasse die Millionen-Kredite seien zu „Kundenkonditionen“ gewährt worden. Allerdings wollten sich weder Nowack noch Sparkasse dazu äußern, wie diese „Kundenkonditionen“ aussahen. Und warum die Sparkasse Jahre lang auf die Tilgungen für den Kredit in Höhe von 1,65 Millionen Mark verzichtet hat.
Später habe ich erfahren, dass die Kredite mit einer Endtilgung versehen gewesen sein sollen. Dass sie also erst am Ende der Laufzeit fällig geworden sein sollen.
Neben diesen umstrittenen Mitteln hat Nowack nach meinen Informationen weitere Sparkassen-Gelder für seine notleidende Firma lockergemacht. Eine Geschichte habe ich aus dem Umfeld der damaligen Ehefrau von Willi Nowack erfahren. Diese habe auf eigenem Namen Kredite bei der Sparkasse aufnehmen müssen und dann verdeckt an ihren Mann und dessen Firma weitergegeben. Das Rückzahlungsrisiko sei an Frau Nowack haften geblieben. Darüber hinaus soll sich Nowack auch selbst als Privatperson größere Summen bei der Sparkasse besorgt haben. Nowack wollte sich zu den Krediten über seine Frau nicht äußern. „Das ist Privatsache“, sagte er mir damals.
Es hieß, Nowack habe die Millionen dringend für schlecht laufende Bau-Geschäfte in den neuen Bundesländern gebraucht. So habe der damalige SPD-Fraktionschef ein denkmalgeschützte Haus in der Altstadt von Erfurt teuer saniert, ohne ausreichend zahlungskräftige Mieter zu finden.
Ich hab mir das Haus mal angesehen. Die Bude war als Sicherheit für den Kredit in Höhe von 1,65 Millionen Mark an die Sparkasse verpfändet. Leider taugte die Sicherheit nicht besonders viel. Experten aus Erfurt schätzten den Wert der Nowak-Immobilie damals auf maximal 500000 Euro – wenn sich überhaupt ein Käufer für das schwer vermietbare Fachwerkhaus „Zum roten Horn“ findet. Die Bank schwieg dazu, wie sie zu ihrer Bewertung der Immobilie kam.
Das war nicht alles. Der Essener SPD-Boss hatte seine Partei damals lange wie ein Mafia-Pate beherrscht. Zum Beispiel hat er sich nach meinen Informationen die Mehrheit in einem umkämpften Ortsverein gesichert, indem er über einen befreundeten Küchenunternehmer und Fussballtrainer, genannt "Bronnek", rund 120 Polen herankarren ließ, die kurzfristig gegen Bargeld in die Essener SPD aufgenommen wurden. Bei Abstimmungen mussten die Polen für Nowack-Kandidaten stimmen. Gemeldet wurden die 120 Mann in vier Wohnungen eines Nowack-Freundes. Ein ehemaliger Weggefährte des SPD-Kaders würdigte die logistische Leistung des Stimmenkaufs: „Der Nowack versteht das mit dem Köpfchenzählen.“ Bei anderen Abstimmungen mussten ganze Fußballmannschaften, die Nowack sponsorte, oder EBE-Müllmänner, deren Aufsichtsrats-Chef Nowack war, kurzfristig in die SPD eintreten, um Mehrheiten zu sichern.
Offene Kritiker seines Systems ließ Nowack damals abstrafen. Einem ehemaligen Spitzenbeamten der Stadt Essen, der gegen Nowack aufgetreten war, wurden die Autofenster zerschossen – am Telefon erhielt der Nowack-Gegner Morddrohungen: „Hör auf, oder Du schwimmst im Rhein-Herne-Kanal.“ Der Beamte zog sich nach einem Herzinfarkt aus der Politik zurück. Ermittlungen des Staatsschutzes verliefen allerdings im Sand. Eine Beteiligung Nowacks konnte nie nachgewiesen werden. Die damalige Essener SPD-Landtagsabgeordnete Jarka Pazdziora-Merk klagte: „Das System Nowack hat eine totalitäre Struktur.“
Selbst in den Trienekens Skandal war Nowack über seine damalige Frau verwickelt. Diese hatte als Jung-Anwältin hunderte Beratungsaufträge von Trienekens bekommen. Jeder einzelne war klein, aber in der Summe ging es um rund 80.000 Euro.
