Mülheims Comeback-Kid oder kriegt CDU-Zowislo den OB-Job?

Foto: Stefan Zowislo

Wie gesagt, der Kommunalwahlkampf im Ruhrgebiet ist in seiner Endphase eigentlich nur noch in Essen, Bochum und Mülheim spannend. Dortmund und Duisburg scheinen entschieden. Während die CDU in Essen Probleme durch die dubiose Stadionfinanzierung für Rot-Weiß Essen bekommt – und die SPD so hoffen darf, wenn auch nicht die Ratsmehrheit, so doch wenigstens nach zehn Jahren wieder den Posten des Oberbürgermeisters zu erobern, sieht es in Bochum und Mülheim mit verkehrten Vorzeichen für die SPD schlecht und die CDU gut aus.

In Bochum müsste die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) eigentlich abgewählt werden. Und zwar wegen der unglaublichen Aktenvernichtung im Rathaus, wegen der völlig überzogenen Philharmoniepläne und dem grandios gescheiterten Cross-Border-Leasing. Dies alles hat zu Schäden in Millionenhöhe für Bochum geführt. Wenn dort die Demokratie funktioniert würde, wäre Scholz weg – was aber wegen der Bochumer Verhältnisse ungewiss bleibt.

Anders sieht der Wettbewerb in Mülheim aus. Hier legte der Oberbürgermeisterkandidat der Konservativen Stefan Zowislo in der letzten Wahlkampfwoche einen beeindruckenden Endspurt hin, der auf höhere Weihen schließen lässt. Dies ist umso erstaunlicher, als Zowislo im Frühjahr nach seiner gescheiterten Attacke auf den ehemaligen Skandaloberbürgermeister von Mülheim und heutigen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Jens Baganz, eigentlich als verbrannt galt.

Wie kommt es zum Comeback? Nun: zum einen liegt es an der Bräsigkeit der amtierenden Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD), die nicht zuletzt durch peinliche Videobotschaften ihrer Jusos aufgefallen ist, siehe linkes Bild. (klick) Gut, aber nicht gut genug. Da ist auch die Kampagne der SPD, die zwar hyperaktiv ist, mit duzenden Pressemitteilungen in der Woche, aber ohne echtes Pfund. Ich denke da zum Beispiel an die Fachhochschul-Posse, in der sich die SPD-Führung rund um Mühlenfeld nicht mal entscheiden konnte, einen Standort für die neue Schule ins Ministerium zu melden. Stattdessen versuchten sich gleich mehrere Spitzenleute der Kommune gemeinsam mit einen prominenten Bauunternehmer an der Immobiliengeschichte zu bereichern (aber Ok, das ist eine andere Geschichte, die ich bei Gelegenheit mal schreibe). Es bleibt dem Beobachter festzustellen, dass die SPD-Kampagne in Mülheim inhaltsarm ist. Aber diese Armut muss nicht jedem Wähler auffallen. Vor allem nicht im Wahlkampf, wo es meist sowieso nur um Schaukämpfe geht. Diese Gründe reichen also nicht aus, um Zowislos Comeback zu erklären.

Ich denke, es gibt drei Ursachen dafür, dass der Mülheimer Wahlkampf wieder spannend geworden ist. Ich zähle sie mal der Reihe nach auf.

Die SPD verhält sich in Mülheim arrogant, wie man es eigentlich nicht mehr im Ruhrgebiet gewohnt ist. Ich liefere mal ein Beispiel: So wurde die von Dagmar Mühlenfeld geführte Stadtverwaltung gezwungen, der SPD die privaten Daten von tausenden Bürgern aushändigen, damit diese mit Wahlwerbung überschwemmt werden können.

Das glauben Sie nicht? Ist aber so: Zwar darf die Stadtverwaltung den Parteien auf Antrag Daten von potentiellen Wählern liefern, aber eben nicht einfach alles, sondern begrenzt auf zwei Gruppen mit nicht mehr als zehn Jahrgängen. In Mülheim juckte das die SPD nicht. Sie ließen sich von Genossin Mühlenfelds Beamten die Daten aller 7500 Erstwähler liefern – was korrekt ist.

Sie ließen sich aber auch die Daten von 38.815 Menschen über 65 schicken – was überhaupt nicht OK ist, und ein fatales Verhältnis zum Datenschutz beweist. Zum Zwecke des Machterhaltes wurde mit den persönlichen Daten einer ganzen Stadtbevölkerung gehandelt, als sei das Privatbesitz der SPD. Genau damit wird der Kern des Datenschutzes verletzt. Nicht mit irgendwem, der einen Toaster verkaufen will und sich deswegen einen Datensatz einshoppt.

Die Stadt räumte übrigens mittlerweile den Verstoß gegen das Meldegesetz ein. Unerträglich – eigentlich. Aber genug um Zowislo zurück ins Rennen zu bringen? Eigentlich nicht, denn Skandale entscheiden nur selten Wahlen – Datenschutzskandale haben das noch nie getan, soweit ich weiß.

Es muss eine weitere Komponente hinzukommen. Und das nenne ich die Mülheimer Verhältnisse. Hier gibt es nämlich einen Sonderfall in der politischen Landschaft. Die SPD mit ihrer Arroganz hat in der Stadt schon vor über zehn Jahren für ein schwarz-grünes Bündnis gesorgt. Das zweite nach Gladbeck in einer Revier-Stadt, das erste in einer nordrhein-westfälischen Großstadt. Zowislo war einer der Architekten dieses Bündnisses. Die alten Bande bestehen noch. Gegen die Machtarroganz der Genossen stehen die Grünen weitgehend zum schwarzen Zowislo. Mehr noch. Selbst die mit den Grünen verfeindeten Mülheimer Bürgerinitiativen rund um Lothar Reinhard können sich mit dem Christdemokraten anfreunden. Er ist offener für neue Ideen und beliebter als ein Schulbus voller SPD-Ratsmänner. Aus diesem Lager kann also der CDU-Kandidat mit Stimmen rechnen.

Reicht das? Vielleicht – eher nicht. Um den Sack zu zumachen, setzen sich wirklich Mächtige aus dem ganzen Land für Zowislo ein. Es geht nämlich nicht nur um einen Oberbürgermeisterposten. Es geht um mehr. Es geht um einen Propagandaerfolg für die ganze CDU im Land.

