Schalkes schwere Gang. Am Donnerstag soll Gelsenkirchen 25,5 Mio. rüberschieben

Foto: flickr / cerberusofcologne2008

Irgendwann am Donnerstag will der Rat der Stadt Gelsenkirchen darüber entscheiden, ob er dem Fussball-Club Schalke 04 über eine Tochterfirma 25,5 Mio Euro geben will. Das Ganze sei eine Art Darlehen, Kredit, was auch immer, schließlich werden ja auch Anteile von der Arena gekauft und später mit Gewinn zurückverkauft, sagt ein Sprecher. Alles klar? Noch nicht. Bis jetzt wissen wir nur: die Lage bei Schalke spitzt sich weiter zu.

Nach eigenen Angaben ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen gegen den verantwortlichen Schalker Finanzvorstand Peter Peters, sowie den Vorgänger im Amt und jetzigen Schalker Vereins-Präsidenten Josef Schnusenberg. Es geht um den Vorwurf der Insolvenzverschleppung.

Auslöser der Strafermittlungen sei die Anzeige eines Privatmannes, teilte ein Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft mit, ohne Einzelheiten zu dem Anzeigenerstatter zu nennen. Schalkes Finanzvorstand Peters wollte zunächst nichts zu dem Vorgang sagen: „Ich weiß von der Angelegenheit nichts. Zu Sachen, von denen ich nichts weiß, kann ich mich nicht äußern."

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft geht die Anzeige auf „Pressemeldungen“ der letzten Zeit zurück. Es werde nun geprüft, ob der Anfangsverdacht der Insolvenzverschleppung begründet sei, bevor weitere Schritte unternommen würden.

Tatsächlich könnten für die Schalker Vorleute die Ermittlungen gefährlich werden. Bis jetzt ist bekannt, dass in einem Finanzkarussell mit mehreren Tochterfirmen eine aktuelle bilanzielle Überschuldung von über 55,9 Mio. Euro ruht, zudem konnten mehrere dubiose Überweisungen von Sicherungskonten nachgewiesen werden, so dass diese unter die vertraglich mit den Investoren der Schechter-Anleihe vereinbarte Grenze rutschten.

Seit Monaten gab es Warnungen, die auf einer dramatischen Zuspitzung der Finanzlage hinwiesen. Nach Informationen der Welt sollen sowohl Schnusenberg als auch Peters auf die Situation deutlich hingewiesen worden sein. Passiert sei trotzdem wenig. Aktuell ist die Rede von einem Finanzloch zwischen 20 und 30 Mio. Euro.

Um die Situation nun wenigstens bis zum Ende der Saison zu beruhigen, soll der Stadtrat von Gelsenkirchen am Donnerstag Verträge zwischen der Tochterfirma GEW und dem FC Schalke 04 absegnen, mit denen die Stadt mittelbar rund 45 Prozent an der Arena übernehmen würde. Schalkes Finanzchef Peters sagte, nach dem Deal sei der Verein bis zum Ende der Saison sauber durchfinanziert: "Ein weiterer Verkauf von Rechten, Anteilen oder Spielern ist aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht notwendig.“

Das kann sein. Doch bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft könnte beispielsweise eine Stille Beteiligung der B. & C. Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG an der Schalker Fussball-Arena für weitere Unruhe sorgen. Zunächst hatte Schalkes Finanzchef Peters angegeben, die stille Beteiligung sei“Teil des Finanzierungskonzeptes für den ARENA-Neubau.“

Allerdings wurde der Arena Neubau in den Jahren 1997 und 1998 finanziert. Und die Tönnies Firma hatte ihre stille Beteiligung laut Vertrag erst am 22. Dezember 2006 in Höhe von 12 Mio. Euro eingebracht. Nach meinen Informationen soll der Vertrag zudem rückdatiert worden sein. Tatsächlich habe man erst Anfang 2007 beschlossen, die stille Beteiligung abzuschließen. Sie sei auf Bitten eines namentlich bekannten Vereinsvorstandes in den Dezember des Vorjahres geschoben worden, um Probleme in der damaligen Vereins-Bilanz wegzuschminken. Das Eigenkapital des Vereins sollte damit gestützt werden, sagten mir mehrere Quellen. Ein Schalke-Sprecher wollte sich im Namen des Vereines nicht zu dem Vorgang äußern und drohte stattdessen mit presserechtlichen Schritten.

Merkwürdig ist die stille Beteiligung auf jeden Fall. So heißt es weiter in den Unterlagen, die mir vorliegen, die Tönnies-Firma habe kein Bargeld für die Beteiligung an der Arena gezahlt, sondern alte Darlehen verrechnet. Dann heißt es, im Jahr 2007 habe die Tönnies Company sieben Mio. Euro von der stillen Beteiligung zurückbekommen.

Für Schalkes Finanzchef Peters ist es nicht die erste Strafermittlung der Staatsanwaltschaft Essen. Vor drei Jahren wurden Ermittlungen gegen ihn wegen Bilanztricks unter der Auflage eingestellt, 25 000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu überweisen. Nach Ansicht der Ermittler hatten Peters und der damals Mitbeschuldigte Rudi Assauer „mit Vorsatz“ das Parkstadion falsch bewertet, um die Schalke-Bilanz besser aussehen zu lassen. Peters und Assauer hatten die marode Kampfbahn für einen Euro gekauft und für 15,6 Mio. Euro in die Bilanzen eingebracht.

Wie wird sich das Ganze auf das Geschäft mit der Stadt auswirken? Schwer zu sagen. Bis jetzt musste die Gemeinde immer wieder Geld, in den Verein pumpen. Und es wurde nie abgelehnt. Das letzte mal, dass ich davon weiß, gab die Stadt 2006 rund 2,8 Mio Euro in die Arena. Eigentlich hätte Schalke die Millionen für die Baugenehmigung nachzahlen müssen, wie es anderen Bauherren geht. Bei den Kickern drückte die Gemeinde beide Augen zu. Auf die Auszahlung wurde verzichtet. Das Geld wurde auf die stille Beteiligung aufgeschlagen.

Gespart wurde woanders.

Anfrage-Email wird im Uhlenberg-Untersuchungausschuss verteilt

Foto: Umweltministerium / Uhlenberg steht links

Am Freitag tagte im Düsseldorfer Landtag der Uhlenberg-Untersuchungsausschuss zur Affäre Friedrich. Es geht dort darum, zu klären, ob es politische Hände gab, die das Monsterverfahren anschoben und deckten. Am Freitag wurde der Zeuge Markus Fliege vernommen. Das ist der Pressesprecher von NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg. Zu meiner Überraschung hat sich Fliege über mich beschwert und meine Rolle in dem Verfahren, wie mir mehrere Gewährsleute berichteten. Er brachte eine Email von mir mit einer meiner Anfragen vor. Der Untersuchungsausschuss wurde unterbrochen. Man überlegte, ob man diese Email beschlagnahmen soll. Das ginge nicht, entschieden die Parlamentarier und ließen sich die Email von Fliege zu Protokoll vorlesen.

Ich halte das für eine nicht ganz so glückliche Idee. Hätte man mich gefragt, ich hätte die Email gerne allen Interessierten in die Hand gegeben oder persönlich zugestellt. Denn mich interessieren die Antworten.

Es geht in der Email-Anfrage um den Anfang des Ermittlungsverfahrens gegen Harald Friedrich.

Nach den Unterlagen, die mir vorliegen, ging es so los. Harald Friedrich wurde am 16. Juni 2006 gefeuert. Darüber unterrichtete Umweltstaatssekretär Alexander Schink in einem persönlichen Vermerk detailliert seinen Minister Eckhard Uhlenberg am 18. Juni. Auf Seite zwei des Vermerks, im letzten Absatz, wird eine Sprachregelung festgelegt. Hier gibt es den Vermerk zum runterladen. Klick.

Demnach soll die Kündigung nicht aktiv kommuniziert werden. Nur wenn es Nachfragen gibt, soll gesagt werden, dass wegen Dienstvergehen Friedrich gefeuert wurde. Erst am „Mittwoch“ sollen die Dienstvergehen – vulgo: alle möglichen Gerüchte – „näher konkretisiert“ werden.

Ich frage mich, ob dahinter die Absicht steckte, eine Rufmordkampagne über die Presse geschickt zu lancieren. Vielleicht sogar die Idee, über die Presse eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu stellen, so dass sie später Ermittlungen aufnehmen muss.

