Mein Besuch bei Opel in Bochum – irgendwo in Krisenland

Irgendwie habe ich erst so richtig begriffen, wie hart es wird in der Wirtschaft, als ich in Bochum bei Opel war. Es geht nicht um ein Werk. Es geht um alle Autobauer – überall. Überall in Europe sieht es so ähnlich aus, wie hier an Tor 4 auf der Wittener Straße in Bochum-Altenbochum.

Foto: Flickr / The Learned Monkey & the Lazy King

Ein Arbeiter streicht in der Herbstsonne den Eingang zu einem Pförtnerhäuschen grau. Mit sorgfältigen Pinselstrichen ist fast ganz unten angekommen. Manchmal richtet er sich auf und schiebt sich seine runde Brille zurück auf die Nase. „Man weiß ja nicht was kommt“, sagt er. „Vielleicht macht General Motors in den USA ja pleite.“ Dann überlegt er wieder „Oder auch nicht.“ General Motors ist das Mutterunternehmen von Opel in Deutschland.

Eine Existenzbedrohende Krise stellt man sich anders vor. Doch statt Panik herrscht am Freitag im Bochumer Opelwerk eine gemütliche Sonntagsstimmung. Arbeiter erledigen die Arbeiten, die sie sowieso immer mal erledigen sollten. Im verwaisten Foyer der Zentrale plätschert ein Springbrunnen verlassen vor sich hin. Allein ein kleiner LKW zieht einen Anhänger hinter sich her, in dem Auspuffrohre übereinander gestapelt sind, wie Weinflaschen im Holzregal. Alles hier scheint so ruhig zu sein, wie der Arbeiter mit seinem Pinsel an Tor 4.

Dabei gibt es eigentlich Grund zur Sorge. Normalerweise holen bis zu 100 Laster am Tag die neuen Opel-Limousinen ab. Jetzt kommen gerade mal 4 Transporter, um Wagen aufzuladen. Im Bochumer Werk stehen derzeit alle Bänder still. Weil die Nachfrage ausbleibt, wie die Geschäftsleitung mitteilt. Zunächst wurden die planmäßigen Werksferien im Herbst außerplanmäßig um eine Woche verlängert. Nun sollen am Montag die Arbeiter zurück ins Werk kommen, um schon eine Woche später wieder für gut 14 Tage nach Hause geschickt zu werden. Der Direktor des Bochumer Opelwerkes Uwe Fechtner sagt: „Es hat keinen Sinn Lagerwagen zu bauen, ohne Kundenaufträge zu haben.“ Keine Nachfrage, keine Autos, keine Arbeit. Bochum wird ab dem 20.Oktober wieder stillstehen.

Dabei ist Opel nicht selbst für die Krise verantwortlich. Im Zuge der US-Finanzkrise gerät der Gesamtkonzern General Motors ins Schlingern und mit ihm die gesamte Autoindustrie. „Allein in Spanien ist der Markt im August um 40 Prozent eingebrochen“, sagt Fechtner. Das Vertrauen ist weg. Überall in Europa. „Die Leute wissen nicht was kommt. Sie halten ihr Geld zusammen. Und verschieben deshalb den Kauf ihres nächsten Autos.“

Wenn aber niemand Autos bestellt, werden keine gebaut. Das ist bei VW so, bei Mercedes, bei Ford. Überall. BMW in Leipzig beispielsweise stellt Ende Oktober für vier Tage die Bänder still, und bei Daimler in Sindelfingen werden die Weihnachtsferien früher beginnen als sonst. Bei Renault und PSA sieht es nicht anders aus. „Es ist unser generelles Ziel, die Fahrzeugbestände auf möglichst niedrigem Niveau zu halten“, sagt ein Daimler-Sprecher.

Der überraschend schnelle Stillstand der Autofabriken ist eine Folge des Prinzip der Punktgenauen Produktion. Bestellt heute ein Kunde ein Auto, kann er sich den Wagen am Computer samt Extras und ausgefallenen Farbwünschen zusammenstellen. Damit geht sein Auftrag ans Band und wird innerhalb von rund drei Monaten abgearbeitet. Wenn nun keine frischen Aufträge reinkommen, lohnt es sich nicht für 50 Bestellungen eine Fabrik wie in Bochum anzuschmeißen. „Das ist so, als sei der Abfluss verstopft. Da können sie oben nichts mehr nachschütten“, sagt Direktor Fechtner. Im Flur zu seinem Büro hängt eine Tafel. Darin werden die sieben Arten der Verschwendung beschrieben. Ganz am Anfang steht die Überproduktion.