Der Hintergrund ist einfach zu verstehen. Die SPD gewinnt auf jeden Fall den Posten des Oberbürgermeisters in Köln von der CDU zurück. Gleichzeitig hat sie gute Chancen in Essen zu siegen. Damit stehen die Sozialdemokraten vor zwei Erfolgen, die sie in der Wahlnacht präsentieren können. Ihr Absacken bei den Gesamtergebnissen in den Stadträten wird dahinter zurückfallen. Es wird nicht als schlimm wahrgenommen, wenn die SPD nur 30 oder 35 Prozent holt. Die Ausgangsbasis ist schlecht genug, da kann man nicht mehr viel verlieren.

Anders sieht das bei der CDU aus. Die Konservativen drohen gleich zwei entscheidende Großstädte zu verlieren. Mehr noch: Sie sind in Dortmund chancenlos. Selbst in Bochum ist bei allen Skandalen nicht sicher, dass die Wähler endlich die Stadt von Ottilie Scholz erlösen, siehe oben. Dazu dräuen erhebliche prozentuale Verluste. Es wird nach den Wahlen nicht mehr die Rede von der Arbeiterpartei CDU sein können. Ein Ergebnis von satt unter 40 Prozent wäre zudem ein mieses Signal für die Bundestagswahl. Gerade wenn die Christdemokraten nicht einen Sieg im Ruhrgebiet vorweisen können.

Und genau deswegen muss Zowislo siegen, scheinen Rüttgers und Konsorten zu denken. Und deswegen schicken sie Mann und Maus nach Mülheim. Allein heute und morgen kommen NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel war da und traf sich im Rahmen ihres Besuchs bei der Mülheimer Tengelmann-Gruppe mit Zowislo zum Gespräch.

Vielleicht wichtiger für die Bürger war aber die öffentliche Einladung zur Film-Martinee mit Horst Schlämmers Hauptwerk „Isch kandidiere“ am vergangenen Sonntag. Zowislo subventionierte den Eintrittspreis für alle auf den Kindertarif von 4,50 E runter.

Dazu wird im Hintergrund zugunsten des OB-Kandidaten geschoben, was das Zeug hält. Mir sind Telefonate bekannt, in denen SPD-Spitzenkräfte aus dem Land versuchten, prominente SPD-nahe Unternehmer zu überzeugen, Mühlenfeld zu unterstützen. Das ganze zu einer Zeit, in der die Manager schon mit CDU-Vormännern konkret über Parteispenden verhandelten. Die SPD-Spitzen wurden nach den Telefonaten von den Managern im Kreis der Zuhörer verspottet. Kein Scheiß, so erlebt. Ich verzichte hier mal auf Namen – nicht nur, um die Unternehmer zu schützen.

Damit aber nicht genug. Die SPD um Mühlenfeld wird noch peinlicher als die Bezeichnung Stadtkanzlei für die Schreibstube der  Oberbürgermeisterin überhaupt sein kann. Ich gebe ein Beispiel: So wollte auch NRW-Familienminister Armin Laschet (CDU) den Kandidaten Zowislo im Wahlkampf unterstützen. Er kündigte seinen Besuch an und wollte mit der lokalen CDU eine Schule besuchen und dort unter anderem mit örtlichen Caritas-Vertretern sprechen. Ungewöhnlich das? Im Wahlkampf? Nöö. Normales Business. Das machen alle Parteien so. Ich kriege jeden Tag Einladungen von Steinmeier und Co irgendwohin zu kommen, wo Spitzensozialdemokraten auftreten. Das ist absolut OK.

Nicht aber in Mülheim. Nachdem die SPD vor knapp zwei Wochen Wind vom anstehenden Besuch bekommen hatte, schrieb der Leiter der Stadtkanzlei Frank Mendack der Caritas einen Brief. Darin heißt es: „Die Oberbürgermeisterin freut sich, Herrn Minister Laschet in der Einrichtung als Vertreterin des Schulträgers, Hausherrin und verwaltungsfachliche Leiterin der staatl. unteren Schulaufsichtsbehörde begrüßen zu dürfen.“

Schlucken Sie das, atmen sie ruhig aus. Und denken Sie nach.

Das ist ungefähr so peinlich, wie der überraschende Besuch des ungeliebten und nicht eingeladenen Onkels auf der Hochzeit der Nichte. Das schlimme an dieser Vorstellung: Der Onkel säuft sich zu und lallt dann ins Mikro Unverschämtheiten über den Schwiegervater – so wie er es immer tut.

Das Reindrängeln in die Veranstaltung des politischen Wettbewerbers kam jedenfalls nicht gut an. Laschet sagte seinen Besuch pikiert ab. So wie es vor ihm in einem ähnlichen Fall CDU-Verkehrsminister Lutz Lienenkämper tat, als auch ihm die annährungswillige OB Mühlenfeld auf den Pelz rückte.

Reicht das für Zowislo aus, um in Mülheim zu gewinnen? Ich weiß es nicht. Vielleicht – ja.

Verfahren eingestellt. Sind Chemie-Einleitungen in Ruhr OK?

Vor ein paar Monaten habe ich über einen Chemieunfall an der Ruhr berichtet, bei dem die Staatsanwaltschaft Hagen ermittelte. Damals war die Chemikalie Sulfolan im Trinkwasserfluss festgestellt worden. Rund vier Tonnen des Stoffes sollen in die Lenne und dann weiter in die Ruhr geflossen sein. Sulfolan gilt als gesundheitsgefährdend, wenn es verschluckt wird. Die Chemikalie kann akute oder chronische Gesundheitsschäden hervorrufen. Damals wurde Sulfolan im Trinkwasser aus mehreren Wasserwerken an der Ruhr nachgewiesen. Die Belastung im Trinkwasser lag etwa am Wasserwerk Mülheim bei bis zu 15 Mikrogramm je Liter in der Spitze. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR), Hansjörg Sander, sagte mir damals, die nachgewiesenen Konzentrationen im Trinkwasser hätten keinen Anlass zur „akuten Sorge“ gegeben. Allerdings sei es bedenklich, dass so ein Stoff in die Ruhr gekippt werden könne, der durch alle Filter bis in die Tasse Morgenkaffee durchschlägt.

Und wie sich jetzt herausstellt, ist das Verklappen nicht einmal illegal. Mir liegt ein Vermerk der Staatsanwaltschaft Hagen vor, aus dem hervorgeht, dass die Firma Lobbe nicht strafrechtlich belangt wird. Dabei hatte diese Firma die Verantwortung für die Gifteinleitung. Im Einstellungsbescheid heißt es:

Die Firma Lobbe betreibt eine Abfallentsorgungsanlage, zu der auch eine chemisch-physikalische Aufbereitungsanlage gehört, deren Abwasser mit Genehmigung in die Kanalisation eingeleitet wird."