Die engen geschäftlichen Beziehungen zwischen Frau Nowack und den Müllmännern beginnen im Jahr 1997. Der Trienekens-Vertraute Maximilian Kremers, genannt „Max“, vermittelte der damaligen SPD-Ratsherrin Nowack nach eigenen Angaben im Spätsommer des Jahres ein Gespräch mit seinem Chef. Ich weiß nicht, ob ihr Mann Willi Nowack an dem Meeting teilnahm.
Das Treffen hatte Folgen. Bereits am 17. September, wenige Tage nach dem Termin, zeigte Trienekens laut RWE Umwelt AG seinen Untergebenen an, dass von nun an die Trienekens Niederlassungen Duisburg/Oberhausen und Essen, sowie die von Trienekens abhängigen Containerdienste Tenk und Enderling alle Inkassoverfahren über Frau Iris Nowack abwickeln sollten. Bis 2002 waren das laut RWE Umwelt 417 Aufträge. Im Schnitt bekam Frau Nowack dafür jeden Monat ein Honorar von rund 1300 Euro. Frau Noack konnte das Geld gut gebrauchen. Als Anfängerin im Anwaltsgewerbe hatte sie bis dahin vor allem Geschäft mit ihrem Mann gemacht und einige wenige Autohäuser beraten. Nach Auskunft einer ehemaligen Mitarbeiterin kam sie selten früher als elf Uhr zur Arbeit und ging kurz nach Mittag.
Auch Willi Nowack hatte im Sommer 1997 mit Trienekens zu tun. Ein Tochterunternehmen der VEKS, an dem auch Trienekens beteiligt war, brauchte einen neuen Vertrag mit der Stadt Essen über die Anlieferung von Recycelemüll. Der Verhandlungsführer der des Tochterunternehmens: Der Trienekens-Vertraute „Max“ Kremers. Auf Seiten der Stadt hatte Willi Nowack als SPD-Fraktionschef großen Einfluss auf die Ausgestaltung des Vertrages. Außerdem konnte er als Aufsichtsratschef der VEKS Einfluss auf die Verhandlungen nehmen.
Tatsächlich bezeichnen Insider das schließlich verabschiedete Dokument als gutes Geschäft für Trienekens. Laut Vertrag, der mir immer noch vorliegt, wurde bevorzugt die R + T Entsorgungs GmbH mit dem Transport des Recyclemüll beauftragt, der in der Stadt abfällt. Hinter der R + T Entsorgungs GmbH stecken die Müllunternehmen RWE Umwelt und Trienekens. Nach Insider-Informationen werden die Gewinne aus dem Müllgeschäft vor allem im Transport eingefahren. Sie fallen demnach kaum bei den Müllgesellschaften an, an denen die Städte beteiligt sind.
Auch später lief die Kooperation zwischen Willi Nowack und Trienekens ausgezeichnet. Nach eigener Auskunft setzte sich Nowack seit 1997 für die Teilprivatisierung der Essener Entsorgungsbetriebe ein „unter Wahrung der Mitarbeiterrechte“. Bei einer Abstimmung im Essener Stadtrat im September 2000 trat er als SPD-Fraktionschef und EBE-Aufsichtsratsvorsitzender laut Ratsprotokollen an exponierter Stelle für den Verkauf von 49 Prozent des städtischen Unternehmens ein. Als einziger möglicher Käufer für das Unternehmen kristallisierte sich der Müllunternehmer Trienekens heraus. Dem Viersener Müllbaron war der Deal soviel wert, dass er bereit war, seine Kölner Müllbeteiligungen abzustoßen, um im Ruhrgebiet einzusteigen.
