Show Down im September: Kreis Wesel vor Ruhr-Austritt

Der Kreis Wesel will am 25. September darüber entscheiden, ob er im Regionalverband Ruhr (RVR) bleibt, oder nicht. Die Auseinandersetzung hat zwei Ebenen: Zum einen fühlen sich viele Städte und Gemeinden aus dem Kreis Wesel nicht als Teil des Reviers. Zum anderen ist es eine Cash-Frage – es geht also um das Geld.

Während der emotionale Streit sicher schnell geregelt wäre, weil man über Gefühle eh nicht streiten kann, sieht es bei der Kohle anders aus.

Während der Kreis Wesel bei Einmalkosten von 3,9 Mio Euro mit einer Austrittsdividende von rund 2,5 Mio. Euro im Jahr rechnet – die er von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft so bestätigt bekommen hat.

Rechnet der RVR mit Einmalkosten von 17 Mio Euro plus unbekannte Kosten. Dazu zählt der RVR alle Kosten, die sich aus Verträgen ergeben, die der RVR in der Zeit seiner Mitgliedschaft eingegangen ist. Das heißt: Der Kreis Wesel soll für alle Zeiten für das Freibad in Hamm zahlen.

Ich weiß nicht, wer Recht hat. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Und die Entscheidung darüber trifft ein Gericht.

Aber ich weiß, dass es ein politischer Fehler ist, zum einen den Kreisen und Städten im Pott die Möglichkeit zum freiwilligen Austritt aus dem RVR einzuräumen und sie dann mit zum Teil an den Haaren herbeigezogenen Finanzargumenten in den Verband pressen zu wollen. Das ist einen andere Art von Shanghaien.

Bedenklich ist in meinen Augen vor allem, dass der RVR aktiv die Berechnungen des Kreises Wesel zum Austritt blockieren wollte. So heißt es in der Vorlage des Kreises zu den Finanzierungsfragen des Austrittes: "Es handelt sich um eine eigene Kalkulation, da der RVR hierzu noch keine Berechnungen vorgelegt hat."

Auch der Streit um das Personl ist in meinen Augen eher kleinlich als eine Idee, wie man dem Kreis den Verbleib im RVR schmackhaft machen könnte. So will der RVR, dass Wesel die Leute weiter bezahlt, die von der Verbandsumlage des Kreises bis jetzt bezahlt werden. Der Kreis selbst ist aber nur bereit, diese Kosten für eine Übergangszeit von drei Jahren zu tragen.

Richtig strittig wird die Nummer bei den Freizeitgesellschaften. Der RVR will, dass der Kreis Wesel im Falle einer Kündigung weiter die Spaßgesellschaften des Verbandes und die sonstigen Einrichtungen des RVR anteilig bezahlt. Da wird in den Augen des Kreises der Sinn eines Austrittes pervertiert.

Der Kreis ist allenfalls bereit, die Freizeitgesellschaft Xanten, also den Archo-Park und die Badeanstalten zu schultern – dafür würde er dann aber auch auf die Zuschüsse des Verbandes verzichten.

Und zum Schluss ist die AGR ein Problem, dass der Kreis Wesel los werden will. Die Müllfirma soll nach Ansicht der Weseler die Müllkippen wie versprochen sanieren und dann verschwinden und die Kassen des Kreises nicht weiter belasten. Schgon gar nicht bei einer eventuellen Pleite.

Das ist der Streit. Er wird seinen Lauf nehmen.

Ziehende soll man nicht aufhalten, heißt es doch, oder?

 

 

Was macht Großmann beim RWE?

Eigentlich wollte ich hier nicht über den Vorstandschef des Energiekonzerns RWE, Jürgen Großmann, schreiben.  Die Personalie ist zu heikel. Zu schnell kann man sich die Finger verbrennen – für lange Zeit.

Foto: RWE

Aber: es geht nicht anders. Die Wirtschaftswoche schreibt schon vom Unmut beim RWE, der sich über den Manager auflädt. Ich weiß, dass Großmann sich auch schon mal bei RWE-Vorstands-Sitzungen zum Verdruß der übrigen RWE-Chefs von einem Vertrauten vertreten läßt. Dass er manchmal Tagelang nicht im Konzern auftaucht. Das sorgt für miese Stimmung.

