„Mach, was du willst“ – Meine Erlebnisse als Hooters Girl in Bochum

Ein tief ausgeschnittenes weißes Shirt, orange Hot-Pants, Sneakers und Glanzstrumpfhose. Nach dem Umziehen erkenne ich mich kaum im Spiegel. Ich möchte die Hot-Pants etwas nach unten zupfen – dafür sind sie aber zu eng. Ich trage die Hooters Uniform. Die Haare offen, Kniestrümpfe auf den Knöcheln und eine Geldtasche zwischen den Beinen. Ich will in dieser Uniform arbeiten. In einem dieser Schnellrestaurants aus den Staaten, in denen es zum Burger tiefe Ausschnitte gibt.

Fotos: Thorsten Schraven

Tanja ist eine Kollegin von mir. Sie ist erfahren. Tanja trägt die gleiche Kleidung wie ich. Nur hat sie über ihrem hautengen Shirt eine knappe Jacke gezogen. Der Reißverschluss ist offen. Sie fragt mich, ob ich einen Kulturbeutel dabeihabe. Meine Schminke taugt nichts, meint Tanja. Sie holt ihre eigenen Sachen. Mit einem schwarzen Eyeliner zieht sie dicken Linien auf meine Augenlider, dann trägt sie großzügig Wimperntusche auf. Tanja geht einen Schritt zurück. „Jetzt siehst du besser aus“, sagt sie. Tanja weiß, dass es hier um die Optik geht, mit der man Geld verdient. Es muss sexy sein.

Mir wird gesagt, ich soll strahlen, wenn Gäste reinkommen, „Welcome to Hooters“ sagen und dabei lachen. Einer der ersten Gäste, die ich sehe, ist ein vollbärtiger Mann mit hängendem Bierbauch und grauem, schütterem Haar. Eine Kollegin setzt sich zu ihm an den Tisch, sie ist Mitte zwanzig. Sie spielt mit der Fernbedienung des TV, lacht, schaltet auf den Sportkanal. „Habt ihr Hunger?“, sagt sie. „Was darf es zum Essen sein? Einen Burger vielleicht?“ Jetzt schaut sie mich an: „Olga, wonach fragt man beim Burger?“ „Welche Soße möchten Sie?“, rate ich. Meine Kollegin schüttelt den Kopf: „Mit welchem Salat möchtet Ihr Euren Burger?“ Meine Kollegin hat lange, schwarze Haare, einen vollen Mund und große Brüste. Sie kommt aus Lateinamerika. Sie bekommt viel Trinkgeld. Die alten Männer schauen ihr in den Ausschnitt.

Die Kette Hooters expandiert derzeit in Deutschland. Es gibt Hooters-Filialen in Neukirchen, Bochum und Düsseldorf. In den kommenden Wochen werden in Berlin und Frankfurt neue Läden eröffnet. Das Konzept stammt aus Florida. Hier begann die Burger-Geschichte 1983 im Küstenörtchen Clearwater, der Heimat von Beachgirls und Hot-Pants. Seither wurden weltweit über 400 Shops eingeweiht. Ich arbeite in Bochum.

Auf der Karte steht klassisches Fastfood: Chicken Wings, Hot Dog, Burger. Ich bin die Bedienung, ich bin die Entertainerin. Als Hooters Girl kann ich machen, was ich will, heißt es bei der Einweisung. Ich soll mit den Gästen spielen. Ich soll flirten, ich soll nur auf eines aufpassen: Ich soll nicht „zu schlampenmässig rüberkommen.“ Das hat meine Hooters-Trainerin zu mir gesagt. Es geht um Spaß. Alles soll ganz easy sein. Wenn ich Spaß habe, hat auch der Gast Spaß, heißt es. Und wenn der Gast Spaß hat, dann kriege auch ich am Ende Trinkgeld. „Hast Du noch Fragen?“, werde ich gefragt. Eigentlich nicht.

