RWE in Aufregung

Foto: RWE

Der Energiekonzern RWE steckt in einer Führungskrise. Für Aktionäre und Investoren überraschend stellte der Vorsitzende des RWE-Aufsichtsrates, Thomas Fischer, gestern auf der Hauptversammlung des Stromversorgers sein Amt zur Verfügung. Der ehemalige Vorstandschef der WestLB sagte, er habe aus persönlichen Gründen nicht mehr ausreichend Zeit, sich als Aufsichtsratschefs dem zweitgrößten Stromversorger Deutschlands zu widmen. Wie aus dem Konzern zu hören ist, will Fischer über 100 Tage im Jahr ausschließlich für RWE gearbeitet haben.

Zuvor war ein Konflikt von RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann mit dem Aufsichtsrat bekannt geworden. Trotz seiner unbestrittenen unternehmerischen Erfolge führe Großmann den Konzern zu oft wie sein eigenes Unternehmen, bemängelten mehrere Aufsichtsräte. Vereinzelt wurde der Basta-Stil Großmanns kritisiert.

Es hieß, gerade zum Aufsichtsratschef Fischer pflege Großmann ein gespanntes Verhältnis. Die beiden „Alpha-Tiere“ des Konzerns könnten nur sehr schwer miteinander kooperieren. Zudem würde Großmann zu oft die Rolle des Aufsichtsrates und dessen Chef Fischer als Kontrollgremium ignorieren. Erst vor wenigen Wochen hatten Aufsichtsräte über eine gleichzeitige Ablösung von Großmann und Fischer von der RWE-Spitze diskutiert.

Ich persönlich denke, die Führungskrise des RWE rührt tatsächlich zu einem großen Teil von den beiden Führungspersonen her. Um zu erklären, warum ich das denke, muss ich ein wenig ausholen. Nach seinem Amtsantritt wollte der neue RWE-Chef den Konzern flott machen für die neue Zeit. Dabei ist es sicher richtig, gerade im Erzeugungsbereich viel zu unternehmen. RWE hat eine miese CO2-Bilanz und zudem den Einstieg in die Erneuerbaren Energien verpaßt. Diese unternehmerische Herausforderung ist Großmann mit Verve angegangen. Und er hat Erfolge. Das bestreitet niemand. Die Einrichtung der Innogy ist glänzend. Es bestreitet auch niemand, dass es nötig war, den Vertrieb im anziehenden Wettbewerb im Stromgeschäft zu pushen. Auch hier hat sich Großmann zur Aktion entschlossen.

Und damit beginnen die Probleme. Großmann hat die Menschen nicht mitgenommen auf seinem Weg. Er hat die Mitarbeiter der RWE Systems verprellt – zu hunderten, als er ihren Teilkonzern zerschlagen hat. Es ging um die kolportierten abwertenden Zitate, von einer AG für Putzfrauen, die jeder im Konzern kennt. Von Mund zu Mund weitergetragen. Verletztend.

Großmann hat den stolzen Konzernteil Energy mit einem Strich ruiniert. Ohne mit den Mitarbeitern zu sprechen und Sie von den angenommenen Notwendigkeiten zu überzeugen. Dass er das bereits geplante Gespräch mit den RWE Energy Mitarbeitern im März abgesagt hat, fiel den Mitarbeitern als Arroganz auf.

Mehr noch: Nahezu alle Vertriebler im Konzern sind überzeugt, dass es notwendig ist, näher an die Kommunen zu rücken, um Konzessionen zu sichern und dauerhafte Beziehungen zu pflegen. Doch gerade die Beziehungen zu den Städten werden durch das Auftreten von Großmann beschädigt. Der RWE-Chef scheint zu denken, es reiche aus, mit den Menschen direkt zu reden. Er müsste sie aber überzeugen.

Das Problem ist der Mensch. Nicht sein Ziel.

Auch die Ziele von Großmann können wahrscheinlich viele im Konzern unterstützen. Aber wenn man tausenden Mitarbeitern vor den Kopf stößt und ihnen die Möglichkeit nimmt, sich einzubringen, ist es nicht verwunderlich, wenn sich diese wehren. Geschubst werden will keiner – und Beileidigungen haßt jeder.

Genau so sehen viele im Konzern die Rolle des scheidenden Aufsichtsratschefs kritisch. Bereits seit Tagen war in Führungskreisen des RWE immer offener über einen möglichen Rücktritt Fischers spekuliert worden. Konkret kündigte sich ein harter Schnitt auf der Eröffnung des neuen Handelszentrums des RWE in Essen am Dienstag an. Im Gegensatz zu vielen prominenten Gästen, wie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, war Aufsichtsratschef Fischer nicht auf der Feier erschienen. Unmittelbar vor der Eröffnung der Hauptversammlung machte Fischer dann seinen Entschluss öffentlich. Die Ankündigung kam für RWE-Anteilseigner überraschend. Fischer will einfaches Mitglied im RWE-Aufsichtrat bleiben.