Der Verdacht, dass diese Vermutung nicht ganz aus der Luft gegriffen sein muss, lässt sich anhand der folgenden Abläufe erhärten. Noch im Juni berichteten zunächst ein Kollege vom Kölner Staatanzeiger und dann ich in der Welt am Sonntag über die Angelegenheit. Nachdem nichts passierte, legte die Bild-Zeitung am 12. Juli mit der gleichen Geschichte nach. Die Nachrichtenagentur dpa faxte die Berichte dann an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf und fragte nach, ob Ermittlungen aufgenommen werden sollten. Der Staatsanwalt verneinte und sagte sinngemäß, es müsse abgewartet werden, ob das Umweltministerium eine Anzeige stellt. Dann sprach das LKA mit dem Ministerium und das Ministerium stellte seine erste Anzeige. Eine eindeutige Korruptionsanzeige. Zwei weitere Anzeigen folgten. Unterlagen, die diesen Ablauf beweisen, liegen mir vor.

Vor dem Landtag behauptete Umweltstaatssekretär Schink später, nichts von dieser ersten, der Korruptionsanzeige gewusst zu haben. Nur die beiden folgenden bestätigte er.

Weil er dachte, die Intrige über die Presse habe funktioniert, er habe über die Presse die erste, die Korruptionsanzeige lanciert, ohne selbst in den Büchern aufzutauchen?

Ich habe den Pressesprecher von Uhlenberg und Schink, Herrn Fliege, danach gefragt – und zwar so:

 

Gesendet: Mittwoch, 4. November 2009 20:47

 

An: Fliege, Markus

Sehr geehrter Herr Fliege,

Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag habe ich folgende Fragen an Sie:

– trifft es zu, dass Sie ab dem 19. Juni 2006 auf Nachfrage erklärt haben, Herr Friedrich sei vom Dienst suspendiert worden?

– trifft es zu, dass es zu der Suspendierung eine mit der Hausspitze abgestimmte Sprachregelung gab? (siehe dazu persönlichen Vermerk STS Schink an Minister Uhlenberg zu Suspendierung Friedrich)

– trifft es zu, dass diese Sprachregelung hieß, Herr Friedrich sei aufgrund von "Dienstvergehen" suspendiert worden?

– trifft es zu, dass Sie ab dem 21. Juni auf Anfrage zudem sagten, wie es mit der Hausspitze abgestimmt war, bei den angeführten Dienstvergehen habe es sich unter anderem darum gehandelt, dass Herr Friedrich Vergaben an die TH Aachen verschoben habe, wo er auch Vorträge hielt? Und er zudem bei mindestens einer Einstellung geschummelt habe, oder wenigstens eine Festplatte aus einem Dienstcomputer mit nach Hause nahm?

– trifft es zu, dass Sie die Quelle sind für die entsprechenden Angaben in den Artikel des Kölner Stadtanzeigers vom 23. Juni 2006, der WAMS vom 25. Juni 2006 und der Bild vom 12. Juli 2006?

– warum haben sie das getan? Sollten Strafermittlungen gegen Herrn Friedrich über die Presse provoziert werden?

Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Auskünfte, die ich in der aktuellen Berichterstattung berücksichtigen möchte.

mit freundlichen Grüßen

Diese Frage hat Pressesprecher Fliege im Landtag vorgelesen. Ich warte noch auf Antworten. Wo bleiben sie?

Ich habe schon öfter über den Skandal berichtet. Hier gibt es mehr zum Thema:

LKA-Vermerk aus dem Uhlenberg-Ausschuss: “Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt?”

Uhlenberg-Skandal wird richtig übel

Dubiose Belastungszeugin präsentiert dubiose Belege

Der Untersuchungsausschuss “Uhlenberg” hat viel zu tun

Die Akte F – wie das NRW-Umweltministerium einen Ex-Mitarbeiter verfolgt

Berichte aus dem Sumpf, in dem Uhlenberg und das LKA sitzen

Abhörskandal im PFT-Fall

Mega-Lauschangriff in NRW

Der Fall F. – Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakte

Offene Akten für die Belastungszeugin

Verfahren Harald F – Pleite für die Staatsanwatschaft dräut

Die Kafka-Falle in NRW: Was abgehört wird, verschwindet selten. Löschknopf fehlt

Foto: Flickr.com / sunside

Nach meinen Recherchen scheint es, als hätten die Polizei- und Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen ein echtes Problem den gesetzlichen Anforderungen zur Löschung von Telefonüberwachungen nachzukommen. Wie das Innenministerium auf meine Anfrage bestätigte, gibt es bis heute bei den elektronisch aufgezeichneten Gesprächen keine Softwarelösung, um einmal gespeicherte Unterhaltungen aus dem „Kernbereich der privaten Lebensführung“ dauerhaft zu entfernen. Dabei ist das seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich vorgeschrieben. Es fehlt schlicht der Löschknopf in den Systemen der Überwachungsbehörden. Eine Situation wie aus einem Kafka-Roman.

Jeder, der einmal in das Netz einer Schleppfahndung per Telefon geraten ist, muss damit rechnen, dass seine Gespräche mit Ärzten, Pfarrern, Parlamentariern oder Rechtsanwälten auf den Servern der Behörden liegen. Egal ob es sich um Terroristen oder zu unrecht verfolgte Bürger handelt. Dabei müssen laut Gesetz Gespräche, die das intimste eines Menschen berühren "unverzüglich" gelöscht werden. Aber stattdessen lagern die Sachen in NRW monatelang oder ewig auf den Rechnern der Ämter.

Nach Auskunft des NRW-Justizministeriums wurden im Jahre 2007 in 627 Ermittlungsverfahren Telefone überwacht. Im Jahre 2008 waren es 578 Verfahren. In den letztgenannten Verfahren wurden 1.706 Telefone abgehört. Zahlen für das laufende Jahr 2009 liegen noch nicht vor.

Da ein Löschknopf fehlt, würden alle notwendigen „Löschungen mit hohem personellem und zeitlichem Aufwand manuell in den Erfassungssystemen vorgenommen“, sagte eine Sprecherin des zuständigen Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste. Und weiter heißt es: „Die nordrhein-westfälische Polizei hält bei der Telekommunikationsüberwachung alle rechtlichen Vorgaben strikt ein.“

Doch so ganz scheint das nicht zu stimmen. Es geht um Spitzfindigkeiten. So weigert sich das Justizministerium mitzuteilen, in wie vielen Fällen überhaupt Gespräche gelöscht wurden, die zu Unrecht aufgezeichnet wurden. „weil dies eine händische Auswertung zahlreicher Akten bei sämtlichen Staatsanwaltschaften des Landes voraussetzen würde, die in Anbetracht von deren Arbeitsbelastung nicht zu leisten ist.“

Stattdessen heißt es, die Pflicht zur „unverzüglichen Löschung“ hätte zunächst der abhörende Polizist. In Zweifelsfällen würden diese sich an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden. Diese würde dann Löschungen anordnen. Und genau darauf scheint sich die Sprecherin der Abhörbehörde zu beziehen. Sie sagt, in allen Fällen, in denen "nach Maßgaben justizieller Anordnungen" – sprich auf Anweisung der Staatsanwaltschaften – Löschungen notwendig gewesen seien, wären diese auch umgesetzt worden. Anders ausgedrückt könnte das bedeuten, kein Polizeibeamter hat aus eigenem Antrieb „unverzüglich“ Daten gelöscht, wenn er beim Abhören bemerkt hat, dass es um Sachen ging, die keinen was angehen.

Diese Vermutung wird durch einen vorliegenden internen Vermerk des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste aus dem September 2008 bestärkt, den man hier herunterladen kann: klick. Es heißt dort, bis in den vergangenen Herbst hinein seien in insgesamt „EINEM FALL“ intime Daten manuell auf Anordnung der Staatsanwaltschaft „mit hohem Aufwand“ gelöscht worden. Dazu kam später ein weiteres Verfahren. In 576 Lauschangriffen (TKÜ) geschah also wenig bis nichts. Weiter heißt es in dem Vermerk: „Das neue TKÜ-System der Polizei des Landes NRW (…) besitzt derzeit keine standardisierten Möglichkeiten zur Löschung bestimmter Daten.“

Nach Auskunft des Innenministeriums NRW soll bald ein Löschknopf für die Programme eingebaut werden. Wann genau ist noch unklar. Die beteiligtem Firmen sagte, sie dürften oder würden nichts zu der neuen Software sagen. Einer meinte „das hat auch was mit dem bezahlen zu tun.“ Das Innenministerium sagt, das Geld für den Löschknopf sei im Haushalt 2009 vorgesehen.

Wie viele intimste Gespräche aus Lauschangriffen derzeit noch auf den Servern der Polizei ruhen und wer darauf Zugriff hat, ist nicht absehbar. Sie lagern in den Systemen Gemini oder Case. Ich bin gespannt, wann der erste ein intimes Gespräch veröffentlicht.