Die Staatsanwaltschaft kommt zu dem Schluss, dass damit auch die Sulfolan-Einleitungen in die Ruhr OK waren. Es seien aufgrund der Genehmigung keine "wasserrechtlichen Pflichten" verletzt worden. Zudem sei auch kein Schaden entstanden und es habe auch keine unmittelbare Gefahr bei "Trinkwassernutzern" bestanden – obwohl Grenzwerte überschritten worden seien.

Ich frage mich bei diesem Urteil zwei Dinge:

a) Warum werden solche Gifteinleitungen zugelassen? Das Umweltministerium hat nach dem Wassergesetz die Macht, Schadstoffeinträge minimieren zu lassen. Die entsprechenden Genehmigungen können also geändert werden.

b) Darf jetzt jeder Müllentsorger ungestraft sein Gift in die Kanäle ablassen?

 

Personalien bei der WAZ – führende Leute gehen

Wie ich gerade erfahren habe, verlassen mit Angela Gareis und Norbert Robers gleich zwei gute Leute die Zeitungen der WAZ-Gruppe. Sie haben gekündigt. Ein vielleicht bemerkenswerter Schritt in der Zeitungskrise.

Angela Gareis leitet derzeit noch das Berliner Büro der Gruppe. Robers war erst im vergangenen Jahr von der Oldenburger Nordwest-Zeitung als Ressortleiter Innenpolitik zur WAZ gestoßen, hatte dann aber bei einer Rocharde in der Redaktion den Tisch gewechselt und ging als Landeskorrespondent nach Düsseldorf. Beide wollten sich auf Nachfrage nicht zu den Gründen ihrer Kündigung äußern.

Aus dem Umfeld der WAZ-Gruppe wird allerdings kolportiert, dass zumindest Gareis sich im Streit um die WAZ-Verhältnisse vom Verlag getrennt habe. Bei Robers hätten auch persönliche Gründe für die Kündigung gesprochen. Weiter heißt es, Chefredakteur Ulrich Reitz habe noch versucht Gareis zu halten, letztlich aber erfolglos.

Die WAZ steckt derzeit in einem langen Umwandlungsprozeß, bei dem rund 300 Stellen abgebaut werden sollen. Zudem sorgen Aboeinbrüche für miese Stimmung in den Redaktionen: Nach Infos der taz haben die NRW-Zeitungen der WAZ-Gruppe gut zwei Monate nach Einführung des zentralen Content Desks in Essen rund 26.000 Exemplare im Vergleich zum Vorjahr verloren. Ein schlechtes Signal für die zentrale Führung.

Mehr zu den Entwicklungen in der WAZ im WAZ-Protestblog.

Schlammschlacht in Unna. Jasperneites Ehe-Waterloo

Wilhelm Jasperneite will für die CDU Landrat im Kreis Unna werden. Deswegen hat er eine Internetseite gemacht. Darauf stellte er sich als "alleinerziehender Vater" vor. Den Menschen im Ruhrgebiet könnte Jasperneite nicht nur als Unnaer Lokalpolitiker bekannt sein, sondern auch als EX-Fraktionschef der CDU im damaligen Kommunalverband Ruhr. Hier versuchte er von der Politikerseite auf den Chefsessel der Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR) zu wechseln – was aber mißlang. Danach wurde Jasperneite nach und nach im Revier entmachtet und musste sich nach Unna zurückziehen. Wie dem auch sei: die Worte "alleinerziehender Vater" im Online-Lebenslauf von Jasperneite erzürnten seine Ex-Frau. Sie holte nun mitten im Wahlkampf zum Gegenschlag aus. Auf der Seite irmgard-jasperneite.de beschreibt sie detailliert, wie Jasperneite sie verlassen hat und mit den drei Söhnen alleine Zuhaus zurücklies.

Seit dem 22.04.2003 hat sich mein Leben ganz plötzlich grundsätzlich verändert. Das war der Tag, bzw. der Abend an dem mein Ehemann mir mitteilte, dass er beschlossen habe sich von mir zu trennen und auszuziehen. Im Juni zog er dann aus und ließ mich mit unseren Söhnen in unserem Haus zurück."

Frau Jasperneite ist sauer drüber, dass ihr Mann versucht, auch noch aus der Trennung heraus politisches Kapital zu schlagen. Sie beschreibt, wie sich ihr Mann, der Politiker, nicht um die Kinder kümmerte, sie den Haushalt schmiss und dann verlassen wurde.

Unseren ältesten Sohn bekam er fast nur an den Wochenenden zu Gesicht, da er neben seiner beruflichen Tätigkeit vier Jahre lang eine Abendschule besuchte. Auch die Kleinkinderzeit unseres zweiten Sohnes konnte er nur begrenzt miterleben, da ihn Beruf und Abendschule stark beanspruchten. Anschließend ging er wieder seinem Beruf nach und engagierte sich stärker in der Politik, so dass ihm sehr wenig Zeit für seine Familie blieb. Er konnte sich völlig auf mich verlassen, was die Betreuung unserer Kinder und des Haushaltes betraf. So ging unser Leben weiter bis zu dem besagten Tag im April 2003, an dem sich unser Leben grundlegend änderte. Etwa vier Jahre lang lebte ich mit unseren Söhnen allein in unserem Haus."

Erst als sie 2007 wieder in ihre Heimatstadt gezogen sei, wären die Söhne zum Vater gezogen. Sie seien aber alle erwachsen und müssten nicht mehr erzogen werden. Es könne also keine Rede davon sein, dass Jasperneite "alleinerziehender Vater" sei.

Als Grund für ihre Darstellung gibt Frau Jasperneite an, sie wolle ihre Gefühle deutlich machen:

Ich schreibe diese Klarstellung, weil ich als Mutter der drei Kinder auf seiner Homepage überhaupt nicht vorkomme und man den Eindruck haben könnte, als seien ihm die Söhne vom Klapperstorch vor die Tür gelegt worden. Alle drei Söhne (es sei noch einmal hervorgehoben: Sie sind alle im Erwachsenenalter) haben eine Mutter – die über ihr Nichtvorhandensein in der Vita des Landratskandidaten bestürzt ist. Ich betrachte es als eine Beleidigung und eine Unverschämtheit, dass meine 25-jährige Familienarbeit überhaupt nicht erwähnt und gewürdigt wird, und dass diese Seiten den Eindruck erwecken, als hätte er unsere Kinder allein großgezogen und alles aus eigener Kraft geschafft."