In den USA haben die Börsen mittlerweile das Vertrauen in die Autoriesen verloren. Die Aktie von GM sank im Verlauf der letzten Woche auf ein historisches Tief. Die Papiere von Ford fielen genauso rasant. Nach Analysten-Schätzung "verbrennen" GM und Ford jeden Monat jeweils eine Milliarde Dollar. Die Folge: Die Riesen kriegen kaum frisches Geld von Banken um ihre Produktion vorzufinanzieren.

Die Folgen sind in Europa zu spüren. Opel Bochum ist nicht das einzige GM-Werk, das runter gefahren wird. Im Brüsseler Werk in Antwerpen wird darüber diskutiert, die Fabrik ganz zu schließen. In Spanien, England und Schweden werden ganze Schichten gestrichen. Statt rund um die Uhr werden nur noch 16 Stunden am Tag Autos gebaut. Und für nahezu alle Fabriken gilt: Ab dem 20. Oktober wird so gut wie nichts mehr produziert. General Motors geht in Europa in eine Art zweiwöchigen Winterschlaf.

Vor dem Tor 2 in Bochum stehen normalerweise die LKW der Zulieferer Schlange. Just in Time kommen hier die Bleche für die neuen Limousinen. Heute ist der Platz nahezu leer. Ein Hänger steht hier. Nebenan auf dem Parkplatz wartet ein knappes duzend andere darauf entladen zu werden. Ein Arbeiter flüstert, er habe gehört, die Verträge mit den Zulieferern seien auf Eis gelegt worden. Später bestätigt das ein Konzernsprecher: für die Zeit der verordneten Werksferien wird es keine Anlieferung geben.

Doch trotz dieser Nachrichten ist es ruhig vor dem Werk. Keine Demo, keine Mahnwache, keine aufgebrachten Arbeiter. Warum das so ist, erklärt Rainer Einenkel in seinem Büro im Betriebsrat. „Natürlich haben wir hier Sorge um die Zukunft. Aber Opel ist nicht isoliert zu betrachten. Die Krise liegt nicht an uns. Da schwappt was aus den USA zu uns rüber.“ Einenkel trägt ein Firmenhemd, auf dem sein Name über der Brust eingestickt ist. Er hat den großen Arbeitskampf geleitet, damals vor fast vier Jahren, als Opel in Bochum dicht gemacht werden sollte. Er hat mit seinen Leuten vor dem Werk gestanden und gekämpft. „Jetzt können wir ja nichts machen“, sagt Einenkel. „Die Kaufkraft wird weltweit vernichtet. Da kann man nicht gegen demonstrieren.“ Statt also Kampflust zu schüren, konzentriert sich der Betriebsrat darauf realistisch zu bleiben. In seinem Werk hat er vor wenigen Tagen einen Zukunftsvertrag mit der Geschäftsleitung unterschrieben. Bis 2016 darf keinem Kollegen betriebsbedingt gekündigt werden. Zudem soll schon im übernächsten Jahr in Bochum die Produktion der neuen Modelle anlaufen. Das bedeutet: Jobs für weitere Jahre. Gleichzeitig hat Einenkel flexible Arbeitszeiten durchgesetzt. Die Leute im Werk haben Zeitkonten. Steht das Werk still, kriegen sie nicht weniger Lohn, sondern müssen unbezahlte Überstunden machen, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Niemand muss sich also Sorgen, sagt Einenkel. Das beruhigt. Und überhaupt: „Morgen wollen die Menschen wieder Autos kaufen. Die Krise kann ein wenig dauern, aber es wird weitergehen.“

Vor dem Tor 4 ist der Arbeiter immer noch nicht mit seiner Tür fertig geworden. Ganz unten muss noch mehr graue Farbe drauf. Aber er hat keine Lust mehr, sich zu bücken. Er richtet sich auf und schiebt seine Brille hoch. „Am Ende stehen alle Versprechen nur auf dem Papier“, sagt er. Kann man da was drauf geben?