Tja, und dann weiß ich, dass Großmann nicht besonders gut Späße versteht. Zumindest nicht, wenn es um den Spruch: "VoRWEg gehen" geht. Neulich gab es deswegen eine Telefonkonferenz. Manager des Konzerns wurden da gedrängt, Witze über den neuen Slogan bei ihren Untergebenen zu unterbinden. Jeder, der etwa über einen „iRWEg“ schwadroniere, oder von einem „VoRWErk“-Staubsauger spreche, müsse sich fragen lassen, ob er noch im richtigen Unternehmen arbeite. Der Slogan „VoRWEg gehen“ spiegele schließlich die Philosophie des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns wieder. Das sei ernst gemeint, hieß es noch. Kurze Zeit später wurde auf einer Tagung ein Zettel herumgereicht. Darauf stand: „Kein Unfug! Sonst eRWErbslos“.

Für Jürgen Großmann läuft es auch acht Monate nach seinem Dienstantritt noch nicht rund beim Energieriesen RWE, das kann keiner sagen. Immer noch wandern Hunderttausende Kunden ab, der Verkauf der Wasser-Sparte in Amerika bringt weniger als erwartet und dann bricht auch noch Streit mit den wichtigsten kommunalen Anteilseignern aus.

Viel Pech für nur einen Mann. Dabei hat Großmann einige Erfolge vorzuweisen. Der Manager hat den Konzern aus seiner Starre gerissen und mit der Gründung von RWE Innogy den längst überfälligen Einstieg in die Erneuerbaren Energien geschafft. Auch der angekündigte Verkauf der Gastransportnetze bringt dem Konzern neue Freiheiten. „Das Gasgeschäft können wir trotzdem wie geplant entwickeln. Besser noch, wir werden wieder politisch handlungsfähig“, heißt es aus dem Umfeld des Konzernlenkers. „Wir müssen handeln, solange wir können. Wenn wir gezwungen werden, ist es zu spät.“ Großmann bewegt.

Doch gerade die Anstöße sorgen im weit verzweigten Netz des RWE für teils unkontrollierbare Schwingungen. Da wird zum Beispiel genüsslich aus dem Aufsichtsrat kolportiert, dass der Milliardär und Eigentümer des Stahlwerks Georgsmarienhütte sich seinen zwei Millionen Euro schweren Beitrag zur Alterssicherung aufs Privatkonto überweisen lässt. Und zwar jedes Jahr zusätzlich zu seinem Gehalt von sechs bis sieben Millionen Euro. Normalerweise würde man eine Pensionsrücklage erwarten. Sein Gehalt über die Vertragslaufzeit von fünf Jahren beträgt damit rund 40 Mio Euro. Ein Spitzenwert in der deutschen Wirtschaft.

Aber es sind nicht diese Sticheleien, die Großmann zusetzen. Der Kapitalmarkt ist härter. Selbst die durchaus anerkannten Erfolge reißen Analysten wie Theo Kitz von der Privatbank Merck & Finck nicht mehr vom Hocker: „Im Vergleich geht E.on vor und RWE zieht nach. RWE ist nur kleiner und immer zweiter. Das sehen auch die Anleger so.“ Der Börsenwert von RWE liegt bei rund 43 Mrd Euro. Branchenprimus E.on bringt rund 90 Mrd Euro auf das Parkett. Die Bank Merrill Lynch setzt RWE auf „Neutral“ und hält E.on auf „Kaufen“.

Eine Ursache für die Zurückhaltung im Geldhandel liegt im misslungenen Börsengang von American Water. Auch der Verkauf des zweiten Aktienpaktes Ende Mai lief nicht wie gewünscht. Statt der angebotenen 8,7 Mio Papieren konnten nur 5,17 Mio an Investoren gebracht werden. Schon der Verkauf des ersten Pakets lief schlecht. Statt der vorgesehenen 26 Dollar pro Aktie konnten nur 21,50 Dollar erlöst werden. In der Folge schmolz der Ertrag auf 1,2 Milliarden Dollar, fast die Hälfte zu den Planungen. Großmann musste eine Gewinnwarnung aussprechen.

