RWE will mehr Geld für Strom, um Kraftwerke zu bauen

Rolf Schmitz (Foto) ist Vorstand für der operative Geschäft des Energiekonzerns RWE in Deutschland. Er fordert mitten in der Wirtschaftskrise höhere Strompreise im Großhandel und damit auch mittelbar für die Endkunden. Sein Argument: nur wenn mehr für den Strom gezahlt werde, könnten sich Investitionen in neue Kraftwerke und in den Ausbau der Netze lohnen. Nur dann werde Wettbewerb realistisch. Schmitz: „Wir brauchen ein gewisses Strompreisniveau.“ Als Zielgröße gab der RWE-Manager die Preise aus dem Jahr 2008 an. In der Hochpreisphase hätten sich neue Kraftwerke gelohnt. Nach dem Verfall der Preise um rund zwei Drittel in Folge der Wirtschaftskrise sei dies nun nicht mehr der Fall.

Auch die staatliche garantierte Rendite von 9,2 Prozent auf das Eigenkapital, das in Stromnetze gesteckt wird, hält Schmitz nicht für ausreichend. Auch hier müssten die Verbraucher mehr bezahlen, damit die Netze schneller ausgebaut werden, und so der Wettbewerb verbessert werde. „Ein Wohltätigkeitsverein sind wir in der Energiewirtschaft noch nicht.“

Gleichzeitig griff Schmitz das Erneuerbare Energien Gesetz an. Hier könne ökologisch erzeugter Strom in nahezu unbegrenzter Menge zu festen Preisen in die Netze gedrückt werden. Dieses System sei gerade in Sachen Energieeffizienz „eine Katastrophe“. Der Erfolg im Ausbau der Wind- und Sonnenenergie müsse „teuer erkauft“ werden. Allein im vergangenen Jahr hätten 5 Mrd Euro in die Differenz zwischen Marktpreis und staatlich garantierte Vergütung nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz gesteckt werden.

Im Gegensatz zu den Alternativen Energien verteidigte Schmitz die Kernenergie. „Das ist quasi eine einheimische Energiequelle.“ Die Technik sei hier entwickelt worden und Uran gut lager- und verfügbar. Laut Schmitz würde eine Verlängerung der Laufzeiten um 25 Jahre einen volkswirtschaftlichen Vorteil im dreistelligen Milliardenbereich bringen. „Außer ideologischen Vorbehalten sprocht nichts gegen eine Laufzeitverlängerung.“ Schmitz sagte, Deutschland brauche die Kernkraft, um den Übergang in eine Zukunft zu schaffen, in der Strom nur noch aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird.

RWE, E.on, EnBW werben für Kernkraftwerke – Vattenfall macht nicht mit

Je näher die Wahl rückt, umso klarer mischen sich die großen Energiekonzerne mit einer Pro-Atom-Kampagne in den Bundestagswahlkampf ein. Es geht um die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke. Besonders RWE treibt das Thema in der entscheidenden Phase voran, nachdem der Vorstandschef des Unternehmens, Jürgen Großmann, vor kurzem von einer bevorstehenden wichtigen politischen Entscheidung gesprochen hat. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Brief publik, in dem die Energiekonzerne RWE, E.on und EnBW ein gemeinsames, im "Düsseldorfer Kreis" abgestimmtes Vorgehen bekannt gaben und in diesem Zusammenhang Vattenfall drängten, an einer gemeinsamen Werbekampagne vor der Bundestagswahl teilzunehmen. Die großen Drei ärgerten sich, dass Vattenfall nicht richtig mitzieht.

Wie dem auch sei: Am Freitag haben jetzt die Jugendvertreter des Essener Energieriesen RWE zu einer Demo vor dem Atomkraftwerk Biblis aufgerufen, dessen Block A laut Ausstiegsbeschluss eigentlich schon 2007 hätte abgeschaltet werden sollen.

Insgesamt rechnen die Jugendvertreter des RWE mit rund 1800 Teilnehmern. Neben den RWE-Auszubildenden sollen auch wieder Jugendliche der Konzerne E.on und EnBW nach Biblis reisen. Sie wurden von RWE nach eigenen Angaben eingeladen und sagten zu, Busse nach Hessen zu schicken. Ich habe mit Matthias Dürbaum, 21, Jugendvertreter aus dem Tagebau Hambach gesprochen. Er sagt: „Wir wollen einen ausgewogenen Energiemix. Dazu gehört auch die Kernenergie.“ Zudem gehe um den Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.

Auf der Demonstration der Jugendlichen wird neben RWE-Chef Jürgen Großmann auch der der hessische Ministerpräsident Roland Koch sprechen. Der Konzernjugendsprecher des RWE, Daniel Ullrich, 25, zeigte sich darüber erfreut. „Es geht um die Zukunft. Und das wird durch den Ministerpräsidenten gewürdigt.“ Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte Ullrich: „Der 27. September ist der Tag der politischen Entscheidung über die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Das sollte jeder Wähler bedenken.“ Allerdings möchte Ullrich diesen Satz nicht als Wahlempfehlung verstanden wissen. Die Frage nach der Kernenergie sei nur ein Faktor, der eine Wahlentscheidung beeinflusse. Da sei jeder selbst gefragt.

Der Konzern RWE unterstützt die Demo nach eigenen Angaben mit Bussen. Zudem werden die Azubis für den Demotag zu vollen Bezügen freigestellt. Überstunden würden allerdings nicht bezahlt, heißt es.

Auch Vertreter von Vattenfall seien zur Demo eingeladen gewesen. Doch hätten sich keine Azubis des schwedischen Konzerns angemeldet, der nach den Zwischenfällen in Krümmel einen heftigen Konflikt mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ausgetragen hat.

Ich weiß nicht, ob der Politikkurs für RWE so ohne Probleme ist. Gerade das Engagement mit dem hessischen CDU-Ministerpräsidenten Koch könnte noch Probleme bringen. Im Aufsichtsrat von RWE sitzen gleich drei SPD-Kommunalvertreter. Zudem wird das größte Aktienpaket des RWE von SPD-regierten Städten kontrolliert. Den Gemeinden könnten die CDU-nahen Äußerungen des Konzerns missfallen.