Später am Abend ruft mich der Barkeeper an die Theke. Ein Gast will ein Foto mit mir machen. Ich muss zustimmen. Der Gast ist Mitte vierzig, sein Gesicht solariumbraun, eine Fitnessstudiofigur. Er hat mich den ganzen Abend schon angesehen. Ein Hooters Girl ist immer für ein Foto zu haben, heißt es. Ich stelle mich neben den Gast und strahle in die Kamera. Plötzlich packt der Kerl meine Hüfte. Er zieht mich ran. Ich schlage auf seine Hand. Er lässt ab. Später sagt eine Kollegin zu mir: „Es gibt Gäste, die glauben, wenn wir in Hot-Pants vor ihnen herlaufen, können sie uns für alles haben.“ Ich zittere immer noch, irgendwie fühle ich seine Hand an meiner Taille.

Drei Jungs haben sich an einen Tisch in der Ecke verzogen. Als ich sie frage, was sie trinken wollen, werden sie rot. „Was studiert ihr denn?“, frage ich. Als Kellnerin hab ich verstanden: Jungs wollen wie Männer behandelt werden und die Alten wollen 30 Jahre jünger sein. Auf jeden Fall wollen alle mit mir flirten. Jeder erhofft sich dabei etwas mehr hinter meinem Lächeln. Hofft, dass sich dahinter etwas verbirgt, etwas persönliches, privates, intimes. Etwas nur für ihn. „Wir sind noch Schüler“, sagen die drei Jungs. Sie sind aus Mühlheim mit der Bahn bis nach Bochum gefahren, um einmal Hooters Mädchen zu sehen. Als sie ihr Bier bestellen wollen, fangen die Jungs an zu lachen. „Entschuldigung“, stammeln sie verlegen. Sie sind gespannt. Sie warten, dass etwas passiert. So als säßen sie in einer verruchte Kneipe. In einem Lokal in dem sie etwas zu sehen kriegen, was sie noch nie gesehen haben. Aber Hooters ist wie eine Stripteasebar ohne Striptease. Klinisch sauberer Sex-Appeal, der selbst im Bibel-Belt der Vereinigten Staaten legal ist. Ich habe Hot-Pants an. Ich lächele. Mehr gibt es nicht.

Ein paar Männer kommen rein. Bier wird aus Eimern ausgeschüttet, die 1,5-Liter-Pitcher heißen. Ein Mann sticht heraus. Er ist Ende 20. Er hat gegelte Haare, einen dunkelbraunen Anzug und eine Krawatte. Er sagt: „Ich habe heute mein Studium beendet. Jetzt wird gesoffen. Ich bin ein Scheiß-Jurist.“ Eine Kellnerin lacht. „Na dann, Prost, Jungs.“ Während ich weitergehe, spüre ich wie die Blicke meinen engen Hosen folgen.

Es gibt auch Frauen hier. Ich bringe ihnen das Bier. Ich bringe ihnen die Burger. Die Stimmung ist kalt. „Die Pommes haben wir nicht bestellt.“ Die Frau schaut dabei an mir vorbei, so als würde sie sich für mich schämen.

Irgendwie wusste auch ich damals im November nicht, wo ich hin sehen soll. Als ich das erste Mal in Bochum in einer Hooters-Bar war. Die Kneipe wirkte auf den ersten Blick wie eine finnische Sauna, helle, glattgebürstete Holzwänden, glänzende Tische, Surferbretter an der Wand und Mädchen in zu kurzen Shorts. Ich habe mich gefragt, was die Frauen dazu bringt, hier zu arbeiten? Macht das Spaß? Ich will wissen, was sich hinter der blanken Fassade verbirgt.

Ein paar Tage später habe ich mich bei Hooters online beworben. Zwei Monaten später klingelte mein Handy: „Hast Du Zeit?“ 6,30 Euro gibt es in der Stunde, dazu Trinkgeld.

Meine Kollegin Tanja erzählt mir, dass sie am vergangenen Samstag fast zweihundert Euro verdient hat. Das ist viel. Tanja will später studieren und spart nun ein wenig Geld. „Ty govorisch po-russki?“ fragt sie mich, ob ich Russisch kann. „Da“, antworte ich überrascht, "Ja". Tanja spricht akzentfreies Deutsch und ich hätte nicht erwartet, dass sie Russisch spricht. Die meisten Kellnerinnen kommen aus dem Ausland. Manchmal kann man sich was nebenher verdienen, erfahren ich. Noch etwas wenig mehr als das Trinkgeld.