 

Langemeyer gibt auf.

Heute habe ich eine Nachricht bekommen: Und zwar um 12:30 vom Generalsekretär der NRW-SPD Mike Groschek. Da hieß es:

Die Entscheidung von Gerhard Langemeyer nicht wieder für das Amt des OB in Dortmund zu kandidieren verdient unseren Respekt. Als Oberbürgermeister führt er die Stadt Dortmund seit neun Jahren erfolgreich und hat den Strukturwandel konsequent vorangetrieben. Mit ihm und der SPD ist Dortmund gut gefahren. Jetzt muss sich der Blick nach vorne richten. Die Dortmunder SPD-Mitglieder haben die Wahl zwischen zwei kompetenten Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters. Ich bin sicher: Die von der Dortmunder SPD-Führung beschlossene Mitgliederbefragung wird die Partei mobilisieren und ihr den nötigen Schub für eine erfolgreiche Kommunalwahl verleihen

Zu diesem zeitpunkt hatte ich noch nicht mal mitgekriegt, dass Langemeyer aufgibt. Das hatte er auch erst unmittelbar zuvor. In einer dpa-Meldung von 12:25 heißt es: der Dortmunder Oberbürgermeister Langemeyer (SPD) wolle auf eine erneute Kandidatur bei den NRW-Kommunalwahlen im kommenden Jahr verzichten, weil "in der Partei mit den eigenen Leistungen nicht richtig umgegangen wird".

Um 14:53 teilte dann Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Region Westliches Westfalen mit:

Die Entscheidung von Gerhard Langemeyer, nicht erneut für das Amt des OB in Dortmund zu kandidieren, hat meinen vollen Respekt. Seit seinem Amtsantritt vor neun Jahren leistet er für Dortmund und die SPD gute Arbeit. Mit Ullrich Sierau und Jörg Stüdemann stehen zwei fähige Kandidaten für das Amt des OB bereit. Die anstehende Mitgliederbefragung ist der richtige Schritt, um die Kommunalwahl 2009 erfolgreich zu bestreiten."

So wie ich das sehe läuft jetzt alles auf Stadtdirektor Ullrich Sierau als SPD-Kandidaten für das OB-Amt hinaus. Dem Kulturdezernenten Jörg Stüdemann, gebe ich nur Aussenseiterchancen. Er wurde von Franz-Josef Drabig (SPD) vorgeschlagen – dem Konkurrenten von Langemeyer.

Die Grünen jedenfalls haben schon reagiert auf die Abdankung von Big L. Daniela Schneckenburger, aus Dortmund stammende Landesvorsitzende der Alternativen signalisiert die Bereitschaft den grünen OB-Kandidaten zurückzuziehen, wenn die SPD sich weiter einsichtig zeigt:

Die SPD sollte im weiteren Verfahren nun gezielt um grüne Unterstützung werben. Sie sollte nicht vergessen, dass sie eine Chance auf Sieg mit einem OB-Kandidaten nur dann hat, wenn dieser auch grüne Stimmen für sich gewinnen kann.

Langemeyer hat sich selbst auf seiner Internetseite zu seiner Entmachtung geäußert.

In den letzten Tagen habe ich in aller Ruhe und mit etwas Abstand über die aktuelle Lage in Dortmund nachgedacht. Ausführlich habe ich mit meiner Familie gesprochen, mich mit Freunden beraten und eine Entscheidung getroffen:

Für eine erneute Kandidatur für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Dortmund stehe ich nicht mehr zur Verfügung.

Bis zum Ende meiner Wahlzeit im Oktober 2009 werde ich mich mit voller Kraft der Aufgabe widmen, die Stadt Dortmund weiter auf ihrem Erfolgskurs zu führen. Dabei gilt die Devise „die Stadt zuerst“.

Mit dem Motto  „Dortmund gewinnt“ bin ich 2004 angetreten. Die frischen Eindrücke von der Expo-Real in München belegen, wir haben viel erreicht. Die politischen Projekte kommen gut voran, das zeigt die Erfolgsbilanz.

