Streit um Kindergartenstreik

Foto: verdi / tübingen

Seit Wochen streiken die in Verdi organisierten kommunalen Kindergärtner für bessere Arbeitsbedingungen und auch für mehr Geld. In Dortmund hat sich der Stadtelternrat der Sache angenommen und kritisiert, der Arbeitskampf werde auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Ähnlich werden die Situation Eltern aus anderen Städten sehen. Wir dokumentieren deshalb einen offenen Brief, den der Verdi-Vertrauensmann in der Dortmunder Stadtverwaltung, Horst Kortwittenborg, an die Dortmunder Eltern geschrieben hat. Ziehen seine Argumente?

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Betroffenheit habe ich heute einen Artikel über Ihre Aktion und Ihre Äußerungen zum Streik im Sozial- und Erziehungsdienst in der Zeitung gelesen. Da heißt es, dass Sie zwar grundsätzlich die Anliegen der Kita-Beschäftigten verstehen, doch Sie werden auch mit dem Satz zitiert, dass ver.di einen Kampf auf dem Rücken unserer Kinder austrägt. Nun kann ich Ihre Verärgerung durchaus nachvollziehen, doch sollten Sie sich die Frage stellen wer wirklich für diese Situation verantwortlich ist. Die Verantwortung dafür tragen weder ver.di noch die streikenden Kolleginnen und Kollegen, sondern einzig und alleine die öffentlichen Arbeitgeber die ihren Haushalt auf Kosten unserer Kinder sanieren wollen. Nur so wird ein Schuh daraus!

Mit Recht sorgen Sie sich um die Zukunft Ihrer Kinder und mit Recht auch schon in dieser frühen Phase ihres Lebens, denn die Weichen werden bereits hier gestellt. Doch nicht nur an dieser Stelle gibt es Grund zur berechtigten Sorgen. So haben Sie sich sicherlich auch schon einmal die Frage gestellt, wovon und mit welcher Lebensqualität Ihre Kinder später eigentlich leben sollen. Was ist zum Beispiel, wenn zukünftige Generationen aus Mangel an Bildung nicht einmal in der Lage sein werden für sich selber zu sorgen? Wenn Lohndumping oder fehlende Arbeitsplätze ihnen nicht die Butter auf dem Brot lassen? Wenn sie gar die Grundwerte einer solidarischen Gemeinschaft nie vermittelt bekommen haben, weil es an ausgebildeten Menschen fehlt, die diese Werte weiter geben? Denn wer wird zukünftig noch bereit sein bei der Belastung und einer schlechter werdenden Bezahlung ausgerechnet in einem solchen Bereich zu arbeiten. Selbst wenn dann der Staat aufgrund solcher Einsparungen seine Schulden zum Teil abbauen könnte, was ich sehr bezweifle, wird der gesellschaftliche Schaden nie wieder gut zu machen sein. Diese moralische Zinslast wird kaum zu begleichen sein.

Wer etwas für seine Kinder tun will, der muss auch bereit sein, finanzielle Mittel in deren Zukunft zu stecken. Kindern eine sichere Zukunft zu geben, das gibt es eben nicht für ne’n Appel und’n Ei, da muss investiert werden und das scheint bei vielen Arbeitgebern, Möchtegernökonomen und anderen Wirtschaftspredigern immer noch nicht angekommen zu sein. Warum sonst wollen sie gerade dort sparen, wo einst Bildung, Erziehung und Sozialarbeit das Fundament einer früher so erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft mitgebildet haben. Doch ob in heruntergekommenen Schulen, wo Hausmeister für immer mehr Objekte zuständig sind und Reinigungskräfte immer größere Reviere zugeteilt bekommen. Wo Schulsekretärinnen bei einem jämmerlichen Gehalt einen Wust an Aufgaben zu erledigen haben, der gut und gerne auch für drei Arbeitsplätze reichen würde. Oder in den Kitas wo Erzieherinnen und Erzieher für einen Gesundheitstarifvertrag kämpfen müssen, der ihnen endlich die Chance gibt ihr Rentenalter nicht als körperliches Wrack erreichen zu müssen. Oder bei unseren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die als Dank für ihre besondere psychische Belastung Überstunden aufgedrückt bekommen, weil notwendige Stellenbesetzungen nicht vorgenommen werden. Die, sollten sie einen Fehler bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit machen, sich im schlimmsten Fall vor Gericht verantworten müssen, während die eigentlich Verantwortlichen ausschließlich um ihre eigene Rettung bemüht sind. Diese unvollständige Liste von Missständen, die vor allem durch rigide Einsparungen entstanden sind, zeigt ganz deutlich wer am Ende dieser Kette die Leidtragenden sein werden. Unsere Kinder!