Tamtaratatam um angeblichen Wahlbetrug in Dortmund

In diese Sache gibt es zwei Sichtweisen: die einen sagen, es geht in Dortmund um Wahlbetrug, die anderen meinen, es geht um pampige Loser. Wie auch immer. Fakt ist folgendes: Die Wahlen sind gelaufen und direkt danach verkündet Dortmunds Noch-OB Gerhard Langemeyer (SPD), dass die Stadt Dortmund ein Finanzloch von 100 Mio Euro zu beklagen habe und dass deswegen eine Haushaltssperre ausgesprochen werden müsse. Ich übersetzt das mal in Normal: die Gemeinde hängt einen Tag nach Wahl wegen der gescheiterten Haushaltspolitik der vergangenen Jahre unter rot-grün am Fliegenfänger. Basta mit Spaß.

Foto:Impression aus der Dortmunder Nordstadt via Flickr.com

Zunächst zu den Verlierern. Die meinen nämlich, es wäre doch spannend gewesen, diesen Fakt VOR den Wahlen erfahren zu haben. Dann hätten sich die Wähler vielleicht anders entschieden. O-Ton CDU-Generalsekretär in NRW Hendrik Wüst:

Was die SPD in Dortmund gemacht hat, ist ein beispielloser Betrug und ein in seiner ganzen Dimension heute noch gar nicht absehbarer Skandal. Einen Tag nach der Wahl (!) räumt Noch-OB Langemeyer ein Loch von bis zu 100 Millionen Euro ein und verkündet eine Haushaltssperre. Vor der Wahl hatte die SPD noch alles abgestritten und entsprechende Vermutungen der CDU strikt zurückgewiesen.

Es fällt damit ein großer Schatten auf das Wahl-Ergebnis in der "Herzkammer" der Sozialdemokratie, wo die SPD am Sonntag schon nur 37,8 Prozent erreichte. Frau Kraft wird das Lachen über das Dortmunder Ergebnis jetzt sehr schnell im Halse stecken bleiben. Es scheint vielmehr so, dass der SPD im Ruhrgebiet jedes Wahlkampfmittel recht war – nach dem Motto "Tarnen, Tricksen, Täuschen". Die SPD hat die Menschen sowohl über ihre rot-roten Ziele getäuscht als auch ihre Misswirtschaft verschleiert. Die SPD kann offensichtlich selbst in ihrer Herzkammer nur noch mit Betrug den Oberbürgermeister-Posten verteidigen.

Nun gut. Den Vorwurf will die SPD jetzt nicht auf sich sitzen lassen und läßt Fraktionschef Ernst Prüsse sagen:

Wir haben vor der Wahl keinerlei Aussagen zu einer möglichen Haushaltssperre nach der Wahl getroffen. Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Sie werden an keiner Stelle eine Aussage zu einer Haushaltssperre finden. Die SPD hat nichts versprochen, was sie nicht halten kann.“

Im übrigen meint Prüsse, sei die urplötzlich und unmittelbar nach der Wahl die  "weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise" über Dortmund hereingebrochen.

Dortmund stellt keine Ausnahme dar. Eine Haushaltssperre zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb eine angemessene Reaktion auf die sich verschärfende Finanzkrise. So macht es jeder verantwortliche Kämmerer auf allen politischen Ebenen. Das Vorgehen von Frau Uthemann ist auch deshalb berechtigt, weil schon jetzt absehbar ist, dass die städtischen Finanzen im nächsten Jahr durch die CDU/FDP-Landesregierung gefährdet werden. Sie will den Kommunen in Nordrhein-Westfalen 2010 rund 250 Millionen Euro vorenthalten und hat um diesen Betrag die Zuweisungen des Landes im Gemeindefinanzierungsgesetz gesenkt. Die CDU will mit ihrem Betrugsvorwurf von ihrer gemeindefeindlichen Finanzpolitik ablenken.

Ich finde das so …..uhhhhh……

Möge sich der geneigte Leser eine Meinung bilden, diese aufschreiben und aufessen. Wählen kann er ja nicht mehr.

Zweimal Rüttgers – eine Rolle

NRW-Ministerpräsidenten-Kandidat Jürgen Rüttgers, CDU, am 7. September 1999

Der Weg in die Staatskanzlei führt über die Rathäuser“

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, CDU, am 30. August 2009

Zunächst einmal ist jeder Fall anders, wenn Sie sich das anschauen. Kommunalwahlen sind Kommunalwahlen, die haben in der Regel örtliche Gründe. Deshalb habe ich ja auch vor der Wahl gesagt und sage es auch jetzt, obwohl das Ergebnis gut ist: Es ist keine Testwahl“

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Wow, Revier ist wieder rot.

Was ein Wahlergebnis. Das NRW-weite Ergebnis habe ich erwartet. Hohe Verluste bei CDU, geringe bei der SPD. Und dann Gewinne bei Grünen und FDP. Nur habe ich geglaubt, dass die Linke noch stärker wächst. Aber ich habe nicht mit den starken Ergebnissen der SPD im Ruhrgebiet gerechnet. Wow, was ein Sieg. Nur ganz leichte Verluste oder Siege in den Räten und fast alle Spitzenjobs. Kompliment dem Sieger. Nun wird die SPD aus dem Revier DIE Rolle in der NRW-SPD spielen müssen. Vielleicht wird es einen neuen Vormann geben.

grafik: ruhrbarone

Das Ergebnis der SPD in Essen finde ich richtig erfreulich. Nach zehn Jahren wieder oben. Schön. Zum Glück hat die SPD keine absolute Mehrheit, das wäre schon doof gewesen. Aber die Leute haben wohl gemerkt, dass die Reiniger-Hülsmann CDU zu wenig für die Stadt getan hat. Bischen viel Kultur, würde ich sagen.