Aus dem Großmann-Umfeld heißt es zu den Problemen: „Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer.“ Noch gebe es genug Gründe für Optimismus. Allen voran die politische Bedeutung von RWE wird unter Großmann wieder sichtbar. Der Konzernchef ist in regelmäßigen Kontakten mit der Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel akzeptiert den Manager als Ideengeber genauso wie die SPD-Mächtigen um Frank-Walter Steinmeier. Selbst mit Umweltminister Sigmar Gabriel werde nach jahrlangem Schweigen wieder gesprochen.

So kann der Konzern effektiv für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke eintreten. Unter dem Großmann-Vorgänger Harry Roels herrschte eine angeordnete politische Ruhe, die RWE zu einem Spielball der Gewalten werden lies. „Wir haben jemanden gebraucht, der uns wieder auf öffentlicher Bühne vertritt“, heißt es aus dem Konzern. Großmann setze sich mit aller Kraft für RWE ein.

Und das ist dringend nötig. In etlichen Prestige-Baustellen läuft etwas schief. Kaum hat der Konzernlenker durch den Verkauf der Gasnetze ein Kartellverfahren der EU abgewendet, wird die Nachricht herumgereicht, dass sich der Bau der transkontinentalen Gaspipeline Nabucco auf nahezu 7,5 Mrd Euro verteuert. Fast doppelt soviel wie geplant. „Das Projekt ist aber nicht gefährdet“, heißt es aus der RWE-Spitze. „Nabucco kann immer noch rentabel arbeiten.“

Selbst die Übernahme des Kernkraftwerkbetreibers British Energy wächst sich zu einem Sommertheater aus. Zunächst wurde der deutsche Konzern mit seinem vorgesehenen Partner Vattenfall als Favorit gehandelt. Gemeinsam wollten die Stromriesen den größte Energieerzeuger Großbritanniens für knapp 14 Milliarden Euro übernehmen und unter sich aufteilen. Doch dann unterband die schwedische Regierung den Einstieg des Staatskonzerns Vattenfall ins Inselreich. Pech für RWE. „Das hätte der Chef von Vattenfall besser organisieren müssen“, heißt es in der Essener Zentrale. Großmann trage da keine Verantwortung.

Allerdings muss er unter den Folgen leiden. Denn RWE könnte die acht Kernkraftwerke der Briten gut gebrauchen. Als Braunkohleverstromer stößt der Konzern das meiste Kohlendioxid in Europa aus. Ab 2013, wenn die CO2-Zertifikate noch einmal teuerer werden, drohen aus den jetzigen Geldkühe Geldfressern zu werden. Deshalb muss eine Entlastung in der Strom-Produktion schnell gefunden werden. Etwa indem die CO2-intensiven Braunkohlemeiler gegen Klimagasneutrale Kernkraftwerke austauscht werden.

Unter diesem Vorzeichen versucht Großmann auch den Verkauf des Gasnetzes voranzutreiben. Nach Informationen aus dem Konzern will er die Gasanlagen gegen saubere Kraftwerke eintauschen. Gerne auch im Ausland. „Das ist die wichtigste Aufgabe in der Zukunft“, sagt ein Insider. "Großmann packt es an."

Doch nicht nur diese Baustelle ist für den Manager Großmann wichtig. Immer wieder mehr reißen neue Löcher auf. Dann stürzt sich der Chef in die anstehenden Aufgaben, ohne die alten abgeschlossen zu haben. „Manche Mitarbeiter erwarten mehr Kontinuität“, heißt es in der RWE-Spitze. Aber die kommt nicht. „Für die Details sind andere verantwortlich“, heißt es aus dem Großmann-Umfeld.

Beispielsweise bei dem Kampf um neue Kunden. Seit Januar haben mindestens 200.000 Haushalte ihre Verträge mit RWE gekündigt, berichtet RWE-Finanzvorstand Rolf Pohlig. Im vergangen Jahr hatte der Konzern bereits eine Viertelmillion Kunden verloren. Der Menschenstrom hat bereits Auswirkungen auf das Ergebnis des Konzerns. Der Betriebsgewinn ging im ersten Quartal um neun Prozent auf 2,5 Milliarden Euro zurück. Der für die Dividenden entscheidende Nettogewinn brach gar um fast die Hälfte auf 809 Millionen Euro ein, neben dem gescheiterten Börsengang von American Water sei dafür auch der Kundenschwund verantwortlich, bestätigt Pohlig.