Der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst ist mehr als nur ein Arbeitskampf und ist nötig weil er diese Missstände offen legt. Nicht nur in den Kitas, sondern auch in der Sozialarbeit oder beim Jugendhilfedienst müssen Verbesserungen für die Beschäftigten geschaffen werden, damit sie ihrer anspruchsvollen Tätigkeit gerecht werden können. So kann dieser Streik richtungsweisend für das Wohl einer ganzen zukünftigen Gesellschaft sein und damit auch unser aller Kinder. Deshalb bitten wir um Ihr Verständnis und um Ihre Unterstützung. Richten Sie Ihre Kritik an die öffentlichen Arbeitgeber, denn sie sind es, die die Zukunft unserer Kinder in der Hand haben. Nur wenn wir alle zusammen halten und uns nicht gegeneinander ausspielen lassen, nur dann können wir auch etwas für unsere Kinder erreichen und damit natürlich auch für die Menschen die sie ein großes oder auch nur kurzes Stück auf den Weg in eine sichere Zukunft begleiten. Menschen, wie unsere Kolleginnen und Kollegen in den Kita-Einrichtungen, in den Jugendhilfediensten, in den Sozialeinrichtungen…….

Mit freundlichen Grüßen

Horst Kortwittenborg

Sprecher der ver.di-Vertrauensleute

Stadtverwaltung Dortmund

Müntefering setzt auf das falsche Pferd

Foto: SPD

Der SPD-Parteichef Franz Müntefering war am Wochenende im Revier, besuchte am Sonntag das Bergwerk Ost in Hamm. Er machte sich für den Erhalt des Steinkohlebergbaus stark. Alle anderen Parteien würden weg von der Kohle wollen, sagte Münte, aber es könne doch nicht sein, dass in Deutschland angesichts der weltweiten Energiekrise hier die Tür zugeschlagen werde.

Nun, von der weltweiten Wirtschaftskrise habe ich gehört, von der Finanzkrise auch. Aber die Energiekrise ist mir neu. Kohle ist auf dem Weltmarkt frei verfügbar, zu günstigen Preisen. Der Ölkurs ist derzeit wegen der sinkenden Nachfrage aufgrund der Rezession noch moderat in den 70-Dollar-Bereichen. Wovon redet Münte also?

Er redet von Wahlkampf. Die Kumpel sollen Münte und seiner SPD helfen, wieder an die Macht zu kommen. Das Versprechen: Die SPD sorgt dafür, dass der Ausstiegsbeschluss 2012 zurückgeholt wird. Auch Hannelore Kraft, SPD-Landeschefin hat das gesagt. Es dürfe 2018 kein Ende der Zechen geben. Aber dieses Versprechen ist unrealistisch. Bergleute werden in die Irre geführt. Es gibt keine politische Mehrheit für den Subventionsbergbau, der jedes Jahr Milliarden Euro kostet. Nicht mal mehr im Ruhrgebiet. Die Bergtreue ist Geschichte. Das weiß auch Münte. Das wird er auch nicht ändern. Deswegen sieht das Versprechen in Hamm für mich aus, wie Bergmannsverkaufe.

Um im Wahlkampf die Stimmen abzugrasen, wird den Leuten kurz das Blaue vom Himmel versprochen, danach sind die Jungs vergessen.