Schalkes Konzernbilanz: 55,9 Mio Euro bilanzielle Überschuldung

Das Unentschieden bei Bayern München war hart erkämpft. Immer in der Abwehr, wenige Entlastungsangriffe, ein glücklicher Ausgleichstreffer eines Neulings – ansonsten viel Hoffnung, dass es weiter nach oben geht. Doch wie lange kann das Glück halten? Wann reicht es nicht mehr aus? Denn auch in den Untiefen der Finanzen wird geknüppelt, getrickst und gehofft. Es geht um den großen Stadion-Deal. Die Arena soll zu einem Großteil an eine Tochterfirma der Stadt Gelsenkirchen verkauft werden. Für Schalke unter Umständen eine Frage des Überlebens. Gelingt das Geschäft nicht, droht der Untergang.

Wie ernst die Lage ist, zeigt ein Blick in die Konzernbilanz des Clubs. Die bislang streng geheim gehaltenen Dokumente liegen mir vor. Aus ihnen lässt sich erstmals öffentlich ein Bild der wirtschaftlichen Situation des Schalker Geflechts rund um die kaum überschaubaren Tochterfirmen zeichnen. Und die Lage ist offensichtlich nicht rosig. So hat die Schalke-Gruppe Ende 2008 bei einem Umsatz von 162,1 Mio. Euro allein Personalausgaben von 73,7 Mio. Euro. Aktuell kommen dazu noch die Gehälter für das neue Trainerteam rund um Felix Magath hinzu. Mehrere Ex-Trainer oder Ex-Manager stehen nach wie vor auf der Pay-Roll. Tatsächliche Abgänge in nennenswerter Höhe waren selten.

Selbst in einem guten Jahr wie 2008 blieb der Schalke-Gruppe dank Champions-League-Teilnahme nur ein schmaler Gewinn von 2,1 Mio. Euro. Ohne die Meister-Klasse aber surren die Einnahmen zusammen. Die Rede ist von einer Summe zwischen 20 und 30 Mio. Euro, die bei kaum reduziertem Personalaufwand fehlt.

Hier soll jetzt die Stadt retten, was zu retten ist. Für Arena-Anteile in Höhe von gut 40 Prozent und weitere Darlehen will die mit gut 600 Mio. Euro verschuldete Gemeinde und ihre Tochter GEW 25,5 Mio. Euro in den Verein pumpen. In der kommenden Woche will der Stadtrat den Deal absegnen. Die zuständige Bezirksregierung in Münster unter dem Regierungspräsidenten und Mitglied des Schalker Ehrenrat Peter Paziorek sagte zu, alles zu prüfen – sobald Verträge vorliegen. Der Deutschen Fußballliga (DFL) reichte aber wohl schon die Absichtserklärung bei der Nachlizenzierung aus, harte Konsequenzen aus einem möglichen Lizenzverstoß sind kaum zu erwarten.

Dabei wird das frische Geld der Stadt kaum ausreichen, die Schalker Probleme zu lösen. Wie aus der Konzernbilanz ersichtlich ist, hat der Verein sein gesamtes Eigenkapital aufgebraucht. Es ist mit einem hohen zweistelligen Betrag ins Minus gerutscht. Darauf kommen Schulden von 235,1 Mio. Euro. Allein die Lieferanten bekamen Ende des vergangenen Jahres 16,7 Mio. Euro. Die "sonstigen Passiva“, wie etwa die bereits kassierten Gazprom-Einnahmen der kommenden Jahre stehen zusätzlich mit 52 Mio. Euro in de Büchern.

Alles zusammen wies die Schalke-Gruppe im Dezember eine bilanzielle Überschuldung in Höhe von 55,9 Mio. Euro aus.

Schlechte Zahlen. Eine Stahlschmiede mit einer ähnlichen Verschuldung wäre pleite. Bei Schalke kann man noch auf stille Reserven spekulieren. Etwa wenn die Marke des Vereins an einen Investor verkauft werden könnte.

Auf Schalke wäre das aber kaum vermittelbar. Stattdessen soll der Handel mit der Arena das rettende Geschäft sein. Mit der Mehrheit an der Halle hofft Finanzvorstand Peter Peters gleichzeitig die Schulden der Arena aus der Konzernbilanz loszuwerden. Dazu müsste Schalke allerdings nicht nur die Mehrheit an der Arena, sondern auch die Kontrolle an der Hallengesellschaft über die FC Schalke 04-Stadion-Beteiligungs GmbH abgeben. Es ist allerdings unklar, ob das passiert. Würde stattdessen die GEW die Kontrolle über die Arena übernehmen, könnten im Extremfall die über 100 Mio. Euro Schulden der Arena aus den Bilanzen der Schalke-Gruppe verschwin den und in den Konzernbüchern der städtischen Tochter auftauchen. Die GEW hätte also für 15 Mio. Euro und 10 Mio. Euro Darlehen vor allem Schulden gekauft.

Aus der Konzernbilanz lässt sich allerdings nachlesen, warum die Investoren der Schechter-Anleihe gegen den Verkauf Arena sein könnten. Lässt man die Spielerwerte in Höhe von 42,9 Mio. Euro beiseite, lag das Vermögen der Schalke-Gruppe in harten Rechten und Bauten nur bei 152,8 Mio. Euro. Nach dem Verkauf der Arena-Anteile würde das Vermögen abschmelzen. Es bliebe immer noch viel Luft. Das Parkstadion ist etwa eine Ruine, steht aber mit 15,6 Mio. Euro in den Büchern. Bei Grundstücken die ausgewiesen werden, handelt es sich oft um Erbpachten. Und die „harten Rechte“ sind auch vor allem Vermögen, das auf dem Papier steht. Sicherheiten für eine 85 Mio.-Euro-Anleihe sehen jedenfalls anders aus.

Angesichts der Lage wächst im Schalker Aufsichtsrat die Angst, Investoren, wie der US-Lehrerverband TIAA-CREF, könnten deshalb den rettenden Arena-Deal blockieren. Und dazu könnte es tatsächlich kommen. Denn der Verein hat sich in den Verträgen zur Anleihe verpflichtet, nicht frei über die Arena-Anteile zu verfügen. Sie dienen als Sicherheiten für die 85-Mio.-Euro-Anleihe. Nur wenn die Investoren in den kommenden Tagen ihre schriftliche Zustimmung zu dem Verkauf geben, darf die GEW die Arena-Anteile übernehmen. Es wird darüber spekuliert, dass die Investoren als Gegenleistung auf einer Rückzahlung der Schechter-Anleihe bestehen, um ihr Investment zu sichern. Laut Vertrag dürften sie das jedenfalls tun, solange Schalke die Erlöse aus dem Arena-verkauf nicht in "neue Steine" steckt. Bislang versichern alle Seiten auf Nachfragen, außer einer nicht rechtlich bindenden Absichtserklärung sei noch nichts abgemacht. Das hört sich schon ganz anders an, als die ursprüngliche Botschaft, die Ende Oktober offiziell verbreitet wurde: „Diese Vereinbarung ist von allen Vorständen und Geschäftsführern unterschrieben und steht nur noch unter Gremienvorbehalt.“

Damals ging es wohl darum, der DFL pünktlich irgendetwas glaubwürdig vorzulegen, das nachweisen sollte, das Geld fließen wird, damit die Liga keine Lizenzstrafe verteilt. Egal wie dünn das Brett ist, auf dem man steht. Die DFL ist wohl drauf eingegangen. Irgendwie hätte es ja auch dumm ausgesehen, Schalkes Finanzchef Peter Peters als Vize-Präsident des Ligaverbandes und stellvertretenden Vorsitzenden des DFL-Aufsichtsrates zu bestrafen.

Nach außen geben sich die Verantwortlichen kämpferisch. So als hofften sie auf einen Treffer in der Nachspielzeit. Die Saison sei sauber durchfinanziert, sagt Finanzchef Peter Peters. "Ein weiterer Verkauf von Rechten, Anteilen oder Spielern ist aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus nicht notwendig.“

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Dreckige Wäsche bei Rot-Weiß Essen. Sohn des Stadtdirektors verbreitete öffentlich Lügen über Aufsichtsrat

OB Reiniger (CDU und 2. vr) ließ sich bei Rot-Weiß Essen feiern. Foto: Stadt Essen

Wenn jemand im Ruhrgebiet derzeit von Problemen im Fussball spricht, denken zuerst alle an den Schalke 04. Doch auch beim durchaus genauso beliebten oder ungeliebten Nachbarn im Westen, dem Club Rot-Weiß Essen, gibt es was zu berichten. Da ist die unsichere Lage beim Stadionneubau zu erwähnen und ein Machtkonflikt in der Führungsetage der Kicker-Vereinigung. Denn der Verein Rot-Weiß Essen ist in die Hände von Vorständen kommunaler Betriebe gefallen und damit in die Hände von Politikern. Und die versuchen jetzt ihre Macht durchzusetzen.

