Die Geschichte vom Gutmenschen und wie das Gute verloren ging

Es geht in dieser Geschichte um einen Biokostproduzenten, Aktien und eine Firma mit Ruf. Rapunzel. Unser Gastbaron Erwin Franke berichtet:

Foto: Jubelrapunzels pro Chefmillionär contra Aktionäre / www.boersenalltag.de

Seit vielen Jahren kaufe ich Naturkost im Ökoladen, schön groß und hell sind sie geworden. Aber, die Lebensmittel sind die gleichen geblieben, mit Biosiegel. Seit vielen Jahren kaufe ich Rapunzel Naturkost Produkte. Und als es die Gelegenheit gab, auch mein Geld ökologisch korrekt und sinnvoll zu investieren, da habe ich auch gleich noch Aktien der tollen Ökomarke Rapunzel gekauft. Rapunzel und im besonderen sein Vorstand Joseph Wilhelm steht für die echte authentische Ökobewegung, fairer Umgang mit einander und ethisch-moralische Werthaltigkeit. Da zahle ich auch gerne noch was mehr, damit die Kaffeebauern in Ecuador gerechte Preise bekommen.

Aber, dass mit der Gerechtigkeit, dem fairen Umgang und dem Gewissen, daß habe ich auf der Hauptversammlung der Rapunzel Naturkost AG in Legau am Montag dann auch mal kennen gelernt: Das Rapunzel eine Aktiengesellschaft geworden ist, hat damit zu tun, daß das Management sich beim Spekulieren vor Jahren an der Warenterminbörse verzockt hatte. Über Jahren hinweg war sowohl dem Management als auch dem Wirtschaftsprüfer nicht aufgefallen das Millionen in der Kasse fehlten. Eine die Ökobewegung umfassende Hilfsaktion hatte Anfang der 90er Jahre den Naturkostpionier gerade noch gerettet. Dies zum Preis von Miteigentümern in Form von Aktionären. Diese über die Jahre hinweg willig alles von Joseph Wilhelm abnickten, Hauptversammlungen waren ein fester Bestandteil der alternativen Szene um sich auszutauschen und zur Stärkung des „wir-sind-die-richtigen-Gefühl“ da.

Die nun einberufene außerordentliche Hauptversammlung offenbarte aber ein ganz anderes Bild eines Vorstandes und seines Unternehmens, dem wohl die Werte verloren gegangen sind. Der frühere Helfer als bedingungsloser Eigenkapitalgeber war nun unerwünscht. So wurden wir schon vor dem Eingang von organisierten Protestlern mit Schildern wie „Spekulanten raus aus der AG“ begrüßt. Joseph Wilhelm saß entrückt auf dem Podium und lies sich von seinen 180.000 Euro teuren Berater des Rechtsanwaltsbüros Taylor&Wessing soufflieren, was er sagen durfte und was nicht. Ja, die ganze Kantine war von Wirtschaftsprüfern der BDO und KPMG besetzt, die insgesamt über 800.000,00 Euro verschlungen. Sie hatten das Ziel, die unliebsamen Helfer von einst loszuwerden. Denn die Rapunzel Naturkost AG war mittlerweile eine sehr profitable Gesellschaft geworden und da will der Joseph nicht mehr teilen.

Bei einem Umsatz von über 100 Mio. Euro Umsatz fallen um die  4 Mio. Euro netto Gewinn an. Das Gehalt von Joseph W. in Höhe von 45.000 Euro (monatlich) plus Dividende addiert sich auf ein Jahresgehalt von 760.000 Euro reichte ihm nicht mehr. Er will nun alles. So richtig schwer mußte Herr Wilhelm dafür nicht mehr arbeiten, letztes Jahre ging er medienwirksam in seiner Beschäftigungszeit dem liebsten Hobby nach, er ging für 51 Tage Wandern, während der Arbeit versteht sich. Nun saß er ganz entrückt auf der Bühne und verhaspelte sich dabei, ob er nun die Jubelperser vor der Tür organisiert hatte oder doch nur davon gewußt hatte, das seine Mitarbeiter solch einen Protest für Ihren Millionären organisierten. Aber es wurde noch besser: Ein unfaßbares Theater wurde geboten, da konnte der Aufsichtsratsvorsitzende plötzlich nicht mehr sehen, „mir ist da vor ein paar Wochen was passiert“, dann tauchte der Opa der Prokuristin im Saal auf und führte die Versammlung einige Minuten, um diese dann an Herrn Leo Kirch RA Franz Endele (Klagt sonst auf HV gegen die Vorstände) zu übergeben.

