Das nächste Jahrzehnt

Vor zehn Jahren ungefähr stand ich auf einem Dach in Berlin Prenzlauer Berg. Es war der erste Januar des neuen Jahrtausend. Wenige Minuten nach null Uhr. Es war nebelig, kalt und glatt. Raketen zischten in den Himmel – zu sehen war fast nichts. Der Nebel wurde dichter. Nur hier und da hörte ich die verhaltenen Detonationen der Böller. Selbst unten am Brandenburger Tor soll nichts zu sehen gewesen sein, schon gar nichts von der angekündigten Lichterschau. Später hieß es, das war wohl ein seltener Wettereffekt.

Foto. flickr.com / slipper buddha

Zehn Jahre sind jetzt um. Ich bin fast vierzig. Ich habe zwei Kinder, eine Frau. In meinem Beruf konnte ich mich durchsetzen, darüber bin ich froh. Damals, ich kann mich gut erinnern, war ich gespannt, was das neue Jahrtausend bringt. Als Kind in den Achtzigern habe ich immer gedacht, im Jahr 2000 wird alles gut. Wenn ich nur so alt werde, das zu erleben, werde ich in einem Sessel sitzen und meinen Enkeln erzählen, was wir damals für ein Elend hatten. Manchmal kam ich mir selbst vor, als würde ich auf einer Rakete in die Zukunft geschossen.

2001 im September habe ich beim Time Magazin gearbeitet. Es war ein schöner Spätsommer in New York. Bis die Flugzeuge in den Türmen explodierten. Ich habe den Brand damals über den Hudson ziehen sehen, weit über Long Island hinaus, bis auf den Atlantik und weiter. Ein Mann stand da neben mir, während wir auf herabregnende Akten in der Wall Street blickten. Er sagte mir, bald werde ein Staat von der Landkarte verschwinden. Welcher war damals fast egal. Die New Yorker Boulevard-Blätter titelten: „WAR“ Und genau das war das Gefühl. Und genau das war die Botschaft in das neue Jahrzehnt.

Ich war am "Ground Zero" damals. In dichten Stößen stieß da der Rauch aus den Spalten. Es stank erbärmlich nach brennendem Plastik. Ich bin eine ganze Woche unterwegs gewesen. Ein paar Hush-Puppy-Schuhe hab ich in der City kaputt gelaufen. Meine Haut war seltsam gerötet, ich konnte nur schwer durch die Nase atmen. Eine Bekannte sagte, das komme vom Trümmerdreck in Manhattan. Ich hatte keine Staubmaske auf.

Tausende Menschen wurden vermisst. Wenige hundert Tote wurden geborgen. Eine Freundin sagte, der Rest sei zu Asche verbrannt. Die Temperatur in den brennenden Twin Towers seien größer gewesen als in einem Krematorium.

Ich krame in meinen Notizbüchern. Immer wieder habe ich mir Namen notiert, die auf den Flugblättern in der ganzen Stadt hingen. Hinter jeden Namen habe ich die Etage geschrieben, in der das Opfer gearbeitet hat. Nie die Telefonnummer des Suchenden. Ein paar Flugblätter sehe ich immer noch vor Augen. Wie das von Dr. Sneha Ann Phillip, 106. Etage. Es klebte einsam an einem Laternenpfahl an der Ecke Broadway und 50. Straße. Auf dem Flugblatt sind vier Fotos, drei farbige, eines in Schwarzweiß. Unter den Fotos ist ein Steckbrief abgedruckt. Augen: braun. Haare: schwarz. Hautfarbe: oliv. Ron Lieberman bittet um Rückruf, falls jemand Frau Phillip gesehen hat.

Auf den Fotos lächelt Sneha Ann. Sie spielt mit einer getigerten Katze. Ein anderes ist vor uralten Säulen aufgenommen, ein feines Relief ist zu erkennen. Sneha Ann schaut direkt in die Kamera – als suche sie die Person dahinter. Auf dem Schwarzweißfoto sind ihre Augen weit geöffnet, die Lippen feucht. Der Kopf ist vorgeneigt, eine Locke hängt ihr ins Gesicht. Es sieht so aus, als sei Sneha Ann verliebt.

Ich kann mich erinnern, wie mir die Erkenntnis kam. Es war später irgendwann, ich habe mir wieder an die Nase gefasst und versucht den Dreck rauszuniesen, der sich beim Brand am Ground Zero festgefressen hatte. Ich habe erkannt. Das war der Staub aus dem Krematorium der Türme. Ich hatte wohl Leichen geatmet.

Die Tage in New York haben mich verändert, sicher. Ich habe Angst davor gekriegt, dass der Krieg uns frisst. Ich habe heute Angst um meine Söhne, dass sie irgendwann in so einen Krieg ziehen müssen, der im Nebel stattfindet, über den Leute erzählen, es würden Tankwagen zerstört, wenn es darum geht, Menschen am lebendigen Leib zu verbrennen.

Das aber ist nicht alles, was das vergangene Jahrzehnt gebracht hat. Mit dem Krieg und meinen Kindern kam die Sorge um den Planeten zurück. Ich habe in den Achtzigern gegen Treibhausgase demonstriert. Damals ging es um die Mittel aus dem Spraydosen, ich war vielleicht fünfzehn oder so. In meinen zwanziger Jahren habe ich mir gedacht, was soll es, ich will Leben. Die Statistiken gingen mir zwar nicht aus dem Kopf, von den aussterbenden Arten, von den verbrannten Wäldern, von den vergifteten Flüssen. Ich habe nur gelernt, das alles zu ignorieren. Mehr nicht.

Nun aber habe ich es wieder gesehen. In den vergangenen Jahren. Die leeren Gletschertäler, in denen das Eis fehlt. Die ausgebrannten Hügel, auf denen Urwälder standen. Ich habe auch die dreckigen Flüssen gesehen und die toten Fische. Es ist alles eingetreten, vor dem ich als Kind Angst hatte.

Heute wird verhandelt über ein neues Klimaabkommen in Kopenhagen. Es wird wenig zurückholen, von dem was verloren ist. Vielleicht wird es im kommenden Jahrzehnt irgendetwas retten. Ich weiß es nicht.