Jasperneite hat mittlerweile die Worte "alleinerziehender Vater" von seiner Seite gelöscht. Stattdessen steht dort nun:

1981, 1984 und 1988 wurden seine Söhne Michael, Daniel und Jonas geboren, die für den Familienmenschen Jasperneite der wichtigste Teil seines Lebens sind"

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FDP droht neuer Finanzskandal im Internet

Der FDP droht ein neuer Finanzskandal. Erstaunlich, oder? Man sollte meinen die Partei sei nach dem Möllemann-Debakel vor dubiosen Finanzierungen gefeit. Weit gefehlt. Aktuell geht es um eine Videowerbekampagne der Herren Fricke & Solms im Internet. Diese verstößt nach Ansicht des renommierten Parteirechtlers Martin Morlok gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Denn die FDP finanziert die Werbespots für Fricke & Solms nach eigenen Angaben aus der Kasse der Bundestagsfraktion. Morlok meint, das dürfe nicht sein, denn aus der Fraktion dürfe nur die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion bezahlt werden, keine Parteien und Personenwerbung. Im Extremfall drohen Rück- und Strafzahlungen in unbekannter Höhe.

Fricke & Solms sind Vormänner der FDP Bundestagsfraktion. Hermann Otto Solms ist finanzpolitischer Sprecher und Otto Fricke Vorsitzender des Haushaltsausschuss des Bundestages. In den Spots Fricke & Solms, die vor allem über Youtube verbreitet werden, machen die beiden Sympathiewerbung. Sie versuchen das Wahlprogramm in netten kurzen Einspielungen komisch zu erklären. Ob das gelungen ist oder nicht, sollte jeder selbst beurteilen. Die Allgemeinheit geht aber an, wie die Spots finanziert werden. Denn nach Angaben der Pressestelle der Bundestagsfraktion wurden die Spots aus Fraktionskassen und damit aus Steuergeldern bezahlt.

Wie Professor Morlok von der Uni Düsseldorf erklärt, darf das nicht sein. Die strengen Regeln für den Umgang mit Steuergeldern würden vorsehen, dass nur die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion aus Steuern bezahlt werden darf – und keine Sympathiewerbung für Fraktionsmitglieder und keine Parteiwerbung.

Morlok sagte den Ruhrbaronen: „Wir haben hier den glasklaren Fall von Sympathiewerbung für Fricke und Solms. Zudem wird allein das Programm der FDP beworben. Die Fraktion taucht nur kurz im Anhang des Spots auf. Das ist unerlaubte Werbung.“

Tatsächlich scheint die Fraktion, außer Geld zu geben, nicht viel für den Spot gemacht zu haben. Unter dem Titel: „Insel der Erkenntnis (FDP-Steuermodell)“ dreht es sich allein um die Steuerideen der FDP. Von der Arbeit der Fraktion ist nicht die Rede. Dafür darf sich Solms als Eisverkäufer profilieren. Auch im Spot „Fricke&Solms auf Bundesparteitag in München (Steuerkonzept)“ dreht es sich um alles Mögliche, nur nicht um die Fraktionsarbeit.

Produziert wurde zumindest der Spot Insel der Erkenntnis laut Abspann von einer Firma Universum Verlag GmbH. Das Unternehmen kümmert sich seit längerem um die FDP-Auftritte im Internet. Für die FDP in NRW konzipierte die Firma den neuen Internetauftritt. Auch hier scheint die Finanzierung aus Fraktion und Partei vermischt zu sein. Zumindest heißt es in der Präsentation der Firma: „Das neue FDP-Info-Portal wird getragen vom FDP-Landesverband und der FDP-Landtagsfraktion“.

Die FDP-Bundestagsfraktion jedenfalls lässt in einer Stellungnahme an die Ruhrbarone mitteilen, die Reihe "Fricke & Solms" werde von der FDP-Fraktionspressestelle betreut und hergestellt, "die Inhalte werden von uns selber ohne Kreativagentur oder sonstige externe Ideengeber entwickelt. Für Filme, die wir nicht mit eigenen Geräten (handelsübliche Amateurgeräte und Software) selber drehen und schneiden können, haben wir einen Rahmenvertrag mit einer externen Produktionsfirma.“

Zu der Finanzierung will ein Sprecher der Fraktion lieber nichts konkretes sagen. Stattdessen antwortet er ausweichend: „Sämtliche Ausgaben der FDP-Bundestagsfraktion werden in regelmäßigen Abständen vom Bundesrechnungshof geprüft. Den Fraktionen des Deutschen Bundestages ist es untersagt, Wahlwerbung zu machen. An dieser Vorgabe, die übrigens ebenfalls regelmäßig vom Bundesrechnungshof kontrolliert wird, richten wir unser gesamtes Informationsangebot konsequent aus.“

Nun ja, man wird sehen, ob sich der Rechnungshof bald mit den Spots "Fricke & Solms" auseinandersetzen wird. Ähnliche Fälle gab es jedenfalls schon. Die CDU in Rheinland-Pfalz beispielsweise kam in Turbulenzen, als bekannt wurde, dass der CDU-Landeschef und Fraktionschef Christoph Böhr Geld aus den Fraktionskassen umgeleitet hat, um für sich selbst Werbung zu machen. Die rheinland-pfälzische CDU hatte nämlich anlässlich der Fußball-WM 1998 eine mit Fotos ihres Landesvorsitzenden Böhr gespickte Broschüre herausgegeben und diese je zur Hälfte aus den Kassen von Landespartei und Landtagsfraktion bezahlt. In der WM-Broschüre mit dem Titel "Nix Politik, Fußball!" hatte sich Böhr als glühender Fan des Spiels präsentiert. Den Anteil der Fraktion an der Broschüre in Höhe von 33 745,26 Euro wertete das Berliner Verwaltungsgericht als "unzulässige Spende" an die Partei. Fraktionen dürften laut Gericht nämlich das Geld, das ihnen vom Staat zur Verfügung gestellte wird lediglich zur Wahrnehmung eigener Aufgaben einsetzen, nicht aber für die hinter ihnen stehenden Parteien.

Weiter stellten die Berliner Richter fest, dass die Fußballbroschüre keinerlei Bezug zur Arbeit der Fraktion gehabt habe. Stattdessen habe es sich um eine „reine Sympathiewerbung“ für Böhr gehandelt. Damit habe die CDU gegen das Parteiengesetz verstoßen. Als Strafe verlangten die Richter in ihrem Urteil von der CDU, dass sie den dreifachen Betrag der erhaltenen Spende zurückzahlt.