Mich haben total die starken Ergebnisse der SPD-OB-Frauen in Mülheim und Bochum überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass die Damen Mühlenfeld und Scholz so souverän das Rennen machen. Ich habe an ein knappes Rennen geglaubt. In Bochum ahnte ich noch etwas von besonderen "Bochumer Verhältnisse", aber zumindest in Mülheim glaubte ich an ein Foto-Finish. Boah, hab ich wenig Ahnung von den Städten gehabt. Mein Kompliment an die Oberbürgermeisterinnen.

Ergebnisse wie in Bottrop oder Oberhausen waren dagegen absehbar. Da ist die SPD stark wie immer. Da können die anderen nichts holen. Allenfalls in Details gibt es Bemerkungen. So haben die Solzialdemokraten in Oberhausen die größten Verluste in einer Reviergroßstadt hinnehmen müssen und die absolute Mehrheit verloren. OK, aber sie haben immer noch 44 Prozent und stellen den Oberbürgermeister.  Also: alles halb so wild.

Bin gespannt, welches Signal die SPD in NRW jetzt aus dem Reviersieg für sich zieht. Weil übers Land sieht das Ergebnis nicht gut aus. Keine Strahlkraft würde ich sagen. Wird nun der Sieger aus dem Pott, Frank Baranowski aus Gelsenkirchen, eine führende Rolle im Land übernehmen? Könnte ich mir gut vorstellen.

Nachtrag:

Grade hab ich mitgekriegt, wie Baranowski in den Düsseldorfer Landtag hineintelefonierte und gegenüber Journalisten dementierte, dass er als Kraft-Ersatz zur Verfügung steht.  Es heißt, er wolle die ganze Amtszeit durchhalten als Gelsenkirchener OB.

Neue Finanzlöcher im Rot-Weiß-Essener Stadionkäse

OB Reiniger (CDU und 2. vr) läßt sich bei Rot-Weiß Essen feiern. Jetzt neue Finanzlöcher im "Volkseigenen Kickerclub" Foto: Stadt Essen

Auf die Stadt Essen rollen nach meinen Recherchen neue, bislang versteckte Kosten in der Causa Rot-Weiß zu. Es geht um den Innensusbau des geplanten Stadions, für das eine weitere kommunale Tochter aufkommen könnte. Wie gesagt, bin ich seit gut zwei Wochen in Sachen RWE-Stadion unterwegs. Und, wie ich jetzt erfahren habe, hat die Stadt nur zwei Großsponsoren für das Stadion anzubieten. Aus diesem Grund wird heftig überlegt, wie man weiter Geld schwitzen kann. Doch der Reihe nach:

Über die kommunale Anstalt Sparkasse Essen sollen 5 Mio Euro in das Projekt gepumpt werden – und der Stromriese RWE, an dem die Stadt Essen beteiligt ist, hat sich verpflichtet zwei Mio Euro für die Namensrechte an der Arena zu zahlen. Des Weiteren hat schon in der vergangenen Saison die kommunale Tochter RGE 100.000 Euro als Sponsoring in den Club gepumpt. Damit nicht genug. Neben ihrem direkten Zuschuss von 7,5 Mio Euro will die Gemeinde über ihre kommunale Tochter GVE drei Jahre lang hohe Millionenbeträge in das Stadion investieren. Die Rede ist von 8 Mio Euro im Jahr, die auf die Kreditlinie der Stadt angerechnet werden sollen. Sprich, das Geld geht direkt zu Lasten von Investitionen in Schulen und Kindergärten. Dann kommen noch die bereits bekannten Gelder aus dem Stadt- Kölmel-Deal hinzu. Weitere 6,8 Mio Euro Zahlungsverpflichtungen. Den Beratervertrag mit Strunz habe ich jetzt nicht mitgerechnet. Das sind die bekannten Fakten.

Jetzt kommt aber raus, dass auf die Gemeinde weitere versteckte Kosten durchaus in Millionenhöhe zukommen können. So liegen mir Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass in den bisherigen Finanzierungsplanungen für das Stadion der Innenausbau weiter Teile der Gebäude nicht berücksichtigt worden ist. Alleine die Summe von 750.000 Euro ist demnach veranschlagt. Der Rest des Ausbaus sei Sache des Caterers, heißt es.

Und als Bewerber um den Posten des Caterers ist die RGE im Rennen – eine städtische Firma. Die Stadt sagt dazu, derzeit werde ein Gesamtkonzept zur Bewirtschaftung des Stadions erarbeitet. Später sollten sich diverse Anbieter um den Job bewerben, Würtschen und Co in der Arena zu verkaufen. Und unter diesen Bewerbern soll dann selbstverständlich auch der ortsansässige Dienstleister RGE angesprochen werden. Wie ich höre, ist die Nummer mit der RGE aber schon abgemacht.

Sollte also die RGE den Zuschlag erhalten, würden die anfallenden Investitionen für den Ausbau wieder zu Lasten der Stadt und nicht zu Lasten des Vereines gehen. Tolle Planung. Die Essener Bürger dürften für den VIP-Spaß in der Catererhütte ihrer Vorleute blechen. 

Wie hoch die Ausbaukosten sind, die von der städtischen RGE getragen werden müssten, sollte sie den Zuschlag erhalten, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich kommt es darauf an, ob die Kloarmaturen verchromt werden oder nicht.

Spannend finde ich in diesem Zusammenhang noch, dass die RGE zusätzlich in der kommenden Saison den Sicherheitsdienst für das Stadion übernommen hat. Als Subunternehmerwurde die Firma Issa Security beschäftigt. Genau diese Firma war auch bislang für die Sicherheit im Stadion verantwortlich. Und musste schon mal auf ihre Begleichung ihrer Rechnungen warten. Nun allerdings ist der Issa-Schuldner solventer. An die Stelle des Clubs tritt die städtische Tochter RGE. Man kann es auch anders sagen: Die Erlöse werden privatisiert, die Risiken kommunalisiert.

Die Gesamtsumme der gesamten städtischen Ausgaben inklusive der Aufwendungen aus den Töchterbetrieben für das Projekt Rot-Weiß Stadion kann man schwer beziffern. Ich schätze es sind fast 40 Mio Euro. Noch-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) hat nur 24 Mio Euro städtische Investitionen zugegeben. Der Rest wird schön geredet.