Ich denke an eine Schneewiese, die ich als Kind gesehen habe. Frisches, glattes, kitschiges, reines Weiß. An meiner Grundschule. Es ist früher Morgen, ich bin der erste hier. Alles neu, Kristalle glänzen, wie Märchenfunkel. Ich will nicht weitergehen. Ich will nur sehen. Sekunden später werfen die anderen Bälle, sie jagen sich. Lachen. Irgendwo hinter meinem Rücken. Ich gehe ein paar Meter, schaue in die kahlen Bäume. Und das reine Weiß. Ich werfe mich auf den Boden und wedele mit meinen Armen und Beinen. Ich will ein Adler werden. Wenn ich aufstehe, kann ich den Adler auch tatsächlich sehen. Ich atme Raureif. Meine Nase ist kalt. Meine Backen glühen. Ich bin wohl glücklich.

Dann drehe ich mich um. Die Schneewiese ist verschwunden. Jetzt ist es grauer, verdreckter, steiniger Matsch. Kinderfüße, Erdbrocken. Ich kann mich an die Stiche in der Brust noch heute erinnern. An meine Tränen in der Nase. Etwas war im Spiel zerstört zu Bruch gegangen, das ich in wenigen Minuten so geliebt hatte.

Später gingen wir dann in die Klassen. Ich habe aufgehört zu flennen. Und stattdessen rechnen gelernt. Und schreiben.

Ich habe heute Hoffnung für das neue Jahrzehnt. Ich weiß nicht, wie es wird. Ich weiß nicht, was wird. Aber ich sehe, dass es Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Menschen gibt, die daran arbeiten, dass alles besser wird. Wir werden vor Problemen stehen, die unüberwindbar erscheinen. Es wird um reines Wasser gehen und um warme Häuser. Wir werden Angst haben, vor neuen Krankheiten und vor alten Feinden. Vielleicht werden viele Menschen sterben. Aber es wird immer einer überleben.

Aids können wir behandeln und manchmal sogar Krebs heilen. Es gibt Spülmaschinen und Elektroautos. Speicherkarten und das Internet. Sprachförderung und Kindergärten, Erdbeeren im Winter und Latte Machiatto.

Das Ende der Welt war niemals nahe. Es war manchmal hart und manchmal beschissen. Aber es ging immer weiter.

Vielleicht müssen wir mehr auf Gott vertrauen. Und darauf, dass die Menschen in der Not immer den richtigen Ausweg finden. Nicht für alle. Aber für die meisten. Ich denke mit meiner Frau gerade drüber nach, eine Wohnung zu kaufen. Als Altervorsorge. Riestern ist ja wohl nichts. Und irgendwas muss man ja tun.

Damals vor zehn Jahren in Berlin sind wir nach ein paar Stunden auf dem blinden Dach zurück in die Wohnung geklettert. Wir haben auch dort nicht in die Zukunft gesehen, selbst beim Bleigießen nicht. Aber wir hatten es warm und gemütlich. Ich meine wir haben Glühwein getrunken. Und Zigaretten geraucht. Scheiß drauf, wir waren noch jung. Jetzt werde ich alt. Das neue Jahrzehnt beginnt.

Rüttgers Problemzone – der Wähler

In Nordrhein-Westfalen lässt CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers seine Truppen nicht durch Rücktritte schwächen. Gerade jetzt nicht, im Aufgalopp zum Wahlkampf für die Landtags-Elektion im kommenden Mai. CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst will nicht abtreten. Obwohl er unberechtigt Geld kassiert hatte. CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg ist nicht zurückgetreten. Obwohl er die Öffentlichkeit getäuscht hatte. CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter kriegt die NRW-Knäste nicht in den Griff. Abtreten deswegen – ach quatsch. Die CDU-Landtagspräsidentin Regina van Dinther stellt Wüst einen zweifelhaften Persilschein aus – auf bitten der CDU-Fraktion. Ein Grund zum Schämen? Doch nicht im Nordrhein-Westfalen von Jürgen Rüttgers, dem selbst ernannten CDU-Arbeiterführer. Stattdessen werden hierzulande die Medien personalpolitisch auf Spur gebracht, um den Wahlkampf offensiv zu beeinflussen. Schlagzeilen von Rücktritten könnten hier doch schaden, oder?

Wenn man in diesen Tagen durch Düsseldorf streift, hört man immer wieder ein Urteil zur Rüttgers-Regierung. Die CDU sei mittlerweile so verkommen, wie die SPD unter Wolfgang Clement, heißt es. Nur hätten die Genossen dafür 30 Jahre gebraucht. Die CDU hat das in fünf Jahren geschafft. Ein zu harsches Urteil? Ich denke kaum. Wer übernimmt in der Regierung Verantwortung? Niemand. Im Gegenteil. Alles wird ausgesessen.

Beispiel eins: Die Wüstilanti-Affäre. Der Generalsekretär der CDU Wüst ist wegen der aus der Staatskanzlei gesteuerten Bespitzelungsaffäre gegen SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft unter Druck geraten, dann kommt die Krankenkassenaffäre hinzu. Tritt der wegen seiner Kraftilanti-Angriffe bekannte Wüst zurück? Nein. Er steht fest in seinem Amt und feuert nahezu willkürlich Mitarbeiter aus haarsträubenden Gründen, die er der Feindarbeit verdächtigt. Der Skandal wird verdrängt in der Hoffnung, dass auch die Menschen in NRW dieses Verhalten vergessen.

Beispiel zwei: Genauso im Fall Uhlenberg. Der Minister bekommt vom Landgericht Berlin bestätigt, dass er im PFT-Giftskandal an der Ruhr die Öffentlichkeit getäuscht hat. Tritt er deswegen ab? Nein. Der Minister sitzt den Skandal aus. Gedeckt von Rüttgers. Unglaublich, oder?

Beispiel drei: CDU-Justizministerin Müller-Piepenkötter wacht immer noch über übervolle Skandal-Knäste. Sie hat einen Untersuchungsausschuss erlebt. Macht sie das vorsichtig? Nein, sie macht einfach weiter und zündet Blendgranaten im aktuellen Fall über die Ausbrüche aus dem Aachener Knast. Müller-Piepenkötter deklarierte Informationen für die Abgeordneten im Landtag zu den Hintergründen der Ausbrüche als "geheime Verschluss-Sache", um laufende "schwierige Ermittlungen" nicht zu gefährden. Der Fluchthelfer der beiden aus der Aachen JVA entfleuchten Schwerkriminellen, ein JVA-Beamter, sei als Köder gegen einen Drogenring eingesetzt und deshalb nicht vom Dienst suspendiert worden. Leider will der Aachener Oberstaatsanwalt Robert Deller nichts von der Darstellung der Ministerin wissen. Er dementierte die Köder-Aussage. Konsequenzen? Nicht in NRW unter Rüttgers.