Seit seinem Ausscheiden als Vorstandschef aus der WestLB im Zuge eines satten Finanz-Skandals stand Fischer unter Druck. Er aber klebte an seinem Job als RWE-Aufsichtsratschef und versuchte sich anzubiedern. Es war sein letzter Brotjob in einem Großunternehmen. Fischer wollte den Konzern mitlenken und überschätzte damit seine Möglichkeiten. Im Umfeld des Konzerns gelten die persönlichen Zeitgründe Fischers für vorgeschoben. Nach seinem Rücktritt von der WestLB-Spitze hat Fischer keinen neuen Managerposten angetreten. Als Beruf gibt er schlicht "Kaufmann" an, ohne konkrete Stelle. Aus dem Fischer-Umfeld heißt es, der Aufsichtratschef sei wegen andauernder Indiskretionen zurückgetreten. Diese hätten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich gemacht. Fischer selbst sagte: „Sie können sich kaum vorstellen, wie sehr das einen ärgert.“

Aber die Indiskretionen sind nur ein Abbild der Verhältnisse unter Fischer und Großmann. Würde die Beziehungen mit den Menschen gut laufen, müsste sich keiner Luft machen. So aber haben die Menschen keine andere Chancen sich zu wehren. Wer will ihnen als letzten Ausweg den Mund verbieten?

Die Verzweiflung in weiten Teilen des Konzerns ist bei vielen Mitarbeitern bereits existenziell. Es geht um intime, persönliche Dinge. Um Dinge, die Angst machen. Wenn Abteilungsleiter dazu angehalten werden, ihre Männer zu schassen, wenn Führungskräfte abgehalfert werden. Manchmal meint man sehen zu können, wie Mitarbeiter Blut schwitzen.

Als Nachfolger an der Spitze des Kontrollgremiums stehen nur wenige Kandidaten bereit. Als Favorit für den Posten gilt der Bayer-Aufsichtsratschef Manfred Schneider. Er könne als Übergangskandidat dienen, bis ein neuer Aufsichtsrat in zwei Jahren gewählt werde, hieß es. Allerdings will Schneider selbst eher nicht. Als weiterer Kandidat gilt der Finanzvorstand der Allianz Versicherung, Paul Achleitner. Er sei bereits als Wortführer der Kapitaleigner aufgetreten, hieß es aus dem Aufsichtsrat. Dagegen spreche nur, dass die Allianz ihre Spitzenkräfte nicht gerne im Vorsitz von Aufsichtsräten sehe. Daneben werden dem Vorstandschef von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, Chancen auf den Posten eingeräumt. Allerdings stehe Schulz derzeit wegen der Schwierigkeiten in seinem eigenen Konzern so stark unter Druck, dass er den Job wahrscheinlich ablehnen müsse, hieß es weiter. Verzwickt.

Dann gibt es noch ein ganz anderes Szenario: ThyssenKrupp-Chef Schulz oder ein anderer aus der Kapitalbank des RWE könnte freiwillig zurücktreten und den Platz für einen neuen Aufsichtsratschef freimachen. Dann könnte sogar Werner Müller, der Ex-RAG-Ex-Evonik-Chef, an die Spitze rücken. Schließlich war er schonmal  vorgesehen als RWE-Chef und ist es schließlich nicht geworden. Ihn selber würde der Job sicher interessieren. Wenn er überhaupt noch Lust auf Streß hat. Heute. Als Pensionär. Genausogut könnte aber auch ein anderer externen Kandidat anrücken. Wer weiß.

Eine Entscheidung soll in naher Zukunft in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung fallen.

Der Aufsichtsrat des RWE gilt als schwierig. Auf Seiten der Kapitalgeber sitzen neben den klassischen Investoren auch vier kommunale Vertreter. Diese würden vor allem ihre eigenen Interessen vertreten, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Zudem sitzen auf der Arbeitnehmerbank mit Verdi und IG BCE gleich zwei starke Gewerkschaften sowie mehrere Betriebsräte. Die unterschiedlichen Fraktionen hätten sich in der Vergangenheit öfter blockiert, hieß es aus dem Aufsichtsrat.

Fischer wurde Ende 2004 an die Spitze des RWE berufen, als er noch WestLB-Chef war. RWE-Chef Jürgen Großmann erwähnte den scheidenden Aufsichtsratschef Fischer in seiner Rede nach dessen angekündigtem Rücktritt mit keinem Wort.

RWE hat Streß mit Bulgaren-Atomkraftwerk

Foto: halbfertiger Atommeiler Belene in Bulgarien

Der Bau des umstrittenen RWE-Kernkraftwerkes Belene in Bulgarien steht auf der Kippe. Vor allem die Finanzierung des Meilers bereitet nach meinen Recherchen derzeit große Probleme. So werden der bulgarischen Regierung Schwierigkeiten nachgesagt, einen Kredit aufzutreiben, um den Eigenanteil von 51 Prozent an dem 3,8 Mrd Euro teuren Bau zu finanzieren. RWE selbst hat sich bislang bereit erklärt, einen Anteil von 49 Prozent an dem Meiler zu übernehmen, und sichert damit eine Finanzierung von rund 1,3 Mrd Euro ab. Das Projekt gilt als eines der wichtigsten Prestigeprojekte des RWE-Chefs Jürgen Großmann.