Zunächst zum Hintergrund: Bis zu diesem Sommer regierte die CDU in Essen. Sie hatte für den diesjährigen Wahlkampf das Georg-Melches-Stadion von Rot-Weiß als Thema entdeckt. Nachdem mit Philharmonie und Museen die Kultur für die Vermögenden gefördert worden war, sollte jetzt was für die Massen getan werden. Nämlich das alte Stadion von RWE im armen Essener Norden durch ein Neues ersetzt werden. Soweit so gut.

Ziemlich schnell gab es allerdings wegen der Finanzierung Trubel. Ich habe darüber berichtet. Hier klicken. Im Kern kann man sagen, der Bezirksregierung hat es nicht gepasst, dass die Stadt über eine kommunale Tochter Millionen in die Kampfbahn eines Vierligisten pumpen will. Dazu kam die Millionenschwere Auflösung dubioser Marketingverträge mit einem untergegangenen Kinofuzzi. Und Beraterverträge mit einem abgehalfterten Ex-Fußballprofi.

Alles in allem war die Stadt unter dem damaligen CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger bereit für RWE gut und gerne 30 Mio. Euro springen zu lassen. Ein guter Teil des Stadions wurde bereits vor der Wahl abgerissen um den Massen zu zeigen, dass die CDU das ernst meint.

Strippenzieher auf Seiten der Stadt war vor allem Stadtdirektor Christian Hülsmann von der CDU. Dieser Politiker und Beamte wollte den Neubau des Stadions unbedingt umsetzen. Vor den Wahlen spitze sich die Situation zu. Zum einen war klar, dass die CDU keinen Durchmarsch hinlegen würde, zum anderen geriet die Finanzierung des Stadions nicht zuletzt bei den Ruhrbaronen in die öffentliche Kritik.

Offensichtlich wurde das zumindest einem Hülsmann zuviel. Zumindest legt das folgender Vorgang nahe. Den Ruhrbaronen liegen Beweise vor, wonach der Sohn von Christian Hülsmann sich aktiv mit öffentlichen Verleumdungen in die Debatte eingemischt hat. Er griff unter einem falschen Namen von seinem Dienstcomputer über die Internetseiten der Zeitung Revier-Sport einen Aufsichtsrat von Rot-Weiß Essen an, der sich zuvor intern im Aufsichtsrat kritisch über die Stadionpläne von Hülsmann senior geäußert hatte. Er schrieb, dieser Aufsichtsrat würde der Presse alle möglichen Informationen stecken und so einen Kampagne gegen die CDU fahren.

Als ich in einer früheren Geschichte über Rot-Weiß eine schriftliche Anfrage an die Dienstadresse von Stadtdirektor Hülsmann geschickt hatte, wurden mir über einen Mittelsmann die Verleumdungen des Juniors zugespielt.

Natürlich habe ich die Infos überprüft und ziemlich schnell festgestellt, dass mit den Erzählungen von Hülsmann Junior nur die öffentliche Meinung manipuliert werden sollte. Kaum etwas von dem, was Junior schrieb, war belastbar. Die Behauptung, der Aufsichtsrat würde „höchst vertrauliche Informationen aus dem RWE-Aufsichtsrat“ durchstechen, reiner Bullshit, frei jeder Kenntnis der tatsächlichen Abläufe. Der Vorwurf, der Aufsichtsrat würde versuchen, mit seinen Kontakten das Stadionprojekt zu kippen: Quatsch, offenbar frei erfunden vom Sohn des Stadtdirektors Hülsmann.

Die Frage ist nun, hat der Filius das für den Senior freiwillig getan? Könnte sein, denn Hülsmann Junior war auch mal eine Zeitlang bei Rot-Weiß Essen in der Geschäftsstelle beschäftigt. Könnte es aber auch sein, dass er mit Kenntnis des Vaters Schmähungen verbreitete? Für letzteres spricht die erwähnte Tatsache, dass mir die Aussagen des Juniors, wie erwähnt, nach einer Anfrage beim Senior, über einen Krisen-PR-Mittelsmann zugespielt worden sind. Ob für die schwarze Public-Relation Geld an den PR-Mittelsmann geflossen ist und wer das gegebenenfalls bezahlt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich bin gespannt, wie Stadtdirektor Hülsmann mit dieser Sache umgeht. Vor allem weil die Frage offen ist, welchen Anteil das Krisenmanagement um Rot-Weiß Essen von Hülsmann an der Wahlniederlage der örtlichen CDU hat. Ich vermute ja einen großen.

Denn bei Rot-Weiß tobt, wie gesagt, derzeit ein Machtkampf zwischen dem Aufsichtsratchef des Clubs Dietmar Bückemeyer, Vorstand der Stadtwerke Essen AG, und dem Chef der Druckerei VVA und gleichzeitigem RWE-Vorstandschef Stefan Meutsch.

Entzündet hatte sich der Kampf um die Entlassung von Thomas Strunz als Teamchef des Clubs Ende September wegen erwiesener Erfolglosigkeit. Meutsch hatte Strunz direkt nach der Niederlage gegen die Reserve aus Köln rausgeschmissen, ohne Bückemeyer zu konsultieren, wie es hieß.

Bei der Stadt und damit bei Stadtdirektor Hülsmann kam das nicht gut an. Vor allem Bückemeyer kritisierte, dass man ihn nicht gefragt hat, bevor Strunz gefeuert wurde. Dabei hatte er zuvor verlangt, dass man ihn bei einer derart wichtigen Entscheidung, wie der Entlassung des Teamchefs um Rat fragt.

Für die Meutsch-Fraktion im Aufsichtsrat kann das nicht sein. Für diese Männer stellt sich die Frage, was die Stadt will? Personalpolitik in einem Fussballclub machen? Das könne doch kaum Aufgabe der Verwaltung sein.

Es wird von Essenes neuem Oberbürgermeister  Reinhard Paß abhängen, ob aufgeräumt wird. Der SPD-Mann wurde vor wenigen Tagen vereidigt.

Ich frage mich vor allem, wer Strunz jetzt bezahlt? Bei Rot-Weiß Essen sollen Gehaltspfändungen des Ex-Profikickers eintrudeln. Kriegt er jetzt noch Kohle von der Stadt, wie noch bis vor ein paar Monaten als angeblicher Berater? Oder hat er einen Job bekommen bei einer Stadtnahen Firma? Etwa einer Firma, die auch den Stadionneubau plant? Ich weiß es nicht. Würde mich ja interessieren.

LKA-Vermerk aus dem Uhlenberg-Ausschuss: „Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt?“

Foto: Umweltministerium / Uhlenberg steht links

Wenn ich darüber nachdenke, wie der Beschuldigte Harald Friedrich aussieht, denke ich an einen kleinen Mann, mit grauen Haare und einen Vollbart. Er hat einen Bauch, und wenn er geht, hinkt er manchmal. Dann hat er Gicht. Harald F. ist ende Fünzig. Er gleicht einem Lehrer, einem Uni-Dozenten, vielleicht einem Beamten, meist aber einem Wissenschaftler. Er ist ein Mensch, der ungeduldig ist, vieles gleichzeitig macht. Er trinkt Cola und ist gerne Fleisch. Er ist so normal und unnormal, wie wir alle. Und er ist kein Schwerkrimineller.

Doch dazu hat ihn die Verfolgungswut der Ermittlungsbehörden gemacht. Ihm, dem ehemaligen Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, und mit ihm 13 Mitbeschuldigten wurde banden- und gewerbsmäßige Betrugs und der Korruption vorgeworfen. Das ist so ziemlich der härteste Vorwurf, den man einem Bediensteten des Staates machen kann. Mehrere Millionen soll diese Art von Umwelt-Mafia unterschlagen und an einen Kreis von Begünstigten verteilt haben.

Die Vorwürfe gegen ihn und seine angebliche Bande füllen mittlerweile hunderte Aktenordner. Kaum einer hat noch den Durchblick, wo Unterlagen auftauschen oder verschwinden. Mehrere Ministerien beschäftigen sich mit dem Fall, obwohl mittlerweile die meisten Ermittlungen eingestellt wurden. Kein Vorwurf der Bande existiert mehr, kein Vorwurf der Korruption, kein Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs. Nichts. Fast alles hat sich in Luft aufgelöst.

Nun versucht seit Montag ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag Licht in das Dunkel zu bringen. Denn es gibt viel aufzuklären.