Kommunales Debakel um Rot-Weiss-Essen Stadion. Staatsanwaltschaft prüft Verfahren gegen OB Reiniger (CDU)

OB Reiniger (CDU und 2. vr) läßt sich bei Rot-Weiß Essen feiern. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen in der Causa "Volkseigener Kickerclub" Foto: Stadt Essen

Der Wahlkampf in Essen wird in der letzten Woche spannend. Es geht um den Neubau des Georg-Melches-Stadion, Millionenzahlungen an Unternehmen aus dem Umfeld eines zwielichtigen Ex-Filmrechtehändlers, satte Beraterhonorare für den ehemaligen Fußballprofi Thomas Strunz und ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den Essener Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger.

Die Geschichte beginnt in der Essener City. Hier wurde in den vergangenen Jahren die Philharmonie gebaut, hier wurden Theater und die schönen Künste gepäppelt. Ein Erfolgsreigen für die schwarz-grüne Koalition in der zukünftigen Kulturhauptstadt Europas.

Doch nach all den Segnungen für die Hochkultur fragten sich die Verantwortlichen von CDU und Grünen, ob das genug ist, um die Wahlen in einer Arbeiterstadt zu gewinnen, wie ein Kenner der Essener Politik berichtet. Eine neue Idee kam auf: im armen Essener Norden sollte das marode Stadion des Fußballclubs Rot-Weiß Essen saniert werden, damit die kleinen Leute was bekommen, auf das sie stolz sein können. Lange vor der Kommunalwahl startete also das Projekt Arena. Bevollmächtigter des Vorhabens wurde im Namen von Oberbürgermeister Reiniger Stadtdirektor Christian Hülsmann.

Zunächst sieht alles nach einem Erfolg aus. Am 8. August – pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfes – feierte Reiniger vor der Lokalpresse in der Hafenstraße den „Anstoß“ für die neue Arena. Bei der Zeremonie sagte der CDU-Politiker, nach dem Sturz in die Viertklassigkeit habe die Stadt „das Heft in die Hand“ nehmen müssen. Reiniger sagte, die Stadt werde insgesamt 24 Mio Euro für das Stadion zahlen. Dies sei ein „Beitrag zur sozialen Symmetrie in unserer Stadt”.

Tatsächlich aber war zum Zeitpunkt des Anstoßes nichts in trockenen Tüchern. Im Gegenteil: die gesamte Finanzierung des Stadionbaus ist ungewiss. Mir liegen interne Dokumente der Stadt Essen vor. Aus den Papieren lässt sich lesen, mit welchen Manövern die Verantwortlichen um Reiniger und Hülsmann versuchen, das Projekt durchzuboxen.

Denn bevor die Stadt überhaupt an den Stadionbau gehen konnte, musste zunächst der Fußballverein Rot-Weiß vor der Pleite gerettet werden. Auf dem Club lastete im Frühjahr eine Schuldenlast von rund 11 Mio Euro. Der Verein konnte seine Rechnungen kaum bezahlen. Eine Insolvenz stand unmittelbar bevor.

In einer Notrettung kaufte die Stadt Essen zunächst über ihre Grundstücksverwaltungsgesellschaft GVE ein Darlehen der MK Medien Beteiligungsgesellschaft an den Fußballclub auf, das dieser nicht zurückzahlen konnte. Die MK Medien wurde dabei von Michael Kölmel vertreten. Dieser Mann ist nicht unbekannt. Er hatte den Filmrechte-Konzern Kinowelt gegründet und spektakulär in die Pleite geführt. Kölmel saß vorübergehend in Untersuchungshaft und wurde schließlich wegen Untreue und Insolvenzverschleppung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monate sowie einer Geldstrafe von 326.000 Euro verurteilt. Die Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Mit dem Darlehen übernahm die GVE Schulden von Rot-Weiß Essen an die MK Medien in Höhe von 7,5 Mio Euro. Dafür verpflichtete sich die GVE insgesamt 3,5 Mio Euro an die MK Medien zu zahlen. Zusätzlich kaufte die städtische Tochter für insgesamt 3,2 Mio Euro Rechte und Darlehen von der Marketinggesellschaft des Fußballvereins. An der Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die MK Medien von Michael Kölmel beteiligt. Damit hatte die Stadt Essen Schulden des Fußballclubs Rot-Weiß Essen in Höhe von insgesamt rund 10 Mio Euro übernommen. Diese Darlehen wurden bislang nicht eingetrieben, sondern stehen als wertlose Forderungen in den Büchern der GVE.

Doch auch das reichte noch nicht aus, um den Verein zu retten. Um die Lizenzbedingungen des Deutschen Fußballbundes zu erfüllen, übernahm die Stadt zusätzlich eine 49-Prozent-Beteiligung an der Profiabteilung des Clubs und die Mehrheit an der Marketinggesellschaft.

(Anmerkung: Die gestrichene Passage habe ich – wie von Herrn Hülsmann unten beschrieben – nicht ganz richtig dargestellt. Die GVE hat die Vermartungsrechte von RWE weitgehend übernommen und will die Mehrheit an der Marketingsgesellschaft übernehmen. In der entsprechenden Aufsichtsratsvorlage der GVE heißt es wörtlich: "Die Vermarktung des Lizenzspielerbereichs soll künftig durch eine Vermarktungsgesellschaft erfolgen, an der mehrheitlich die GVE beteiligt sein wird und die auch die Vermarktung des neuen Stadions aus einer Hand übernehmen soll:")

Damit soll offiziell die Verwendung der städtischen Gelder überwacht werden.

Im letzten Schritt schließlich wollte die Stadt dafür sorgen, dass ein Profi den Club in die sportliche Zukunft führt. Aus diesem Grund stimmte sie der Berufung von Thomas Strunz zum sportlichen Direktor zu. Zum Anreiz bekam der Ex-Kicker von Bayern München einen Beratervertrag mit der städtischen Tochter GVE in Höhe von 80.000 Euro, wie die Stadt bestätigt. Dafür sollte Strunz das Unternehmen bei den Umbaumaßnahmen des Stadions beraten. Angeblich bestand sein Beitrag vor allem darin, vom Bau von Entmüdungsbecken in der Gästekabine abzuraten, wie aus dem Aufsichtsrat der GVE kolportiert wird.