Bereits im vergangenen Sommer hat der staatliche Bulgarische Energieversorger NEK mit der französischen Bank BNP Paribas einen Vertrag abgeschlossen, nach dem das Geldinstitut einen Konsortium zusammenstellen soll, um den bulgarischen Eigenanteil darzustellen. Doch aus Bankkreisen war zu erfahren, dass BNP Paribas mitten in der Finanzkrise Schwierigkeiten hat, genügend Geldhäuser zu finden, die bereit sind, die Risiken aus dem Geschäft zu übernehmen. Es gibt bis jetzt kein Konsortium. Das Kernkraftwerk Belene wird mitten in ein Erdbebengebiet gebaut. Die Europäische Union hatte massive Sicherheitsbedenken gegen den Standort geäußert und vor der Aufnahme Bulgariens in die EU verlangt, einen Vorgängermeiler am gleichen Ort stillzulegen. Mehrere Banken haben sich in der Vergangenheit aus Sicherheitsbedenken aus der Finanzierung zurückgezogen. Aus Kreisen der Bank BNP Paribas erfuhr die Welt nun, das Haus sei zwar weiter daran interessiert, ein Konsortium zusammenzustellen, werde aber keine eigenen Mittel für einen Kredit bereitstellen.

Die Bulgarische Regierung hat bereits reagiert und versucht nun gegen den Widerstand der Opposition in direkten Gesprächen mit Russland Kredite zu bekommen, um den Bau zu finanzieren. Der russische Konzern Atomstrojexport soll Generalunternehmer des Kernkraftwerkbaus werden. Er arbeitet dabei mit Siemens zusammen.

Bereits im Dezember hatte RWE ein Joint-Venture-Abkommen mit dem bulgarischen Versorger NEW unterzeichnet. In Rahmen dieses Abkommen hat sich RWE bereit erklärt, bis zu 450 Mio Euro in die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft zu investieren, heißt es aus dem Essener Konzern. 225 Mio will RWE demnach direkt investieren, weitere 225 Mio sollen fließen, falls der bulgarische Partner nicht fähig ist, eine eigene Finanzierung bereitzustellen. Das Geld soll dazu dienen, den Baubeginn des Kernkraftwerkes zu ermöglichen. Ein RWE-Sprecher wollte die Angaben nicht kommentieren. Auch zum konkreten Zeitplan wollte sich der Sprecher nicht äußern. Es hieß lediglich, bis 2010 solle die Projektentwicklung abgeschlossen werden.

Im RWE selbst ist das Vorhaben weiter umstritten. Während Konzernchef Jürgen Großmann den Meiler in Bulgarien bauen lassen will, hat sich im Aufsichtsrat Widerstand formiert. Es heißt, zum einen sei das Kraftwerk zu unsicher, zudem hätte Bulgarien neben den finanziellen Schwierigkeiten zu große Probleme mit Korruption, in die sich RWE nicht verstricken dürfe. Erst vor wenigen Wochen hatte die EU einen Bericht vorgelegt, in dem die Verhältnisse in Bulgarien stark kritisiert wurden. Hilfsgelder an das Balkanland in Millionenhöhe bleiben deshalb gesperrt.

RWE-Chef Großmann hatte versucht, das Projekt Belene ohne Zustimmung des Aufsichtsrates durchzusetzen. Unter anderem um einen Alleingang des Konzernchefs zu verhindern, hat der Aufsichtsrat deshalb eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen, wonach die Unternehmens- und Investitionsplanung und damit der Baubeschluss von Belene von den Konzernaufsehern genehmigt werden muss. Großmann hatte erfolglos mit Rücktritt gedroht, sollte die Geschäftsordnung entsprechend geändert werden.

Unterdessen hat die Naturschutzorganisation urgewalt zwei prominente Gegner des Kernkraftwerkes aus Bulgarien nach Deutschland eingeladen. Gueorgui Kastchiev, der ehemaligen Chef der bulgarischen Atomaufsicht, und Albena Simeonova, einer der bekanntesten Umweltschützerinnen Bulgariens, wollen in den Ruhrgebietsstädten über die Bedenken der Bevölkerung gegen die Reaktoren berichten. Dabei sollen vor allem in den SPD-regierten Städten die Oberbürgermeister sensibilisiert werden, dass sie nicht in Deutschland mit ihrer Partei für den Atomausstieg eintreten und dann im Aufsichtsrat des RWE für den Bau eines mutmaßlichen Risikoreaktors stimmen können.

Hier die Termine mit den beiden bulgarischen Gegnern des RWE-Kraftwerkes.

Dortmund: Am Dienstag, den 21.4. trifft ab 19 Uhr Kastchiev auf Dortmunder Kommunalpolitikern im Wichern Kultur und Tagungszentrum (Stollenstr. 36).