Nur zur Erinnerung: In Hamm macht das Bergwerk Ost schon 2010 dicht.

 

Iran – Straßenkämpfe und Tote

Über das Internet kommen häßliche Meldungen aus dem Iran. Trotz Nachrichtensperre laufen Filme und Photos. Es wird hart. Menschen sterben. Das TehranBureau ist in letzter Zeit recht zuverlässig gewesen. Es berichtet, Demonstranten würden Milizen mit Molotov-Cocktails angreifen. Es fallen Schüsse. Bis heute abend seien bis zu 40 Tote und 200 Verletzte in das Fatemiyeh Hospital in Teheran eingeliefert worden. Die Polizei notiert die Namen der Verletzten. Demotix berichtet, dass die Universität gestürmt worden sei. Milizen und Polizisten würden Menschen jagen. Darüber kreisen Helikopter. Die ausstralische Botschaft soll Verwundete der Kämpfe aufnehmen. Unsere auch?

Ich hoffe, der Bürgerkrieg kann noch abgewendet werden. Dieses Video ist hart. Sehr hart. Es zeigt den Horror des Krieges. Das Video wird immer wieder bei Youtube gelöscht.

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Offener Abschiedsbrief an die Piratenpartei: Ihr seid unmöglich

Foto: Piratenpartei

An Euch Piraten. Ihr seit Splitter und werdet Splitter bleiben.

Mit der überschwenglichen Aufnahme von Tauss habt Ihr das Schicksal Eurer Pirtenpartei besiegelt. Ihr wurdet als Partei einer neuen Bewegung gehandelt, als Partei des Internet-Zeitalters, vielleicht sogar als einzige freiheitliche Partei der Zukunft. Nun habt Ihr bewiesen, dass Ihr nicht wählbar seid. 

Zitat:

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hat heute in Berlin seinen Beitritt zur Piratenpartei Deutschland erklärt. Die Piratenpartei heißt mit ihm einen der erfahrensten Politiker des Landes im Bereich Bildung, Forschung und Neue Medien in ihren Reihen herzlich willkommen.

Die Gier nach einem Bundestagsmandat hat Euren Verstand gefressen.

Eure Piratenpartei ist karriereversessen auf dem Weg an die Fleischtöpfe – bereit, jede Vorsicht, jedes Bedenken, jedes Prinzip über Bord zu werfen. Degoutant.

Nur um Euch den Fall zu verdeutlichen: Tauss hat gestanden, Kinderpornos bezogen zu haben. Das ist ein Fakt.

Die Unschuldvermutung gilt für die Frage nach der Strafbarkeit des Kinderpornokaufs.

Warum habt ihr nicht wenigstens das Verfahren abgewartet? Ob es ein Urteil gibt oder nicht?

Wenn er verurteilt wird, habt Ihr Euch dem erste überführten Kinderschänder im deutschen Parlament an den Hals geschmissen – nur um auch mal im Bundestag zu sein.

Aber auch ohne Urteil. Tauss bleibt selbst mit Freispruch ein Kinderpornokäufer. Da ändert sich nichts dran.

Der Mann hat Kinderpornos gesammelt. Er sagt, er habe die Ekelware gehortet – aus Studienzwecken. Wer soll den sowas glauben? Wenn er forschen wollte, hätte er beim BKA nachfragen können. Einem Mitglied des Bundestages hätten die gewiss Auskunft gegeben. Er hätte auch mit LKA-Beamten sprechen können oder mit Wer-Weiß-Wem.

Ein guter Kollege von mir hat mal folgenden Vergleich gezogen: wenn ein Reporter über Drogenhandel recherchieren will, kauft er nicht 20 Gramm Heroin und legt sich das in die Küche. Er spricht mit Dealern, Junkies und Polizisten, mit Sozialarbeitern und allen anderen. Aber er kauft nicht 20 Gramm Schore und Spritzbesteck. Was weiß er nach dem Kauf der Droge über den Drogenhandel an sich? Nichts.

