Foto: Monopolkommission
Justus Haucap, 39, ist Professor für Wirtschaftswissenchaften an der Uni Erlangen. Aber wichtiger noch, er ist Vorsitzender der deutschen Monopolkommission. Im ersten Teil des Interviews mit den Ruhrbaronen sagte er, Ebay habe im peer-to-peer Handel eine Monopolartige Stellung. Es müsse beobachtet werden, ob diese Marktmacht mißbraucht werde. Nun spricht er sich gegen Staatshilfen für Opel aus. Ähnlich wie im Fall Holzmann drohe das Verschleudern von Steuergeldern. Genauso lehnt Haucap eine Staatsbeteiligung beim Bochumer Autobauer ab. Dies führe nur zu Entlassungen bei anderen Firmen.
Ruhrbarone ?: Angesichts von Rettungsfonds und Konjunkturpaketen. Wie viel Staat verträgt die Wirtschaft?
Jusus Haucap !: Es besteht die Gefahr, dass wir aufgrund der gegenwärtigen Krise zuviel Staat in der Wirtschaft zulassen. Wir haben erlebt, dass der Staat im Finanzmarkt zu wenig Einfluss genommen hat. Deswegen ist das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes dort beschädigt. Nun schlägt das Pendel in die andere Richtung. Dem Staat soll zuviel zugetraut werden. Dabei vergessen viele, dass die momentane Krise auch ein Versagen des Staates darstellt. Der Staat hat weder im Finanzmarkt für die notwendigen Regulierungen gesorgt, noch haben staatliche Landesbanken besser gehandelt als private Banken. Zuviel Staat ist eine wirkliche Gefahr.
?: Was befürchten Sie?
!: Zunächst muss man scharf zwischen der Finanzwirtschaft und der so genannten realen Wirtschaft unterscheiden. In der realen Wirtschaft spielt das Element des verlorenen Vertrauens keine so bedeutende Rolle. Wir haben eine Konjunkturkrise, aber wir sehen kein Versagen der Systeme, der Regulierung oder des allgemeinen Ordnungsrahmens. Hier befürchte ich einen Dammbruch, wenn der Staat versucht, systematisch Unternehmen zu retten.
?: Machen wir es konkret. Darf eine Firma wie Schaeffler vier Milliarden Euro bekommen, um die Conti-Übernahme zu verdauen?
!: Ich sehe das sehr kritisch. Die Übernahme war von Anfang an eine riskante Operation. Das Management hat die Gefahren falsch eingeschätzt, wie wir jetzt wissen. Die Marktwirtschaft lebt davon, dass jede Chance mit einem Risiko verbunden ist. Die Verantwortung für die Handlungen muss dabei immer bei dem liegen, der auch die Entscheidungen trifft. Wenn nun der Steuerzahler die Konsequenzen von Entscheidungen tragen soll, dann hebelt man damit das System aus. Unternehmen, die zu oft zu große Fehler machen, müssen vom Markt aussortiert werden.
?: Wie sieht es bei einem Autobauer wie Opel aus? Soll hier der Staat retten?
!: Das sehe ich genauso kritisch. Es besteht immer das Risiko, wenn dort Steuergelder hereingesteckt werden, dass nur das Leben des Unternehmens künstlich verlängert wird und das Unternehmen dann doch bankrott geht – so wie vor einigen Jahren im Fall Holzmann. Eine damals populäre Rettungsmaßnahme durch den damaligen Bundeskanzler hat sich im Nachhinein als reine Verschwendung von Steuergeldern herausstellt. Zudem verzerrt ein Eingreifen des Staates den Wettbewerb. Durch Subventionen oder eine andere Bevorzugung von Opel – denn um nichts Anderes geht es letztlich – macht man anderen Automobilherstellern das Leben schwer. Wir haben doch anscheinend ohnehin Überkapazitäten in der Automobilproduktion – wenn der Staat jetzt Opel rettet, dann muss jemand anderes Kapazitäten abbauen, das wäre eine schwere Verzerrung des Wettbewerbs. Es ist einfach keine Aufgabe des Staates, Autos zu bauen – der Staat muss sich hier aus der Produktion heraushalten. Und wenn die europäischen Opelwerke allein überlebensfähig wären, dann sollte sich jemand finden, der sie zu übernehmen bereit ist. Der Staat muss dafür sorgen, dass ein möglicher Stellenabbau bei Opel sozial abgefedert wird – aber nicht dafür, dass Überkapazitäten in der Automobilbranche erhalten bleiben.
?: Wo ist denn das Problem? Die Leute bei Opel freuen sich über die Rettung.
!: Ich befürchte, dass vor allem große Unternehmen gerettet werden, kleine hingegen nicht. Das führt tendenziell zu einer Vermachtung von Märkten, für die der Verbraucher dann die Zeche zahlen muss. Das muss unbedingt vermieden werden.
?: Wo liegen die Grenzen, was kann der Staat leisten?
!: Der Staat kann nur den Rahmen vorgeben, der sowohl der Wirtschaft als auch der Gesellschaft als Ganzem nutzt und im Wettbewerb die erwünschten Folgen erzeugt. Er kann nicht einzelne Unternehmen retten. Ich kann zudem nicht erkennen, dass wir bislang in der realen Wirtschaft falsche Rahmenbedingungen hatten. Wir müssen in der Autozulieferindustrie nichts am System ändern.