Großmann schlägt nun immer wieder neue Angebote vor, um mehr Strom an Privatleute zu verkaufen. Die Rede ist von einer Flatrate, von Preisgarantien oder wie aktuell von einen Atomtarif im Stromhandel. Mit der Exklusivversorgung aus Kernkraftwerken könne jeder Deutschen seine Verbundenheit mit dieser Art der Stromerzeugung demonstrieren und helfen den Atomausstieg zu stoppen, sagte Großmann öffentlich. Intern kommen die Aktionen gut an. "Großmann geht neue Wege. Nur so können wir Kunden gewinnen", heißt es bei RWE. Auch wenn die Bundes-SPD den neuen Atomtarif politisch ablehnt.

Doch Werbung alleine hilft nicht den Konzern Zukunftsfest zu machen. Die Kosten müssen runter, um den Herausforderungen aus CO2-Abgaben und Regulierung zu begegenen. Großmann treibt deswegen den Umbau des Hauses voran. Alles soll schlanker werden. Die intern kritisierten „unglaublichen Hierarchien“ müssen flacher werden. Bis Oktober sollen die meisten Strukturmaßnahmen umgesetzt werden, heißt es intern. „Das ist ein Herkules-Job mit Nebenwirkungen.“

Bis jetzt sind die Kernpunkte der Maßnahmen bekannt. Allen voran soll die deutsche Vertriebstochter RWE Energy eingedampft werden. Wenn im kommenden Jahr der Vertrag mit dem Vorstandschef der Vertriebs-Sparte Heinz-Werner Ufer ausläuft, soll dessen Stelle nicht wieder besetzt werden. Gleichzeitig würden zentrale Aufgaben auf die Konzernmutter überführt, heißt es aus dem Konzern. Andere Jobs würden nach unten in die Regionalgesellschaften abgegeben. Es bliebe wenig mehr als eine Fassade vom einst mächtigen Vertrieb übrig.

In seinem Bemühen, diesen Umbau hin zu kriegen, sucht Großmann die Unterstützung der Arbeitnehmer. Er unterschrieb eine Jobgarantie bis 2012. Den Lohn erhöhte er um 3,9 Prozent. Zudem sicherte er den Betriebsräten eine weitreichende Mitbestimmung auch in den neuen Tochterfirmen zu. Vor allem zum Gesamtbetriebsratschef Günter Reppien sucht Großmann den engen Kontakt. Er lud den gelernten Elektroinstallateur in sein Osnabrücker Sternelokal "La Vie" ein. Und besuchte den Arbeitnehmervertreter in dessen Heimat Lingen. Einmal gab es einen Rathausempfang, einmal eine Stippvisite an Reppiens Arbeitsplatz im örtlichen Kernkraftwerk. Eine ungewöhnliche Ehre für einen Betriebsrat bei RWE.

Doch während an der Arbeitsfront damit Ruhe herrscht, leistet sich Großmann einen ernsten Konflikt mit seinen wichtigsten Aktionären. Ursprünglich wollten die Städte Bochum und Dortmund gemeinsam mit RWE einen neuen Stadtwerke-Konzern mitten im Pott schaffen. Unter dem Namen Unisono sollte RWE mit 20 Prozent an der gemeinsamen Holding rund um den Versorger Gelsenwasser beteiligt werden. Doch dann forderte Großmann das Wassergeschäft von Gelsenwasser für sich. Nach dem Ausstieg American Water, will er auf dieser Basis die Wassersparte in Europa ausbauen. Die Städte ließen die Gespräche verärgert platzen. „Wir lassen uns nichts diktieren“, sagt ein Spitzenbeamter.