Herr Endele, war rein zufällig die 180 km aus München gekommen um auf der Hauptversammlung sein Stimmrecht in Höhe von 1 Stimme wahrzunehmen. Schön war zu erfahren, daß Ihm der Preis von € 7.000 für die Führung der Hauptversammlung „auf dem Parkplatz zugerufen wurde“. Die anwesenden Ökoaktionären hatten aber eher den Eindruck, hier wurde ein Plattmacher gebucht um die unliebsamen Idealisten auszuschalten. Aber nicht nur auf der Bühne saßen die raffgierigen Kapitalisten. Unter den Aktionären waren die neben den vielen Idealisten auch vier Berufskläger und ein Richter gemischt, die gegen die Gesellschaft polterten. Und so saßen nun auf der Bühne neben Joseph Wilhelms die neu erworbenen Freunde neben Berufsklägern und im Saal die Idealisten zwischen weiteren Berufsklägern. Oh je Rapunzel, was ist aus deinen Idealen geworden, verkauft und verraten!

Bochum Opel: Die ersten Zahlen

Illu: Tonwertkorrekturen

Heute ging die erste Schicht bei Opel in Bochum nach Tagen der Kurzarbeit wieder ans Band. Und wie Platzregen verbreiten sich die Details aus dem "Rettungspaket", an dem auch die Bundesregierung zweifelt. Es scheint klar, dass gut 1600 von noch 4600 Mann in Bochum ihren Job verlieren sollen. Dazu 1200 Mann aus Rüsselsheim. Das Werk in Eisenach steht zum Verkauf. Das Werk in Antwerpen soll dicht gemacht werden. Die Tage des Zitterns haben begonnen.

Vor allem eins ärgert die Männer und Frauen am Band. Eine Provokation. Die im Herbst beschlossene Tariferhöhung von rund 4 Prozent will Opel nicht an die Arbeiter weitergeben. Eigentlich sollte das Geld in diesen Tagen an die Belegschaft ausgezahlt werden. Doch das passiert offensichtlich nicht. Nach Ansicht von Opel-Betriebsräte ist das ein Bruch des Tarifvertrages, der zwischen IG-Metall und den Arbeitgebern ausgehandelt wurde.

Und noch etwas wundert viele im Bochumer Werk. Kurz nachdem sich der Betriebsratschef von Opel in Rüsselsheim, Klaus Franz, und IG-Metall-Chef Berthold Huber auf dem Aktionstag letzte Woche dafür aussprach alle Standorte zu sichern, hob Franz im Aufsichtsrat die Hand dafür, Eisenach zu verkaufen und Antwerpen dichtzumachen.

Morgen wird die Nachricht im Bochumer Werk die Runde machen. Es wird diskutiert. Auch über die unterschiedlichen Signale, die aus dem GM-Management kommen. Mal heißt es, es würden weniger Stellen abgebaut, dann wieder ist die Rede von drei Werken, die dicht gemacht werden sollen. Aus den Tagen des Zitterns können dann Tagen des Zorns werden.