An der Theke sitzt ein Stammgast. Niko heißt er. Ich habe ihn während meiner letzten Schicht kennen gelernt. Niko sieht nicht alt aus. Er ist vielleicht Mitte dreißig. Niko trägt einen Anzug und trinkt Kaffee. Vor ihm liegt ein Notizblock. „Bist du traurig?“ frage ich. Niko ist überrascht: „Ich? Nein. Ich bin verträumt….“ „Wovon träumst du denn?“ „Von Tanja“, sagt er dann. „Sie ist wunderschön“. Niko holt eine Kamera heraus. Darauf hat er Fotos von Tanja gespeichert. Einige von ihnen sind Aktaufnahmen. Eines ist mir im Gedächtnis geblieben. Tanja blickt starr in die Kamera. Über ihren nackten Brüsten hängen Stahlketten wie ein Tuch. Niko hat die Fotos von einer Internet-Seite herunter geladen. Dort verkauft Tanja ihre Fotos. Niko sieht sich das Ketten-Bild weiter an und sagt: „Ich darf bald ein Foto-Shooting mit Tanja machen. Sie ist ein perfektes Model“.

Tanja hat mir erzählt, dass sie als Kind nach Deutschland kam und hier einen Realschulabschluss gemacht hat. Jetzt ist sie 20 Jahre alt und muss sich allein durchschlagen. Auch andere Männer fotografieren sie.

Wenn ich morgen hier aufhöre, gehe ich zurück an die Uni. Tanja arbeitet weiter bei Hooters.

* Alle Namen sind geändert.

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Ottilies Desaster in Bochum: Gab es kriminelle Vergaben?

Wurden im Bochumer Rathaus Akten und Belege von Zuwendungsbescheiden vernichtet, weil dubiose Ausschreibungen und Vergaben vertuscht werden sollten? Wenn ja, wäre das nicht nur ein politischer Skandal, sondern auch möglicherweise eine kriminelle Tat. 

Der Verdacht, dass etwas im Rathaus vertuscht werden sollte, liegt nahe. Denn wie der Landesrechnungshof in einem Bericht feststellte, wurden Unterlagen über die Verwendung von Fördermitteln vor Ablauf der Frist vernichtet. Aus diesem Grund rät der Landesrechnungshof dazu, alle Fördermitteln von Bochum zurückzufordern. Wir haben bei den Ruhrbaronen drüber geschrieben. Für die arg gebeutelte Stadt eine Katastrophe – die ihr von der mangelhaften Kontrolle der politischen Führung rund um die SPD-Oberbürgermeisterin und früheren Kämmerin Otilie Scholz eingebrockt wurde. 

Wenn man Hinweisen sucht, ob und wenn ja, was vertuscht werden sollte, wird man im Bericht der Prüfer fündig. Und zwar auf Seite 7: Klack

Dort steht:

Die Zuwendungsempfängerin (ZE – die Stadt Bochum) führte Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben von Aufträgen durch, ohne dass die Vorraussetzungen entsprechend der §§ der VOB/A und der VOL/A vorlagen. Allein der Auftragswert von zwei Freihändigen Vergaben betrug weit mehr als 12 Mio DM. In vielen Fällen konnte die ZE auch nicht nachweisen, dass die Durchführung öffentlicher Ausschreibungen ordnungsgemäß erfolgt war."

Im Klartext heißt das: Irgendwem wurden zwei Millionenaufträge einfach so gegeben – ohne Ausschreibung. Hier besteht der dringende Verdacht, dass die Aufträge verschoben wurden. Dies ist ein hoher Korruptionsindikator, wie aus der Korruptionsforschung bekannt ist.

Wir bleiben dran.