Unterdessen versuchen Leute auf den Forumsseiten des Revierssports zu Rot-Weiß Stimmung gegen mögliche Petzen in den eigenen Reihen zu machen. So wird vor allem gegen einen Aufsichtsrat gehetzt, der Journalist ist. In meinen Augen ist das peinlich. Es wird einfach ein Sündenbock ausgeschaut, auf diesem rumgehackt, anstatt das Problem zu erkennen und zu lösen. Die Stadt Essen kann sich das Stadion auf Steuerkosten einfach nicht leisten. Vielleicht hat das keiner in der Gemeinde gehört. Essen ist mir 3 Mrd Euro in der Kreide. Die Stadt ist am Ende. Hallo? Jemand da? Auf jeden Fall hat die Bezirksregierung Düsseldorf jetzt was gesagt. Und zwar greift die Behörde die Beteiligung der Gemeinde an der Profifußballabteilung von Rot-Weiß an. So sei die Bezirksregierung als Kommunalaufsicht nicht über den Erwerb einer 49-Prozent-Beteiligung an der Spielbetriebsgesellschaft informiert worden. In einem Schreiben der Bezirksregierung heißt es:

Zu einer Beteiligung der Stadt Essen an einer Profifußballfirma des Clubs Rot-Weiss Essen gibt es hier keinerlei Erkenntnisse.

Der Betrieb eines Profifußballclubs durch eine Gemeinde entspricht nicht den Voraussetzungen einer wirtschaftlichen bzw. nicht-wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden nach § 107 Abs. 1 bzw. 2 der Gemeindeordnung NRW und wäre damit nach hiesiger Auffassung unzulässig.

Ich bleibe am Ball.

Köhler will eine Debatte. OK: Alle raus aus Afghanistan – sofort

Foto: bundesregierung

Unser Bundespräsident Horst Köhler will, dass wir in Deutschland eine breite Diskussion über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr anfangen. OK, da mach ich gerne mit. Vorneweg meine These: Jeder Soldat, der dort stirbt, stirbt nutzlos. Jedes abgerissene Bein, jeder zerfetzte Arm, jede zerrissene Niere, Leber, Milz ist sinnlos verloren. Die Männer und Frauen der Bundeswehr erfüllen einen unsinnigen Auftrag.

Was verteidigen wir in den Bergen Afghanistans? Nichts.

Was erobern wir in Afghanistan? Nichts.

Was machen wir da? Unsinn. Wir verschwenden dort Leben, Gesundheit und Geld.

Ist es ein Erfolg deutscher Politik, wenn die Statistik eine gute Weizenernte in Afghanistan zeigt – und eine Rekordernte für Opium? 

Die Wahlen jetzt in Afghanistan haben gezeigt, dass wir bei einem unsinnigen Spiel mitmachen. Präsident Karsai ist kein Vertreter der Demokratie nach unserem Verständnis. Was ein Hohn. Der Mann beschirmt seinen Brudereinen Natoweit bekannten Drogendealer. Er setzt Truppen ein, um Konkurrenten seines Bruders aus dem Weg räumen zu lassen. Erst vor wenigen Wochen haben britische Natosoldaten tonnenweise Opium aus einem Anwesen des Karsai-Bruders geschleppt.

Hier ein aufschlussreicher und detaillierter Bericht von Thomas Schweich im New York Times Magazine. Klack. Schweich war ein hochrangiger Anti-Drogenbeauftragter im US-Aussenministerium und hatte vor allem mit den Problemen in Afghanistan zu tun.

Wenn wir also Karsai und sein Regime unterstützen, fördern wir eine korrupte Bande. Das ist ein Fakt. Was macht uns in diesem Fall besser als die Russen, die seinerzeit irgendeinen anderen korrupten Funktionär unterstützt haben? Nichts.

Aus Angst vor Anschlägen verbunkert sich die Bundeswehr in ihren Festungen wie eine Besatzungsmacht, die Soldaten kommen heraus in Sonnenbrillen, das Gewehr im Anschlag. Wie Besatzer.

Das soll ein Zustand sein? Das ist Unsinn. Das einzige was so gestärkt wird, ist der Wille zum Widerstand in der afghanischen Bevölkerung. Wir verheeren das Land weiter und sichern es nicht. Weil unsere Festungen im afghanischen Sand Ziel der Aufständischen. Weil unsere Soldaten Ziel der Aufständischen sind. Weil Menschen sterben.

Es heißt, unsere Armee würde die Zivilgesellschaft in Afghanistan aufbauen? Wie soll eine blonde Soldatin mit einem Gewehr im Anschlag und einer Sonnenbrille auf der Nase einem Patschtunen erklären, was er zu tun und zu lassen hat? Oder zieht sie sich erstmal eine Burkha an? Oder schicken wir da gar keine Soldatinnnen hin, weil das die Afghanen nicht verstehen würden? Das nenne ich Clash of Cultures.

Dann wird gesagt, alle die, die gegen unsere Bundeswehr in Afghanistan kämpfen, sind Terroristen. Dann gibt es da aber verdammt viele Terroristen in Afghanistan. Ich glaube eher, da kämpfen verschiedenen Völker und Ethnien, Verbrecherbanden und Clans um Macht und Einfluss. Und unsere Bundeswehr ist vor Ort nur eine Rechengröße, die jeder Beteiligte vor Ort zu seinen Gunsten einzusetzen versucht. Nehmen wir die Tipps der Informanten, wo sich Taliban verstecken. Ich wette, da schwärzen sich jede Menge Drogendealer gegenseitig an, damit unsere Soldaten den jeweils anderen umlegen.

Die Taliban selbst scheinen mir eine Unabhängigkeitsbewegung zu sein, die gegen die Besatzer kämpft. Vielleicht sind die Taliban Patschtunen, vielleicht sind das Pakistani, was weiß ich. Auf jeden Fall weiß ich, dass die Taliban sich nicht aus drei duzend RAF-Leute zusammensetzen, die wirren Hauptes Anschläge auf Repräsentanten des Staates durchziehen. Sie führen eine Armee und erobern, besetzen und beherrschen ganze Landstriche. Ich denke, die Talban sind eine Unabhängigkeitsbewegung. Keine sympathische. Und ziemlich sicher haben die auch Drogendealer in ihren Reihen und durchgeknallte Vergewaltiger. Aber sie kämpfen gegen die Karsai-Brothers-Clique und eine ausländische Besatzung und dann haben sie eine politische Agenda in Pakistan und Afghanistan. Klar gefallen mir die Pläne der Taliban nicht. Aber man muss die Fakten feststellen. Man kann nicht erzählen, die Taliban wären alles Terroristen. Das stimmt einfach nicht.