Von der Schulministerin Barbara Sommer haben wir hier noch gar nicht gesprochen.

Diese Machtbesoffene Arroganz der Regierung Rüttgers könnte ohne Konsequenzen durch den Wähler bleiben, wenn es nicht noch ein paar Nebenhandlungen gäbe. Und hier müssen wir uns an Opel, Nokia und Rumänen erinnern. Rüttgers selbst erzählt und verspricht schon mal unhaltbares.

Als er sich feiern ließ in Bochum bei Nokia, welche Arbeiter können sich daran nicht erinnern? Gibt es das Werk noch? Was denken die Menschen vor Ort?

Auch bei Opel ist Rüttgers Einsatz der Erinnerung wert. Seine persönlichen Treffen mit der GM-Spitze. Erinnert sich da draußen einer an die Subventionsversprechnungen?

Und die Rumänen, die nicht arbeiten können? Rüttgers hat das gesagt. Erinnert sich wer?

Wenn die CDU einen stabilen Vorsprung vor SPD und Grünen hätte, wären diese Einzelfälle egal. Die Menschen würden trotzdem für die Rüttgers-Regierung stimmen. Doch genau das ist nicht der Fall. Es wird knapp. Rüttgers verliert an Zustimmung. Auch seine Versuche, wie Roland Koch in Hessen die Macht über die Medien auszubauen, bleiben nicht unbemerkt. Es geht nicht um die Beherrschung der Zeitungen, es geht um die Köpfe der Menschen. Niemand will sich nicht vergurken lassen. Das aber bedeutet, dass die vielen ausgesessenen Skandale in ihrer Summe auf der Waage der Wähler den Ausschlag geben könnten. Die Regierung Rüttgers kann tatsächlich die Mehrheit verlieren – weil sie Skandalimmun sein wollte.

Ich halte es für einen echten Fehler, dass Rüttgers an Wüst, Uhlenberg, Sommer und Müller-Piepenkötter festgehalten hat, obwohl sich diese in der Öffentlichkeit diskreditiert haben. Es scheint nur um die Binnensicht der Partei zu gehen. Die Herrschenden in der CDU achten offenbar nur auf das, was in ihrem Umfeld passiert. Und wenn dort die Wahrheit lange genug geleugnet wird, trifft sie nicht mehr zu, so dass scheinbare Denken. Die Wähler werden das Verhalten schon nicht strafen.

Warum denken die Rüttgers-Getreuen so über ihre Wähler? Entweder weil Rüttgers und Co die Wähler für dumm halten, für unwichtig oder für uninformiert. Zumindest an letzterem können wir ein Stück weit etwas ändern.

Und dann werden wir sehen, wie die Wähler entscheiden.

SPD in Dortmund prüft Klage gegen Ex-OB-Langemeyer

Die SPD in Dortmund prüft eine Klage gegen ihren ehemaligen Vormann: Gerhard Langemeyer (SPD), einst der allmächtige Oberbürgermeister der Ruhrpott-Metropole, müsse für die sich abzeichnende Wahlwiederholung haftbar gemacht werden. Das sagte der Schatzmeister der Sozialdemokraten in Dortmund, Gerd Bollermann.

Demnach soll Langemeyer vor allem für seine Desinformationspolitik, die nun zu den Dortmunder Neuwahlen geführt hat, zahlen. Und zwar soll der Ex-Spitzensozi nach Vorstellungen der SPD sowohl die Extra-Wahlkosten der Stadt in Höhe von rund 1,2 Mio. Euro übernehmen, als auch für die Mehrkosten der Parteien für einen neuen Wahlkampf blechen. Es könne schließlich nicht sein, dass andere für den Fehler des Langemeyers bluten müssten. Bollmann sagte, er sei als Schatzmeister seiner Parteien dafür verantwortlich, dass mit dem Geld der SPD-Genossen korrekt umgegangen werde. Auf eine Klage und damit auf eine Begleichung berechtigter Forderungen gegen Langemeyer zu verzichten, könne sogar wie eine Untreuehandlung wirken.

Die Überlegungen von Bollermann können für Langemeyer katastrophal werden. Genauso wie die SPD müssen eigentlich die Schatzmeister aller Parteien jetzt Ansprüche gegen Langemeyer anmelden, um nicht selbst Schadensersatzpflichtig zu werden. Zuvor hatte bereits eine kleine Wählerinitiative angekündigt, gegen Langemeyer klagen zu wollen. CDU und Konsorten werden wohl folgen.

Wird die Wahl wiederholt, sieht es für Gerd nicht gut aus.

Das Ende von Wüstilanti

Der Name von CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst ist mit schrillen Kampagnen verbunden. Eine davon ist der immer gleiche Angriff auf Kraftilanti, mit dem Wüst die Angst in NRW schüren will, dass die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft wie Andrea Ypsilanti mit den Linken zusammen arbeiten könnte, sollte sie nur bei den kommenden Landtagswahlen im Mai gewinnen. Wüst hat das nie alleine getan. Er war in diesen Sachen der treue Erfüller einer Mission, die wohl auch aus der Staatskanzlei gesteuert wurde. Dies legen jedenfalls Emails nahe, die seit Monaten in Düsseldorf kursieren.  Doch jetzt stoppt NRW-Ministerpräsident Jürger Rüttgers (CDU) einen gemeinsamen Partei-Bettelbrief, den er mit Wüstilanti unterzeichnet hatte. Hach. Das Ende einer engen Beziehung scheint nah.