SPD verliert Bochum

Die SPD in Bochum steht bei den Kommunalwahlen vor dem Desaster. Der Grund ist einfach. Ottilie Scholz, SPD-Oberbürgermeisterin der einstigen Genossen-Hochburg hat es versaut. Zunächst hat sie das Cross-Border-Leasing gegen den Willen der Bochumer Bürger durchgesetzt und musste dafür anschließend etliche Millionen an städtischen Vermögen verballern. Und dann hat sie noch die politische Verantwortung für ene Skandal, der kaum nachvollziebar ist. Sie muss verantworten, dass in ihrer Verwaltung sämtliche Belege zu diversen Fördervorhaben vernichtet wurden – wie ein Bericht des Landesrechungshofes enthüllte. Insgesamt stehen 35 Mio Euro auf dem Spiel, die unter Umständen an das Land zurückgezahlt werden müssen, weil gegen Förderbestimmungen verstoßen wurde. Wenn die SPD in Bochum noch die Kommunalwahl gewinnt, dann glaube ich gar nichts mehr.

Es ist unklar, ob die Löschtage im Bochumer Rathaus einen kriminellen Hintergrund haben, einen politischen oder einen schusseligen. Das ist auch egal. Denn in jedem Fall hat Ottilie Scholz als Oberbürgermeisterin die politische Verantwortung dafür, dass so etwas nicht passieren darf. Da kann ihr auch nicht mehr das Konzerhaus als Wahlkampfretter helfen, dass sie den Bürgern versprochen hat.

Ach, da fällt mir ein, das Konzerthaus wird ja auch nichts. Auch nur heiße Otilien-Luft.

Ich fasse mal kurz das Arbeitsrgebnis von Ottilie Scholz als Oberbürgermeisterin zusammen: DESASTER.

Und was sagt die SPD-Obrbürgermeisterin dazu?

Offiziell bis jetzt noch nichts. Hab zumindest von Ihr nichts gefunden. Weder in den Lokalzeitungen noch sonstwo. Stattdessen gibt es folgende Pressemitteilung der Stadt:

Über die möglichen Ergebnisse des Prüfungsberichtes des Landesrechnungshofes zum II Bauabschnitt der Westtangente zwischen Königsallee und Wasserstraße wurde in den Medien in den letzten Tagen berichtet. Scheinbar liegen Teile des Berichtes, der bisher der Stadt Bochum offiziell noch nicht zugesandt wurde, Redakteuren der Zeitungen vor. (Er wurde auch hier in den Ruhrbaronen veröffentlicht: nach dem klack. d.A.) Diese haben Feststellungen des Prüfers publiziert. Weder dieser Bericht noch die abschließende Beurteilung und Bewertung der Bezirksregierung Arnsberg, die vom Landesrechnungshof geprüft worden ist, liegen bei der Stadt Bochum vor. Auch das für einen solchen Vorgang notwendige offizielle Anhörungsverfahren der Stadt Bochum wurde noch nicht durchgeführt.

Die Veröffentlichungen sind unsachlich und grob wertend. Sie informieren die Öffentlichkeit nicht umfassend. Sie werden in ihrer Qualität und Ausrichtung weder dem Verfahrensstand noch Sachverhalt gerecht!

Gleichwohl bleiben im Raum offene Fragen, die eine schnelle und erschöpfende Beantwortung erfordern. Deshalb hat Frau Dr. Scholz sofort das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Bochum eingeschaltet und mit einem Prüfungsauftrag versehen.

Sie hat gebeten, drei Fragestellungen zu betrachten:

– Als Erstes sollen die vor 20 Jahren durchgeführten Baumaßnahmen, die im Bericht des Landesrechnungshofes untersucht worden sind, zusammen mit der Fachverwaltung durchleuchtet und begutachtet werden.

– Zum Zweiten soll nachgesehen werden, ob der Prüfungsvorgang in den letzten zwei Jahren umfassend und vollständig bearbeitet wurde.

– Zum Dritten soll der Frage nachgegangen werden, ob die Fachverwaltung alle Termine, Verfahrensschritte und Ergebnisse im Hause sachlich richtig und umfassend weitergegeben und kommuniziert hat.

Frau Dr. Scholz hat am heutigen Tage den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes gebeten, die Prüfaufträge zügig anzugehen und ihr dazu schnellstmöglich einen Bericht zu erstellen.

Anstatt das Problem anzugehen, die Schuld einzugestehen und die Verantwortlichen zu stellen, spielen hier Ottilie und die Stadt auf Zeit. Das ist unmöglich.