Damit schien die Rettung des Vereins gelungen. Der DFB erteilte eine Lizenz. Bleibt die Finanzierung des Stadionbau selbst. Und ausgerechnet hier tauchen neue Probleme auf. Eigentlich solle der Handelshof Essen, eine Immobilie in bester städtischer Lage, von der GVE für 20 Mio Euro verkauft werden, um den Stadionbau zu bezahlen. Allerdings scheint dieser Deal zu floppen, da das Gelände aus einem Cross-Border-Geschäft heraus belastet ist. Essen hatte die U-Bahnen unter dem Handelshof an einen amerikanischen Investor verkauft. Dieser müsste nun angeblich dem Deal zustimmen – und tut es bislang nicht.

(Anmerkung: Kann ja sein, dass der Investor irgendwann zustimmt. Deswegen muss man das hier weicher fassen.)

Was bleibt, gleicht einem Desaster. Die Stadt Essen hat unter Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger die Verantwortung für den Verkauf von Fanschals und die Bezahlung von Fußballprofis übernommen. Zudem wurde ein Ex-Profi-Kicker mit einem satten Beratervertrag ausgestattet, an dessen Berechtigung es erhebliche Zweifel gibt – ohne eine stabile Finanzierung des neuen Stadions vorweisen zu können.

Die Staatsanwaltschaft Essen bestätigt, dass eine Anzeige gegen Reiniger und die Verantwortlichen der GVE eingegangen es. Es werden nun offiziell staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue geprüft.

Im Namen der Stadt Essen will Stadtdirektor Hülsmann die Informationen auf Anfrage bis Dienstag kommentieren. Ich bin gespannt.

PFT-Skandal geht weiter. Über 1000 Felder in Ganz NRW betroffen. Von Dorsten bis Warendorf

Foto: Umweltministerium / Minister Uhlenberg (CDU) (links)

Das Ausmaß des PFT-Skandals ist nach meinen Recherchen weitaus größer als bisher angenommen. Vor drei Wochen konnten ich Lieferscheine für über 270.000 Tonnen PFT-verdächtiger Klärschlämme allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 untersuchen. Das Zeug wurde auf weit über tausend Felder geschüttet. Darüber hinaus liegen mir Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt wurden. Damit wird jede Dimension gesprengt, die man sich bisher vorstellen konnte. Die Rede ist von über 10.000 Lastern, die teils in Nacht und Nebel ihre Zeug abkippten.

Ich hab die Akten, die bislang geheim gehalten wurden, aus dem Umfeld des Umweltministeriums bekommen. Ein Teil der Felder wurde untersucht, die meisten jedoch nicht.

Wie dem auch sei: Aus etlichen Feldern sickern die so genannten Perflourierten Tenside (PFT) ins Wasser der Ruhr und anderer Flüsse. PFT gelten dabei als krebserregend. Sie reichern sich im Körper an und können nicht abgebaut werden. Die Theorie des NRW-Umweltministeriums, das von einer Punktquelle als Hauptursache für die PFT-Verseuchung ausging ist damit nicht mehr haltbar.

Tatsächlich ist auch drei Jahre nachdem der PFT-Skandal an der Ruhr aufgeflogen ist, noch immer nicht das tatsächliche Ausmaß der Verschmutzung bekannt. Bislang gilt weiter offiziell die Verseuchung von landwirtschaftlichen Flächen im Sauerland mit verschmutzten Abfällen als Hauptursache.

Doch das ist sicher nicht alles. Ich konnte nachweisen, dass aus den Kläranlagen des Ruhrverbands mindestens 50 Prozent der PFT-Frachten in der Ruhr stammen. Zudem sickert auch aus Klärschlämmen des Ruhrverbandes weiter PFT in die Ruhr. Erst vor wenigern Wochen wurde etwa bekannt, dass aus einem Ruihrverband-Schlammdepot bei Iserlohn PFT-verseuchtres Wasser in die öffentliche Kanalisation gespült werden.

Aber auch wenn man diese Fälle berücksichtigt, lässt sich aus allen bislang bekannten Quellen nicht schlüssig die andauernde Verseuchung des wichtigen Trinkwasserflusses erklären. Auch nach den Sanierungsmaßnahmen an einigen wenigen Feldern und bei industriellen Gift-Einleitern ist nach wie vor PFT in der Ruhr zu finden. An der Überwachungsstation Essen beispielsweise lagen die Werte bei der letzten öffentlich verfügbaren Messung vom April 2009 bei 46 Nanogramm je Liter. Im Dezember 2006 lagen die Werte hier bei 45 Nannogramm je Liter Ruhrwasser.

Das Bild ist bei anderen Überwachungsstationen ähnlich. Die Konzentrationen in der Ruhr bewegen sich rauf und runter, je nachdem, wie viel Wasser durch den Fluss strömt. Es scheint, als hätten die Maßnahmen zur Reinhaltung der Ruhr bislang kaum Effekte gehabt. Auch wenn die Konzentrationen gering sind und keine akuten Maßnahmen erfordern, so reichert sich das Gift PFT weiter in der Umwelt an, steigt über Fische und Pflanzen die Nahrungskette hoch. Mittlerweile wurde der krebserregende Stoff im Blut von Anglern und ihrer Frauen nachgewiesen, die Fische aus der Ruhr und ihrer Nebenflüsse verzehrt hatten.

Eine Erklärung für die weiter fortbestehende Belastung der Ruhr könnte in den Flächen liegen, die überall in NRW mit PFT verseucht wurden. Der Welt am Sonntag liegen Auszüge aus vertraulichen Akten der Firma Terra Vital vor. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen diese Gesellschaft und ein damit verbundenes Unternehmen wegen des Verdachts auf Umweltdelikte im Zusammenhang mit dem PFT-Skandal. Terra Vital hatte unter der Bezeichnung Terra Top, Terra Farm und Terra Aktiv so genannte „Biodünger“ und „Bodenverbesserer“ auf den Markt gebracht. Dabei wurden überwiegend Klärschlammabfälle mit Industrieabfällen in einem Bodenmischwerk mit anderen Materialien vermengt und dann auf Felder gekippt. Ich konnte über 80 Aktenordner der Firma sichten. Dabei wurden Lieferscheine für über 270.000 Tonnen dieser Materialien allein für den Zeitraum 2002 bis 2004 festgestellt. Darüber hinaus liegen Lieferscheine für mehrere zehntausend Tonnen vor, die in den Jahren 2005 und 2006 verklappt worden sind.