Da ist zum Beispiel zu klären, ob ein großer Lauschangriff im Verfahren Friedrich gerechtfertigt war. 2500 Telefonate wurden mitgeschnitten, Autos mit Peilsendern ausgestattet, Personen beschattet, 2300 Emails mitgeschrieben. Eigentlich sollte alles seit Dezember auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft in Wuppertal gelöscht sein, doch mittlerweile musste der Direktor des Landeskriminalamt (LKA), Wolfgang Gatzke, zugeben, dass bis vor wenigen Tagen immer noch mehrere Gesprächsprotokolle in seinem Amt und anderswo aufbewahrt wurden. Ist nun alles gelöscht? Gatzke versucht sich zu erklären, spricht davon, dass nur hier und da ein paar Telefonatsmitschnitte in den Akten steckten. Weil sie Bestandteile anderer Vorgänge wurden. Mich erinnert das an eine Art Kafkaesker Akte. Nichtlöschbar wabern die einmal abgeschriebenen Gespräche von Zimmer zu Zimmer, sickern immer weiter, bis sie jemand findet, der damit was anfangen kann.

Die Sammelwut der Abhörer war tatsächlich kaum zu bremsen. Mir liegen Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass nicht nur politische Gespräche des Landtagsabgeordneten Johannes Remmel (Grüne) abgehört wurden. Da wurde das Gespräch zwischen der Frau eines Beschuldigten mit ihrem Priester belauscht. Die Frau eines anderen Beschuldigten wurde bei einem Telefonat mit ihrem Arzt abgehört. Und das Telefon des Sohnes eines weiteren Beschuldigten fiel nur in das Fahndungsraster, weil das LKA damit rechnete, der Vater könne den Anschluss nutzen. Der Lauschangriff richtete sich nicht gegen Terroristen, sondern gegen Professoren, Firmeninhaber und Institutsleiter. Wo tauchen die Gespräche jetzt auf? Ist tatsächlich alles gelöscht, wie die Ministerin irgendwann im Herbst 2008 behauptete, oder im Dezember 2008, wie der LKA-Chef Gatzke vor ein paar Wochen sagte, oder erst jetzt, wie Gatzke nun sagte? Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Ich vermute eher, da gibt es immer noch Abschriften in irgendwelchen Schreibtischen.

Auch die Finanzen der Bürger fanden die Ermittler spannend. Duzende Konten und Sparbücher von Kindern, von Vereinen oder Stiftungen wurden durchleuchtet, wenn sie nur irgendwie am Rand mit Leuten im Verfahren in Verbindung gebracht werden konnten. Die Sammelwut fiel auch im LKA auf. Ein leitender Beamter schrieb in einem Vermerk kritisch: „Wo sind die Ergebnisse der umfangreichen Finanzermittlungen, mit denen ich so nicht einverstanden war und gegen die ich rechtliche Bedenken vorgetragen hatte?“

Eine Firma wurde in die Pleite getrieben, Arbeitsplätze gingen verloren und die bürgerliche Existenz eines Mannes ging zu Grunde.

Ich habe den Vermerk wegen seiner außergewöhnlichen Bedeutung hier veröffentlicht. Einfach auf den Link klicken. Er zeigt, wie stark das LKA außer Rand und Band geraten ist, wie kritische Stimmen ignoriert wurden. Der Vermerk ist ein Dokument des Versagens. Die Öffentlichkeit hat ein Recht ihn zu lesen. Ich zitiere unten noch mal aus dem Vermerk.

Denn alle Fragen nutzen nichts. Wie von unsichtbarer Hand getrieben, ging es weiter. Ende Mai 2008 durchsuchten hunderte Polizisten duzende Wohnungen in ganz Deutschland und steckten den Hauptbeschuldigten Harald Friedrich für drei Wochen in ein Wuppertaler Gefängnis zu Mördern, Totschlägern und Betrügern.

Mittlerweile wurden die meisten Verfahren eingestellt. Deswegen wird es Zeit, sich dem Ursprung des Verfahrens zuzuwenden. Wer steckt hinter der maßlosen Verfolgung? Es gibt Spuren, die direkt zu Umweltminister Eckhard Uhlenberg führen.

Harald Friedrich galt in seinem Ministerium als unbequem. Die ehemalige Grüne Umweltministerin Bärbel Höhn hatte ihren Parteifreund als Leiter der Abteilung für Wasserwirtschaft eingestellt. Er setzte sich energisch für die Verbesserung der Wasserqualität ein und hielt seine Beamten auf Trab. Einigen war er unsympathisch, seine Arbeitswut irritierte sie, die nächtlichen Besprechungen, die immer neuen Forderungen, der manchmal barsche Ton. Fast alle verstanden, warum er „Höhns Kettenhund“ genannt wurde. Er suchte Machtmittel und setzte sie auch gegen Mächtige ein. Die Geschäftsführer vieler Umweltunternehmen werden das bestätigen. Feinde hat Friedrich mehr als genug. Wer mit Argumenten kam, die er dumm fand, hatte zu leiden. Selbst in seiner neuen Heimat im Sauerland werfen sie ihm vor, die Grünen gespalten zu haben.

Aber Friedrich war auch jemand, auf den Verlass war, der Menschen an sich binden konnte. Ein Mann, der menschlich korrekt war, auch wenn er in der Sache hart blieb. Ein Abteilungsleiter, der Dinge bewegte. Und neue Standards setzen konnte. Er hat noch immer in der Umweltverwaltung Freunde und Menschen, die zu ihm stehen. Die ihn nicht vergessen haben. Genauso wie er Feinde hat hat er Freunde. Friedirch polarisiert eben.

Bald nach dem Übergang von Höhn zum neuen CDU-Minister Uhlenberg finden sich Bemühungen im Umweltministerium, Friedrich kalt zu stellen. Im Haus wird Material gesammelt. Eine Mitarbeiterin von Friedrich tat sich dabei besonders hervor. Sie heißt Dorothea Delpino und spielte die Rolle der Hauptbelastungszeugin. Sie schickte Spitzelberichte direkt aus Friedrichs Umfeld an Uhlenbergs Staatssekretär Alexander Schink (CDU).

Dabei wurde die Rolle der Zeugin Delpino auch im Umweltministerium nicht unkritisch gesehen. Spitzenbeamte von Uhlenberg fragten nach der Motivation hinter den Spitzeleien. In einem internen Vermerk der Abteilung I-4 heißt es, die Aussagen von Delpino könnten angegriffen würden, weil diese „persönliche Motive für die Diskreditierung“ des Beschuldigten habe. Die Rede ist von Mobbing. Dann sei Delpino eine Beförderung unter Friedrich verweigert worden. Sie habe dagegen klagen wollen, stelle diese Klage jedoch "im Kontext des aktuellen Vorgangs" gegen Friedrich zurück. Und weiter: „Bei Durchsicht der Unterlagen der Zeugin zeigt sich, dass die Zeugin teilweise als eine Art agent provocateur handelte.“

Dennoch suspendierte Schink vor allem auf Basis der Delpino-Berichte am 16. Juni 2006 Harald Friedrich vom Dienst. Mehr noch: am gleichen Tag beförderte er die Zeugin zur stellvertretenden Abteilungsleiterin, wie aus einem persönlichen Schreiben von Schink an Uhlenberg hervorgeht. Im Juli dann stellte Schink vor allem auf Basis der Delpino-Berichte gleich drei Strafanzeigen gegen Harald F. wegen des Verdachts auf Korruption und Geheimnisverrat beim LKA, wie Unterlagen der Behörde zeigen.

Hat Schink das auf eigene Rechnung getan? Oder in Abstimmung mit seinem Minister Uhlenberg? Bereits am 18. Juni 2006 verfasste Schink jedenfalls ein persönliches Schreiben an den „lieben Eckhard“. Darin unterrichtet er den Minister detailliert über das Vorgehen gegen den Abteilungsleiter. Auch an die Presse wird gedacht. Als Sprachregelung sei vereinbart worden, dass Friedrich wegen Dienstvergehen gefeuert worden sei. Weiter heißt es, „erst ab Mittwoch sollten diese Dienstvergehen näher konkretisiert werden“, wenn die Presse nach dem gekündigten Abteilungsleiter frage.

Auch im Landeskriminalamt gab es früh Zweifel, ob die Zeugin Delpino ausreicht, ein großes Verfahren anzustrengen. Vor allem die Recherchen des Leiters der Ermittlungskommission (EK) „Stuhl“ Eckhard Lech auf Basis der Zeugin wurden hinterfragt. In einem Vermerk schreibt ein Vorgesetzter an den EK-Leiter über dessen Bericht, mit dem er Durchsuchungsbeschlüsse beantragen will:

„Ich finde einen Bericht vor, der nahezu ausschließlich oder überwiegend mit Zitaten der Zeugin Delpino gespickt ist. Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt? Ist sie die einzige Quelle der bisherigen Ermittlungsergebnisse, oder ist diese Ausarbeitung lediglich als Anzeige (von Frau Delpino) zu verstehen? Warum wird die Rolle von Frau Delpino so unkritisch gesehen, immerhin muss eine engere Verbindung zwischen ihr und Herrn Friedrich existiert haben, wie sonst ist das zu ihren Gunsten manipulierte Auswahlverfahren zu verstehen? Wurde berücksichtigt, dass vielleicht auch Rachegelüste eine gewisse Rolle spielen könnten?? Wissen wir wie es genau und warum zwischen dem Bruch zwischen Frau Delpino und Herrn Friedrich gekommen ist? Die Merkwürdigkeiten wurden jedenfalls mit keiner Silbe erwähnt “

Lech selbst war früh die politische Dimension des Verfahrens bewusst. In einem internen Vermerk vom 5. März 2007 gibt er zu, dass bei seinen Recherchen „aufgrund der Fachlichkeit eine Abhängigkeit vom MUNLV besteht“. Es „muss zumindest bedacht werden, dass ggf. versucht wird, die Ermittlungen politisch zu instrumentalisieren.“

Warum wurden diese Bedenken nicht gehört? Wer hatte die unsichtbare Hand, die alles am Laufen hielt? Oder waren es nur wild gewordene Bürokraten, die auf einen Anschub aus dem Umweltministerium hin, einen Selbstläufer produzierten?