Mehr dazu auf Bo-Alternativ: klick

Kraft gegen CDU: Unentschieden in Runde 1

Foto: Hannelore Kraft

Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand. Das sagt ein Sprichwort. Gerade ist das erste Eilverfahren gegen die CDU im Streit um die Verwicklung der Zenit GmbH und der SPD-Spitzenkandidatin für die kommenden Landtagswahlen, Hannelore Kraft, in einen Förderskandal im Jahr 2007 vor dem Kölner Landgericht zu Ende gegangen. Es gab ein Urteil. Das Ergebnis würde ich als Unentschieden bezeichnen. Jeder wird versuchen seine Vorteile draus zu ziehen. Wie dem auch sei, politisch und publizitisch hat Kraft schon vorher verloren. Hier die Resultate aus dem aktuellen Verfahren:

Die CDU darf weiter sagen: „Kraftilantis Lebenslauf-Lüge“ – mit Bezug auf das Streichen der Zenit GmbH aus dem Online-Lebenslauf von Hannelore Kraft. Dieser Streitpunkt wurde nicht ausgeurteilt, da Krafts Rechtsanwalt den Punkt kurz vor der Urteilsfindung zurückgezogen hat.

Die CDU darf aber laut Urteil nicht mehr den Eindruck erwecken, Hannelore Kraft habe während ihrer Tätigkeit für die Zenit GmbH eine Rolle in einem Förderskandal gespielt.

Gut. Aber ging es darum? Und was bedeutet das? Da sind wir bei der Sache mit dem Gericht und der Hand Gottes.

Die CDU hatte unter der Überschrift „Kraftilants Lebenslauf-Lüge“ gefragt, ob Hannelore Kraft die Zenit GmbH aus ihrem Lebenslauf gestrichen hat, weil die Zenit GmbH in einem Förderskandal verwickelt war und dabei die Rolle von Frau Kraft hinterfragt wurde. Dabei bezog sich die CDU auf die Berichterstattung bei den Ruhrbaronen.

Der Rechtsanwalt von Kraft hat daraus eine Eindruckserweckung gemacht. Und zwar hat er gesagt, es könne der Eindruck entstehen, Kraft sei in ihrer Zenit-Zeit in einen Förderskandal verstrickt gewesen. Aber das wurde nie gesagt. Es wurde gesagt, dass die Rolle von Kraft im Förderskandal um den Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet hinterfragt wurde.

Egal. Krafts Rechtsanwalt sagt, der erweckte Eindruck dürfe so nicht stehen bleiben. Und das Gericht hat ihm in diesem Punkt Recht gegeben.

Dabei sollte man wissen, dass die Nummer mit der Eindrucksberichterstattung ein ziemlich übles Ding in der modernen Presserechtssprechung ist. Damit kann sich ein Rechtsanwalt irgendwas ausdenken und das untersagen lassen, um so eine Berichterstattung zu verhindern. Aber egal. Das müssen wir hinnehmen.

Dafür hat das Gericht die Aussage mit der Lebenslauf-Lüge durchgehen lassen. Das sei im Wahlkampf zu ertragen, sagte das Gericht und Krafts Rechtsanwalt nahm den Antrag wie gesagt kurz vor dem Urteil zurück.

Was bedeutet das für die Berichterstattung in den Ruhrbaronen? Ich weiß es nicht. Mal sehen.

Zunächst finde ich nach wie vor meine Aussagen richtig, dass Kraft eine Rolle in dem Förderskandal um den Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet gespielt hat. Sie war als Wissenschaftsministerin für die Abwicklung des Wettbewerbs politisch mitverantwortlich und hat wie dargelegt sogar in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete noch für die Zenit GmbH im Zusammenhang mit dem Zukunftswettbewerb gearbeitet. Zudem wurde, wie ich geschrieben habe, in dem Skandal, der 2007 aufbrach, die Rolle von Kraft hinterfragt.

Hier bestreitet Kraft, dass es überhaupt einen Förderskandal gab, in dem die Zenit GmbH verwickelt war. Ihre Rolle habe also gar nicht in dem Skandal kritisch hinterfragt werden können.