Was weiß Tauss über Kinderpornos mehr als das BKA, wenn er den Mist selber bezieht? Nur, wo er sich selber versorgen kann – mehr nicht.

Ihr Piraten seit jetzt die Partei der Kinderpornokäufer – und auch noch der kriminellen Musikklauer. Aber das ist ein anderes Thema.

Habt Ihr gut hingekriegt. Ihr Experten. Kompliment.

Und auf Nimmer-Wiedersehen.

P.S. Wie unverschämt ist es folgenden Satz in der Jubelmeldung über den Tauss-Beitritt zu schreiben:

Mit ihm (Tauss d.R.) haben aber über 134.000 Menschen als Unterzeichner der Petition gegen Internetsperren klar gemacht, dass es für sie schlimmer ist, zu diesem unverschämten Angriff auf unsere Demokratie (Zensurgesetz von Zensursula d.R.) zu schweigen, als sich gegen den ungerechtfertigten Vorwurf der Verteidigung von Kinderpornografie zu wehren.

Mit Tauss hat da gar keiner unterschrieben, sondern mit Franziska Heine. Wenn Tauss die Petition initiiert hätte, wäre er ziemlich alleine geblieben. Die Petition wäre nie ein Erfolg geworden. Weil mit dem Kinderpornokäufer offenbar nur Ihr Piraten identifiziert werden möchtet.

Klimaretter im Fake-Einsatz

Vor ein paar Monaten haben amerikanische Politaktivisten eine gefakte New York Times auf den Markt geschmissen, in der sie den Krieg im Irak für bendet erklärten. Die Aktion war offensichtlich erfolgreich. Denn jetzt hat Greenpeace die Aktion off- und online abgekupfert. Eine Millionen gefakter International Harald Tribunes wurden verteilt – und sind als pdf erhältlich. Dazu gibt es die passende Homepage. Damit wollen die Ökopaxe Druck auf die Kimakonferenz in Koppenhagen im Herbst ausüben. Dort soll über ein Nachfolgeprogramm zum Kyoto-Protokoll verhandelt werden. Die Hoffnungen richten sich auf US-Präsident Obama. er soll die Welt retten.

Ruhrpilot

Das funktionierende Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: braucht wieder frische Milliarden …. der westen.de

Bochum: Wer kriegt das Geld für das Konzrthaus….bild.de

SPD: Auf zum letzten Gefecht. Kraft sagt, Rathäuser sollen wieder rot werden…derwesten.de

Iran: Angst vor einem Gewaltausbruch….huffingtonpost

Iran II: Die nächste Phase der islamischen Revolution ….Zeit

Netzpolizei: Lehren für die Netzcommunity….carta

Twitter: Wie Barack den Zwitscherservice Online hielt….coffeeandtv

Buchstützen: Alles was recht ist….nerdcore

Netzpolitik: demos fast überall….netzpolitik

Abgeledert und praechtig verdient

Screenshot: GPC Biotech

Das Münchner Biotech-Unternehmen GPC Biotech galt einst als Hoffnungsträger der deutschen Biotech-Szene. Doch Rückschläge in den letzten beiden Jahren brachten die Firma in Schieflage. Nun soll der Konzernchef eine Millionenabfindungen erhalten. Aktionäre laufen Sturm. Von unserem Gastbaron Cityboy

Wenn ein Star fällt, fällt er tief. Das hat Bernd Seizinger, der Chef des Münchner Biotech-Unternehmens GPC Biotech am eigenen Leib erfahren. 2001, da war der ausgewiesener Pharmamager mit seiner eigenen Firma ganz oben angelangt. Der Aktienkurs erreichte mit fast 70 Euro einen Rekordstand. Die Zukunft sah stets rosig aus. Der Absturz war umso härter. Nun droht dem angeschlagenen Münchner Unternehmen nicht nur eine turbulente Hauptversammlung. Aktionäre prüfen auch eine Klageflut gegen das Unternehmen und Seizinger. Allem voran die Millionenabfindung für den scheidenden Vorstandschef erregt die Gemüter.