Essen: Am Mittwoch, den 22.4. findet um 19 Uhr eine Diskussionsveranstaltung mit Kastchiev und Essener Kommunalpolitikern im Haus der Technik (Hollestr. 1) statt.

Mülheim: Am Donnerstag, den 23.4. trifft sich Albena Simeonova um 19 Uhr mit Mülheimer Kommunalpolitikern im Handelshof (Friedrichstr. 15)

ThyssenKrupp – droht jetzt „Ruhr in Flammen“?

Foto: Flickr.com / Jochem Veenstra

Die Gewerkschaften stehen bei ThyssenKrupp vor einer riesigen Herausforderung. Wie die Welt am Sonntag heute schreibt, ist die Montanmitbestimmung bedroht, etliche Aufsichtsratsposten akut gefährdet und es dräuen Massenentlassungen. Die Frage ist ob sich die Gewerkschaften wehren oder der eigenen Entmachtung zustimmen. Ich denke, sie werden zustimmen. Denn der Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp, Gerhard Cromme, wird sagen, dass es auch schlimmer kommen könne. Die ganz große Pleite nämlich. 

Ich finde es bemerkenswert, wie starr und zeistrebig Cromme ist und die jetzige Krise nutzt, um seinen alten Plan zu verwirklichen. Die feindliche Übernahme von Thyssen. Wie die WAMS heute enthüllte, erwägen die ThyssenKrupp-Vorstände um Cromme einen erheblich weiteren reichenden Konzernumbau als bisher bekannt. Schon Morgen will der Vorstand demnach die Grundzüge der neuen Konzernstruktur festzurren. Am Ende würde dann nur noch die ThyssenKrupp AG als Aktiengesellschaft existieren. Vorstandschef Ekkehard Schulz hatte schon Ende März einen Umbau des Konglomerates angekündigt, durch den jährlich rund 500 Millionen Euro gespart werden sollen.

Das war die direkte Reaktion auf den drastischen Einbruch der Konjunktur, der die Stahlhersteller besonders trifft. Ein Freund von mir, hat bei ThyssenKrupp in der Auftragsannahme gejobbt. Da haben die wochenlang keinen einzigen Auftrag reinbekommen. Nichts – Na – Da.

Schulz kündigte bislang an, die alten fünf Sparten auf nur noch zwei rechtlich eigenständige Sparten zu reduzieren. Gleichzeitig mussten zwei Vorstände gehen.

Das neue Konzept, zu dem nach Angaben der Welt bereits Präsentationsfolien im kleinen Kreis im Konzern kursieren sollen, würde einen massiven Kompetenzzuwachs für den Zentralvorstand bedeuten. Demnach sollen viele GmbHs die alten AGs entmachten.

Die Spartenchefs würden damit an Einfluss verlieren.  Genauso wie die Arbeitnehmervertreter. Denn vor allem die Aufsichtsräte fielen weg. Die Mitbestimmung würde drastisch eingeschränkt.

Es wäre ein schwerer Affront gegen die IG Metall, nachdem sich Vorstand und Arbeitnehmervertreter nach turbulenten Verhandlungen erst Ende März auf einen Kompromiss einigten.

Nach Recherchen der Welt entspricht der neue Plan dem alten Führungsmodell des Krupp-Konzerns, obwohl man sich bei der Fusion der beiden Stahlriesen vor knapp zehn Jahren grundsätzlich auf die Struktur der damals erfolgreicheren Thyssen AG geeinigt hatte.

Dieses Modell haben Vorstand, Betriebsrat und Gewerkschaftsvertreter noch einmal in ihrem Ende März dieses Jahres verfassten Grundsatzpapier bekräftigt.

Das was nun passiert wäre gut zehn Jahre nach der Fusion ein Rückwärtsgewandter Übernahme von Thyssen durch Krupp. So etwas ist in der deutschen Wirtschaftsgeschichte nahezu ohne Beispiel.

Denn anders als bei Thyssen mit seinen rechtlich eigenständigen Töchtern war Krupp vor der Fusion ein zentral geführtes Familienunternehmen, bei dem der heutige Krupp-Stiftungsvorsitzende Berthold Beitz die Strippen zog.

Der inzwischen 95-jährige Beitz war 20 Jahre lang Vorsitzender des Krupp-Aufsichtsrats, später dessen Ehrenvorsitzender; eine Position, die er heute noch bei ThyssenKrupp innehat, wenn er von der Villa Hügel aus als Alter vom Berg seinen Einfuss auf den Stahlriesen ausspielt. Es heißt, Beitz könne über den Baldeneysee wandern, soviele Gegner von ihm würden drin liegen.

Jetzt scheint es, als würden die Alten Konflikte im Konzern wieder aufleben, wenn Cromme und Beitz ThyssenKrupp nach Krupp’schem Vorbild umbauen wollen.

Das ist aber wohl nicht alles.