Foto: bundesregierung

Es heißt, wir würden im Kampf gegen den Islamismus in Afghanistan stehen. Wenn wir uns dort zurückziehen, würde unsere Welt zusammenbrechen und wir würden den Kampf verlieren.

Entschuldigung, aber das halte ich für Blödsinn. Auch ich fand den Angriff auf Afghanistan nach den Anschlägen in New York gerechtfertigt und richtig. Die Osama-Tat und der Schutz der Taliban für den Terroristen konnte nicht ungesühnt bleiben.

Ok, aber jetzt geht es um andere Dinge. Jetzt geht es um Besatzung eines wildfremden Landes. Wir wehren uns nicht mehr, sondern lassen uns in einen Kampf ziehen, in dem sich die anderen gegen uns wehren. Die Taliban haben im Widerstand gegen unsere Besatzung eine Rechtfertigung für ihre Handlungen gefunden.

Was passiert, wenn wir aus Afghanistan verschwinden? Auch dann ist Afghanistan immer noch sehr weit weg. So ungefähr die halbe Erde weit weg. Wenn die Afghanen uns nach unserem Rückzug Probleme machen sollten, kann man immer noch Bomber schicken. Zumindest eher, als dass die Taliban Bomber-Einsätze nach Bottrop fliegen. Aber zunächst wage ich die These, dass die Taliban kein weiteres Interesse an Angriffen auf Deutschland oder Europa haben, wenn wir erstmal da verschwunden sind. Klar werden die weiter gegen uns hetzen. OK. Dann mach ich in Talibanistan halt keinen Urlaub. So what? Wenn die uns angreifen, können wir uns wehren.

Ich bin sicher, dass wir hier in Europa genügend Truppen haben, um die Invasion der afghanischen Flotte in der Normandie abzuschlagen. Und genügend Sicherheitspersonal an europäischen Flugplätzen, um jede Flasche Spreng-Wasser zuverlässig aus den Kabinen der Air Lines in Mülltonnen am Security-Check zu verbannen. Und wenn dann doch ein Afghanischer Top-Terrorist mit einem Plastikmesser durch den Flieger stürmt, dann bin ich sicher, wird er von einem Sky-Marshall erschossen, bevor er mit seinem Plastikbesteck die verschlossene Cockpittür durchschabt.

Worauf ich hinaus will. Ich halte die Bedrohung Europas durch Afghanen für übertrieben, wenn unsere Sicherheitsorgane nicht so pennen, wie vor dem 11. September. Ich bin sicher, Berlin kann gehalten werden.

Oder anders gesagt, wir können doch nicht jahrezehntelang ein Land besetzen und tausende Menschen töten, aus Angst vor einem möglichen Anschlag?

Zudem habe ich Söhne und wenn ich mir denke, dass diese Söhne irgendwann in so einem Unsinnskrieg wie in Afghanistan ziehen sollten, um sinnlos irgendeine Wüste für eine Drogendealer-Clique aus Kabul zu sichern, dann wird mir ganz anders.

Ich hoffe, in der von Köhler geforderten Debatte um den Afghanistan-Einsatz kommt schnell heraus, dass die Deutschen den Einsatz ablehnen. Wenn aber der Unsinn in Afghanistan erkannt ist und der Abzug beschlossen wird, dann muss so schnell wie möglich jeder Soldat aus dem Land raus. Denn jeder Tote nach einem Abzugsbeschluss ist noch schwerer zu begründen, als in einem unsinnigen Einsatz.

Ich hoffe, Präsident Horst Köhler geht persönlich zu den Eltern der getöteten Soldaten, um zu erklären, warum es richtig war, ihr Kind zu opfern.

Die Bundeswehr ist stark genug, um jede Schlacht zu gewinnen. Den Krieg in Afghanistan kann sie niemals gewinnen. Wenn aber gewiss ist, dass kein Sieg möglich ist, müssen sofort die Opfer beendet werden, oder nicht? Alles andere ist Volkssturm-Mentalität.

Mir tun die Menschen leid. Mir tun die Soldaten leid. Lasst Euch nicht verheizen. Ihr seid kein Road-Side-Bomben-Futter. Ihr seid freie Menschen. Denkt nach und kommt zurück nach Deutschland. Hier könnt Ihr Aufgaben erfüllen. Nicht aber in Afghanistan. Findet einer von Euch den Job in Afghanistan sinnvoll? Oder seid Ihr nur dort aus Treue zu Euren Kameraden? Wie fühlt Ihr Euch, wenn die Menschen in Deutschland Eure Pflichterfüllung in Afghanistan als sinnlos erachten? Wenn die Menschen in der Heimat Euch nicht verstehen, euch nicht unterstützen können? Was zur Hölle tut ihr da? Ihr holt Euch nur posttraumatische Psychokrankheiten. Das ist alles. Sorry. Nix gegen Euch.

Das zum Bundeswehr-Einsatz.

Ich wette viele Menschen sehen das in Deutschland genauso. Vielleicht sogar die Mehrheit. Aber ob das hilft, diesen Unfug zu beenden? Was meinen Sie?

Ich glaube eher nicht.