Das Unternehmen selbst hält die Vorwürfe und Anschuldigungen für gegenstandslos. Die „aufgestellten Forderungen und Behauptungen entbehren einer rechtlichen Grundlage“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Zahlungen an Seizinger seien völlig legal und würden im Zusammenhang mit seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vorstand im Zuge der Fusion erfolgen. Alle Zahlungen würden nur im „Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft“ erfolgen.

GPC Biotech galt lange Zeit als eines der ganz wenigen Unternehmen der chronisch unterfinanzierten deutschen Biotech-Szene, das vielleicht den Durchbruch hätte schaffen können. Jahrelang wurden die Manager nicht müde, auf das große Potenzial zu verweisen, das in ihrem Hoffnungsträger Satraplatin stecken soll. Doch das Medikament Satraplatin floppte. Zuerst wurde ihm 2007 in den USA die Zulassung verweigert, im vorigen Jahr kündigte dann auch noch der Vermarktungspartner die Verträge für Europa. Der Aktienkurs brach um mehr als 20 Prozent ein. Seitdem pendelt sich der GPC-Anteilsschein zwischen 0,40 und 1,40 Euro ein.

Satraplatin, ein Mittel gegen Prostatakrebs, war eine Wette auf die Zukunft. Und es war vor allem eine Wette, die nicht aufging. Die Aussichten auf lukrative Einnahmen sind nun dahin und da es auch keinen wirklich aussichtsreichen Nachschub gibt, sieht die Zukunft der Firma mau aus. Seit dem letzten Sommer ringt das angeschlagene Unternehmen aus Martinsried daher ums Überleben. Nur noch eine Not-Fusion mit dem US-Konkurrenten Agennix kann wohl noch retten, was zu retten ist. Die Hauptversammlung nächsten Dienstag soll den Weg für die Fusion frei machen. Seizinger wird dann aus dem Unternehmen ausscheiden – möglicherweise mit 1,5 Mio. Euro als Abfindung. Für einige Aktionäre ist das ein klarer Verstoß gegen das Aktienrecht.

Mindestens einen Antrag auf Verweigerung der Entlastung für Seizinger und den gesamten Aufsichtsrat gibt es schon – und er kommt von Christian Strenger. Der Banker ist Mitglied in der Regierungskommission Corporate Governance und deshalb hat sein dreiseitiges Schreiben, das der WELT vorliegt, eine besondere Brisanz.

Er will ihnen die Entlastung verweigern, wenn Seizinger einen Teil seiner Abfindungen nicht wieder in das Unternehmen investiert.

Die Vorwürfe, die Strenger auflistet, sind lang und schwerwiegend. Seit elf Jahren habe Seizinger das Unternehmen geführt und für die Aktionäre eine „im Ergebnis völlig unbefriedigende Geschäftsentwicklung“ hinterlassen. Neue Hoffnungsträger gibt es nicht wirklich und das Finanzpolster schmilzt von Tag zu Tag. Nach Strengers Aussagen ist die Lage derart akut, dass „das Unternehmen ohne massive Kapitalzufuhr spätestens in der Mitte 2010 pleitegehen würde“. Trotzdem soll Seizinger eine üppige Abfindung kassieren – und zwar das Dreifache der Jahresvergütung aus 2008. Der Ethik-Kodex begrenzt eigentlich solche Zahlungen auf zwei Jahresgehälter. „Eine solche Zahlung würde die für das Weiterbestehen der GPC entscheidende Liquiditätsposition erheblich belasten“, mahnt der Aktionärsvertreter Strenger an und verweist auch noch auf ungeklärte Aktienverkäufe. Einen Monat, bevor die US-Zulassung im Juli 2007 verweigert wurde und der Kurs darauf massiv eingebrochen ist, soll Seizinger GPC-Aktien in Millionenhöhe verkauft haben. Auch das dürfte zu kritischen Nachfragen auf der Hauptversammlung führen.