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Geschichte vom Cross-Border-Wahn

Grafik: Cross Border Wuppertal

Ich hab hier schon öfter über Cross-Border-Geschäfte geschrieben. Und dass ich diese für ziemliches Harakiri halte. Vor ein paar Jahren redeten sich mal die Politiker aller möglichen Colour den Mund wässrig, was für ein tolles Geschäft das sei. So ganz ohne Risiko den amerikanischen Steuerzahler bescheissen und ein paar Millionen zur Sanierung der heimischen Kommunen einstreichen. Jetzt ist wieder so eine Zeit, in der die Männer und Frauen in den kommunalen Kontrollgremien die Übersicht zu verlieren drohen. Nur mit umgekehrten Vorzeichen. Sie glauben, die Verluste aus den einst als risikolos angepriesenen Deals minimieren zu können, wenn sie die Amis auszahlen. Doch der Reihe nach:

Die Wirtschaftskrise trifft viele deutsche Kommunen auf eine besonders harte Art und Weise: Seit Mitte der 90er-Jahren haben sie die so genannte Cross-Border-Leasing-Geschäfte vor allem mit US-Investoren abgeschlossen. Das Gesamtvolumen der Deals beläuft sich nach Schätzungen von Branchenexperten auf bis zu 80 Mrd Euro. Da nun die Versicherer der Deals, wie AIG oder MBIA, in Schieflage geraten sind, müssen die Kommunen für die Risiken eintreten. Es drohen finanzielle Schäden in nicht absehbaren Umfang.

Anfangs sah alles bei den Cross-Border-Leasing-Geschäften ganz rosig aus. Im Frühjahr 2003 stieg die Bochumer Kämmerin Ottilie Scholz (SPD) auf Kosten einer Bank in ein Flugzeug nach New York, um ein besonderes Geschäft für Ihre Stadt abzuschließen. Sie wollte das Kanalnetz ihrer Gemeinde an einen amerikanischen Investor langfristig verleasen und direkt wieder zurückleasen. Ein reines Buchgeschäft, bei dem eigentlich kein Risiko entstehen würde, wie Scholz immer wieder in Bochum versichert hatte.

Stattdessen werde nur eine Lücke im amerikanischen Steuerrecht ausgenutzt. Weil in den Staaten ein langfristiger Leasingvertrag als Eigentumsübergang betrachtet werde, könnten die Investitionen dort von den Steuern abgesetzt werden. Tatsächlich aber bleibe das Kanalnetz im Eigentum der Stadt Bochum, sagte Scholz. Es werde lediglich das Geld für das Leasing über einen amerikanischen Trust von einer Bank zur nächsten geschaufelt, die dann auch wieder die jeweils fälligen Raten garantieren würden. An der fälligen Steuerersparnis der Investoren sollte Bochum beteiligt werden, versprach die Kämmerin. Für ihre klamme Kommune erhoffte sie sich 20 Mio Euro, den sie als so genannten „Bargeldvorteil“ in den Haushalt einstellen wollte.

Was für Bochum galt, galt genauso für weit mehr als 100 Kommunen in Deutschland. Ob in München, Berlin oder Essen, überall gaben die Städte ihre Kanäle, Straßenbahnen oder Messehallen an amerikanische Investoren ab und kassierten den so genannten „Bargeldvorteil“. Es schien eine wahre Jagd auf den amerikanischen Steuerschatz auszubrechen. Die Dortmunder Stadtwerke gaben ihre Fuhrparks, die immobilen Stadtbahnanlagen und die Westfalenhalle für insgesamt 100 Mio. Euro auf. Der Stadt Nürnberg brachte ein "sale and lease back" gut 8 Mio. Euro ein.

Die Hoffnung auf schnelles Geld war bei den Kämmerern größer als das schlechte Gewissen, sich auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers zu bereichern. Gerichtsstand der Cross-Border-Geschäfte ist meist die Stadt New York.

Dabei wurden die Gemeinden protegiert. Die damals noch von SPD und Grünen geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen weigerte sich offiziell Aufsichtsverfahren gegen die Städte wie Bochum einzuleiten.