Tja, das sehen andere anders. In Big L. Amtszeit rutschte Dortmund auf den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik in NRW. Aber gut:

Diese Erfolge sind eine Gemeinschaftsleistung vieler Menschen dieser Stadt. Das Zusammenwirken von Rat, Verwaltung und OB, von SPD und den Grünen, von Partei und Fraktion – all das hat eine beachtliche Teamleistung zuwege gebracht. Wir können stolz darauf sein.

Als Oberbürgermeister stehe ich zu meiner Gesamtverantwortung. Das heißt in der Konsequenz: ich kann mir die Erfolge zurechnen, muss aber auch hinnehmen, dass ich ohne persönliche Schuld Verantwortung tragen muss für das Fehlverhalten anderer.

Dass die Opposition keine überzeugenden Gegenvorschläge unterbreitet und sich in manischer Fehlersuche verliert, ist normal. Normal ist es auch, Einzelfälle zu Skandalen hoch zu stilisieren und in den Medien sich darüber zu verbreiten.

So richtig waren es keine Einzelfälle, oder? Wenn da über 200 Buchungen nicht richtig liefen oder ein Personalskandal nach dem anderen aufpoppt. Aber gut:

Erfolgreich wehren kann man sich dagegen nur mit einer geschlossen auftretenden Partei. Daran hat es in den letzten Monaten gemangelt.

Da hat er recht. Wenn Kritik nicht mehr weggebügelt werden kann, muss man sich ihr stellen.

Das Verhalten einzelner, das ich in den letzten Tagen erleben musste, ist aber für mich nicht länger hinnehmbar. Ich habe für die Stadt und für die SPD gute Arbeit geleistet. Dortmund ist auf dem richtigen Weg im Strukturwandel, daran gibt es keinen Zweifel.

Ich möchte, dass die Partei geschlossen in den Wahlkampf zieht und wieder gewinnt. Diesem Ziel dient meine Entscheidung. Ich danke all denjenigen, die mich bislang ermutigt haben und solidarisch zu mir stehen.

Ich finde nach wie vor, bei aller Kritik, Big L. war einer der echten Ruhrbarone. Wir werden ihn mit seiner Durchsetzungsstärke und Schärfe missen.  Politiker wie ihn gibt es sicher zu wenige im Revier.

Rüttgers for President?

Gestern abend gab es einen gemütlichen Abend mit einigen Leuten, die sich üblicherweise gut in NRW auskennen. Am Rande dieses Treffens kursierte folgende Geschichte:

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) soll das Amt des Bundespräsidenten anstreben. Er will angeblich schon im Mai 2014 antreten, um sich in das höchste deutsche Amt wählen zu lassen. Dies sei sogar mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgesprochen worden. Die Kanzlerin habe auch bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Kann sein, das das stimmt. Kann auch sein, dass es nicht stimmt. Im Moment ist es ein Gerücht. Aber zumindest ein gutes.

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Bottrop Weltweit

Ich habe gerade diesen schönen Webspot bei nervo.tv gefunden. Wenn man genau hinsieht, erkennt man vorne den Bottroper Tetraeder. 🙂

 

Schade, dass es nicht wirklich so ist.

(P.S. Wenn der Film nicht von alleine startet, bitte auf das Bild Doppelklicken.)

Wie läuft die Finanzkrise und warum tut uns das allen weh?

Anbei habe ich eine nette, einfache Erklärung gefunden, warum uns die US-Finanzkrise alle trifft.

Man kann dabei die beknackten Kredite für Häuser, die man sich nicht leisten kann, auch durch Cross-Border-Leasing ersetzen. Im Kern geht es immer um das gleiche: Die cleveren US-Finanzhaie haben sich in New York etwas ausgedacht, mit dem sie die kleinen dummen Fische in Übersee verputzen können.

Sie haben das Blaue vom Himmel versprochen – sei es eine Sammlung fauler Bau-Kredite als neues innovatives Wertpapier, oder eine geteilte Steuerersparnis für eine alte Müllverbrennungsanlage in Höhe von 16 Mio Euro – für eine Firma wie die Abfallgesellschaft Ruhr. Und immer hieß es kein Risiko, wie die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz etwa versprach, als es um das dortige Cross-Border-Geschäft ging.

Jetzt heißt es halt:  Wir haben Mist gemacht.