Aber auch seine sonstigen Ämter wusste Nowack zu nutzen. Als unbestrittener Chef der alleinherrschenden SPD-Ratsfraktion stimmte Nowack etwa für den Verkauf des städtischen Grundstückes Donnerstraße 133 in Essen-Gerschede an die Firma Profima – eine Companie seines langjährigen Kumpels und Geschäftspartners Rudi Mader, von dem er im Zeitraum von 1997 bis 2003 mindestens zwei Millionen Mark kassierte.
Eigentlich hätte sich Nowack bei der Abstimmung am 28. August 1996 laut Gemeindeordnung für befangen erklären müssen. Stattdessen sorgte er jedoch dafür, dass das 842 Quadratmeter große Grundstück für 225000 Mark an seinen Geschäftspartner ging. Als Bauland für einen Supermarkt lag der Wert des Geländes nach Einschätzung von Experten weit Höher. Willi Nowack wollte mir nichts zu seiner Rolle bei diesem Geschäft sagen.
Fast gleichzeitig kümmerte sich Nowack als Verwaltungsrat der Essener Sparkasse und Mitglied des fünfköpfigen Kreditausschusses um die Vergabe zweier Millionen-Kredite an die Profima. Auf drei Grundstücke in Essen-Werden gab die städtische Sparkasse schließlich laut Grundbuch im März 1997 kurz hintereinander insgesamt 3,72 Millionen Mark an die Profima heraus. Nachdem Nowack im Januar 1999 aus dem Sparkassen-Verwaltungsrat ausschied, folgten in Abständen von wenigen Monaten weitere Sparkassen-Kredite in Höhe von insgesamt 26 Millionen Mark an die Profima für Projekte an der Icktener Straße und der Kirchmann Straße. Nowack bekam für ungenannte Beratungsleistungen bei diesen Projekten mehrere Hunderttausend Mark Provision.
Auch als Aufsichtsratsvorsitzender der Essener Entsorgungsbetriebe konnte Nowack einiges für seinen Freund Rudi Mader tun. So stimmte er laut Protokoll des Aufsichtsrates vom 8. Mai 2001 für den Verkauf des 6004 Quadratmeter großen Grundstückes „Jahnstraße“ an Rudi Mader zum Preis von 1,75 Millionen Mark. Mader wollte auf dem Grundstück einen EDEKA-Supermarkt errichten. Nach Expertenschätzungen liegt der vereinbarte Preis um rund 400000 Mark unter dem tatsächlichen Preis der Immobilie. Bei den Gutachten, die zur Bewertung des Verkaufspreises erstellt wurden, habe es sich um Gefälligkeitsgutachten gehandelt. Nowack selbst habe für seine Hilfe bei diesem Projekt nach Informationen aus einem vertraulichen Schriftwechsel zwischen Mader und Nowack eine Provision erhalten.
Die Staatsanwaltschaft Essen meinte schließlich nachweisen zu können, dass Nowack seine Machtfülle auch zum persönlichen Vorteil nutzte. Nach Angaben der Behörde ließ sich Nowack mindestens 45.000 Euro von einer Baumarktkette überweisen, die Projekte in Essen realisierte. Angeblich war das ein Beraterhonorar. Für die Ermittler war allerdings keine Leistung erkennbar, die Nowack erbracht haben könnte. Ihre Vermutung: Nowack ließ sich schmieren, um die Bauvorhaben in Essen zu beschleunigen. Als Fraktionsvorsitzender der Mehrheitsfraktion im Stadtrat konnte er Bebauungspläne nach Belieben blockieren. In diesem Zusammenhang soll sich Nowack nach Ansicht der Staatsanwälte auch gegenüber seiner Partei versündigt haben. So habe die Baumarktkette rund 35.000 Euro über den Kümmerer an die Partei gespendet. Nowack soll das Geld allerdings veruntreut haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Die SPD versuchte schließlich Nowack in Essen zu kippen. Der damalige Landeschef der SPD-NRW, Harald Schartau, und der Generalsekretär der Landes-SPD, Michael Groschek, griffen Nowack an. Dabei stützen sich diese damals wichtigsten SPD-Politiker in Nordrhein-Westfalen auf die Führung der Essener Partei. Doch trotz des immensen Drucks dachte Machtmensch Nowack nicht ans Aufgeben. Während er in den Urlaub fuhr, klebten seine Anhänger Plakate mit dem Slogan „Wir für Willi – jetzt erst recht.“ Kritiker wurden als intrigante Rufmörder gebrandmarkt. Es war schlicht erbärmlich. Erst nach monatelangem Tauziehen musste Nowack im Essener Rat 2003 abdanken. Erst 2005 schied er aus dem Landtag aus. Noch immer ist er Mitglied der Partei. Noch immer Chef der SPD in Altenessen.