Um zu überprüfen, was Kraft behauptet, muss zunächst geklärt werden, was ein Skandal überhaupt ist? In Wikipedia steht, ein Skandal ist, „ein aufsehenerregendes Ärgernis und die damit zusammenhängenden Ereignisse oder Verhaltensweisen.“

Das ist hier gegeben, finde ich. Der Landesrechnungshof hat den Zukunftswettbewerb kritisiert. Darüber haben Medien berichtet. Und die Zenit GmbH war in den Skandal verwickelt. Denn sie hat als Projektbüro den Zukunftwettbewerb koordiniert. Natürlich gab es keine strafrechtlichen Konsequenzen aus dem Skandal, auch wenn hier 102 Mio Euro in einem Wettbewerb verteilt wurden, den man kaum als Wettbewerb bezeichnen kann, da es keine vergleichbaren Kriterien zwischen den Wettbewerbern gab, wie der Landesrechnungshof kritisierte.

Aber ich meine, das ist auch nicht nötig. Es muss keine kriminelle Handlungen gegeben haben, damit aus einer Kritik des Landesrechnungshofes ein Skandal wird.

Mich erinnert die Argumentation stark an rückwirkende Geschichtsschreibung. Der Skandal aus dem Frühjahr 2007 soll rückwirkend zu einem Nichtskandal gemacht werden.

Wie gesagt, ich sehe den Skandal und ich sehe, dass Kraft in dem Skandal eine Rolle gespielt hat. Politisch sowieso als Wissenschaftsministerin, weil sie hier für die Durchführung des Zukunftswettbewerbes mitverantwortlich war. Und auch direkt, weil sie in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete für den Zukunftswettbewerb – wenn auch nur sieben Stunden – gearbeitet hat, um Förderanträge auf ihren „betriebswirtschaftlichen Sinn“ zu prüfen, wie Kraft bestätigt.

Was sagt Kraft weiter zu dem Ganzen? Sie hat sich vor dem Gericht eingelassen. So sagt sie, sie habe in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete den „Draht“ zur Zenit GmbH aufrechterhalten und auch weiter für die Zenit GmbH gearbeitet, bis sie Ministerin wurde, da sich „berufliche Optionen“ aufrechtzuhalten. Das ist verständlich und auch in Ordnung.

Warum kürzt sie dann die Zeit bei der Zenit GmbH nachträglich aus ihrem Lebenslauf? Kraft sagt, ihr habe mal einer gesagt, man schreibe nicht die Firma in den Lebenslauf. Deswegen habe sie diese Passage in dem Lebenslauf weggelassen mit dem sie Wahlkampf machen will – auch wenn sie zwölf Jahre bei Zenit gearbeitet habe. Zudem wollte sie den Lebenslauf kürzer machen, damit er leichter zu erfassen sei. Die Praktika als Studentin habe sie in dem Lebenslauf belassen, um ihre „Auslandskompetenz“ zu zeigen.

Gut. Kann man glauben, kann man auch nicht glauben.

Der Streit wird jedenfalls weitergehen. Die CDU will in Berufung gegen das Urteil gehen. Der Rechtsanwalt der CDU, Stephan Holthoff-Pförtner, sagte mir: „Das Urteil bietet für beide Seite Steine statt Brot. Wir werden in die Berufung gehen, für den Teil, den wir jetzt nicht gewonnen haben“

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

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Foto: Hannelore Kraft

Das Verfahren vor dem Kölner Landgericht um die Lebenslauf-Klage von Hannelore Kraft, SPD-Spitzenkandidatin für den kommenden Landtagswahlkampf in NRW, gegen die CDU hat noch nicht begonnen, da steht ihre publizistische Niederlage schon fest.

Es geht nicht nur darum, dass Hannelore Kraft sich mit ihrer Klagefreude auf einem Nebenkriegsschauplatz verzettelt, der ihr nur Hohn und Spott einbringt. Nein, sie gibt auch dem Verdacht neue Nahrung, sie habe den Hinweis auf die Zenit GmbH aus ihrem Lebenslauf gestrichen, weil diese Firma in einen der NRW-Förderskandale aus dem Jahr 2007 verwickelt war. (Wir berichteten: klick)

Zur Erinnerung: der Landesrechnungshof kritisierte damals, der so genannte Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet, den die Zenit GmbH an entscheidender Stelle betreute, sei kaum als Wettbewerb zu bezeichnen, da nachvollziehbare Auswahlkriterien fehlten. Über 100 Mio Euro wurden damals verteilt. Wie sich herausstellte allzu frei.