Berater wie Thomas Link von CMS Hasche Sigle, lobten auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion die Geschäfte noch im Jahr 2004: „Für den deutschen Eigentümer sind US-Cross Border Lease Transaktionen äußerst attraktiv. Der aus solchen grenzüberschreitenden Transaktionen resultierende Barwertvorteil liegt in aller Regel bei ca. vier bis sechs Prozent des Transaktionsvolumens.“

Doch Traum vom Geschäft ohne Risiko verwandelte sich im Lauf der Jahre zu einem Albtraum für die Kämmerin in Bochum. Heute ist Ottilie Scholz Oberbürgermeisterin der Stadt. Sie hat mit der Schließung des örtlichen Nokia-Werkes zu hadern und muss um den Opel-Standort in ihrer Gemeinde fürchten. Und obendrauf musste sie vor wenigen Wochen für das angeblich risikolose Cross-Boder-Leasing gut 90 Mio Euro aus der Stadtkasse nachschießen.

Der Grund dafür ist die weltweite Finanzkrise. Was genau passiert ist, kann am Beispiel eines Cross-Border-Leasing der Abfallentsorgungs Gesellschaft Ruhrgebiet (AGR) abgelesen werden. Die Firma gehört über den Regionalverband Ruhr allen Ruhrgebietsstädten. Im Jahr 2003 hatte die AGR eine Müllverbrennungsanlage an einen Trust der amerikanischen KeyBank aus Ohio langfristig verleast und über einen Untermietvertrag direkt wieder zurückgeleast. Das Volumen des Deals lag bei über 300 Mio Euro. Das Geld für den jahrzehntelangen Leasingvertrag wurde von der KeyBank auf einen Schlag vorab gezahlt. Den Großteil der Millionen wurde direkt an die Landesbank Baden-Württemberg und die NordLB weitergereicht. Diese bezahlen damit seither die aus dem Untermietvertrag fälligen Zahlungen an den Trust. Abgesichert wurde das Geschäft vom Versicherungskonzern MBIA.

Das Risiko findet sich im Kleingedruckten. Und zwar haben sich die AGR und der Regionalverband Ruhr verpflichtet, alle Risiken aus dem Geschäft zu übernehmen. Beispielsweise wenn innerhalb von fast 30 Jahren einer der Versicherer in Schwierigkeiten gerät. Und genau das ist passiert. Die MBIA hat ihr einst gutes Rating verloren. Genauso wie der Versicherer AIG, der in vielen anderen Cross-Border-Geschäften aktiv wurde.

Damit setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, wie Finanzwissenschaftler Finanzwissenschaftlers Stephan Paul von der Universität Bochum berichtet: "Nach den Absprachen in den meisten Verträgen müssen die Versicherungen eine Mindestbonität haben. Wird diese unterschritten, müssen die Versicherungen ausgewechselt werden."

Nahezu alle Städte, die ein Cross-Border-Leasing abgeschlossen haben, müssen heute reagieren. Finden sie keine neuen Versicherungen, müssen sie meist amerikanische Staatsanleihen bei den Investoren in den Staaten hinterlegen, um die Deals abzusichern. Bochum alleine musste diese Anleihen im Wert von 90 Mio Euro kaufen und abtreten.

Damit nicht genug. Der Jurist Julian Roberts sieht ein weiteres Problem. "Bei genauem Studium der Verträge drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei Cross-Border-Leasing nur um einen anderen Begriff für eine Kreditspekulation handelt." Die Verträge seien wie bei einem Credit Default Swap gestaltet. Für den „Bargeldvorteil“ hätten die Kommunen nahezu das gesamte Risiko für die Finanzströme übernommen und zudem so genannte „Termination Values“ unterzeichnet. Das bedeutet: tritt ein bestimmtes Ereignis ein, wie etwa die Herabstufung eines Versicherers, müssen die Kommunen Millionen-Summen als Strafe zahlen. Unabhängig davon, ob tatsächlich die Struktur des Leasings bedroht ist.

Alleine Wuppertal, das 1999 seine Müllverbrennungsanlage verdealte, muss im schlimmsten Fall mit einer Strafzahlung von bis zu 500 Mio Dollar rechnen, wie aus dem entsprechenden Cross-Border-Verträgen hervorgeht, der mir vorliegt.

Nach Ansicht von Roberts ein mieses Geschäft: "Die Kommunen waren schlecht beraten, sich dieses hohe Risiko zu einem derart geringen Preis aufdrücken zu lassen."