In Düsseldorf distanzieren sich Politiker und Parteifreunde vom Lautsprecher von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Die Affäre um etliche tausend zuviel kassierte Euro Krankenkassenhilfen aus dem Etat des Landtages belasten die Karriere des 34-Jährigen, der rund 18.000 Euro von CDU und Landtag bezieht. Dazu kommen fröhlich eingenommene Sitzungsgelder als Ratsmitglied, obwohl Wüst nicht anwesend war. Und zum Schluss ein peinlicher Persilschen, den Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) auf Anfrage der CDU-Landtagsfraktion ausstellte.  Allein der Persilschein belastet das Ansehen der Politik dermaßen, dass er allein ausreichen müsste, Wüst in den Weihnachtsferien abzuservieren, wie es unter Rüttgers üblich zu sein scheint.

Ein letztes Indiz, das diesen Schluss nahe legt, ist folgendes Detail, das aus dem wir-in-nrw-blog stammt. Und zwar hat offensichtlich die Staatskanzlei von Rüttgers einen Bettelbrief der CDU gestoppt, den Wüst und Rüttegrs gemeinsam unterzeichnet hatten. In dem Bettelbrief hatten Wüst und Rüttgers um Geld für die politischen Auseinandersetzungen mit der SPD bitten wollen.

Dass Rüttgers nun lieber den Brief stoppt, als gemeinsam mit seinem Sekretär unter dem Papier zu stehen, könnte man als Zeichen dafür deuten, dass Wüst abgesägt wird. Nur so macht die Nummer Sinn. Wie sähe das auch aus, wenn der bald geschasste Generalsekretär den wichtigsten Bettelbrief der CDU noch unterzeichnet hätte? Genau, schlecht. Vor allem, weil Wüst wegen Schnorrerei unter Beschuss steht. Da wartet man lieber ein paar Tage, entlässt den schwarzen Peter und sucht sich einen neuen Unterzeichner.

Naja, Wüst selbst ist nach wie vor abgetaucht. Im Landtag macht man bereits Witze über den Ex-Auf- und Neu-Absteiger. Der Mann ist politisch am Ende. Kaum einer nimmt ihn noch ernst. Er kann eigentlich nur noch zurücktreten.

Ich hoffe, er übersteht das sich abzeichnende Karriereende bei der CDU persönlich unbeschadet. Das Leben geht immer weiter. Selbst Fritze Merz (CDU) hat das damals geschafft. Politik ist nicht das wichtigste, auch wenn es lange so schien. Ich wünsche Wüst an dieser Stelle jedenfalls aus ganzem Herzen ein fröhliches Fest. Kopf hoch.

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Klima: Von Menschen mit Förderbedarf in Sachen Erkenntnis

rodenbuecher80 Millionen Deutsche gibt es. Ungefähr. Ein Riesenvolk, mitten in Europa. Und ein weitgehend freies Volk. Hier darf so ziemlich jeder sagen, was er will. Auch völligen Bullshit.

Wir müssen das aushalten. Zum Beispiel wenn einer was von der Erschaffung der Welt in sieben Tagen berichtet – so wie es in der Bibel steht und meint das sei Wahrheit. Kein Problem. Wir haben Meinungsfreiheit. Wir müssen damit leben. Auch wenn einer sagt, die Erde wäre die Innenseite einer Hohlwelt mit der Sonne als Zentrum – wir müssen damit klar kommen. Und aus dem gleichen Grund müssen wir akzeptieren, dass es gestriegelte Leute mit speziellen Förderbedarf in Sachen Erkenntnis gibt, die immer noch meinen, die Menschen hätten nichts mit dem Klimawandel zu tun.

Eigentlich ist es mir zu doof, mich mit diesen Mitbürgern zu streiten, die meinen, die Sorge um das Klima wäre Hysterie. Aber manchmal, zum Beispiel im Vorfeld des Koppenhagener Gipfels ist das nötig. Aus Zorn über die mangelhafte Reflexionsfähigkeit dieser Mitbürger fasse ich mich kurz, um nicht zu beleidigend zu werden.

Wer meint, der Mensch habe nichts mit dem Klimawandel zu tun, dem rate ich über den Amazonas zu fliegen. Ich habe das vor ein paar Wochen getan. Vergesst das Bild aus dem Schulatlas, dieses grüne Band in Südamerika. Vergesst das Bild aus dem Fernsehen vom Urwald. Da ist kein Wald mehr – gar nichts. Wiese, Kühe, Straßen und Fabriken. Das ist da. That’s it. Und der fehlende Wald soll keine Auswirkungen auf das Wetter haben? So doof kann keiner sein.

Ich war in Sibirien. Am Ob. Riesige Fabriken, ein See, doppelt so groß wie der Baldeney-See, der im Winter auf 40 Grad geheizt wird. Wald? Ja klar, aber vor allem abgeholzter Wald. Die Wildnis in Sibirien ist auf dem Rückzug. Überall wohin das Auge sieht, kreisrunde Wucherungen in der Taiga in deren Mitte ein Gasloch brennt. Das soll keine Auswirkungen auf das Klima haben? Mein Gott.

Die Nordwestpassage ist eisfrei. Da fahren Tanker her. Die Malediven versinken im Meer. In den Alpen sind die Gletscher fast weg. Alles nicht gesehen? Da soll es keinen Zusammenhang geben? So was kann keiner behaupten, der jemals außerhalb des Ruhrpotts war.

Aber selbst hier, mitten im Revier, kann man sehen, wenn man will. Wenn ich in Bottrop auf der Halde hinter der Zeche Prosper Haniel stehe, in 120 Meter Höhe, und rüber nach Scholven blicke, dann sehe ich Tag und Nacht, Tag und Nacht, Tag und Nacht, die Schlote rauchen, wie in Mordor, das Gas in den Himmel brennt. Und ich denke mir, wenn ich da auf der Halde stehe, es gibt tausende dieser Fabriken, vielleicht hunderttausende. In China, in Brasilien, in Russland, in Polen, Indien, USA, und überall brennen sie Gas in den Himmel. Jeden Tag, ohne Pause. Jeden Tag.

Benzin und Öl und Gas. Es brennt. Begreift ihr das? Aus Motoren, aus Öfen, aus Kesseln und meinetwegen aus Feuerzeugen. Die Welt, sie brennt. Das kann jeder begreifen, der ein Kraftwerk gesehen hat. Sei es in Shamrock oder in Erkrath. Du musst nur die Augen aufmachen, stupid.