Auch heute wird noch gegen Friedrich ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ist optimistisch eine Anklage hinzubekommen. Es geht um kleinere Delikte. Friedrich soll über Jahre hinweg duzenden Essen im Gesamtwert von über 1000 Euro angenommen haben. Das könnte eine Vorteilsannahme im Amt sein. Das zu beweisen, ist für die Ermittler sehr schwer. Manchmal wissen die Ermittler nicht, wieviele Leute beim Essen dabei waren und auch wenn Friedrich alleine mit dem angeblichen Vorteilsgeber war, ist nicht klar, wer bezahlt hat. Es ist nur klar, wer den Beleg bei der Steuer eingereicht hat. Wenn Friedrich und sein Gegenüber zur Frage schweigen, wer für Pommes oder Fischplatte aufkam, wird man sie nur sehr schwer verurteilen können. Aus diesem Grund wird mit keiner Aussage von Friedrich vor der Staatsanwaltschaft zu rechnen sein.

Im zweiten Fall heißt es, Friedrich habe unberechtigt Unterlagen aus dem Ministerium zu Hause aufbewahrt – ein möglicher Verwahrbruch. Auch hier ist es schwer einen Vorsatz zu belegen. Friedrich durfte als Abteilungsleiter Unterlagen zu Hause bearbeiten. Hat er die Sachen zu Hause vergessen oder unterschlagen? Schwer zu beweisen, was wahr ist, wenn jemand zehn Jahre im Amt war.

Aufgrund der Schwierigkeiten ist es ungewiss, ob beide Fälle vor Gericht landen. Eine Verurteilung ist noch unsicherer. Die Wuppertaler Behörde streitet seit Monaten mit der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf darüber, was zulässig ist. In etlichen Anweisungen wurden die Wuppertaler schon angewiesen, ihren Zorn und ihre Wut zu mäßigen, und die Verfolgungen einzustellen.

Es scheint, als hätten der leitende Staatsanwalt in Wuppertal sein Maß verloren. Man könnte meinen, er sitzt in einem Bunker und glaubt an den Endsieg. Die ihn erlösende Anklage. Er wird Freunde haben, die ihn unterstützen. Er wird bestärkt in Emails aus dem LKA, vom Ermittler Lech etwa. Diese liegen mir vor.

Es ist das Bild einer Runde von Männern, die nicht verstehen können, warum es ungehörig sein sollte, einen Mann wegen sich in Luft auflösender Vorwürfe drei Wochen in Haft zu stecken, Menschen abzuhören, Konten unbescholtener Bürger zu durchleuchten, eine Firma, Arbeitsplätze und Existenzen zu vernichten.

Sie scheinen zu glauben, unsichere Vorwürfe der unberechtigten Essensannahme oder der Falschaufbewahrung von Dokumenten könnten diese Eingriffe in die Intimsspähre duzender Menschen irgendwie rechtfertigen.

Was sollen die Leute der Firmen M. oder A. dazu sagen? Als deren Büros in Düsseldorf und Aachen durchsucht wurden?  Als deren Geschäftsführer nicht wussten, ob sie jetzt in die Pleite getrieben werden?

Die Beamten in Wuppertal und im LKA können offensichtlich nicht verstehen, was Sie getan haben.

Sie fühlen sich im Recht. Noch.

FDP will Entwicklungshilfe an China streichen. Hallo? Die gibt es gar nicht mehr.

Die neue schwarz-gelbe Koalition macht Dampf. Das wurde schon bei der Ausarbeitung des Koalitionsvertrages sichtbar. Und auch wenn viele Punkte und Maßnahmen in diesem etwa 120 Seiten umfassenden Werk derzeit wegen des Finanzierungsvorbehaltes nicht mehr sind als Luftschlösser sind, bei einem hat die neue Bundesregierung schon mächtig vorgelegt: bei den Fettnäpfchen. Von unserem Gastautor Cityboy

Zuerst musste man die Tricksereien mit Schattenhaushalten wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aufgeben, dann wurde jedem klar, dass die viel gefeierten Steuersenkungen nur auf Pump und damit in Wahrheit Steuererhöhungen sind – und dass die FDP mit Dirk Niebel den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird, überraschte dann auch noch. Jedem Bundesbürger war danach klar, dass man nicht unbedingt Qualifikationen für das Amt eines Ministers mitbringen muss. Dem Image der Politiker hat diese Benennung einen Bärendienst erwiesen – seit langem war kein Bundesminister mehr so umstritten wie Niebel. Obwohl schon vor der Bundestagswahl die Posten zwischen Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) nach der 8-5-3-Regelung verteilt wurden, sprach sich vor dem Urnengang die FDP im Parteiprogramm noch für die Abschaffung der Bonner Behörde aus. Nun, gerade frisch im Amt, kündigte Niebel gleich mal an, die Entwicklungshilfe an China zu streichen. Allerdings gibt es da ein Problem: Sie gibt es gar nicht mehr.

Vollmundig und in bester Manier eines Partei-Generalsekretärs tönte der ausgebildete Fallschirmspringer, der sich bisher nicht nur außenpolitische oder internationale Erfahrung hervorgetan hat, dass es nun einen Schlussstrich unter die Geldströme aus dem deutschen Steuersäckel in Richtung China gezogen werde. "Armutsbekämpfung ist für Deutschland wichtiger denn je. Dass heißt, unsere Mittel zu konzentrieren und wirksam dort einzusetzen, wo es am meisten Not tut. Wirtschaftsriesen wie China und Indien erfüllen diese Kriterien nicht mehr", sagte Niebel der BILD-Zeitung. Einen Zeitpunkt für das Ende der Hilfen nannte er jedoch nicht. Niebel setzt mit der Ankündigung ein Wahlversprechen der FDP um. Die Liberalen hatten im Wahlkampf unter anderem erklärt, die staatlichen Hilfen für China streichen zu wollen.

Und in der Tat war die Bundesrepublik einmal der zweitgrößte Geldgeber für das Reich der Mitte. 2005 und auch 2006 flossen durchschnittlich 441 Millionen Dollar als Entwicklungshilfe in das Land, dass seit gut einem Jahrzehnt eine beispiellose wirtschaftliche Aufholjagd hinlegt und sich nun anschickt, als Wirtschaftsmotor die USA abzulösen. China und seine enorme Wirtschaftskraft könnten nun dafür sorgen, dass die Weltkonjunktur schnelle aus der Krise kommt als manche erwartet hatte. Allein die Industrieproduktion legte im dritten Quartal um 16 Prozent zu. Schon unter der rot-grünen Vorgänger-Regierung wurde daher über die Reduzierung der Entwicklungshilfe debattiert, ein Gutachten des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik (DIE), einem politischen ThinkTank des Entwicklungshilfeministerium, kam schon 2003 zu dem Fazit, die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ankerland China auf dem Prüfstand zu stellen und einzustellen.

Doch erst 2006, nach der blutigen Niederschlagung der Unruhen in Tibet, wurde die Entwicklungshilfe ausgesetzt. 2007 betonte der damalige Regierungssprecher auf entsprechende Vorhaltungen der FDP, dass Deutschland weiterhin keine Entwicklungshilfe mehr an China zahle. Lediglich für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energie würden etwa 70 Millionen Euro fließen – Geld übrigens, von dem die deutsche Solarbranche profitiert. Laufende Projekte würden zwar weitergeführt werden, aber mehr passiere nicht mehr, sagte Steg schon vor zwei Jahren auf entsprechende Angriffe des heutigen Bundeswirtschaftsministers Brüderle – und der CDU.

Aber technische Zusammenarbeit ist nun mal keine Entwicklungshilfe. Das müsste eigentlich auch Dirk Niebel wissen.