Dabei ist die Macht der Ruhr-Kommunen im Konzern immer noch kaum zu unterschätzen. Sie beherrschen über ein Firmengeflecht nahezu 15 Prozent des RWE-Aktienkapitals. Im Aufsichtsrat sitzen gleich vier kommunale Vertreter. Mit den Arbeitnehmervertretern haben sie die Mehrheit. Um jeden Arbeitsplatz werde gekämpft. Manchmal habe Großmann keine ausreichende Unterstützung, heißt es aus dem Gremium.

Und wieder setzt es Sticheleien aus dem Konzern. Es geht um die Kunst, die im Foyer der RWE-Zentrale ausgestellt wird. Normalerweise hat das RWE für diesen Zweck eine Kooperation mit der Folkwang-Schule in Essen. Doch Großmann gefiel die Kunst nicht. Kurzerhand wollte er die Folkwang-Werke gegen Arbeiten von Markus Lüpertz aus seinem Besitz austauschen. Doch die große Geste kam nicht überall gut an. Es hieß, das RWE sei nicht Großmanns Privat-Konzern. Wenn er die Kunst tauschen wolle, müsse er wenigstens den Vorstand fragen. Großmann setzte einen schriftlichen Umlaufbeschluss in Gang. Er bekam die Zustimmung auf dem Papier. Nur: Jeder beim RWE weiß, dass gerade die Folkwang-Schule in enger Verbindung zum wahrhaften Ruhrbaron Berthold Beitz steht. Man sagt, dessen Leichen liegen alle am Grund des Baldeney-Sees. Aus dem Vorstand wurde deswegen hintenrum Kritik laut. Keiner wollte Beitz nächstes Opfer werden.

So kompliziert ist das Ruhrgebiet. Mittlerweile wird schädliches aus dem RWE-Aufsichtsrat kolportiert: „Wir haben einen Familienunternehmer zum Vorstandsvorsitzenden gemacht. Das ist ein gewisses Riskio.“ Immer wieder überschätze Großmann seine Möglichkeiten. Das müsse besser austariert werden. Zur Not müssten auch die Kommunen ein Aufsichtsrat-Mandat abgeben. „Das schlimmste für uns ist doch, wenn Großmann hinwirft.“

Das Märchen Designstadt ist zuende…

Alles fing vor ein paar Jahren an, mit schweren Worten von Erfolgen, von Existenzen und so Sachen. Am Ende war es wieder nur ein ausgeträumter Ruhrpottraum, die Geschichte von der Designstadt Zollverein in Essen.

Das Haus Designstadt #1. Die Designetage ist grün markiert. Das ist alles, was von dem Plan blieb, eine Designstadt einzurichten. copyright: zollverein.de

Dabei hörte sich die Idee damals gut an. Die städtische Wirtschaftsförderung sprach von einem Platz für „Himmelsstürmer“, der im ärmsten Teil von Essen entstehen sollte. In der Broschüre „Freiraum Zollverein“ hieß es: „Insgesamt stehen 35.000 Quadratmeter Fläche zur Ansiedlung und Gründung von Unternehmen zur Verfügung.“ Die Rede ist da von der Zollverein School of Design, als einem Ort, „der Querdenkern und visionären Köpfen den nötigen Spielraum zur Verfügung stellt.“ Es gab Modelle, in denen sich duzende Gebäude in gewagten Konstruktionen zwischen Grünanlagen und Zechenbauten einfügten. Alles hell, lebendig, voller junger Leute. Ein Lockruf an alle Menschen aus der weiten Welt des schönen Scheins. Und oben drüber ein tolles Logo. Gefördert wurde das Ganze von der Essener Wirtschaftsförderung und der Entwicklungsgesellschaft Zollverein (EGZ).

Doch der Traum ist aus. Die School Zollverein, als Ankerpunkt der Designstadt, geriet schon ein Jahr nach ihrer Eröffnung im vergangenen Herbst in die Existenzkrise. Zu wenig Studenten, zu geringe Einnahmen. Die Gebühren für einen 20-monatigen Executive MBA waren mit 22 000 Euro wohl zu happig. Zumal über Deutschland hinaus bekannte Professoren kaum in der neuen Schule unterrichten wollten. Der spektakuläre Bau der Schule ist mit zuletzt noch 30 Studenten kaum ausgelastet und nur an wenigen Tagen in der Woche überhaupt geöffnet. Etwa 20 Mio. Euro Fördergelder stecken drin.