 

Aus Unterlagen, die mir vorliegen, geht nun hervor, dass Hannelore Kraft noch im Juli und im September des Jahres 2000 für die Zenit GmbH tätig geworden ist. Und zwar hat sie sich in mindestens sieben Stunden nachweislich um den Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet gekümmert. Und lies sich dafür von der Zenit GmbH bezahlen. Das geht aus einer Zusammenfassung von Stundenzetteln hervor, die Hannelore Kraft beim Landgericht Köln eingereicht hat. Hier ist das Dokument: klack

Damit nicht genug: Hannelore Kraft hat dies auch in einer eidesstattlichen Versicherung angegeben. Hier nachzulesen: klick

Das besondere dabei: Seit 2. Juni 2000 war Hannelore Kraft laut eigenem Lebenslauf Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtages. Was hat sie in den sieben Stunden für den Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet und die Zenit GmbH getan? Sie wird keine Briefe zugeklebt haben. Sie selbst gibt an, Projektskizzen aus betriebswirtschaftlicher Sicht bearbeitet zu haben.

Ich sage noch mal im Klartext: Hannelore Kraft hat sich nachweislich als Abgeordnete des Landtages NRW bei der Umsetzung des Zukunftswettbewerbs Ruhrgebiet von der Zenit GmbH bezahlen lassen.

Klar. Es geht nur um sieben Stunden. Aber was kann man alles in sieben Stunden als Politiker machen? Ne ganze Menge, wenn man mich fragt. Projektskizzen bearbeiten? Welche und warum?

Interessant ist noch, dass Hannelore Kraft im November 2002 Wissenschaftsministerin von NRW wurde und damit politische Mitverantwortung für den Wettbewerb trug, den sie selbst als Landtagsabgeordnete gegen Geld mitbearbeitet hat.

Für mich ist damit nachgewiesen, dass Hannelore Kraft im Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet nicht nur eine politische Verantwortung trug, sondern auch direkt mit in den Wettbewerb verwickelt war, den später der Landesrechnungshof kritisierte.

Hier der Link zum Download der entsprechenden Passagen aus dem vertraulichen Landesrechnungshofberichtes: klack

Damit aber nicht genug. Auf dem Stundenzettel taucht eine weiter Arbeitsposition auf. Sie heißt: "Zenit.Zukunft". Hier hat Kraft acht Stunden eingetragen.

Geht es hier auch um den Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet? Ist das ein Arbeitstitel für den Zukunftswettbewerb?

Dann hat Kraft noch 112 Stunden für „TSP Veranstaltungen PM“ eingetragen. Was ist das, was verbirgt sich dahinter? Hat sie diese Stunden auch in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete für die Zenit GmbH abgerackert?

Ich frage mich: Wieviel Geld hat Hannelore Kraft in Ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete von der Zenit GmbH bekommen?

Ich stelle diese Fragen an die Zenit GmbH und an Hannelore Krafts Pressestelle. Mal sehen was als Antwort kommt. Ich werde diese dann gegebenenfalls hier veröffentlichen.

Obwohl, ich erwarte nicht viel.

Am 2. Juli hatte ich der Zenit GmbH schon folgende Fragen zum Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet gestellt:

Wer saß zwischen 2000 und 2006 im Arbeitskreis des Zukunftswettbewerbs Ruhrgebiet?

Welche Projekte wurden vom Arbeitskreis zur Förderung vorgeschlagen?

Welche dieser vorgeschlagenen Projekte erhielten danach eine Förderung?

Wer hatte auf der Seiten der Zenit GmbH diese Projekte zuvor bewertet?

Bis heute habe ich auf die Fragen keine ausreichenden Antworten bekommen. Der Geschäftsführer gab nur ausweichende Auskünfte. Er sagte, dass im Arbeitskreis Vertreter von Behörden und der Zenit saßen. Gut, dass wissen wir. Wer genau da saß, teilte er nicht mit. Genauso wenig gab er die Personen an, die die Förderprojekte bewertet hatten.