Offenbar sollen auch weit mehr Stellen wegfallen als bisher bekannt, berichtet die WAMS. Allein in den Stahlsparten würden 2000 Jobs gestrichen, heißt es, weitere 2000 in den anderen Geschäftsbereichen. Bislang war immer von 3000 Stellen insgesamt die Rede. In den 4000 Arbeitsplätzen ist dem Vernehmen nach der Personalabbau im Zuge der 500-Milllionen-Euro-Einsparungen durch den Umbau der Konzernstruktur noch gar nicht enthalten.

Der Folterpräsident

Ich habe den Ex-Präsidenten der USA, George Bush, für einen Pfosten gehalten. Für einen tumbem Mensch. Aber wie pervers dieser Mann als Präsident eine Foltermaschine bediente, wird erst jetzt klar. Präsident Obama hat vier Memos veröffentlicht, in denen klinisch sauber dargelegt wird, mit welchen Methoden die CIA foltern darf, und warum das ganze keine Folter im Sinne der UN-Konvention ist. Die Memos wurden im US-Justizministerium angefertigt.

Ich weiß, dass viele Staaten noch brutaler foltern, aber wenige foltern mit solchem pseudo-legalistischem Zynismus. Die meisten wissen wenigstens, dass sie Bastarde sind und versuchen sich nicht noch juristische Persilscheine auszustellen.

Ein Auszug aus den von Präsident Obama veröffentlichten Memos.

Gott sei dank ist Bush weg.

Das ist die Stärke der USA, die ich bewundere. Die wählen so einen Kerl ab. Die rechnen mit ihm ab und machen einen Neuanfang. 

Werbung

Zensurulla mit zweifelhaften Mitteln gegen miese Macher

Illu: Martin Haase

Gestern haben wir bei den Ruhrbaronen drüber diskutiert, ob wir uns heute der Internetmahnwache gegen Familienministerin Ursula von der Leyen anschließen. Eigentlich wollten wir das tun. Dann gab es technische Probleme. Nun, wir haben es nicht getan.

Trotzdem möchte ich was zu der Zensur sagen. Ich finde es erschreckend, wenn das BKA – ohne gerichtliche Anordnung – täglich Proscriptions-Listen mit IP-Adressen an die Provider schickt, die diese zu sperren haben. Das ist Zensur. Nichts anderes. Die Provider Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Hansenet/Alice, O2 und Kabel Deutschland beteiligen sich damit an den ersten Netzsperren in Deutschland. Bislang war das eine Spezialität aus China. Die Verträge wurden heute unterschrieben.

Natürlich ist es gut und wichtig etwas gegen Kinderpornographie zu tun. Da kann und wird jeder zustimmen. Aber es geht um die Details. Also: Welche Mittel ergreife ich, um diese eklige Form der Ausbeutung zu bekämpfen? Muss ich einer Geheimen Staatspolizei vertrauen, die nach eigenem Gutdünken Publikationen sperrt? Familienministerin Ursula von der Leyen will das tun. Deswegen hat sie sich den Ehrentitel "Zensurulla" bei Netzpolitik.org verdient. Ich meine zu Recht.

Die Freiheit wird nicht in der Mitte verteidigt. Nicht da, wo der allgemeine politische Konsens herrscht. Die Freiheit wird an ihren Rändern gesichert. Deswegen hat Hustler-Chef Larry Flynt Recht bekommen, als er sich bei der Verteidigung seiner Porno-Satiren in den USA auf die Freiheit des Wortes berief.

Natürlich ist ein Kinderporno nicht das gleiche wie eine Hustler-Satire. Aber auch hier gilt es die Freiheit am Rand zu verteidigen. Gegen diese ganzen Kinderschänderbanden muss die Polizei und der Staat vorgehen. Die Ermittler müssen die Verbrecher identifizieren und strafen. Warum aber dazu einfach IP-Adressen per Dekret versiegeln. Die Gangster tauschen sich dann per Telefon aus.

Stattdessen sehe ich eine Gefahr des Dammbruchs. Wer garantiert uns, dass nicht als nächstes eine Terrorseite gesperrt wird? Auch da herrscht sicher große Einigkeit drüber, dass diese Seiten Schund sind.

Wer garantiert uns aber, dass aus der angeblichen Terrorseite schleichend eine Seite Andersdenkender wird? Was weiß ich, zum Beispiel die Seite Linken-Kinder-Wanne-Eickel.de oder so? Wer garantiert uns, dass die Staatsbeamten im BKA selber festlegen wollen, was legal ist und was nicht?

Wann landet dann der erste Blog auf der Staatsfeind-Liste, weil er sich gegen die Fahndungsmethoden des BKA wendet, oder enthüllt, dass ein BKA-Spitzenbeamter sich am Anti-Terrortopf bereichert?

Die Grenzen der Freiheit werden derzeit überall eingeschränkt. Sei es durch den Gerichtsbeschluss gegen die angebliche kriminelle Aids-Ansteckung durch die No Angels-Sängerin, sei es durch die Urteile in Hamburg, die versuchen kritische Veröffentlichungen in Wirtschaftssachen zu unterbinden.