 

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Was ist los bei E.on? Demos und Streit in Europas größtem Konzern

Foto: E.on

Bei E.on bieten sich seltsame Bilder vor der Konzernzentrale in Düsseldorf. Menschen ziehen auf, Busse kommen, Transparente. Ein Protest, wie ihn der größte Energieversorger Europas noch nie gesehen hat. Verdi demonstriert gegen ein 1,5 Mrd Euro Sparprogramm. Gegen einen möglicherweise drohenden Stellenabbau von 9000 Mann. Gegen Ausgliederung und zügellose Profitgier. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die früher bei E.on mächtige IGBCE verweigert sich dem Protest. Die Gewerkschaft will nicht demonstrieren und geht statt dessen offensiv gegen die Verdianer vor. Es heißt bei der IGBCE, die Proteste seien töricht, da noch nichts ausverhandelt sei.

Arbeiter gegen Arbeiter. Beschäftigte gegen Unternehmer. Wie konnte es soweit kommen. Manchmal kann man Umbrüche in einem Konzern nur erahnen. In diesem Frühjahr beispielsweise da war so ein Moment, als der E.on-Vize Johannes Teyssen den Fürsten von Monaco in der Düsseldorfer Konzernzentrale empfing – und nicht etwa E.on Chef Wulf Bernotat. Schnell raunten Beobachter von einem frühen Signal für einen anstehenden Wechsel in der Konzernspitze. So als nehme der Kronprinz die Geschäfte des Reiches in die Hand. E.on-intern wird das vehement bestritten. Bernotat sei nur in Japan gewesen, um Anleger für die E.on-Aktien zu begeistern, heißt es. Wie dem auch sei. Wenige Wochen nach dem Teyssen-Empfang gab Bernotat (60) seinen geplanten Rückzug aus der Konzernspitze bekannt.

Seither ist bei Europas größtem Energieversorger nichts mehr, wie es war. Lange verborge Konflikte brechen auf. Im Aufsichtsrat tobt ein Machtkampf zwischen Vertretern der Gewerkschaften IGBCE und Verdi. Insidern gilt der Vorstand gespalten in Bernotat-Gefolgsleuten und Thyssen-Männern, wie ein Aufsichtsrat verrät. Selbst die bislang unbestrittene Rolle von Ulrich Hartmann als E.on Aufsichtsratschef ist nicht mehr sakrosankt. Ihm wird vorgehalten, den Konzern patriarchalisch zu führen. Probleme würden vorab im Zwiegespräch mit E.on-Chef Bernotat besprochen. Und Vorträge im Aufsichtsrat seien zu formalistisch, offene Diskussionen würden kaum stattfinden.

Zu einem offenen Streit aber kam es erst, als sich Wulf Bernotat entschied, ein umfassendes Sparprogramm im Konzern durchzusetzen. 1,5 Mrd Euro sollen gestrichen werden, bei einem Rekordgewinn von 10 Mrd Euro vor Steuern. Die Stimmung im Konzern rutschte in die Frostzone. Die Arbeiter rebellieren. Innerhalb von nur vier Tagen sammelten sie 19.000 Unterschriften gegen das Programm. Vor der E.on Zentrale in Düsseldorf kommt es am Donnerstag zur ersten Großdemo in der Geschichte des Versorgers. Ein Aufsichtsrat sagt. „Bernotat hat nichts mehr unter Kontrolle. Wir warten darauf, dass er geht.“

Wie konnte es soweit kommen? Seit der Liberalisierung der Energiebranche hat E.on eigentlich nur Erfolge vorzuweisen. Die Ausweitung des Geschäftes auf Europa hat geklappt. Selbst nach der gescheiterten Endesa-Übernahme konnte der Konzern seine Tätigkeiten auf Italien, Frankreich, und Spanien erweitern. Gleichzeitig wurde das größte Investitionsprogramm eines einzelnen Unternehmens in der deutschen Industriegeschichte ausgerufen. Innerhalb von nur wenigen Jahren will E.on 60 Mrd Euro in neue Anlagen, Unternehmen und Aktivitäten stecken. Selbst ein äußerst komplizierter Gasdeal in Russland konnte nach jahrlangem Tauziehen unter Dach und Fach gebracht werden. E.on tauschte eine Beteiligung am sibirischen Rohstofflager Jushno-Russkoje gegen Aktien am russischen Staatskonzern Gazprom.