Nicht einmal über die vorgeschlagenen und geförderten Projekte gab der Zenit-Geschäftsführer Auskunft. Er sagte, er müsse sich erst die Genehmigung der zuständigen Ministerien einholen, ob er diese Auskunft geben könne. Bis jetzt hab ich nichts mehr dazu gehört.

Halten die Ministerien hier etwas unter Verschluss? Das kann ich mir kaum vorstellen.

Mal sehen, wie sich der Fall entwickelt.

Kommen wir zurück zum Gerichtsverfahren. Natürlich kann es sein, dass Hannelore Kraft dort heute einen Teilsieg erringt. Das ist bei Gericht nie ausgeschlossen. Ich werde darüber berichten.

Wie dem auch sei. Dem Kern der Geschichte, ob Hannelore Kraft den Hinweis auf die Zenit GmbH aus dem Lebenslauf auf Ihrer Homepage gelöscht hat, weil da zuwenig Platz im Internet war und irgendwie die Hobbies noch mit rein mussten, oder ob der Hinweis getilgt wurde, weil die Zenit GmbH in einen Förderskandal verwickelt war und die Rolle von Hannelore Kraft dabei hinterfragt wurde, sind wir auch so ein Stück näher gekommen.

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Update: Silvana knapp an Simonis vorbei. Erlösung erst im dritten Wahlgang

Foto: Marcus Meier

Silvana Koch-Mehrin, die Spitzenkandidatin der FDP im Europawahlkampf, schaffte es knapp auf den Posten einer Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, als heute die 14 Stellvertreter des frisch gekürten Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek gewählt wurden. Es gab 15 Bewerber. Silvana Koch-Mehrin bekam erst im dritten Durchgang ein paar Stimmen mehr als ein Rechtsausleger aus Polen und konnte so ihrem Debakel entgehen.

Im zweiten Durchgang hatte die FDP-Politikerin noch das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller Bewerber erzielt. Auf die 38-Jährige entfielen 141 der 649 gültigen Stimmen. Im ersten Durchgang hatte sie 149 Stimmen auf sich vereinigt. Im dritten und letzten Wahlgang erhielt Koch-Mehrin 186 Stimmen und konnte so den letzten Vizepräsidenten-Posten ergattern. Der rechtslastige polnische Kandidat Michal Tomasz Kaminski schied mit 174 Stimmen aus.

Die Grünen hatten sich am Ende für Koch-Mehrin entschieden und sagten, sie sei im Vergleich zum polnischen Kandidaten „das geringere Übel“. Kaminski war in der vergangenen Legislaturperiode durch rassistische und schwulenfeindliche Äußerungen aufgefallen. Die frühere SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, musste ihre politische Karriere nach drei verlorenen Wahlgängen beenden. Diese Gefahr droht nun der "Milli Vanilli der Europapolitik" (Koch-Mehrin) nicht.

Silvana Koch-Mehrin hat es sich im Wahlkampf in den Augen der meisten anderen Parlamentarier unmöglich gemacht. Sie habe sich nicht an der Kernarbeit in den Ausschüsses beteiligt, sei stattdessen in den Landen rumgejuckelt und habe Unsinn erzählt – so die Kritik der konservativen Abgeordneten, auch hier im Blog. Koch-Mehrin vertrete keine eigene Politik, sondern stelle nur die Politik anderer dar. Sie sei damit nicht besser als die Popgruppe Milli Vanilli, die zu den Songs von Frank Farian die Sänger gemimt hätten.

Zur Erinnerung: Koch-Mehrin hatte in einer eidesstattlichen Versicherung behauptet, sie habe 75-Prozent der Plenarsitzungen des Parlamentes besucht. Das hohe Haus selbst gab offiziell 62 Prozent Anwesenheit an. Auf diese Diskrepanz angesprochen, schickte Koch-Mehrin Anwälte los, um eine Diskussion um die Sache zu unterdrücken. Das lief nicht. Die Fehlzeiten wurden kurz vor der Wahl zum Thema, wenn auch ohne erkennbares Ergebnis auf das Wahlergebnis. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg läuft noch kein Ermittlungsverfahren wegen der möglicherweise falschen Eidesstattlichen Versicherung.