Brisanz bekommt die Streichung zudem, weil die wirtschaftliche Zusammenarbeit einen neuralgisches Feld betrifft, das sich eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verpflichtet fühlt – dem weltweiten Klimaschutz. Und China ist nun mal der zweitgrößte Verursacher von klimaschädlichen Gasen. Mit Hilfe deutscher Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand, sollte China durch die staatliche Hilfe aus Deutschland sauberer werden. Die FDP tönt nun, man habe einen weiteren Punkt aus dem Parteiprogramm erfüllt. Das Ministerium hingegen bleibt weiterhin unangetastet – wohl auch, weil Niebel sich seine eigenen staatliche Unterstützung sichern will: In Form einer guten und üppigen Staats-Pension, wenn er die notwendige Dienstzeit als Minister erfüllt.

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Innenministerium schickt LKA-Chef Gatzke auf dünnes Eis.

Der Direktor des Landeskriminalamtes Wolfgang Gatzke hatte am 8. Oktober einen Wortgewaltigen Auftritt.  Da sagte er zum Abhörskandal im Fall von Harald F.: "Das Landeskriminalamt NRW verhält sich rechtstreu und beachtet alle rechtlichen Vorgaben. Das Landeskriminalamt hat alle Telekommunikationsüberwachungsdaten im Strafverfahren gegen Herrn Dr. Friedrich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wuppertal ab August 2008 gelöscht. Die Löschung dieser Daten wurde im Dezember 2008 endgültig abgeschlossen. Dies ergibt sich eindeutig aus den Unterlagen, die auch dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorliegen."

Tja, nun wird das Innenministerium morgen im NRW-Landtag nach meinen Informationen mitteilen, dass doch noch vereinzelte Telefonprotokolle im LKA rumfliegen. Zitat aus dem Sprechzettel des FDP-Innenministers Ingo Wolf:

Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Sachverhaltes (dass angeblich nicht alle Telefonüberwachungen gelöscht wurden. d.A.) hat das LKA darünerhinaus sein gesamtes Büro- und Kommunikationssystem auf Inhalte überprüft, die mit der Telekommunikationsüberwachung im genannten Ermittlungsverfahren in Verbindung stehen oder Hinweise darauf enthalten könnten. Dabei fanden sich noch E I N Z E L N E Inhaltsprotokolle überwachter Gespräche im Büro- und Kommunikationssystem. Diese waren dort ausschließlich im Zusammenhang mit der Bearbeitung des nachfolgend dargestellten Beschwerdevorgangs entstanden.  (Hervorgehoben d.d.A)

Damals hatte sich der Landtagsabgeordnete Johannes Remmel von den Grünen nämlich aufgeregt, dass er und diverse Ansprechpartner abgehört, seine Gespräche ausgewertet und dann in das Ermttlungsverfahren eingebracht wurden. Wolf sagt, im Zusammenhang mit der Beschwerde von Remmel seien seine abgehörten Gespräche am 11. August durch die Ämter geschickt worden. Ein Gespräch sei an "einzelne Vorgesetzte innerhalb des LKA sowie an das Innenministerium versandt worden. Darüber hinaus wurden weitere Gesprächsinhalte, an denen Herr Remmel MdL bteiligt war, ebenfalls per dienstlicher E-Mail an die sachleitende Staatsanwaltschaft Wuppertal übersandt."

Damit nicht genug: Später heißt es im Sprechzettel von Innenminister Wolf:

Die am 11. August 2008 versandten Inhaltsprotokolle (der abgehörten Remmel-Gspräche d.A.) wurden ausschließlich zur Beschwerdeführung verwendet, eine Verwendung zu anderen Zwecken fand nicht statt. Sie wurden ebenso wie ein Inhaltsprotokoll über ein Gespräch zwischen zwei Beschuldigten am 30. Mai 2008, das Gegenstand einer Fallakte war, N I C H T in die Löschung einbezogen."   (Hervorgehoben d.d.A)

Was ist denn das. Zuerst wird zugegeben, dass ein Gespräch von Remmel nicht gelöscht wurde, dann heißt es, ein paar andere Gespräche seien auch noch da. Und schließlich wird noch ein weiteres Gespräch zugegeben, mit dem Remmel nichts zu tun hatte, dass auch noch rumfliegt. Was ist denn das? Was soll ich jetzt glauben. Ich dachte alles sei im vergangenen Dezember gelöscht worden. War das nicht die Anordnung der Staatsanwaltschaft?

Herr Gatzke, was nun? Da ist wohl irgendwas durcheinander geflogen? Durch die Verwaltung gewabert? Gar Gesprächsmitschnitte? Wie kann das sein?

Ich kann es gar nicht oft genug sagen. In dem großen Lauschangriff rund um Harald F. wurden nicht nur politische Gespräche des Landtagsabgeordneten Johannes Remmel (Grüne) abgehört, sondern nahezu wahllos jedes Telefonat, das auf einen betroffenen Anschluss auflief. Wahllos jede Email,. die im Land rumschwirrte. Selbst Emails von einer Bundestagsabgeordneten. Dabei wurden keine Terroristen belauscht, sondern die Anschlüsse von Professoren, Firmeninhabern und Institutsleitern. Insgesamt ist die Rede von über 2000 Gesprächen und weit über 2000 Emails. Mir liegen Unterlagen über ein mitgeschnittenes Gespräch zwischen der Frau des Beschuldigten D. mit ihrem Priester in Dortmund vor. Die Frau des Beschuldigten B. wurde bei einem Gespräch mit ihrem Arzt belauscht. Und das Telefon des erwachsenen Sohnes eines weiteren Beschuldigten wurde abgehört, weil das LKA damit rechnete, der Vater könne den Anschluss nutzen.

Gegen nahezu alle Beschuldigten wurden bereits die Verfahren eingestellt, weil keine Schuld nachweisbar war.

Warum sagt das Innenministerium jetzt, es gebe noch Inhaltsprotokolle, wenn LKA-Chef Gatzke sagte, alles sei weg?

Und warum sagt das Innenministerium weiter, nur noch vereinzelte Gesprächsprotokolle oder Protokolle über Gespräche aus den weiteren Verfahren seien noch nicht gelöscht und würden sich noch in diversen Akten finden.

Ja was denn nun? Alles gelöscht oder nicht? Ich habe die Mitteilung über meine Emails und Telefonte, die abgehört wurden, im vergangenen Herbst bekommen – vor einem Jahr. Was ist damit? Gibt es die noch? Oder nicht? Ich bin Reporter. Und irgendwie meine ich, das LKA darf nicht einfach meine Gespräche und Emails mitschneiden und dann weiterverteilen.

Wer hat auf meine Emails Zugriff?

Und warum hat Herr Gatzke gesagt, was er gesagt hat?

Ich habe schon öfter über den Skandal berichtet. Hier gibt es mehr zum Thema:

Uhlenberg-Skandal wird richtig übel

Dubiose Belastungszeugin präsentiert dubiose Belege

Der Untersuchungsausschuss “Uhlenberg” hat viel zu tun

Die Akte F – wie das NRW-Umweltministerium einen Ex-Mitarbeiter verfolgt

Berichte aus dem Sumpf, in dem Uhlenberg und das LKA sitzen

Abhörskandal im PFT-Fall

Mega-Lauschangriff in NRW

Der Fall F. – Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakte

Offene Akten für die Belastungszeugin

Verfahren Harald F – Pleite für die Staatsanwatschaft dräut

Steinmeiers letzter Triumph

Am Mittwoch wird Guido Westerwelle(FDP) der neue Außenminister. Als Frank-Walter Steinmeier(SPD) einen Tag zuvor in Schloss Bellevue die Entlassungsurkunde entgegennahm, hatte der gescheiterte SPD Spitzenkandidat noch den letzten außenpolitischen Triumpf. An diesem Tag kippte der Außenministerrat der EU in Luxemburg das Waffenembargo gegen Usbekistan Link. Damit fiel die letzte EU Strafmaßnahme gegen Usbekistan. Im Oktober 2005 hatte die EU als Folge des Massakers von Andischan gegen das zentralasiatische Land ein Einreiseverbot für hochrangige Regierungsmitglieder und das Waffenembargo beschlossen sowie den EU Kooperationsvertrag mit Usbekistan ausgesetzt. Ein halbes Jahr zuvor hatten am 13 Mai 2005 usbekische Sicherheitskräfte einen Volksaufstand von Panzerwagen aus zusammengeschossen und mehrere hundert Menschen getötet Link.