Wie aus Gerichtsunterklagen des Verwaltungsgerichtes Arnsberg hervorgeht, stand die Firma Terra Vital seit mindestens 2002 mit dem belgischen Geschäftsmann Jacco van de V. in Geschäftsbeziehungen. Dieser lieferte als Leiter der Firma Orinso Industrieabfall aus der Papierfabrik von KimberleyClark, aus dem chemischen Betrieb Artillat und aus Kosemtikfabriken von Ester Lauder an die Firma Terra Vital und das verbundene Unternehmen GW Umwelt. Selbst die Degussa lieferte so laut Gerichtunterlagen Filterkuchen aus Chemiebetrieben ins Sauerland.

Von hier aus wurde das Material auf weit über 1000 Felder verklappt. Die Flächen finden sich nicht nur im Sauerland, sondern in ganz NRW und darüber hinaus in Hessen und Rheinland-Pfalz. Den Schwerpunkt bildet der Kreis Soest. Hier wurden mindestens 80.000 Tonnen verklappt. In den Unterlagen finden sich Hinweise darauf, wie der Schlamm genutzt worden. In einem handschriftlichen Vermerk heißt es, das „Substrat“ sei „ins Korn“ gestreut worden. Mal ist die Rede vom Verklappen in Futtermais oder von Baumkulturen. Im Fleisch von Tieren, die mit Mais von belasteten Flächen gefüttert worden waren, konnte PFT bereits nachgewiesen werden.

Die Bauern in Soest erhielten in der Regel Geld dafür, dass sie die Laster mit dem Schlamm auf ihre Äcker gelassen haben. Der Bauer Albert I. beispielsweise bekam im Januar 2004 eine Gutschrift über 3780 Euro dafür, dass er 108 Lieferungen mit Schlamm auf knapp zwei duzend Felder am Ruhrzufluss Möhne kippen lies, wie aus den Dokumenten hervorgeht.

Nicht immer ging das Geschäft gut. Augenzeugen berichten, dass die Laster meist nachts kamen. Einmal rutschte ein Kipper in einen Fischzuchtteich. Ein anderes Mal fühlten sich Anwohner eines Dorfes von den stinkenden Lieferungen und dem Schwerlastverkehr mitten in der Nacht belästigt.

Den Behörden lagen schon im Jahr 2002 Beschwerden über das Verklappen vor. Doch die Beschwerden blieben in der Bürokratie auf Ebene des damals zuständigen Landesamtes für Ernährungswirtschaft und Jagd hängen. Weitreichende Untersuchungen fanden nicht statt, stattdessen wurden etliche Lieferscheine vom Amt abgestempelt, wie aus den Unterlagen hervorgeht.

Überraschenderweise stand aber nicht der Kreis Soest, in dem der derzeitige NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg Ehrenvorsitzender des CDU-Kreisverbandes ist, im Focus der öffentlichen Sorge. Auch die anderen Kreise, in denen jeweils zwischen 35.000 und 20.000 Tonnen auf hunderten Feldern verschwanden, wurden kaum beachtet. Im Kreise Gütersloh etwa, oder in den Kreisen Warendorf und Kassel wurden zwar einige duzend Felder untersucht, aber keine Maßnahmen eingeleitet. Der Kreis Recklinghausen wusste bis zu meiner Anfrage nicht einmal, dass allein auf Feldern des Bauern K.-B. in Dorsten weit über 15.000 Tonnen PFT-verdächtige Schlämme ausgekippt wurden.

Stattdessen stand der Hochsauerlandkreis im Zentrum des Skandals. Dabei wurden hier zwischen 2002 und 2004 lediglich knapp über 19.000 Tonnen entsorgt. Hier wurde die ersten Maßnahmen mit großen PR-Aufwand ergriffen. Es hieß zunächst, eine Baumschule in Brilon-Scharfenberg sei für die PFT-Belastungen in der Ruhr verantwortlich. Das Gelände wurde für über eine Mio Euro saniert. Später wurde diese Aussage schrittweise zurückgenommen. Eine weitere Fläche im Kreis Soest wurde saniert und die industriellen Einleiter aufgefordert, weniger PFT in die Ruhr zu kippen. Damit schein der Skandal für das Umweltministerium erledigt zu sein: „Nach derzeitigem Kenntnisstand besteht kein weiterer Sanierungsbedarf, da keine (auch nur annähernd) so hohen Bodenbelastungen wie auf den beiden Flächen in Brilon-Scharfenberg und Rüthen festgestellt wurden und die Belastung der Gewässer den Leitwert von 300 Nanogramm je Liter unterschreitet“, heißt es in einer Erklärung.

Wie es aussieht muss in Zukunft kein Bauer befürchten, dass wegen der Klärschlammlaster seine Äcker saniert werden. Der Abfall bleibt einfach liegen.

Der Fall geht weiter. Ich bleibe dran. Wenn jemand etwas hat: Ich freue mich unter david.schraven@ruhrbarone.de über Hinweise.

Kollegenschelte

Ich weiß, man soll sich nicht über Kollegen aufregen. Ich tue das auch nicht gerne. Aber in diesem Fall geht es nicht anders. Hat eigentlich irgendwer da draußen mal den Wahlkampfblog der WAZ gesehen – da auf derwesten.de? "Mein Gott", hab ich gedacht, als ich da über die derwesten.de-Seite "Wahl und Kampf" gesurft bin, "was ein Kack."

Sie brauchen ein Beispiel für Belanglosigkeit? Wie wär es hiermit: Zitat

"Hallo Wahlkampf?!? Ein bisschen lauter bitte. Hallo Wahlkampf, wo bist Du?!?"

aus dem Blog-Beitrag: "Wahlkampf, bitte melden!"

Gibt es keine guten Geschichten aus dem Wahlkampf? Nichts was man wegbloggen kann? Klar gibt es das und damit sind wir beim Grundproblem des Zeitungseigenen Wahlkampfblogs der WAZ. Politik ist Wahlkampf, Streit ist Wahlkampf, Polemik ist Wahlkampf. Jetzt gerade. Jetzt. Da draußen auf jeder Ebene. Vom Dorf in Harsewinkel bis nach Berlin.

Auch in der WAZ findet das Ringen um Programme und Köpfe statt. Auch in derwesten.de. Aber eben weil dort alles stattfindet, was spannend ist, bleibt für Wahl und Kampf nur Wahl und Krampf übrig. Zitat:

Manchmal kann Politik richtig gut schmecken. Ja, Sie haben richtig gelesen. In Billerbeck im Kreis Coesfeld vertreibt eine Bäckerei bis zur Wahl am 30. August Gebäck mit den Gesichtern der Bürgermeister-Kandidaten.