Juristisch ging die Causa Nowack ebenfalls im Jahr 2005 vorläufig zu Ende. Das Landgericht Essen, erste Strafkammer, verurteilte den Dutzendsassa wegen Vorteilsannahme, Untreue und Insolvenzverschleppung zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung.
Nowack bekannte sich in seinem Schlussplädoyer schuldig, akzeptierte das Urteil und verzichtete auf Rechtsmittel.
Danach habe ich eigentlich aufgehört, mich mit dem kriminellen Politiker zu beschäftigen.
Nur einmal hatte ich noch mit ihm zu tun. Wie so oft ging es um Finanzen. Nowack hat nämlich die Offenlegungspflichten für seine Büro Nowack Gesellschaft für Projektplanung mit beschränkter Haftung verletzt. Erst im Januar 2009 veröffentlichte er seine Bilanzen für 2006. Und was sehe ich darin? Einen Sparkassenkredit über rund 1,5 Mio. Euro. Zunächst musste ich lachen. Kommt mir die Summe doch ungefähr bekannt vor.
Aber tatsächlich war das ganze nicht komisch. Denn schon 2006 war die Nowack-Firma fett bilanziell überschuldet. Allein ein Hoffnungsgeschäft hielt das Konstrukt, inklusive der Sparkassenforderung, stabil. Und zwar sollte ein einziger „Kunde“ der Firma Nowack „nominell € 1.800.000“ zahlen. Das erhoffte Geld war vor allem dazu gedacht, die Forderungen der Sparkasse Essen zu bedienen. Der Name des Kunden wurde nicht genannt.
Jetzt spekuliere ich mal, warum Nowack am 16. November 2009 seine Zahlungsunfähigkeit erklärt hat. Er konnte die Sparkasse nicht befriedigen. Das Hoffnungsgeschäft war ein Reinfall. Und deswegen ist der Spaß jetzt für Nowack zu Ende.
Für ihn ist das schade.
Für die Stadtsparkasse beschissen. Sie hat vor Jahren aus politischen Gründen einen einst mächtigen Kommunalpolitiker mit Geld überhäuft.
Für die SPD könnte die ganze Nummer zu einer Peinlichkeit werden. Eine der wichtigsten Städte im Ruhrgebiet ging verloren. Ein CDU-Mann wurde Essens Oberbürgermeister. Erst nach einem langen Heilungsprozess konnte die SPD in diesem Jahr das Comeback antreten. Vor ein paar Monaten wurde mit Reinhard Pass wieder ein SPD-Mann Oberbürgermeister. Und zwar einer, der früher mit Nowack zusammengearbeitet hatte.
Ich wette Nowack wird jetzt versuchen, die SPD zu pressen, dass sie ihm irgendwie hilft in seiner Finanznot. Vielleicht soll der neue SPD-Oberbürgermeister Pass auf die Sparkasse Einfluss nehmen, damit diese auf die Kredite verzichten, um ein peinliches Verfahren zu unterbinden.
Ich bin gespannt darauf, was Nowack erzählen wird, wenn er versuchen sollte, andere mit in den Abgrund zu reißen.
Die SPD wird sich Nowack noch einmal stellen müssen, denn der Pleitier regiert immer noch seine Partei in Altenessen.