Der usbekische Präsident Islam Karimow leugnet bis heute das Massaker und spricht von der Abwehr eines terroristischen Angriffes. Nach der Bluttat von Andischan zog die Repression in Usbekistan an. Die Staatsmacht tötete, inhaftierte und vertrieb systematisch Menschenrechtler und Journalisten, die von der offiziellen Linie abwichen. Dazu nur zwei Fälle. Im Juni 2008 wurde der Journalist Salidschon Abdurachmanow verhaftet und im Oktober 2008 wegen Drogenhandels zu 10 Jahren Haft verurteilt Link. Es gilt jedoch als sicher, dass die usbekischen Sicherheitsbehörden die Drogen dem Journalisten untergeschoben haben. Der usbekische Geheimdienst macht auch vor der Landesgrenze nicht halt. Am 24 Oktober 2007 wurde der usbekische Journalist Alisher Saipov in der kirgisischen Stadt Osch, unweit der usbekischen Grenze, ermordet Link

Die Hauptforderung der EU, die sie mit der Verhängung der Sanktionen verband, war eine unabhängige Untersuchung des Massakers von Andischan. Die usbekische Regierung lässt eine solche Untersuchung bis heute nicht zu. Die usbekische Staatsmacht merzte zudem noch die wenigen Inseln der Freiheit im Lande aus, die vor dem Massaker in Andischan noch vorhanden waren. Die usbekische Staatsmacht duldet seither keinerlei unabhängig veröffentliche Meinung im Land. Fast alle internationalen Organisationen wurden des Landes verwiesen. Die Konrad Adenauer Stiftung, die Friedrich Ebert Stiftung und das Goethe Institute durften allerdings bleiben. Dieses Privileg des usbekischen Tyrannen Islam Karimow spricht nicht für diese Organisationen. Es gibt wenige Länder auf der Erde, die so konsequent bürgerliche Freiheiten bekämpfen. Mir fällt da vor allem Birma oder Nordkorea ein. All das hat die EU nicht davon abgehalten, die Sanktionen gegen Usbekistan erst alle sechs Monate abzumildern und nun als letztes das Waffenembargo aufzuheben. Für diese Nachsicht gibt es Gründe. Usbekistan ist für die EU und für Deutschland wichtig. Die Bundeswehr unterhält im usbekischen Termes einen Stützpunkt, von dem sie den Afghanistaneinsatz versorgt Link.

Der EU Beschluss zu Usbekistan ist vor diesem Hintergrund nichts anderes als eine Kapitulationsurkunde der EU gegenüber dem Regime eines Despoten. Mit diesem Beschluss verkündet die EU, dass Menschenrechte keinerlei Gewicht haben. Die Botschaft in die Welt ist fatal: Solange ein Land für Europa von Nutzen ist, kann dessen Herrscher sein Volk knechten und ausbeuten, wie es ihm gefällt. Er kann von Panzerwagen aus auf sein Volk schießen lassen, die Reichtümer des Landes rauben, Wahlen fälschen, Presse verbieten, Kinder in die Baumwollernte zwingen und Menschen in den Wahnsinn foltern. Europa wird es nicht stören. Im Gegenteil. Europa verkauft die Kooperation mit einem solchen Regime noch als Menschenrechtsdialog. Das ist perfide. Die Menschenrechte werden nicht nur als wertlos angesehen, sie werden sogar noch dazu missbraucht, das Geschäft mit dem Despoten zu rechtfertigen. Es war vor allem der Außenminister Steinmeier, der diese Kapitulationsurkunde der EU gefingert hat Link.

Es gab Staaten, wie Großbritannien, die Niederlande und die skandinavischen Länder, die vor dem usbekischen Diktator nicht in die Knie gehen wollten. Aber Steinmeier konnte sich in der EU durchsetzen. Steinmeier wurde zum Türöffner des usbekischen Blutsaugers in Europa. Von Anfang an hat Steinmeier alles getan, um kurz nach der Verhängung der EU Sanktionen die Folgen für das Regime in Usbekistan so erträglich wie möglich so gestalten. Der Sozialdemokrat war sich noch nicht mal zu schade, die Entspannungspolitik Willy Brands zu missbrauchen, um die Kungelei mit einem Despoten politisch zu begründen. Steinmeier, die deutschen Diplomaten und die EU rechtfertigten sich mit angeblichen Reformen und einer Dialogbereitschaft Usbekistan. Nun, dann schauen wir uns diese Reformen mal an.

Die Todesstrafe hat Usbekistan abgeschafft. Das ist zu begrüßen. Aber in usbekischen Gefängnissen wird die Folter weiterhin systematisch angewendet. Immer wieder werden Menschen in usbekischen Folterknästen zu Tode gequält.

Der Habeas Corpus wurde eingeführt. Das Rechtssystem in Usbekistan ist aber völlig dem Willen der Staatsmacht untergeordnet. Richter, Anwälte, Polizei und Staatsanwaltschaft sind ausschließlich Befehlsempfänger der Macht. Was nützt der Habeas Corpus, wenn die usbekische Polizei einem Journalisten Drogen unterschieben kann, dieser daraufhin verhaftet, angeklagt und sogar verurteilt wird, ohne dass der Mann auch nur die aller geringste Chance auf ein faires Verfahren hat?

Was nützt die Ratifizierung der Konvention gegen Kinderarbeit, wenn trotzdem die Staatsmacht Kinder von den Schulen in die Baumwollfelder treibt Link?

Es stimmt, dass das usbekische Regime einige inhaftierte Menschenrechtler und Journalisten freigelassen hat. Und für diese Menschen bin ich sehr froh. Aber gleichzeitig hat die usbekische Staatsmacht andere Journalisten und Menschenrechtler verhaftet, um frische Ware für den politischen Deal mit Steinmeier zu erhalten.

Auch in dem EU Beschluss zur Aufhebung des Waffenembargos wird Usbekistan aufgefordert, Vertreter von der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ins Land zu lassen. Auch das ist nicht neu. Als die EU im April 2008 die Reisebeschränkungen gegen usbekische Staatsbeamte aussetzte, war das schon ein Thema in dem EU Dokument. „..to finalise without delay the accreditation of the new Country Director of Human Rights Watch and to allow the unhindered operation of that organisation“. Die danach einsetzenden Verhandlungen zwischen Usbekistan und HRW führten zu nichts. Die Mitarbeiter von HRW bekommen bis heute kein Visum und keine Arbeitsgenehmigung für Usbekistan. Soviel zur Dialogbereitschaft der usbekischen Regierung. Dumm nur, dass HRW wochenlang keine Presseerklärung zu der Verhaftung des Journalisten Salidschon Abdurachmanow am 7 Juni 2008 veröffentlichte, und dessen Verhaftung erst am 23. Juli 2008 erwähnte als HRW das Scheitern der Verhandlungen mit Usbekistan erklären musste Link. Dumm nur, dass die  Erwähnung von HRW in dem EU Dokument der Rechtfertigung für die Sanktionsaufhebung dient. Warum HRW trotz des Desasters weiterhin zulässt, dass der Name HRW sogar noch in dem EU Dokument zur Aufhebung des Waffenembargos erwähnt wird, ist für mich schwer verständlich. Der erfolgte Protest von HRW gegen die Aufhebung des Waffenembargos verliert dadurch an Glaubwürdigkeit.

Fakt ist. Der usbekische Präsident Islam Karimow ist an keinerlei substanziellen Reformen in seinem Herrschaftsgebiet interessiert. Karimow blieb einfach solange am Verhandlungstisch sitzen, bis die EU die eigenen Forderungen vergessen hatte. Und Steinmeier kämpfte bis zu letzt und mit Erfolg für die Aufrechterhaltung dieser Scheinwelt.

Steinmeiers Usbekistanpolitik stand leider nie im Zentrum der politischen Debatte in Deutschland. Sie zeigt aber sehr deutlich den Grad der Unmenschlichkeit, mit dem Sozialdemokraten in Deutschland Politik ausübten. Vielleicht war aber genau das auch der Grund für die desaströse Niederlage der SPD bei den Wahlen. Die Menschen haben gemerkt, dass von der SPD keine moralische Strahlkraft mehr ausgeht. Die SPD hat schlicht das „Gute“ verloren. Für mich war aber genau das immer der Grund für die Sozialdemokraten zu stimmen. Denn immer wenn es hart auf hart ging, standen die Sozialdemokraten in der deutschen Geschichte auf der richtigen Seite. Bei Steinmeier war das aber plötzlich nicht mehr so. Und das haben die Menschen gespürt. Steinmeier hat seinen Tanz mit dem usbekischen Despoten als neue Ostpolitik verkaufen wollen. Er hat aber dafür keinen Friedensnobelpreis erhalten sondern einen Tritt vom Wähler. Manchmal ist Politik gerecht.

Ich weiß nicht, wie Westerwelle die auswärtige Politik führen und wie dessen Usbekistanpolitik aussehen wird. Große Hoffnungen mache ich mir da nicht. Aber ich wünsche mir, dass die Menschenrechte zu mindestens nicht mehr als Tarnkappe missbraucht werden, um mit den schlimmsten Despoten weltweit ins Geschäft zu kommen. Damit wäre schon viel erreicht.