Einen Ausweg aus den Verträgen zu finden, ist extrem schwer. "Bislang ist es meines Wissens noch keiner Kommune gelungen, aus einen Cross-Border-Leasing wirklich auszusteigen", sagt Roberts. Das Grundproblem: Fast immer würden die gleichen Berater und politischen Verantwortlichen, die einst die Misere angerichtet hätten, versuchen die Probleme zu beseitigen. Dabei läge ihr Interesse aber zu oft auf der Rettung ihres Rufes als auf der Sanierung der Verträge.

Immer wieder versuchen die verantwortlichen Politiker alle Unterlagen geheim zu halten. Nicht einmal die Stadträte sollen schauen dürfen, mit welchen Tricks gearbeitet wird. Es wird auf angebliche Geheimhaltungsklauseln verwiesen. Die Räte sollen dumm und blind abstimmen, die Öffentlichkeit vertrauen, schweigen und die Millionen zahlen. Dabei werden sogar die Basisfakten vertuscht. Wo etwa die Trust angesiedelt sind, wer für die neuen Risiken haftet. Statt auf Offenheit zu pochen, geben sich die Politiker mit den Worten der Dealbroker zufrieden, der Ausstieg aus den Cross-Border-Deals sei hervorragend geklärt. Sie lassen sich damit genauso hinters Licht führen, wie sie sich zuvor haben besoffen reden lassen, wie toll es gelungen sei, die Amis zu bescheissen.

Im Fall der AGR hat sich der Regionalverband Ruhr beispielsweise dazu überreden lassen, den Trust direkt zu übernehmen. Dabei hat er aber nach eigenen Angaben nicht die Beteiligung an dem Trust gekauft, sondern nur einen Vertrag über dessen Nutzungsrechte abgeschlossen. Im Gegenzug hat der amerikanische Investor seine Einlage aus dem Leasing-Geschäft zurückbekommen – und sich verabschiedet. Das bedeutet: Die Deutschen haften nun für alle Risiken aus dem Geschäft direkt. Ohne dass eine Versicherung dazwischengeschaltet ist.

Das soll eine gute Lösung sein? Nicht einmal den "Bargeldvorteil" hat der RVR bislang gesehen. Das Geld liegt nach wie vor in einer Schatztruhe bei der NordLB. Und wird nicht ausgezahlt. Das soll eine Lösung sein? Für alle Risiken nichts bekommen?

Auch die frühere Kämmerin und heutige Oberbürgermeisterin von Bochum Ottilie Scholz will diesen Weg gehen, wie es in einem Geheimpapier der Stadt Bochum heißt.

Es gilt als sicher, dass die beteiligten Banken mitspielen. Denn eines ist gewiss. Die deutschen Kommunen können per Gesetz nicht Pleite gehen. Am Ende haftet immer der Steuerzahler.

Heißes Gerücht – Kabinettsrochade in Düsseldorf

Es gibt ein Gerücht, das ich nicht abwegig und im Gegenteil ganz unterhaltsam finde. Deswegen verbreite ich es hier.

Wie bekannt ist, entstand nach dem Abgang von Oliver Wittke (CDU) als NRW-Verkehrsminister ein Loch am Kabinettstisch von Ministerpräsident Jürger Rüttgers (CDU). Und das soll nun angeblich wie folgt geschlossen werden: wie ich gehört habe, soll NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) umsatteln und Verkehrsministerin werden. Dafür soll NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) aus dem Amt scheiden. Ihm soll als Nachrücker einer aus der zweiten Reihe, wie Innen-Staatssekretär Palmen (CDU), auf den Chefsitz folgen. Damit die FDP wieder ihre zwei Minister bekommt, soll anschließend Fraktionschef Gerhard Papke (FDP) neuer Wirtschaftsminister werden.

Wie gesagt, das ist ein Gerücht. So eines, wie man es im Internet verbreitet findet. Eben auch hier. Aber ich hab das jetzt dreimal gehört. Und vielleicht ist was dran.