Wir müssen uns bewusst werden, dass gerade im Schund die Grenzen der Freiheit definiert werden. Wenn wir nicht mehr sagen dürfen, dass eine prominente Frau womöglich absichtlich einen Menschen zutiefst verletzt hat – was dürfen wir dann sagen?

Die Zensur beginnt immer aus dem politischen Konsens der Mitte heraus gegen die Ränder und ist dann schwer einzugrenzen. Denn wer ein Blatt zensiert, will früher oder später das ganze Buch kontrollieren.

Nur wenn wir aber alles frei sagen und denken dürfen, sind wir eine freie Gesellschaft. Und dann können wir uns an den Rändern abgrenzen.

Und im Fall der Kinderschänder eben mit dem Strafgesetzbuch gegen die Dreckskerle vorgehen.

Es bringt nichts, in Deutschland eine Zensurbehörde einzuführen, die uns die Augen verschließt. Denn auch wenn wir den Schund nicht mehr sehen, es gibt ihn weiter.

Es wäre also klüger, die IP-Adressen zu nutzen, um die Verbrecher an der Quelle anzugreifen. Wenn dann eine Seite ausfällt, weiß man wenigstens, dass eine Drecksbande erlegt wurde. Beim Zensur-Abschalten muss ich aber befürchten, dass die Ermittler Scheintätigkeiten vortäuschen, weil sie den Menschen die Augen verkleben wollen. Dahinter wird der Schmutzhandel weitergehen.

Rollendes Subventionsloch

Es gibt ein angebliches Ökoauto. Das heißt Loremo. Seit Jahren geistert das Gefährt durch die Gazetten. Zuerst lebte das Projekt von bayrischen Subventionen. Als in München die Geldhähne abgedreht wurden, kam die Firma nach Nordrhein-Westfalen, genauer nach Marl. Hier subventioniert das NRW-Wirtschaftsministerium das Ding. Mit 2,3 Millionen Euro. Es hieß mal, 2004 sollte der Verkauf beginnen. Dann hieß es, 2009 würde der Startschuss fallen – über ein "völlig neues Vertriebssystem", so sagte es der Vorstandsvorsitzende der Loremo AG, Gerhard Heilmaier. Europaweit sollten 10 000 Stück pro Jahr vom Band laufen. Angeblich. "Er wird weniger als 15 000 Euro kosten", sagte damals Loremo-Bauer Uli Sommer. Für jeden erschwinglich. Als 2 Liter Diesel.

Bis jetzt ist davon wenig zu sehen. Das Steuergeld versandet. Jetzt fährt das Subventionsloch das erste Mal PR-mäßig durch Recklinghausen. Punktgenau zum Stromauto-Hype mit Batterie-Antrieb. Schaut genau hin, dann seht ihr die ausgereifte Batterietechnik…..

Unterdessen entwickeln die Großen der Branche echte Stromautos und keine Go-Carts mit Akku-Antrieb. Zum Beispiel Daimler oder BMW. Die sind sogar schon im Großtest. Mein Fazit: den Loremo braucht keiner. Die sind nur auf der Suche nach neuen Subventionen. Außer der Karosse ist da wenig in Marl passiert.

Werbung

RWE-Chef Großmann unter Druck

Der RWE Konzern steckt mitten im Umbruch. Das ist bekannt. Es ist ferner bekannt, dass RWE-Chef Jürgen Großmann den Umbruch mit manchmal brachialen Mitteln vorantreibt. Ich will hier nicht von den persönlichen Krisen schreiben, wenn Leute ihre Position verlieren, wenn zu Hunderten Führungskräfte zurück ins Glied geschickt werden. Wenn aus Leitern Referenten werden. Und Kritiker verschwinden.

Es gibt aber noch anderes, was den Konzern beschäftigt. Im Aufsichtsrat tobt ein Machtkampf um Vorstandschef Großmann selbst. Im Zentrum des Streits steht derzeit eine Effizienzstudie, die im Rahmen der so genannten Corporate-Governance-Richtlinien erstellt worden ist. Unter dem Titel „Board Review“ untersucht der Frankfurter Unternehmensberater Florian Schilling vor allem die Zusammenarbeit des Aufsichtsrates mit dem Vorstand. Und besonders die Kooperation mit Großmann steht im Focus des Interesses.

Die Inhalte des Papiers sind streng geheim. Kopien dürfen nicht weiter gereicht werden, die Blätter sind individualisiert. Der RWE-Konzern hat sogar eine eigene Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet, die versucht zu verhindern, dass die Aussagen der Studie an die Öffentlichkeit gelangen. Ich persönlich wurde bedroht, man werde gegen mich juristisch vorgehen, sollte ich aus der Studie zitieren. Der Grund: Ich hätte nur aufgrund einer Straftat von den Inhalten der Schilling-Untersuchung erfahren können. Und nur aufgrund einer Straftat könne ich die Erkenntnisse weitergeben.

Denn ein Verantwortlicher habe mir Geschäftsgeheimnisse offenbart, heißt es.