Das soll keine Auswirkungen haben? Wenn der Wald der Vergangenheit und der Wald der Gegenwart in Rauch aufgehen? Wenn die Menschen zerstören was in Millionen Jahren gewachsen ist? Das soll keine Auswirkungen haben?

Mann, ich muss keine Details kennen, um zu verstehen, dass die Nummer nicht funktionieren kann. Es wird wärmer, es wird gefährlicher. Wir hier in Deutschland sind vielleicht nicht die gearschten, aber die Jungs in Afrika, die werden auf jeden Fall dran sein, die Leute auf den Inseln im Ozean, die auch, und die Mädels in Ausstralien, und die armen Säcke in Südamerika.

Aber na klar, ich kann auch alles negieren, kann sagen, es gibt keinen Zusammenhang, und wenn die Welt nur noch aus Felsen und Beton besteht, und alles aussieht wie in Essen Vogelheim, dann kann ich mich daran am Ende auch erfreuen.

Wie gesagt: wir müssen mit den Förderbedürftigen in Sachen Erkenntnis leben.

Das Sagen dürfen sie nie kriegen.

Sierau macht Weg für Dortmunder Neuwahlen frei

Ullrich Sierau hat den Weg endgültig für eine Wiederholung der Wahlen frei gemacht. Hier seine Erklärung – er schiebt alle Schuld auf den Alt-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer – seinen Sieg hat er selbst verspielt:

Die Bürgerinnen und Bürger sind wie ich das juristische Hickhack um die Rechtsgültigkeit der Wahl leid. Es darf deshalb keine weiteren juristischen Auseinandersetzungen geben. Die Zukunft der Stadt gehört in die Hände der Bürgerschaft. Wir sind in Dortmund angesichts der eingetretenen Situation aufgefordert, neue Maßstäbe in Sachen politischer Kultur zu setzen. Sowohl im Wahlkampf als auch bei der Annahme der Wahl in das Amt des Oberbürgermeisters bin ich für Transparenz, Dialog, Offenheit und Bürgernähe eingetreten. Diesen Prinzipien fühle ich mich nach wie vor verpflichtet.

Für diesen Kurs stehen etwa die verwaltungsseitige Vorbereitung der Nachtragshaushaltssatzung, die Gespräche mit Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft der drei Dortmunder Grundschulen, sowie die fünf Dialogveranstaltungen mit rund 6.000 Beschäftigten der Stadtverwaltung im Konzerthaus. Diesen eingeschlagenen Weg will und werde ich fortsetzen. Er stellt den von mir gewünschten Systemwechsel zu früheren Jahren dar. Hierfür bitte ich um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler.

Ich weiß, dass meine Rolle in der Haushaltsfrage in Teilen der Öffentlichkeit kritisch gesehen und bewertet wird. Gutachter Bätge sieht hier keine Amtspflichtverletzung, Gutachter Beckmann kommt zu der Aussage, das der damals amtierende Oberbürgermeister spätestens nach dem 11.08.2009 über die Haushaltslage hätte informieren müssen (S. 34 des Gutachtens).

Damit bestätigt er meine Sicht, die ich im Zusammenhang mit der Annahme der Wahl erläutert habe: ‚Denn ich sage in aller Deutlichkeit: Ich hätte anders gehandelt. Wäre ich bereits am 11.August 2009 Oberbürgermeister diese Stadt gewesen, dann wäre ich dem Vorschlag der Kämmerei bzw. der Kämmerin gefolgt und hätte dem unmittelbaren Inkrafttreten einer Haushaltssperre und der Aufstellung einer Nachtragshaushaltssatzung zugestimmt. Die Menschen in dieser Stadt können sehr gut mit der Wahrheit umgehen. Ich hätte auch unmittelbar den Kontakt zum Rat der Stadt Dortmund und zur Bezirksregierung Arnsberg hergestellt bzw. herstellen lassen, um endlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen.’ (Erklärung vom 14.09.2009).

Hätte ich seinerzeit von den Sachverhalten Kenntnis gehabt, hätte ich mich als amtierender Oberbürgermeister deutlich anders verhalten. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten immer deutlich gemacht: So etwas darf in dieser Stadt nie wieder passieren. Dafür stehe ich ein. Ich setze auf die Unterstützung dieser Position bei der hoffentlich baldigen Wiederholungswahl für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund.

RWE baut Windparks in der Nordsee

Foto: ruhrbarone

Die Welt ist nicht einfach. Und erst recht nicht einfach, wenn es darum geht, in der Nordsee große Windstromfarmen zu bauen. Das Klima da draußen ist milde gesagt, beschi…en. Maschinen leiden unter dem Salz, den Stürmen und sonst allen widrigen Bedingungen, die man sich ausdenken kann. Nicht umsonst nennt man die Nordsee auch Mordsee. Und in dieser feindlichen Umwelt wollen die Deutschen große Windparks bauen, um die Energieversorgung des Landes ökologischer zu gestalten.

Das Vorhaben ist nicht trivial. Jeder, der hier aktiv werden will, braucht viel Geld und Talent. Bislang haben vor allem mittelständische Pioniere versucht, die Projekte auf hoher See umzusetzen. Sie haben es nicht geschafft. Ihnen fehlte das Eigenkapital, um Kredite von den Banken zu kriegen. Ihnen fehlten die Spezialschiffe, um die Turbinen aufzupflanzen. Und zum Schluss fehlten ihnen die Propeller selbst.

Die meisten Probleme haben die Mittelständler nicht selbst verschuldet. In der Finanzkrise schraubten die Banken den Eigenkapitalanteil für eine Kreditfinanzierung reihenweise von 15 auf 30 Prozent hoch. Damit man sich das vorstellen kann: Statt 30 Millionen Euro müsste nun eine kleine Firma 60 Mio Euro mobilisieren, um einen Kredit für einen kleinen Off-Shroe-Windpark zu kriegen. Bis jetzt hat das so gut wie keiner geschafft. Nur die großen haben einen Modellpark errichtet.

Die Spezialschiffe sind ein ähnliches Problem. Es gibt nur eine Handvoll. Wer sie mieten will, muss jede Menge Geld zahlen. Aber bis man überhaupt zahlen darf, muss man jede Menge Glück haben, ein freies Schiff zu bekommen, denn die meisten in Europa verfügbaren Spezialschiffe sind lange ausgebucht. Und den Rest hat der dänische Versorger Dong vor kurzem weggekauft und baut damit nun seine eigenen Windparks. Ein Mittelständler kommt nun so gut wie nicht mehr an ein Schiff.