Datteln: New Park in Turmoil

Karte: New Park / Datteln

Irgendwie finde ich es immer bedenklich, wenn Städte ihre Planungen mit englischen Begriffe umschreiben. New Park ist so ein Ding. Grundsätzlich ist es toll, dass hier die Städte rund um Datteln und Waltrop ein neues Industriegebiet gemeinsam planen. Hinter dem Begriff New Park steckt jedoch jede Menge Schaumschlag, der nun in sich zusammensackt. Oder anders gesagt, wäre man in Datteln auf dem Boden geblieben, müsste nun niemand Angst haben zu stürzen.

Zur Geschichte: Ursprünglich sollte der New Park so eine Art New Deal werden. Eine Sonderwirtschaftszone mitten in NRW, mit niedrigen Steuersätzen, Ausnahmen aus Tarifverträgen und vereinfachten Genehmigungsprozessen. Also so was wie Shanghai im Pott.

Davon geblieben ist: kaum etwas. Keine Rede mehr von Ausnahmen aus den Tarifverträgen und so.

Stattdessen soll der Versorger RWE die 134 Hektar Reservefläche für Energieanlagen zwischen Waltrop und Datteln an eine New Park GmbH als Zusammenschluss von mehreren Kommunen verkaufen. Diese GmbH soll dann das Wiesenland und die Rieselfelder als Industriefläche aufbereiten und vermarkten. Das Ziel ist es, Fabriken in der Größe von Opel anzusiedeln. Irgendwann sollen 9000 Menschen hier arbeiten. Da alle Städte gemeinsam beteiligt sind, würden auch alle Städte über gemeinsame Steuereinnahmen von der neuen Industrie ihren Nutzen haben, so die Idee. 

Hach, diese schönen Illusionen.

Trotzdem haben sich im Kreis Recklinghausen einige Kommunen entschieden mitzumachen bei den Planungen, und auch Dortmund und Gelsenkirchen liebäugeln mit der New Park Idee.

Nur: Anliegerstadt Waltrop hat sich aus den Planungen verabschiedet. Und auch in anderen Gemeinden dürfte bald der Widerstand gegen den New Park wachsen.

Denn wie es aussieht, wird jede Gemeinde, die sich in die GmbH einkauft, Gewerbeflächen in den eigenen Stadtgrenzen verlieren. Der Grund ist einfach: In NRW gibt es die Auflage, keine grünen Flächen mehr zuzubauen. Wenn dies aber doch geschieht, müssen Ersatzflächen begrünt werden. Das heißt. Wenn eine Stadt einen Anteil von 10 Prozent an der New Park GmbH kauft, müsste sie anschließend 13,4 Hektar Gewerbefläche auf dem eigenen Stadtgebiet aufforsten.

Das kann sicher hier und da klappen. Etwa wenn sowieso eine alte Industriebrache zu einem Park umfunktioniert werden soll.

Aber der Nachteil bleibt: Diese Ersatzflächen können kaum noch rückverwandelt werden in Gewerbeflächen, wenn der New Park scheitert.

Nun denn, das NRW-Wirtschaftsministerium prüft gerade, wie die Nummer zu handhaben ist. Der einzige Referenzfall ist der Flughafen Münster-Osnabrück. Und hier mussten die beteiligten Kommunen Land in ihren Grenzen abgeben.

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Update: Bild Online geht Online

Bild ist heute mit mehreren Regionalausgaben Online gegangen. Vorne mit dabei:  die Online Ausgabe des Boulevardblatts für den Pott. Allerdings: Die insgesamt rund zehn Regionalausgaben laufen zunächst verdeckt, um die Abläufe zu testen. Sie sollen in den kommenden Tagen für das Publikum nach und nach frei geschaltet werden. Der Regionalteil für das Revier soll von Dortmund aus bestückt werden und vor allem das Online-Angebot der WAZ-Gruppe, der Westen.de, angreifen. "Wir wollen das Revier aufmischen", sagte ein an dem Projekt beteiligter Reporter den Ruhrbaronen. Das Ziel sei es, Anzeigen und Leser abzugraben. Ein Wettbewerb wie es ihn im Printgewerbe lange nicht gegeben hat.