Ich frage mich, ob das nicht die zentrale Aufgabe eines Reporters ist, Geheimnisse zu erfahren und weiterzuverbreiten, wenn die Geheimnisse für die Öffentlichkeit relevant sind. Und die Beziehungen des Aufsichtsrates zum Vorstandschef sind wichtig, entscheidend für das Wohl des Konzerns. Von diesem Verhältnis ist das Glück von zehntausenden Arbeitern und Angestellten und ihrer Familien im RWE-Konzern direkt abhängig, von dem Verhältnis ist der Wohlstand von vielleicht hunderttausend Menschen und ihren Familien bei Zulieferern abhängig, und das Verhältnis hat Bedeutung für Millionen Kunden des RWE.

Der Energiekonzern ist kein Privatbesitz – kein Unternehmen eines Menschen. RWE gehört Kommunen, die von den Einnahmen profitieren. RWE gehört Aktionären, die ihr Vermögen angelegt haben. Deswegen sind Angelegenheiten der RWE-Spitze Angelegenheiten der Öffentlichkeit.

Mit anderen Worten, ich finde, die Ergebnisse der Studie gehören in die Öffentlichkeit. Denn es geht um Sprengstoff.

In kundigen Konzernkreisen ist wenig zu erfahren. Es heißt, die Board Review von Berater Schilling solle auf der kommenden Aufsichtsratssitzung, vor der Hauptversammlung am 22. April, diskutiert werden. Die Aussprache sei laut Tagesordnung auf 30 Minuten angesetzt.

Doch es ist fraglich, ob die knappe Zeit reicht, die Defizite im Umgang zwischen Aufsichtsrat und Vorstandschef zu klären. Ich zitiere hier ausdrücklich nicht aus der Studie, denn das wurde mir per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Hamburg – dort Richter Buske – auf Antrag des RWE verboten. Ohne dass ich meine Argumente hätte vertragen können. Es wurde allein auf Antrag des RWE ohne Anhörung entschieden.

Wie dem auch sei. Auch ohne dass ich aus der Studie zitiere, kann ich sagen, dass vieles auf ein angeschlagenes Verhältnis des RWE-Aufsichtsrates zum Chef Großmann hindeutet. Denn davon habe mir RWE-Aufsichtsräten berichtet.

In den Gesprächen mit Konzernspitzen wird immer wieder beklagt, dass etliche Aufsichtsräte zwar die unternehmerische Leistung von Großmann (Bild) loben würden, aber seinen persönlichen Umgang missbilligten. So habe es der streitbare Konzernchef zwar geschafft, das starre RWE-Schiff zu bewegen und die notwendigen Strukturveränderungen einzuleiten. Aber gleichzeitig kritisieren Aufsichtsräte im Gespräch, der RWE-Chef treffe immer wieder eigensinnige Entscheidungen und spreche diese nicht genügend mit anderen Verantwortungsträgern ab.

Die Kritik kommt dabei sowohl der Arbeitnehmerbank als auch der Kapitalseite im RWE-Aufsichtsrat. Selbst Großmanns angeblich mangelnde Kritikfähigkeit wird intern angegriffen. Es heißt, der ehemalige Stahlunternehmer aus Georgsmarienhütte müsse erkennen, dass man einen internationalen Konzern nicht patriarchalisch wie ein Familienunternehmen führen könne. Gerade das Drohen mit seinem Rücktritt wird in Spitzengremien des RWE missbilligt. Dies führe nicht zu mehr Vertrauen, sondern eher zu einer Ermüdung. Ein Konzern könne sich nicht erpressen lassen.

Erst vor wenigen Wochen ist Großmann knapp an einem Eklat im Aufsichtsrat vorbeigeschlittert. Wie aus Konzernkreisen zu erfahren war, soll es damals um die Einführung einer neuen Geschäftsordnung gegangen sein. Großmann habe verhindern wollen, dass er seine mittelfristigen Planungen vom obersten Gremium des Konzerns genehmigen lassen muss. Um seine Ansprüche durchzusetzen, habe Großmann mit dem Rücktritt gedroht, schrieb der „Spiegel“. Die Sitzung des Aufsichtsrates sei für Stunden unterbrochen worden, hieß es weiter. Vertreter der Anteilseigner hätten sogar überlegt, einen „kompletten Neuanfang“ bei RWE durchzusetzen. Neben Großmann sollte auch RWE-Aufsichtsratschef Thomas Fischer freigesetzt werden. Allerdings hätten sich die Konzernwächter nicht auf schnelle Nachfolger einigen können. Schließlich wurde Großmann im Amt belassen.

RWE wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern.

Gegen die Maulkorb-Entscheidung des Richter Buske aus Hamburg werden ich wohl vorgehen.

Verfahren Harald F. – Pleite für Staatsanwaltschaft dräut.

Minister mit Kuh / Foto: MUNLV

Seit dem 29. Mai 2008 wird der Ex-Abteilungsleiter des Umweltministeriums Harald F. offiziell beschuldigt und verfolgt. Ursprünglich war ihm die Staatsanwaltschaft Wuppertal banden- und gewerbsmäßiger schwerer Betrug, damit einhergehend Untreue- und Korruptionsdelikte vor. Der Schaden liege bei rund 4,3 Mio. Euro, teilte die Staatsanwaltschaft damals mit. Harald F. wurde verhaftet, wochenlang.