Einfach auf das Bild klicken und die erhellende PDF öffnen.

Die Bilanz der Stadt Dortmund – Was hat die SPD erreicht?

Im Kampf um die SPD-Vorherrschaft in Dortmund geht es nicht nur um die drei Personen, die glauben, die Stadt unter sich aufteilen zu können. Wie in einem Raumschiff schweben sie über Dortmund. Es wird vor allem um die Bilanz des Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer gehen und um die Frage, was hat die SPD in den letzten acht Jahren für die Menschen geleistet, außer ein unterhaltsames Rahmenprogramm inklusive Machtkampf.

Es geht um die wichtigen Fragen: Was ist gelungen? Zunächst ist da ein Bild der Erfolge auf die ein Betrachter blickt in der SPD-Herzkammer Dortmund. Mikrotechnik. Computertechnik. Forschung. Logistik. Das wird einem hingeworfen und eingetrichtert von gleich gefühlt einem duzend Pressesprechern. Aber was steckt dahinter? Wenn man hinter die Fassaden schaut? Wenn man sich eingräbt in die Details?

Bleiben wir zunächst noch mal kurz an der Oberfläche. Mit kräftigen Farben strahlt das Dortmund Project weit über die Ostruhrkommune hinaus. Es zeigt eine Stadt im erfolgreichen Strukturwandel – weg von der Stahl- und Bierindustrie hin zu modernen Branchen. Immer stehen die Erfolge im Zentrum. In der Informationstechnik, in der Logistik und in der Mikrotechnik. Unternehmen siedeln sich an. Jobs entstehen. Aufbruch überall. , Langemeyer hat das Dortmund Project mit seinem Namen verschmolzen.

Doch hinter den Kulissen wird das Projekt nicht so erfolgreich eingeschätzt. So versprachen die Unternehmensberater von McKinsey, dass in den neuen Branchen bis 2010 über 70.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Davon ist Dortmund heute weit entfernt. Langemeyer gibt zu, dass in den vergangenen Jahren lediglich knapp 40.000 Jobs dazu gekommen sind. Und es gibt wenig Hoffnung in dem verbliebenen Jahr diese Zahl zu verdoppeln.

Gleichzeitig verweisen die Kritiker auf die Schattenseiten des Dortmund Projects. Die Versicherungs- und Bankensektoren brachen am Standort Dortmund nahezu komplett weg. Tausende Arbeitsplätze gingen in Administrationen  verloren. Dazu kamen Einbrüche in den verbliebenen Industriebetrieben, im Handwerk. Überall, wo Menschen arbeiten, die keinen Uni-Abschluss haben.

Ein Mitarbeiter aus der Wirtschaftsförderung fast das knapp zusammen. „Das einzige was am Ende des Tages interessiert, ist doch, ob die Menschen in Dortmund Hoffnung auf sichere Arbeit haben.“ Und diese Hoffnung scheint enttäuscht zu werden. In der Amtszeit von Langemeyer fiel Dortmund auf den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik in NRW zurück und hat sogar das graue Gelsenkirchen als Schlusslicht vor sich gelassen.

Ist das nicht der Maßstab der an einen SPD-Oberbürgermeister angelegt werden sollte? Was hast Du für die Arbeit in Deiner Stadt getan?

Tatsächlich scheint es, als habe die Darstellung der Erfolge die Beschäftigung mit den Schwachstellen in der Stadt verdrängt.

Nur einige Beispiele: Im Gesundheitsamt haben drei Führungsleute Geheimdossiers über missliebige Mitarbeiter angelegt. In den Dokumenten heißt es etwa zu familiären Problemen einer Mitarbeiterin: „Persönlicher Eindruck: Frau … wirkt nicht niedergeschlagen oder irritiert. …familiäre Probleme nicht ersichtlich." Eine andere Mitarbeiterin wird abgekanzelt: „Persönlicher Eindruck: ist Argumenten nur schwer zugänglich, fühlt sich in der Opferrolle. Nimmt keine Unterstützung an." Es gibt duzende dieser Spitzeldateien.