Mit der Ausweitung ins Regionale will Deutschlands größtes Boulevard-Online-Magazin die Bekanntheit in der Fläche verstärken. Bereits jetzt ist Bild mit über 1 Mrd Seitenzugriffen im Monat Mitglied im exklusiven Netz-Milliardärs-Club.

Junge Freiheit robbt sich an Christen-Führer an

Illu: Junge Freiheit

Es gibt da diesen Kongreß in Düsseldorf in diesen Tagen. "Kongreß christliche Führungskräfte" heißt der und ist irgendwie CDU nah. In diesem Jahr hat er das Motto: „Mit Werten führen“. Gut. Alle zwei Jahre findet der Kongreß statt. Manager aus Gemeinden, Klöstern oder Bibelgruppen sollen hier ihre Erfahrungen austauschen. Ein Bericht von Gastbaron Erwin Franke

Hier in Düsseldorf geht es um Themen wie „Gegen den Trend der Zeit“ und man stellt sich Fragen wie „Sind Christen bessere Unternehmer?“.

Und was ist das: Unter den Christen läßt sich eine Schar Populisten aus dem rechts-konservativen Lager blicken. Deren Themen haben ganz andere Inhalte und beschäftigen sich mit der Vorstellung neuer Parteien. Unter anderem ist die umstrittene rechtsdrehende Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hier zu finden.

Zur Erinnerung: Die „Junge Freiheit“ hatte sich aus dem Verfassungsschutzbericht zu rechtsradikalen Aktivitäten heraus klagen müssen, sahen die Ordnungshüter dieses doch anders. Sebastian Edathy, Vorsitzender Bundestags-Innenausschuss sagte mal: "Die Junge Freiheit bewegt sich und zwar meiner Überzeugung nach ganz bewusst in einer Grauzone zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsradikalismus." Man kann das auch anders sagen. Die Junge Freiheit lebt vom und dient dem rechten Absatz der Gesellschaft.

Auf dem Christenkongreß wird diesen Rechtsaußen eine Bühne bereitet, auf der sie erfolgreich um Abos und freuden werben können. Irgendwie ist das ekelig.

Auch der Protest anderer Aussteller auf dem Kongreß über die braunen Mitaussteller macht nichts aus. Winfried Vollmer vom Organisationskomittee Workshop&Training aus Hamburg wiegelte die Kritik einfach ab. "Alles Populismus“ sagte er.  In etwa sagte er: Man hätte sich gestern nach den ersten Protesten von Ausstellern „mal das Impressum der „Jungen Freiheit“ angeschaut und Gerhard Frey nicht gefunden.“ Deswegen sei alles korrekt, man sehe keinen Anlaß zum Handeln. Tja.

Da ist wohl wer ganz bewusst blind auf dem rechten Auge, ein Blick in Internet hätte genügt, um Aufklärung zu erlangen, sofern dieses erwünscht ist. Und so sind die braunen Genossen der Freiheit schon ziemlich stolz auf die eingesammelten Abos von der christlicher Führerschaft.

Und das ist das eigentlich miese. Bei anderen Messen werden die Kameraden von der JF nicht gerne gesehen. Auf der Leipziger und Frankfurter Buchmesse gelten die braunen Herren als Gäste non Grata. Sie sind  dort Protesten ausgesetzt. In Düsseldorf aber können sich die Proto-Kanallien weiter ins Zentrum der Gesellschaft fortschleimen.

Hier auf dem Kongreß "Mit Werten führen" läuft fast jede christliche Führungskraft mit der Wochenzeitschrift unter dem Arm durch die Gänge. Andere kleben die Aufkleber der Jungen Freiheit „Political Correctness – nein Danke“ auf ihre Mappen (siehe Bild) oder nehmen sich die Tassen gegen das Denken mit.

Eigentlich darf das nicht sein. Oder?