RWE macht neue Firma für Kraftwerks-Bau

Der Energieversorger RWE bündelt den Kraftwerksbau in einer neuen Konzernsparte. In Zukunft sollen alle Bauvorhaben länderübergreifend in der Gesellschaft RWE Technology verantwortet werden, teilte das Unternehmen mit. Geschäftsführer der neuen GmbH wird der bisherige Vorstand der Erzeugersparte RWE Power, Matthias Hartung. Er ist in dieser Funktion direkt Holdungvorstand Ulrich Jobs untergeordnet. „Wir bündeln unser großes Know-how im Neubaugeschäft und erreichen dadurch eine noch bessere technische und wirtschaftliche Optimierung der Milliardeninvestitionen in unsere Großprojekte“, sagte Jobs. Mit dem einheitlichen Auftritt gegenüber Lieferanten soll zudem die Wirtschaftlichkeit der Projekte gesteigert werden. RWE baut derzeit sechs große Kraftwerke in Deutschland, den Niederlanden und in Großbritannien. Weitere Anlagen im In- und Ausland sind geplant.

Bis zuletzt hatte sich vor allem Manager aus der Erzeugungssparte RWE Power gegen die neue Firma gewehrt, da sie weitere Einflussverluste fürchteten und am Ende sogar die Zerschlagung der eigenen Strukturen, so wie es dem einst mächtigen Teilkonzern RWE Energy erging.

Die Gründung der Technologiesparte stand deswegen mehrfach in der ursprünglich geplanten Version auf der Kippe. Bis zuletzt war zum Beispiel unklar, wer für Projekte wie den geplanten Bau eines Atomreaktors im bulgarischen Belene verantwortlich sein soll. Diese Widerstände scheinen nun überwunden worden zu sein.

Die RWE Technology GmbH soll zum 1. Januar 2010 gegründet werden. Die Entscheidung muss noch von den zuständigen Aufsichtsgremien abgenickt werden.

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Schwarz-Grüne Bündnisse sind möglich – warum nicht im Bund?

Der CDU-Oberbürgermeisterkandidat für Mülheim, Stefan Zowislo, hat einen Bericht geschrieben über seine Erfahrungen mit Bündnissen von Schwarzen und Grünen. Und er sagt, sie sind möglich. Warum nicht auch im Bund? Ob kurz oder lang werden sie sowieso kommen. Dabei redet Zowislo nicht um den heißen Brei herum. Er benennt die Probleme etwa in der Atompolitik und mögliche Lösungen. Zowilso kennt sich gut aus mit schwarz-grün. Seine Frau war lange grüne Funktionärin. Er selbst ist ehemaliger CDU-Kreisgeschäftsführer und Manager des ersten schwarz-grünen Bündnisses in einer deutschen Großstadt. Das regierte nämlich bis 1999 in Mülheim an der Ruhr. Seit 2004 arbeitet Zowislo als Marketing-Chef der WAZ-Gruppe. Ich habe gestern über den spannenden Wahlkampf in Mülheim berichtet. Ich denke es ist interessant, Zowislos Ideen zu schwarz-grün kennenzulernen. Sie haben mehr zu bieten, als ein Feuerwerk. Deswegen veröffentliche ich hier seinen Bericht.

Die Zeit ist reif! Von Stefan Zowislo

Foto: Stefan Zowislo

Die Prozentzahlen der Europawahlen – oder auch jene von Umfragen – sind flugs addiert: Schwarz-Grün kann die Mehrheit bei der bevorstehenden Bundestagswahl erlangen. Was bedeutet das aus der Perspektive eines in den 1990er Jahre schwarz-grün erfahrenen CDU-Politikers (was ja schon fast einer Zeitzeugenschaft gleichkommt), der zudem in diesen Wochen in den Wahlkampf als Oberbürgermeister-Kandidat in Mülheim an der Ruhr zieht?

2005: „Wir wollen Schwarz-Grün“

Vor vier Jahren, nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl, haben meine Frau (die in den 1990er Jahren als Geschäftsführerin der europäischen Bündnisgrünen tätig war) und ich einen Artikel zur schwarz-grünen Lage für die politische Monatszeitschrift Cicero verfasst. Die neue Bürgerlichkeit, der Zusammenhalt der Gesellschaft als zentrales Ziel, nicht links oder rechts, sondern oben oder unten als die eigentlichen Koordinaten, ein Plädoyer für die Kategorie Sinn, die mehr aussagt als Geld oder Macht – um dies zu erreichen, war für uns klar: „Wir wollen Schwarz-Grün“.

Was kam, war die große Koalition, Jamaika oder Ampel blieben Blütenträume. Das Miteinander von CDU und SPD macht bis heute „üble Laune“, auch das stand schon 2005 in Cicero; doch nicht nur das: Der politische Wettbewerb, jener Ur-Nukleus des Fortschritts um die besten Ideen, blieb auf der Strecke. Es stimmt: Große Koalitionen werden zum „Gift, wenn sie über Legislaturperioden hinweg Bestand haben sollen“ (Norbert Röttgen).

2009: Ein neuer Anlauf?

Die CDU ist eine Volkspartei, aber auch sie stößt an eine Glasdecke des Wachstums. Viele Milieus lassen sich nicht mehr mir nichts, dir nichts mobilisieren, jedenfalls nicht für politische Ziele. Dafür bleibt man zunehmend „unter sich“, es fehlen die Themen, über die alle reden.

Das Verbindende innerhalb der CDU, die Sinnstiftung über christliche Werte, ist im Rückzug – und allzu kirchennah darf (und kann) es sowieso nicht mehr sein. Ist das Milieu der Kirchgänger zwar auch weiterhin wichtig für die Akzeptanz der Union – die Menschen dort werden weniger und modernisieren sich nur noch (dann ebenso kräftig wie kurzlebig) über Kirchen- und Katholikentage, was eine sonntägliche Gemeindearbeit jedoch kaum erreicht. Modernisierung aber ist unabdingbar für jedwede Erneuerung, auch die der Union. Genauso die Öffnung der CDU-nahen Milieus für neue und andere werteorientierte Fragestellungen.

Auf der „anderen Seite“, beim lange so genannten alternativen Milieu, dominieren Selbstgewissheit und das „Gutmenschentum“. Man gibt sich postmateriell, steht auf der Seite der Unterdrückten, macht sich auf die Suche nach der besseren Gesellschaft – und ist zugleich Bohème. Lebensstil als Vorbild – abseits von Bio-Kost – scheidet aus! Die Sinnfrage wird lautstark gestellt, man ist aber ungläubig, wenn sich ein christdemokratischer Politiker werteorientiert verhält. Höchste Zeit, sich der Floskel zu entledigen, dass eine schwarz-grüne Koalition angeblich aus „kulturellen Gründen“ ausgeschlossen sei.