Doch statt den Skandal aufzuklären, greift der Datenschutzbeauftragte der Stadt Dortmund die Spitzelopfer an. In einer vorliegenden Stellungnahme wirft er den Mitarbeiter vor, den Skandal selbst zu verschulden. Schließlich hätten sich ein Opfer einen Anwälte genommen und damit die Geheimdossiers einem Gericht bekannt gemacht. Dies sei nach Ansicht des Datenschützers der eigentliche Skandal: Schließlich seien die Bespitzelten „unter Strafe verpflichtet, über Verwaltungsinterna nach außen Verschwiegenheit zu bewahren.“

Die Spuren für die versuchte Vertuschung führen bis ins Oberbürgermeisterbüro: Die Frau des stellvertretenden Personalamtschefs ist eine der drei Spitzel. Ihr Mann ist nach dem Willen Langemeyers für eine Beförderung auf einen Amtsleiterposten vorgesehen. Der Datenschützer selbst ist direkt dem Büro des Oberbürgermeisters unterstellt.

Martin Steinmetz von der Gewerkschaft Verdi sagt. „Was sich hier in Dortmund derzeit abspielt, habe ich in 18 Jahren Gewerkschaftsarbeit noch nicht erlebt.“

Auch in der so genannten Koks-Affäre spielt der Filz um Langemeyer eine entscheidende Rolle. Eine Angestellte aus dem Oberbürgermeisterbüro hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft über 1 Mio Euro aus der Stadtkasse unterschlagen, um damit ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Langemeyer will davon nicht gemerkt haben. Als Konsequenz wurden zwei Mitarbeiterinnen aus der Stadtkasse gefeuert. Für Gewerkschafter Steinmetz ein Skandal. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ So hätten die Angestellten eine Weisung befolgt, das Oberbürgermeisterbüro und damit die Drogenabhängige bevorzugt zu bedienen. Von wem die Weisung kam, will der Gewerkschafter nicht sagen. Auch die beiden Mitarbeiterinnen schweigen sich noch aus. „Dies aufzuklären ist Sache der verantwortlichen Personaldezernentin“, sagte Verdi-Mann Steinmetz.

Intern allerdings schient klar zu sein, wer die Anweisung gegeben hat. Die Spur führt zum Leiter des Amtes für Bürgerdienste Peter Spaenhoff. Dieser stand bis Juni 2006 der Stadtkasse vor und wurde erst wenige Monate bevor die Koks-Affäre aufflog abgelöst. Spaenhoff ist kein Unbekannter. Sein Vater war SPD-Bürgermeister in Dortmund. Er selbst zählt zu den Getreuen Langemeyers. Bislang wird sein Name nicht von den Mächtigen in der Stadtverwaltung genannt.

„Das Problem ist nicht ein Amt. Sondern die schlechte Kontrolle über viele Ämter“, sagt Verdi-Mann Steinmetz.

Die Skandale setzen sich im städtischen Eigenbetrieb Fabido fort. Die Einrichtung ging aus dem Jugendamt hervor und ist für die Kindergärten zuständig. Hier lies die Behördenleitung einen Workshop filmen. Unter anderem wurde aufgezeichnet, wie Mitarbeiter in Tränen ausbrachen, als ihnen die Kündigung ausgehändigt wurde. „Die Menschen waren fertig. Sie konnten sich nicht wehren“, sagte einer, der dabei war.

Die Gewerkschaft Verdi verlangt, dass die Bilder gelöscht werden. Die Würde der Menschen sei angegriffen worden. Die Behördenleitung schweigt.

Die schlechte Stimmung schlägt durch auf die Betreuung der Kinder. „Die Leute können nicht mehr. Sie stehen kurz vor dem Kollaps“, sagt Steinmetz. Einige Mitarbeiter wollen einfach hinschmeißen. Andere erinnern daran, wie die Amtsleitung nicht reagierte, als in einem Kindergarten Gas austrat. Gleich mehrere Tage mussten die Erzieher darauf warten, dass ihre Einrichtung geschlossen und Ersatz geschaffen wurde.

Doch während in der Stadtverwaltung so der Zorn wächst, sieht sich Langemeyer als Opfer einer Kampagne von Verdi, CDU und FDP, wie er in einer Runde von Amtsleitern in dieser Woche sagte. Er selbst brauche sich keine Vorwürfe machen. Es fällt auf, dass in der Aufzählung eigentlich nur noch Marsmännchen fehlen, um die Weltverschwörung perfekt zu machen.