Bleibt das Problem mit den Turbinen. Es gibt nur zwei nennenswerte Produzenten für Off-Shore-Propeller. Siemens und Repower. Da auch die Großen das wissen, haben sich sich auf Jahre hinaus die Produktion gesichert. Ein Mittelständler dürfte extreme Probleme haben, noch eine hochseetaugliche Turbine aufzutreiben.

Matt gesetzt – würde ich sagen.

Muss deswegen nun der Ausbau der Off-Shore-Energie scheitern? Nein, er wird nur anders aussehen, als das viele Leute gedacht haben. Off-Shore wird keine mittelständische, neue Energiewirtschaft entstehen. Nur die großen Konzerne sind in der Lage die Projekte umzusetzen. Damit wird Off-Shore die gleiche Situation wie On-Shore herrschen. Wenige Riesen werden das Gros der Stromproduktion kontrollieren.

Nehmen wir das Beispiel RWE. Der Konzern will in der Nordsee zwei Riesenprojekte verwirklichen – einen 1000 Megawattpark bis 2013 sowie einen 288 Megawattpark bis 2014. Der für den Bau verantwortliche Chef der Konzern-Ökosparte RWE Innogy, Fritz Vahrenholt sagt: „Wir müssen die Erzeugung von Erneuerbaren Energien industrialisieren. Die Zeit der Manufakturen ist vorbei.“ Was er damit meint, ist schnell erklärt: RWE will zwei Spezialschiffe in Korea bauen lassen, um eigene Kapazitäten zu haben, die Projekte realisieren zu können. Die Kosten je Schiff liegen bei über 100 Mio. Euro. Dabei handelt es sich um Hubschiffe, die in der Lage sind, Tragepfosten in den Meeresboden zu rammen und dann Arbeitsplattformen an diesen Pfosten über den Meeresspiegel zu stemmen. Von hier aus kann dann unabhängig vom Wetter an den Windpfeilern gearbeitet werden. Der Bauauftrag für das erste Schiff wurde bereits erteilt. Der zweite Auftrag soll in Kürze folgen, hieß es. Mit den Schiffen können die Turbinenmaste wie Stahlnägel reihenweise in den Boden gehämmert werden. Industrie eben, und keine handgeschraubten Strompfeiler.

Dann will RWE einen eigenen Hafen in Bremerhaven bauen, um die Parks unterhalten zu können. Der Konzern braucht ein Lager, eine Anlaufstelle für Techniker und Technik. Auch das können sich nur die Großen leisten. Bis zum Jahr 2014 will RWE rund 6 Mrd. Euro in insgesamt 2300 Megawatt Leistung auf hoher See investieren. Das entspricht der Leistung von zwei Atomkraftwerken. Andere Großversorger gehen einen ähnlichen Weg. Es ist absehbar, dass die Großen bis zu 70 Prozent der Off-Shore-Leistung in der Nordsee kontrollieren werden.

Die Kritik der Mittelständler an dem Vormarsch der Großen trifft in meinen Augen nicht ins Ziel. Es geht um eine realistische Betrachtung der Lage. Nur die Großen können die großen Sachen machen. Auch der Vorwurf, die Konzerne würden den Wettlauf auf See verschleppen, trifft in meinen Augen nicht zu. Auch wenn die Grünen eine interessante Lesart präsentieren. Die energiepolitische Sprecherin der grüne Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, hatte etwa zuvor gesagt, die Versorger würden auf hoher See die Arbeiten verzögern, da sie Angst hätten, dass die Verbraucherpreise fallen würden, wenn gleichzeitig hohe Windkapazitäten und billiger Atomstrom in die Märkte dringen würden. Sprich, dass sich die hohen Investitionen der Konzerne für diese nicht lohnen würden, weil sie Geld im Handel verlieren würden.

Ich glaube das nicht. Bleiben wir bei RWE. Für jemanden, der die Realisierung der Parks verschleppen will, erscheint es doch seltsam, dass er eigene Schiffe baut, um schneller fertig zu werden, oder? Zudem ist die Summe von 6 Mrd. Euro für ein Öko-Alibi einfach zu groß. Im Gegenteil glaube ich, dass RWE ein hohes Interesse daran hat, die Windparks schnell zu bauen. Und zwar aus folgendem, einfachen Grund. Wegen der Braunkohlekraftwerke ist die CO2-Bilanz des Essener Riesen bescheiden. Mit den Windparks würde diese Bilanz in der Stromerzeugung besser. Sprich der Konzern wird im Klimawandel zukunftsfähiger. That’s it.

Bei E.on Ruhrgas hängt der Segen schief

Es gibt manchmal kleine Hinweise, die sich zu echten Geschichten auswachsen. Im aktuellen Fall ist mir aufgefallen, dass die Pressekonferenz von E.on Ruhrgas zu den Zahlen des Betriebes zunächst verlegt und dann ganz abgesagt wurde. So richtige Gründe gab es nicht. Ich hab überlegt warum. Dann habe ich gesehen, das Unternehmen macht schlechte Zahlen. Und Bernotat griff Gazprom an, wegen der langfristigen Lieferverträge. Da ist also was im Busch.

Und tatsächlich, der Konflikt zwischen E.on Ruhrgas und dem russischen Staatskonzern Gazprom um eine Aufweichung der langfristigen Lieferverträge spitzt sich weiter zu. Während E.on darauf drängt, kein Gas abnehmen zu müssen, das wegen der aktuellen Wirtschaftskrise und einer Überversorgung der Märkte in Europa nur schwer weiterverkauft werden kann, will Gazprom den Deutschen nach meinen Informationen grundsätzlich keine neuen Verträge zugestehen. „Gazprom besteht darauf, dass die Verträge erfüllt werden“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person.

Die langfristigen Lieferabkommen mit Gazprom bereiten E.on Ruhgas derzeit große Sorgen. Auf den europäischen Handelsmärkten sorgt ein Überangebot für fallende Tarife. An den Spotmärkten hat sich der Gaspreis sogar von den Ölpreisen abgekoppelt. Die Tarife für Schweröl ziehen wieder an, während die Gaspreise niedrig bleiben.