Keine Kommentare, keine Trackbacks. Warum auch? Das ist belanglos. Vielleicht wird der Blog auch nur deshalb alle paar Tage aktualisiert. Wie sehen die Zugriffszahlen der Krampfgeburt aus? Mit Sicherheit mies.

Ich denke jeder sieht das. Wenn das aber gesehen wird, warum wird das nicht beendet?

Sorry für die Kollegenschelte – aber das musste raus. Ich nehme an, andere haben sich auch schon drüber aufgeregt und drüber geschrieben. Sorry, habs nicht nachgesehen – komme gerade aus dem Urlaub wieder und dachte ich seh nicht richtig.

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Die perfekte Welle – Solarworld für neue Energiewirtschaft

Der Vorstandschef des Bonner Sonnenkonzerns Solarworld Frank Asbeck ist einer der streitbarsten Vertreter der Enereuerbaren Energien. Er hat sich beim gescheiterten Energiegipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit E.on-Chef Wulf Bernotat angelegt und kämpft vehement gegen Ideen wie Desertec. Immer wieder sorgt er mit spektakulären Ideen für Aufsehen. Etwa als er Opel kaufen wollte, um aus dem Autobauer einen Ökomobilisten zu schmieden. In einem Gastbeitrag für die Ruhrbarone erklärt der ehemalige grüne Lokalpolitiker Frank Asbeck, wie er sich die neue Welt nach der Finanzkrise vorstellt.

Wellen gehören zum Sommer. Ihr Auslöser ist übrigens die Sonne, die die Luft erwärmt und für Wind sorgt. Wellen werden mit Energie erzeugt.

Auch die Wirtschaftsentwicklung vollzieht sich in Wellen. Erst kommt der Aufschwung, dann folgen Stagnation und Rezession. Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise ist mehr als nur das Erschlaffen eines x-beliebigen Konjunkturzyklus. Sie markiert das Ende einer Wirtschaftsordnung, die sich auf fossile, auf endliche Energien verlässt.

Der russische Ökonom Nikolai Kondratjew und nach ihm Joseph Schumpeter haben bereits Anfang des letzten Jahrhunderts die „langen Wellen“ beschrieben, die die uns geläufigen fünf- bis siebenjährigen Konjunkturzyklen überlagern, und die von der Überwindung zentraler Knappheiten angestoßen werden. Engpässe in der kapitalistischen Produktion müssen mit neuen Basis-Innovationen überwunden werden. Zu diesen Technologien zählten damals die Dampfmaschine, die Eisenbahn oder das Automobil. Ihr flächendeckender Einsatz führte zu einem gewaltigen Schub der Produktivität und hievte die Wirtschaftsgesellschaften auf neue Wohlstandsniveaus, wenn auch nur in wenigen Staaten der Welt. Ursächlich war dies immer verbunden mit einer Weiterentwicklung der Energieerzeugung: Zuerst die Nutzung von Holz, und Kohle, später von Öl, dann der Ausbau der Stromversorgung. Der letzte dieser Zyklen wurde durch Computer und Internet und den Aufbau mobiler Datennetze ausgelöst, welche die Informationsknappheit aufhoben. Doch dieser Impuls verpufft, das Kapital sucht sich schon lange keine investiven Wege mehr, sondern sieht sein Heil in der Spekulation – ein Zeichen, dass die Zeit reif ist.

Ohne grundlegende Veränderung ist aber kein erneuter Aufschwungsboom zu erwarten. Woher soll er auch kommen, wenn alles beim Alten bleibt? Die Aufgaben sind mehr als deutlich. Endliche Energieträger und die Restriktionen des Klimawandels grenzen unsere Ökonomie ein. Weite Teile der Welt spüren dies noch deutlicher als wir. Zwei Milliarden Menschen haben gegenwärtig überhaupt keinen Zugang zu Energie, geschweige denn zu ausreichender Nahrungsversorgung.

So wie die einzelnen Kondratjew-Zyklen der Vergangenheit durch die Überwindung von Knappheiten ausgelöst wurden, gilt dies auch für die Neue Welle von Morgen. Sie hat bereits begonnen. Deren Basis-Technologien sind die Effizienttechnologien und die Erneuerbaren Energien, vor allem die Solarstromtechnologie. Denn die Sonne ist die einzige Energiequelle, die überall verfügbar ist und grundsätzlich nicht knapp wird – zumindest nicht in den nächsten fünf Milliarden Jahren. Ihre Energielieferung auf die Erde beträgt das 3.000fache dessen, was von uns Menschen verbraucht wird. Die Solarstromtechnologie ist inzwischen reif, um massenhaft wirtschaftliche Anwendungen zu ermöglichen. Bereits Anfang des nächsten Jahrzehnts wird es auf jedem Dach in Deutschland möglich sein, den Strom billiger zu produzieren als er aus der Steckdose kommt. Hausbesitzer werden zu Stromerzeugern, so wie es bereits 500.000 Betreiber in Deutschland erfolgreich vorgemacht haben. Die deutschen Dachflächen reichen aus, um alleine ein Drittel des gesamten Stromverbrauches zu decken. Dafür braucht man nicht erst große Leitungen nach Nordafrika legen. Für weite Teile Afrikas allerdings bedeutet der Einsatz von Solartechnologie erstmals überhaupt die Möglichkeit, wirtschaftliche Entwicklung zu vollziehen.

Damit wird die nächste „lange Welle“ der Ökonomie eine der ganz großen. Die Wirtschaft der Industrieländer kann ihre größten Schranken überwinden. Abhängigkeiten werden abgebaut, im Großen, aber auch im Kleinen für jeden einzelnen Stromverbraucher, beziehungsweise dann Stromerzeuger. Die Sonne wird diese neue Wirtschaftswelle antreiben. Und das ist gar nicht so besonders – mit den Meereswellen macht sie das schon seit Jahrmillionen.

Wahlkampf kann auch gut sein. FDP-Nückel macht es vor

Hier ein Video des Hertener FDP-Kandidaten Thomas Nückel. Es zeigt, wie man auch spannend und unterhaltsam Video-Wahlkampf im lokalen Geschäft machen kann. Nückel kriegt es sogar hin, ein Langweilerthema wie den versiften Bahnhof spannend zu präsentieren, ohne dabei Negativ-Campaigning zu machen. Von mir kriegt der ehemaligen Ruhrbaron zwei Daumen hoch.

 

Tja, und hier ein Beispiel, wie es gar nicht geht. Das ist dann Antiwahlkampf. Anke Flemming ist "unabhängige" Kandidatin der CDU und FDP in Herten.