Unabhängig von „ihren“ Milieus hat sich die Union in der Bundesregierung erfolgreich modernisiert und den Weg weiter beschritten, der einst in den 1980er Jahren mit der Thematisierung der Frauenfrage begann (dies nicht zuletzt dank Helga Wex, der langjährigen CDU-Politikerin aus Mülheim an der Ruhr, die 15 Jahre lang an der Spitze der Frauen Union stand). Nicht nur, dass die CDU die Kanzlerin stellt – das Modernisierungsprogramm für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfreut Mütter, Väter und Kinder.

Die Bündnisgrünen dagegen sind wieder – so wirkt es – in ihr angestammtes Milieu zurückmarschiert und haben den Weg von den Regierungs- auf die Oppositionsbänken dazu genutzt, verbal radikal zu bleiben, sich inhaltlich anzupassen und personell auf 1998er-Niveau zu verharren.

Im Zeichen der Krise

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ So hatte Bertolt Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ den historischen Materialismus auf den Punkt gebracht. Im Angesichte von Hunger und Elend – und unter dem Eindruck der Lektüre von Karl Marx.

Ist es heute nicht viel mehr umgekehrt? Erst kommt die Moral, dann das Fressen? Trotz aller sozialpolitischen Verwerfungen, die in unserem Land herrschen? Für mich steht fest: Wir werden die sozial-moralischen Voraussetzungen unserer Gesellschaft benennen und erneuern müssen. Wenn es stimmt, was Karl-Erivan Haub, Gesellschafter der Mülheimer Tengelmann-Gruppe, beschreibt, dass wir „den höchsten Lebensstandard gemessen am Bruttosozialprodukt hinter uns haben“, dann muss das in der Politik „ankommen“.

Deshalb steht – im Sinne von Jürgen Habermas – die Debatte um die „Zivilgesellschaft“ auf der Tagesordnung. Wie beteiligen wir sie an politischen Prozessen? Die inzwischen hoch professionalisierte Politikmaschine muss für die Brücken von Parteien und Politikern zur Zivilgesellschaft sorgen, sie muss dem Subsidiaritätsprinzip – und damit dem „Recht der kleinen Lebenskreise“ – dringend eine neue Renaissance verschaffen.

Kommunalpolitiker können, ja, müssen, für diese Erneuerung Trendsetter sein. Sie werden an der Praxis gemessen. Ihre Parameter müssen sein: Ansprache, Akzeptanz und Augenhöhe. Oder: Solidarität und Subsidiarität. Denn, so formuliert es Peter Slotterdijk: Die Gesellschaft der Zukunft ist „zum Vertrauen verurteilt“.

Die schwarz-grüne Reform

Reichlich Arbeit für Schwarz-Grün. Die CDU mit der katholischen Soziallehre und dem Ahlener Programm im Gepäck, ist gewappnet für den sozial-moralischen Diskurs und für den Umbau einer Gesellschaft, die zivilgesellschaftliches Engagement in großer Vielfalt ermöglichen will. Und die weiß, wovon sie spricht, wenn sie verstärkt die Familien stärken und fördern will, „auf die in guten und in schlechten Zeiten Verlass ist“ (Ursula von der Leyen).

In einer schwarz-grünen Konstellation hat die CDU die Aufgabe, sehr konkret den sozialpolitischen Teil zu formulieren – aber auch zu repräsentieren. Gerade die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) und an ihrer Spitze Karl-Josef Laumann (für den Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine die „beiden größten Vorsitzenden von populistischen Parteien in Deutschland“ sind) gehören bei schwarz-grünen Verhandlungen an den Tisch.

Im Zeichen der Krise kann es kein stures Festhalten an der „unsichtbaren Hand“ geben – dafür waren die sichtbaren Schäden zu groß. Nun wird es um die konkrete Umsetzung einer weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftsordnung gehen. Genug und gut zu tun für Schwarz-Grün.

Spaltpilz Atomkraft?

Die aktuelle Atom-Debatte ist von der CDU nicht gewollt. Sie hat eine klare Position für einen Energie-Mix, der die Atomkraft einbezieht. Die Union pflegt intensiven Kontakt zu allen Energieproduzenten und kommt in den Ländern ihrer Aufsichtspflicht gegenüber Atomkraftbetreibern nach – Ole von Beust aus dem schwarz-grünen Hamburg ist hier keinen Deut weniger eindeutig als Sigmar Gabriel. Kein CDU-Politiker wird sich von einem Energiekonzern die Glaubwürdigkeit nehmen lassen. Deshalb: ZEIT-Chefredakteur Bernd Ulrich liegt richtig, wenn er schreibt: „An der Atomkraft würde Schwarz-Grün nicht scheitern, vielmehr wäre Schwarz-Grün das endgültige Aus für die Atomkraft in Deutschland.“

Doch auch jenseits der Atomfrage wird die sozial-moralische Erneuerung nur dann gelingen, wenn sie die ökologische Perspektive beinhaltet. Der in den 1980er Jahren populär gewordene Satz (in so mancher WG schmückte er Küche oder Flur): „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“, verdient neue Konjunktur.

Forderungen des „Grünen Neuen Gesellschaftsvertrages“, mit dem die Bündnisgrünen in den Bundestagswahlkampf ziehen, sind in einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft jederzeit umsetzbar. Dass durch Umweltprodukte Arbeitsplätze geschaffen werden können, ist eigentlich nicht mehr als neuer Wein in alten Schläuchen. Die Diskussion um Solarenergie bekommt dank Desertec eine neue Dynamik; E.on-Manager verkünden hoffnungsfroh: „Wir steigen schrittweise auf erneuerbare Energien um.“

Vom Abschied der Romantik

Aus meinen Erfahrungen als CDU-Geschäftsführer des schwarz-grünen Bündnisses in Mülheim an der Ruhr (das erste in einer deutschen Großstadt) sei überliefert, dass die Grünen aus dem Staunen nicht herauskamen, dass die CDU sich an Vereinbarungen hielt, wenn man sie geschlossen hatte. Das führte zwar zu stets langwierigen Koalitionsrunden – aber anschließend war es perfekt. Grüne wunderten (und freuten) sich über Politiker, die sagen, was sie tun und tun, was sie sagen.