Für E.on Ruhrgas ist das verheerend, denn die langfristigen Lieferverträge sind meist an Ölpreise gebunden. Das bedeutet: Trotz niedriger Gaspreise müssen wegen der anziehenden Ölpreise höhere Summen an Gazprom überwiesen werden.

Sinken wie nun die Börsenkurse unter die Importpreise aus Russland, kaufen unabhängige Versorger ihr Gas zum Weitervertrieb an Stadtwerke und Industriekunden nicht mehr bei E.on Ruhrgas, sondern über die Spotmärkte. Um im Wettbewerb mithalten zu können, ist E.on Ruhrgas gezwungen, entweder überschüssiges russisches Gas mit Kursen unter Einkaufspreisen über die Börsen zu verkaufen oder aber Kunden zu verlieren.

Ein Teufelskreis. Je billigen das Gas über die Börsen gehandelt wird, umso mehr Russen-Gas muss E.on über die Spotmärkte verkaufen, weil es ansonsten unverkäuflich ist. Der Kurs an den Börsen wird weiter gedrückt.

Es gibt nur eine Alternative: Wenn E.on Ruhrgas weniger Gas aus Russland abnimmt, kann der Teufelskreis durchbrochen werden. Doch aufgrund einer vertraglich garantierten Mindestabnahmemenge muss E.on selbst in diesem Fall das Gas aus Russland weiter bezahlen, ohne auch nur ein Molekül zu importieren. Mittlerweile ist die Rede von einer Menge von über zwei Mrd. Kubikmeter Gas, die so bezahlt, aber nicht eingeführt wurden. Die Mindereinnahmen liegen den Angaben zufolge im Milliarden-Euro-Bereich.

Wie aus dem E.on-Aufsichtsrat zu hören ist, wird damit gerechnet, dass der Gewinn vor Zinsen und Steuern bei E.on Ruhrgas in diesem Jahr vor allem aufgrund der nicht auskömmlichen Gasverträge um über 30 Prozent einbricht. „Wir sehen keine Besserung. Die Lage ist ernst“, sagte mir ein Aufsichtsrat. Aus dem einstigen Wunderkind Ruhrgas wurde ein Sorgenbringer. Das Unternehmen selbst wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern.

Vor wenigen Tagen sagte E.on-Chef Wulf Bernotat jedoch, er rechne mit Gesprächen bis weit ins kommende Jahr, bevor eine Einigung mit Gazprom erreicht werden könne. Er setze darauf, dass nicht benötigte Mengen gar nicht oder mit starker zeitlicher Verzögerung abgenommen werden müssten.

Demgegenüber heißt es bei Gazprom, die Mindestabnahmemengen stünden nicht zur Verhandlung. Ein Grossteil des russischen Staatshaushaltes ist auf die garantierten Gaseinnahmen angewiesen. Ein Gazprom-Insider verwies darauf, dass E.on Ruhrgas auf Strafzahlungen bestanden habe, als der Gasfluss durch die Ukraine im Frühjahr gestoppt worden sei. „Da hieß es auch, Verträge müssen eingehalten werden.“ Man sei allenfalls bereit, über den so genannten Basispreis zu sprechen. Dieser Preis definiert den Ausgangspunkt für die Anpassung nach dem Ölpreis. Sollte der Basispreis gesenkt werden, könnten die Tarife leicht gesenkt werden. An den grundsätzlichen Problemen für E.on Ruhrgas würde sich allerdings nichts ändern.

Nur damit wir uns verstehen. Die Lieferverträge alleine müssen nicht der einzige Grund für die schlechten Zahlen sein. Wer weiß, vielleicht gibt es noch andere Gründe.

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LKA-Beamter setzt Uhlenberg-Ministerium unter Druck

Foto: Umweltministerium / Der verantwortliche Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) steht links

Heute war ein schlechter Tag für NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Der Leiter des Referates für Grundsatzfragen im Landeskriminalamt, Franz-Josef Meuter, hat mit seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zur Uhlenberg-Affäre das Ministerium in eine schwere Erklärungsnotlage gebracht. Meuter sagte, Uhlenbergs Mannen hätten "eindeutig" Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Abteilungsleiter Harald F. erhoben und das Verfahren so angeschoben. Die Spitze des Ministeriums hat das bislang vehement bestritten. Hat das Uhlenberg-Ministerium also wieder die Unwahrheit gesagt und schöngefärbt – wie damals im PFT-Fall, als das Landgericht Berlin Uhlenbergs allzu freizügigen Umgang mit der Wahrheit kritisierte?

Franz-Josef Meuter ist ein erfahrener Kriminalist. Er hat einige der größten Korruptionsaffären in NRW aufgeklärt. Er war dabei, als es gegen die Trienekens-Banden ging oder um die Autobahn-Mafia. Im Juni und im Juli 2006 nahm er nach eigener Aussage mit dem Umweltministerium Kontakt auf, nachdem er in der Presse Korruptionsvorwürfe gegen den gefeuerten Abteilungsleiter gelesen hatte. (Siehe hierzu auch Spuren einer Intrige)

Danach kam es am 13. Juli 2006 zu einem Gespräch von Meuter und seinem Vorgesetzten, LKA-Abteilungsleiter Norbert Wagner, mit den Ministerialen Jörg-Michael Günther und Lucie Meyer-Mönnich. In dem Gespräch schilderten die Ministerialen konkrete Korruptionsvorwürfe, erinnerte sich Meuter vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Es sei da zum Beispiel um einen Laptop gegangen, den der Beschuldigte Harald F. sich im Rahmen einer Auftragsvergabe habe zukommen lassen.

Das war der Klassiker einer Korruptionsstraftat."

Es sei eindeutig gewesen, dass die Minsterialen exakte Korruptionstatbestände geschildert hätten.

Für uns war kein Spielraum mehr gegeben, als hier eine Anzeige zu fertigen."

Nach Auskunft der Ministeriums-Juristin Lucie Meyer-Mönnich sei die Hausspitze um Uhlenberg ständig über das Verfahren informiert worden. Zudem sei keine wesentliche Entscheidung ohne Zustimmung des Staatssekretärs Alexander Schink getroffen worden.