?: Wann muss der Staat eingreifen?
!: In der Finanzwelt kann es volkswirtschaftlich sinnvoll sein, systemtragende Banken zu retten. Das kann unter Umständen günstiger sein, als die Folgen zu tragen. Aber in der realen Wirtschaft sehe ich das nicht so. Wenn eine Firmenkrise durch Konjunkturschwächen ausgelöst wird, sollte man nicht helfen, indem der Staat nun Kredite oder Bürgschaften vergibt. Das Risiko kann ein Staat nicht permanent tragen. Zudem müssten langfristig die Steuern steigen und die politischen Gestaltungsräume werden dann auch enger. Wichtig ist, dass die Kreditwirtschaft wieder auf die Beine kommen muss. Aber auch hier kann der Eingriff des Staates kontraproduktiv sein. Ein politisch motiviertes und gelenktes Kreditgeschäft kann den Aufschwung des privaten Bankensystems bremsen.
?: Was halten Sie vom Deutschlandfonds als Rettungsschirm der Wirtschaft?
!: Am vernünftigsten sind Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen. Das hätte man teilweise sowieso machen müssen und sie erfüllen eine traditionelle Aufgabe des Staates. Ein Rettungsschirm für die ganze Wirtschaft ist jedoch keine gute Sache. Vor allem nicht für den Steuerzahler und nicht für die Unternehmen, die in der Vergangenheit vorsichtiger als ihre Konkurrenz waren. Nehmen wir mal Bosch oder ein anderes Unternehmen in Konkurrenz zu Schaeffler. Warum sollen diese Unternehmen dadurch bestraft und benachteiligt werden, dass ihr Wettbewerber mit Staatsgeld gerettet wird? Wenn die Konkurrenz gewusst hätte, dass ihr das Risiko ebenfalls abgenommen wird, hätten diese Firmen vielleicht genauso riskant gehandelt. Damit nicht genug: Man nimmt auch neuen Firmen die Chancen sich am Markt zu etablieren, wenn man kriselnde Unternehmen rettet..
?: Es geht um Arbeitsplätze, die erhalten werden sollen.
!: Ich glaube nicht, dass dies langfristig funktioniert. Nehmen wir wieder die Übernahme von Conti durch Schaeffler. Selbst wenn die Unternehmen nun Pleite gehen, werden nicht deren Produktionskapazitäten vom Markt verschwinden. Nur weil Schaeffler insolvent ist, wird kein Autobauer Wagen ohne Bremsen bauen. Entweder wird er seinen Bedarf woanders decken, und dann entstehen dort neue Arbeitsplätze. Oder ein neuer Unternehmer übernimmt die Produktion aus den Händen eines Insolvenzverwalters und saniert das Werk. Die wesentlichen Arbeitsplätze werden so oder so erhalten.
?: Die Angst vor der Pleite ist also übertrieben.
!: Ja. Eine Insolvenz in diesem Fall ist sicher nicht gleichbedeutend mit dem totalen Verlust der Arbeitsplätze. Wenn es eine Nachfrage nach den Leistungen der insolventen Firma gibt, wird es nach einer Sanierungsphase weiter gehen. In der Finanzwelt ist das Geld einfach weg. In der realen Wirtschaft bleiben die Produktionsanlagen stehen.
?: Was halten Sie von Subventionen für kriselnde Unternehmen?
!: Subventionen verzerren die Marktpreise. Wenn man bestimmte Unternehmen stützt, ermöglicht man ihnen, länger am Markt zu existieren als dies eigentlich möglich ist. Künstlich werden Produkte billig gehalten, die dann andere eigentlich marktfähige Produkte verdrängen. Zudem besteht die Gefahr, dass regelrechte Subventionswettläufe ausbrechen zwischen den Staaten. Deshalb hat man nicht ohne Grund in der Europäischen Union auf eine Kontrolle der staatlichen Beihilfen geeinigt.
?: Die größte Aluminiumhütte Deutschlands in Neuss muss in wenigen Wochen wegen hoher Strompreise schließen. Was halten Sie von der Idee der CDU, die Industrie mit staatlich gesenkten Stromtarifen zu subventionieren?
!: Die hohen Strompreise sind eine sonderbare Sache. Zunächst werden die Preise künstlich vom Staat durch Steuern und CO2-Abgaben um mehr als ein Drittel nach oben getrieben. Dann versucht man staatlich die Preise wieder künstlich runterzudrücken. Da kann man netto betrachtet wahrscheinlich gar nicht von einer staatlichen Subvention sprechen.
?: Aktuell sperrt sich Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), die CO2-Abgaben an die Industrie zurückzuerstatten, wie es die CDU fordert. Immerhin geht es um rund 800 Mio. Euro im Jahr.
!: Es ist kurzfristig nicht völlig unvernünftig, Geld aus den CO2-Abgaben an die Aluminium-Industrie zurückzugeben, wenn diese ansonsten ins Ausland abwandern würde. Der Umwelt ist jedenfalls nicht geholfen, wenn woanders genauso viel CO2 produziert wird. Langfristig brauchen wir aber eine internationale Abstimmung in der Klimapolitik, denn es ist eigentlich sehr vernünftig, CO2-intensive Industrien auch mit den Kosten des Klimawandels zu belasten.