Doch im Glanze des Erfolges zeigen sich jetzt die Risse im Geflecht. Der multinationale Expansionskurs zwingt den Konzern zu einem rigiden Sparkurs. Es geht um eine Verschlankung der Strukturen, um das Unternehmen flott für den Wettbewerb zu halten. Die neuen Ländergesellschaften, über den ganzen Kontinent verstreut, sollen an die deutschen Verhältnisse angepasst werden. Gleichzeitig will Bernotat E.on in Heimatmarkt stärker fokussieren. An die Stelle vieler kleiner Gesellschaften im Bündnis mit kommunalen Beteiligungen sollen zentrale Vertriebseinheiten treten. So will E.on schnell und unbürokratisch auf neue Herausforderungen reagieren. Intern wirbt die Konzernspitze um Vertrauen. „Die europäische und die deutsche Politik will, dass wir uns verändern. Deshalb können wir nicht weitermachen wie bisher. Wir müssen uns erneuern“, heißt es im Vorstandsumfeld.

Doch bei den Arbeitnehmern in Deutschland kommt das nicht gut an. Ihnen missfallen die harten Fakten hinter den schönen Worten: „Die Zentralisierung machen wir nicht mit“, sagt ein Aufsichtsrat. Zum Beispiel stößt auf, dass die E.on-Gesellschaft Thüga mit über hundert kommunalen Beteiligungen verkauft werden soll. Oder dass im Projekt „regi.on“ die bislang weitgehend unabhängigen Regionalgesellschaften verschmolzen werden. Oder dass im Projekt „Perform-to-Win“ bis zu 9000 Arbeitsplätzen abgebaut oder ausgelagert werden sollen. Selbst dem Versprechen auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, misstrauen die Arbeitnehmer. „Wir mussten den Demoaufruf bremsen“, sagte ein Verdi-Vormann. „Sonst wären ein paar tausend Mitarbeiter mehr gekommen.“

Vor allem in Bayern ist der Unmut groß. Hier in München liegt die Zentrale der Eon Energie AG. Vor der Fusion mit Veba zu E.on der Sitz des selbstbewussten bayrischen Versorgers Viag. Im Rahmen von "Perform to win" wird überlegt Aufgaben aus der bayrischen Hauptverwaltungen der E.on Energie in andere Stellen des Konzerns nach Düsseldorf oder Essen zu verlagern. Das bedeutet, Mitarbeiter verlieren ihren angestammten Arbeitsplatz. Sven Bergelin, Energie-Experte der Gewerkschaft Verdi und Eon-Aufsichtsrat, sagt: „Wir wehren uns gegen überzogene Sparprogramme allein zur Sicherung der Dividende.“ Der Kulturbruch bei E.on könnte nicht größer sein.

Bei der Suche nach den Ursachen stößt man auf einen lange schwellenden Konflikt im Aufsichtsrat des Versorgers. Mir liegt eine interne so genannten Board Review des Unternehmensberaters Florian Schilling vor. Dieses Dokument wurde im Auftrag des Aufsichtsrates erstellt. Jeder Kontrolleur durfte hier seine Meinung zum Konzern sagen, zu der Arbeit im Aufsichtsrat, zu den Vorständen zu der Stimmung im Konzern. Die Studie ist geheim. Sie betrifft die intimsten Details des Konzerns.

Bei einem Blick in das Dokument wird der tiefer Graben unter den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat beschrieben, der bei der Demo in Düsseldorf derzeit aufbricht. Auf der einen Seite die Gewerkschaft IGBCE und auf der anderen Seite Verdi.