Eines wäre für mich bei einer schwarz-grünen Zusammenarbeit heute anders als einst in den 1990er Jahren in Mülheim: Es wäre kühler und nüchterner, das Romantische wäre perdu, von dem wir seit der großen Safranski-Studie wissen, dass es allzu sehr „die Intensität bis hin zu Leiden und Tragik sucht“ und damit „nicht sonderlich für Politik geeignet ist“. Aber ein wenig Romantik, in Maßen und wohldosiert, sei vielleicht gar nicht so übel – denn, so Rüdiger Safranski, „politische Vernunft und Realitätssinn ist zu wenig zum Leben“ und „Romantik macht neugierig auf das ganz andere“.

Und noch eines hat sich nach über einem Jahrzehnt verändert: Waren die Grünen damals ein wesentlicher Modernisierungsanstoß für die Christdemokraten – benötigte doch deren Pragmatismus die Prinzipientreue der Alternativen dringend zur Blickfelderweiterung –, so können wir heute vermelden: Selbstbewusst steht sie da, die Union, als Volkspartei der alten Schule mit neuer Öffnung und neuem Personal. Geradezu keck könnte sie den Grünen auch zurufen: Vorsicht, dass wir euch nicht davonlaufen! So zum Beispiel, wenn man im Vorfeld der Bundestagswahlen die Programmatik zum Thema Bürgergesellschaft der beiden Parteien vergleicht. Da attestieren Wissenschaftler Bündnis 90/Die Grünen, dass hier „kein Konzept für neue Formen des Regierens und Verwaltens“ zu finden sei und das „hohe Lied auf das bürgerschaftliche Engagement (…) kaum orchestriert“ werde. Lob dagegen für die Union: In deren Programm „werden alte und neue Engagementformen zu einer neuen Art von Gesellschaftspolitik zusammengeführt“, wenngleich – leider! – hier nach wie vor das „traditionelle Engagement mit traditioneller Motivation“ zu sehr im Mittelpunkt stehe. All das ist purer schwarz-grüner Humus!

Lernen aus der Krise

Das Vorhaben der sozial-moralischen Erneuerung unserer Gesellschaft benötigt – unter Führung der Union – zahlreiche Mitstreiter. Im Zeichen der Krise wird viel davon abhängen, wer sich wie lernfähig und engagiert erweist. Wer den Bankern in den Bars klar macht, dass Umkehr angesagt ist und es Grenzen und Maßstäbe gibt. Wer die Neuordnung der Finanzmärkte nach vorne treibt. Wer aus der Krise gelernt hat und – nur als ein Beispiel! – die Kirchen als Partner ansieht, erst recht nachdem der Papst mit seiner neuen Sozialenzyklika deutliche Worte gefunden hat.

Wir brauchen eine Neujustierung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Wirtschaft ist gefordert, ihren diskursiven Beitrag zur sozial-moralischen Erneuerung zu leisten, auch wenn die Aktienkurse wieder steigen. Der ehrenhafte Beruf des Politikers hat in der Krise bereits viel geleistet. Fast schon vorbildlich. Ein funktionierendes schwarz-grünes Bündnis in Berlin wird die Ehre des Berufsstandes weiter mehren.

FDP-Finanzierung – Bundestagsverwaltung versus Bundesrechnungshof

Die FPD Bundestagsfraktion bezahlt wie berichtet für Videos eine Firma und vertreibt die fertigen Spots dann über Youtube unters Wählervolk. Der Parteirechtler der Uni Düsseldorf, Prof. Morlok findet das ist eine zu Unrecht vom Steuerzahlern finanzierte Parteienwerbung, da diese Videos nicht die Inhalte der Fraktionsarbeit verbreiten, sondern lediglich Sympathiewerbung für die beiden beteiligten FDP-Granden Hermann Otto Solms und Otto Fricke beinhalten. Der eine ist finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, der andere Vorsitzender des Haushaltsausschuss. Zudem würde zumindest im Video: „Insel der Erkenntnis (FDP-Steuermodell)“ ausschließlich das FDP-Parteiprogramm beworben. Auch das ein laut Morlok No-Go für steuerfinanzierte Fraktionen. In ähnlichen Fällen kam es bereits zu Verurteilungen. Aber egal.

Ich hatte bei der FDP angefragt, wie teuer die Videos waren. Als Antwort gab es keine Auskünfte, sondern unter anderem diesen Hinweis von einem FDP-Fraktionssprecher: „Die entsprechenden Zahlen finden sich in den Akten, die der Rechnungshof einsehen kann – also sollten Sie sich, wenn Sie diesen Weg gehen möchten, bitte dorthin wenden.“ Ok, dachte ich, dann frag ich mal da. Offiziell wollten mir die Leute vom Bundesrechnungshof nicht sagen. Aber intern habe ich nachher erfahren, sehen die Leute dort den Fall genauso wie Prof. Morlok. Bald steht eine Prüfung an, dann wollen sie sich das Ganze mal genau ansehen, heißt es. Offiziell bekam ich nur die Auskunft, dass der Bundesrechnungshof nichts sagt und dass ich mich an die Bundestagsverwaltung wenden soll.

Gut, auch das tat ich. Hier allerdings heißt es zur Causa:

Die Filme weisen am Ende auf die Homepage der Fraktion hin, die Funktionen von Herrn Fricke und Herrn Solms in der Fraktion gehen daraus hervor und es ist kein Wahlaufruf zu Gunsten der FDP als Partei enthalten. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Bundestagsverwaltung keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz.

OK. Damit ist der dräuende Skandal erstmal beerdigt, würde ich sagen. Aber ich bin mal gespannt, was die Bundestagsverwaltung sagt, wenn der Bundesrechnungshof die Filme in der kommenden Zeit prüfen sollte.