Auf die späteren Äußerungen der Ministeriumsspitze, dass Uhlenberg, sein Staatssekretär Alexander Schink (CDU) sowie die Ministerialen Juristen Jörg-Michael Günther und Lucie Meyer-Mönnich keine Anzeige wegen Korruption gestellt hätten, sagte der LKA-Beamte Meuter: "Ich war verwundert."

Gleichzeitig bestätigte Meuter, dass die Ermittlungen in der Sache Meuter aus "kriminalistischer Einschätzung" heraus umstritten waren. So habe sein Dezernatsleiter die Recherchen des Leiters der Ermittlungskommission (EK) „Stuhl“, Eckhard Lech, auf Basis der Zeugin Dorothea Delpino hinterfragt. In einem hier herunterladbaren Vermerk über einen Lech-Bericht, mit dem Durchsuchungsbeschlüsse beantragen werden sollen, heißt es:

„Ich finde einen Bericht vor, der nahezu ausschließlich oder überwiegend mit Zitaten der Zeugin Delpino gespickt ist. Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt? Ist sie die einzige Quelle der bisherigen Ermittlungsergebnisse, oder ist diese Ausarbeitung lediglich als Anzeige (von Frau Delpino) zu verstehen? Warum wird die Rolle von Frau Delpino so unkritisch gesehen, immerhin muss eine engere Verbindung zwischen ihr und Herrn Friedrich existiert haben, wie sonst ist das zu ihren Gunsten manipulierte Auswahlverfahren zu verstehen? Wurde berücksichtigt, dass vielleicht auch Rachegelüste eine gewisse Rolle spielen könnten?? Wissen wir wie es genau und warum zwischen dem Bruch zwischen Frau Delpino und Herrn Friedrich gekommen ist? Die Merkwürdigkeiten wurden jedenfalls mit keiner Silbe erwähnt “

Meuter sagte, er habe diese Einschätzung geteilt. Trotzdem ging das Verfahren weiter. Gegen 15 Menschen wurde und wird ermittelt. Eine Firma ging Pleite, Unschuldige verloren ihren Arbeitsplatz, Harald F. wurde für mehrere Wochen in Haft gesteckt. Warum?

Mittlerweile sind so gut wie alle Verfahren eingestellt worden, nur noch in Randaspekten wird weiter ermittelt.

 

Ich habe schon öfter über den Skandal berichtet. Hier gibt es mehr zum Thema:

LKA versus Umweltminister Uhlenberg

Uhlenberg-Untersuchungsausschuss: Spuren einer Intrige

Uhlenberg-Untersuchungsausschuss: Justiziar verwickelt sich in Widersprüche

Anfrage-Email wird im Uhlenberg-Untersuchungausschuss verteilt

LKA-Vermerk aus dem Uhlenberg-Ausschuss: “Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt?”

Uhlenberg-Skandal wird richtig übel

Dubiose Belastungszeugin präsentiert dubiose Belege

Der Untersuchungsausschuss “Uhlenberg” hat viel zu tun

Die Akte F – wie das NRW-Umweltministerium einen Ex-Mitarbeiter verfolgt

Berichte aus dem Sumpf, in dem Uhlenberg und das LKA sitzen

Abhörskandal im PFT-Fall

Mega-Lauschangriff in NRW

Der Fall F. – Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakte

Offene Akten für die Belastungszeugin

Verfahren Harald F – Pleite für die Staatsanwaltschaft dräut

Bürgerbegehren gegen Moscheen bislang immer gescheitert

Anders als in den Schluchten der von Europa abgewandten Bergbewohner in der Schweiz, hat sich in Nordrhein-Westfalen noch keine Mehrheit gegen einen Moscheebau in einer offenen Bürgerabstimmung gefunden. Darauf weist heute der Verein Mehr Demokratie hin. Zurecht, wie ich finde. Zeigt doch eine Abstimmung über Minarette doch nur den Grad der Religionsangst in einer Bevölkerung auf. Hier die entsprechende Mitteilung von Mehr Demokratie.

Klar gescheitert ist etwa ein Bürgerbegehren der rechtsextremistischen Vereinigung "Pro Köln" gegen den Bau einer Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Ein Drittel der 2007 eingereichten Unterschriften waren ungültig, das für einen Bürgerentscheid notwendige Quorum wurde deshalb nicht erreicht. Ein ebenfalls von "Pro Köln" gestartetes Begehren gegen eine Moschee im Stadtteil Porz wurde daraufhin aufgegeben. In Dortmund-Eving wurde ein Bürgerbegehren gegen den Bau eines Minaretts als unzulässig abgelehnt, weil die Stadt mit dessen Genehmigung nur geltendes Baurecht umsetzt. Seit 2008 läuft dort nun ein stadtweites Bürgerbegehren der Wählergemeinschaft "Freie Bürgerinitiative" gegen die Genehmigung von Minaretten für alle 45 Moscheen der Stadt. Die hierfür notwendige Unterschriftenzahl konnte bisher aber nicht beigebracht werden. Gleiches gilt für ein ebenfalls im vergangenen Jahr gestarteten Bürgerbegehren gegen den Bau einer Moschee im Gelsenkirchener Stadtteil Buer. Initiator ist hier der lokale Ableger von "Pro Köln".

Nicht viel besser erging es Bürgerbegehren zum gleichen Thema in anderen Bundesländern. Sie waren entweder unzulässig oder wurden erst gar nicht eingereicht. Im hessischen Schlüchtern war der Bau einer Moschee von den Wählern in einem Bürgerentscheid 2002 sogar mehrheitlich befürwortet worden.

Mehr Demokratie warnt davor, die direkte Demokratie selbst für die Existenz solcher Bürgerbegehren oder für das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung verantwortlich zu machen. "Volksentscheide sind immer nur ein Spiegel der Gesellschaft", erklärte Landesgeschäftsführer Alexander Slonka. Sie gäben wie Wahlen nur die politischen Einstellungen der Bürger wider, seien aber nicht Ursache der Probleme. "Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen die vorhandenen Ängste ernst nehmen und gemeinsam Wege finden, diese abzubauen", so Slonka weiter. Scheinbar sähen viele Eidgenossen ihre Vorbehalte von der Politik nur unzureichend behandelt. Die Volksabstimmung am Sonntag habe immerhin dazu beigetragen, diese Unzufriedenheit offen zu legen."