Bis vor wenigen Jahren hat die Bergbau und Chemiegewerkschaft die Arbeitnehmerbank im Kontrollrat dominiert. Noch immer ist der IGBCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt Stellvertreter des allmächtigen Aufsichtsratschef Hartmann. Die Gewerkschaft gilt im Konzern wegen ihrer Kompromissbereitschaft als zahm und Vorstandsfreundlich. Nach dem Verkauf der Degussa und der Viterra ist die Bedeutung der IGBCE allerdings geschwunden. Zudem wird der 64-Jährige Schmoldt im Herbst als IGBCE-Chef pensioniert. Seinen Posten im E.on-Aufsichtsrat wird er dann aufgeben müssen. Als Nachfolger ist ein Vertreter der rabiateren Verdi-Konkurrenz designiert. Die Dienstleistungsgewerkschaft vertritt mittlerweile rund 75 Prozent der E.on-Mitarbeiter.

In der Board Review bestätigt ein Vertreter der Kapitalbank im Aufsichtsrat den Konflikt: „Die vertretende Gewerkschaft hat jetzt natürlich einen starken Konkurrenten in Verdi bekommen und verdi ist ja im Prozess, über die Mehrheit auf der Arbeitnehmerbank, hier in eine große Verantwortung reinzukommen und das verändert offensichtlich das Spiel. Das hat schon Auswirkungen auf die Aufsichtsarbeit in den letzten Monaten gehabt.“ Ein anderer Kapitalvertreter sagt: „Ich sehe da die große Gefahr, dass Geschäftsentscheidungen verbunden werden mit Gewerkschaftsinteressen.“

Mit den Problemen der Arbeitnehmer hört das Konfliktpotential nicht auf, wie aus der Board Review hervorgeht. Ein Kapitalvertreter moniert die intransparente Suche nach neuen E.on-Vorständen durch den Aufsichtsratschef Hartmann. „Das ist wie bei der Papstwahl – ich bin noch nicht ganz dahinter gekommen.“ Die mangelhafte Diskussionskultur im Spitzengremium wird angegriffen. „Das schlimmste an diesen AR-Sitzungen ist das Vorgelese. Es ist so was von leblos und jegliche Diskussion abtötend. Das müssen wir echt abschaffen“, sagt ein E.on-Vorstand. Selbst vor der Rolle Bernotats wird nicht Halt gemacht. Zwar bescheinigen im die Aufsichtsräte eine „hochintelligente“ Unternehmensführung. Allerdings sagt ein Arbeitnehmervertreter. „Manchmal habe ich so den Eindruck allerdings, er ist nicht so richtig in unserer Welt.“ Und ein Kapitalvertreter sagt: „Ich glaube auf der Ecke Softfaktoren, das ist nicht unbedingt seine Stärke.“

In den kommenden Wochen wird E.on Vorstand Johannes Teyssen nach und nach mehr Macht übernehmen. Wie viel, ist jetzt noch offen. Ein E.on-Sürecher sagt, Bernotat werde nicht vorzeitig seinen Hut nehmen.

Iran – die Erinnerung an 1978

Der Iran hat schon einmal eine Revolution gegen einen übermächtigen Gegner erlebt. Die Bilder gleichen sich. Die Hoffnung auch.

Die Revolution begann Anfang Januar 1978 in der Stadt Qom als religiöse Studenten nach einer Schah-feindlichen Demonstration erschossen wurden. Nach schiitischer Tradition wurde 40 Tage um die Toten getrauert. Nach Ablauf dieser Frist kam es am 18. Februar zu neuen Demonstrationen, diesmal im ganzen Iran. Zu den heftigsten Zusammenstößen kam es in Täbris – wo über 100 Demonstranten starben. Erneut legten sich 40 Tage Trauer über das Land, und am 29. März wiederholten sich die Szenen. Von da an brandten die Proteste im 40-Tage-Rythmus auf. Sie wurden größer und stärker. Bis der Schah fliehen musste. Siehe auch Wikipedia

Die Fotos stammen von den Fotografen Kaveh Golestan und Kaveh Kazemi