Doch von den ganzen Anschuldigungen ist wenig geblieben. Stattdessen wuchs sich das Verfahren rund um den Wasserfachmann zu einer monströsen Desaster aus. Die Hauptvorwürfe mussten bereits vor Wochen fallen gelassen werden. Es wird nur noch wegen Nebensächlichkeiten ermittelt. Mehr noch, nach fast einem Jahr Arbeit, gerät die Staatsanwaltschaft richtig unter Druck. Denn nach Ansicht des Landgerichts Wuppertal war die Weitergabe von Ermittlungsakten an die Hauptbelastungszeugin Dorothea Delpino „rechtwidrig“. Damit ist die vielleicht wichtigste Zeugin der Anklage der Staatsanwaltschaft aus dem Rennen. Ihre Aussagen dürften kaum noch Gewicht in einem eventuellen Hauptverfahren haben, sollte überhaupt Anklage erhoben werden, was derzeit völlig fraglich ist. Ich persönlich glaube nicht dran.

Im entsprechenden Beschluss stellte das Gericht unter Aktenzeichen 22 Qs 6 / 09 nämlich fest, dass die Staatsanwaltschaft vor der Aktenweitergabe die Beschuldigten hätte befragen müssen, ob diese damit einverstanden sind, dass sensible private Daten wie Kontoauszüge oder Aussagen über intime Liebesbeziehungen an die Zeugin Delpino ausgehändigt werden sollen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wuppertal wollte die Entscheidung des Gerichtes nicht kommentieren.

Das Verfahren gegen den ehemaligen Abteilungsleiter war nach drei Anzeigen des NRW-Umweltministeriums eingeleitet worden. Dabei stützte sich das Ministerium zu einem Teil auf Aussagen der Belastungszeugin. In einer Vernehmung gab Delpino an, mit ihren Aussagen dafür sorgen zu wollen, dass der Ex-Mitarbeiter von Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) nicht zurück ins Amt gelangt. Ursprünglich wurde gegen mehr als ein duzend Beschuldigte wegen des Verdachts auf banden- und gewerbsmäßigen Betrug, sowie wegen Korruption ermittelt.

Mittlerweile wurden die meisten Vorwürfe fallengelassen, die Ermittlungen gegen ein halbes duzend Beschuldigter wurden wegen Unschuld eingestellt.

Aus dem Kreis der Verdächtigen erfuhr ich nun, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal einigen Beschuldigten Angebote gemacht hat, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen. Es heißt, die Verdächtigen sollten lediglich irgendein Vergehen zugeben. Bislang habe sich kein Beschuldigter auf den Deal eingelassen. Warum auch? Warum soll ein Unschuldiger zugeben an einem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein? Dieses Verfahren erinnert eher an Erpressung, denn an ein rechtsstaatliches Vorgehen. Wenn die Männer schuldig sind, soll die Staatsanwaltschaft eine Anklage vorlegen und nicht einen Deal suchen, um einen Mann zu ruinieren. Das ist nicht die Aufgabe der Ermittler.

Im Kern geht es derzeit noch um folgende Sachverhalte. So wird dem Ex-Abteilungsleiter derzeit noch vorgeworfen, ungerechtfertigt Lebensmittel angenommen zu haben. Dabei dreht es sich vor allem um mehrere Portionen Pommes und Currywurst, die der Beschuldigte während Arbeitssitzungen in einem Institut gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern konsumiert haben soll. Den Angaben zufolge wurden im Laufe von vier Jahren etwa 1000 Euro in die Essen investiert. Davon profitieren je nach Treffen bis zu einem duzend Mitarbeiter. Die Anwälte der Beschuldigten halten den Vorwurf für lächerlich.

In einem zweiten Komplex geht es um einen Rückflug von einem Arbeitstreffen aus England. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll es sich um einen Privatflug handeln. Zeugen sagen allerdings, dieser Flug sei über das NRW-Umweltministerium abgerechnet worden, da der Abteilungsleiter von der damals zuständigen Ministerin wegen dringender Angelegenheiten zurück ins Ministerium beordert worden sei.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal wollte die Informationen nicht kommentieren. Ich frage mich, ob die Ermittler eigentlich auch, wie es in der Strafprozessordnung vorgesehen ist, nach entlastenden Material suchen. Ich vermute mal, eher nicht.

Aus der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf war zu hören, das Verfahren werde kritisch verfolgt. Bislang habe man nichts gesehen, was angeklagt werden könne.

Im Düsseldorfer Landtag wird nun spekuliert, die Staatsanwaltschaft Wuppertal versuche, das Verfahren so lange zu ziehen, bis wegen der anstehenden Neuwahlen kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss über das Verfahren mehr eingerichtet werden könne. Das erscheint mir wirklich plausibel. Es scheint, als versuche da jemand seinen Po zu retten.