Unterdessen zeigt sich die SPD-Landesspitze besorgt über die Situation in Dortmund. „Die Machspiele sind abgehoben von der Realität. Die Dortmunder benehmen sich, als würde ihnen die Stadt gehören“, sagt ein Mitglied des Landesvorstandes. „Die Bürger spüren das, wenn man sich nicht um sie kümmert. So haben wir Essen und Duisburg verloren.“

Und da kann was dran sein. Wen interessiert es dort draußen, auf der Straße in Dortmund, wie sich die SPD zerlegt?

Hymne an den Meister

Einer meiner liebsten Comic-Zeichner ist Ralf König. Er ist nicht nur in Deutschland in der Champions-League. Er spielt überall in der ersten Liga. Dabei sind in meinen Augen zwei Dinge besonders an ihm. Er hat einen eigenen Stil und: er hat echte Geschichten.

Ralf König ist nicht nur auf den Gag aus. Er erzählt –von sich, von den Menschen, von Liebe, Sterben, Aids und Hoffnung. Seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen ist noch ein Motiv dazu gekommen. Der Comic-Meister macht sich auf die Suche nach der Religion. Das kann manchmal komisch sein. Manchmal traurig. Immer aber steht da mehr auf dem Blatt, als eine lustige Zeichnung und ein kluger Spruch. Solche Comic-Zeichner gibt es nicht viele n Deutschland. König reicht an die Großen aus Frankreich ran. An Claire Bretéchers. Aber auch an die Jungen und Alten Cracks aus den USA. An Jason Lutes oder Kurt Eisner, was weiß ich. An die ganze Ehreliga der Zeichenstars, die Stories erzählen können. Nicht zuletzt hat er deswegen den renommiertesten Comic-Preis Deutschland, den Max und Moritz-Preis bereits mehrfach abgeräumt.

In seinem neuen Buch: „Prototyp“ hat Ralf König die Frage nach Gott gestellt. Er bleibt nicht bei der Kirche stehen, die er immer wieder angreift – besonders in der Person des Kardinals Meisner.

Es geht direkt um Gott. Um den einzigen, den wahren, den der Fraktur spricht mit falschem ß. Und es geht um die Schlange Luzifer. Die das ganze Paradies-Ding versaut. Adam beißt in den Apfel und Schluss ist mit Dauerbeten und Lobpreisen.

Aber König verneint nicht Gott. Er spricht von der Erkenntnis, die Gott verschwinden lässt. Er zeigt die Wege auf, die von Gott wegführen. Er beschreibt die Befreiung des Geistes von Gott, die Aufklärung und irgendwann auch Sex mit Giraffen. OK.

Aber er verneint nicht Gott und das beeindruckt mich an dem Buch. Hinter der Aufklärung kommt noch etwas. Da draußen irgendwo. Hoffnung?

Ja und, das alles in tollen lustigen Bildern.

Am meisten beeindruckt hat mich der Satz zur Angst vor dem Tod: „Ich habe keine Angst, denn bin ich – ist er nicht und ist er – bin ich nicht.“ Das war von irgendwem zitiert. Ist ja auch egal. Einfach ein guter Spruch, der das Denken an den Tod erleichtert. Und das im Comic.

Prototyp erscheint am 1. OKtober.

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Wittke wird es. Konrad zieht zurück. CDU-Ruhr hat einen neuen Chef

Die CDU Ruhr wird in Zukunft von Oliver Wittke, dem amtierenden NRW-Verkehrsminister, geführt. Der Europa-Parlamentarier Christoph Konrad zog seine Kandidatur überraschend nach Rücksprache mit CDU-Kreischefs zurück. Dabei hatte er seinen Hut allerdings auch überraschend in den Ring geworfen. Flott rein, flott raus. 🙂

Die erste Aufgabe von Wittke wird es sein, dafür zu sorgen, dass in Dortmund ein passabler Gegenkandidat zu dem SPD-Dreigestirn gefunden wird. Dann könnte er direkt seinen ersten triumphalen Sieg vorweisen. Die SPD in ihrer Herzkammer geschlagen zu haben.