Das geplante neue Designstadt-Viertel hinter der Schule, neben der Kohlewäsche? Eine Brache, umzäunt, abgesperrt, leer. In der Mitte ein pinklakierter toter Strauch. Einmal lies sich ein saudischer Scheich mit Namen Hani Yamani im Helikopter über das Nichts fliegen und versprach 39 Mio. Euro in den Zollverein-Staub zu investieren. Nur an der folgenden Ausschreibung für das Gelände wollte sich Scheich Yamani nicht beteiligen. Investiert wurde auch nichts. „Zu Stolz“, hieß es bei der Wirtschaftsförderung.

Der Marktingleiter der EGZ, Ralf Thielen, bestätigt, das nicht viel von den Plänen umgesetzt wurde: „Die Designstadt, das ist heute ein Gebäude.“ Tatsächlich gibt es nur ein Haus, das den Namen trägt „Designstadt Nummer 1“. Mehr ist nicht da. Thomas Stratmann ist einer von den wenigen, die sich von den Versprechungen haben anziehen lassen. Heute sagt der Webdesigner: „Das ist hier nur Blendwerk.“

In dem Haus „Designstadt Nummer 1“ sitzen ein Hallenbauer, der fast nie da ist, ein Ingenieurbüro und noch ein paar andere Gewerke, die mit dem Kreativitätsbusiness soviel zu tun haben, wie ein Elektriker mit Malerei. Ein Haus „Designstadt Nummer 2“ wird seit Jahren geplant – jedoch bis jetzt nicht umgesetzt.

Die Kreativen sitzen ausschließlich in der ersten Etage der „Designstadt Nummer 1“: ein duzend Kleinstfirmen, mit meist einem Beschäftigten. Auch Thomas Stratmann wollte hier seine Agentur aufbauen. Er hoffte auf ein gutes Umfeld, in dem er Kunden und Partner auftreiben könnte. „Aber hier ist nichts. Hier ist eine Wüste drum herum.“


Der Traum vom Kreativbusiness löst sich auf wie ein Trugbild im Morgenlicht. Gebaut hat das Haus „Designstadt Nummer 1“ der Unternehmer Andreas Schürmann aus Dortmund. Von ihm mietete die Essener Wirtschaftsförderung fast zwei Etagen und vergab diese zu deutlich subventionierten Tarifen über die EGZ an die Design-Gründer weiter. Der geförderte Mietpreis lag etwa bei 8,50 Euro je Quadratmeter warm, inklusive Strom. Für ein kleines Bürozimmer, modern ausgestattet, zahlt beispielsweise ein Mini-Betrieb knapp 195 Euro.
Nun, laufen die Subventionsmieten aus. Und die Gründer sollen neue Verträge mit dem Unternehmer Schürmann abschließen. Dieser fordert jedoch einen Zins von etwa 16 Euro je Quadratmeter warm, inklusive Nutzung von Nebenflächen, wie Klo und Teeküche. Das belegen Mietunterlagen, die der Welt am Sonntag vorliegen. Wie viele Subventionen bislang insgesamt an Schürmann und in die Designstadt geflossen sind, wollte die Essener Wirtschaftsförderung auf schriftliche Anfrage nicht sagen. Es scheint, als seien die verpulverten Subventionen peinlich.

Den Kreativen in der „Designstadt Nummer 1“ ist die hohe Miete offensichtlich zu teuer. Sie kündigen Reihenweise ihre Mietverträge. Die Tarife in der Essener Innenstadt sind wesentlich günstiger. EGZ-Vermarkter Thielen bestätigt: „Etwa 50 Prozent der Verträge wurden bereits gekündigt.“ Dieser Zeitung gegenüber behaupteten dagegen fast alle Design-Mieter, ihre Verträge auflösen zu wollen. „Hier ist doch nichts wahr gemacht worden. Warum sollen wir hier bleiben?“, fragt Norman Bruckmann, der einen Internet-Fernsehsender aufbauen will. Statt auf eine interessante Umgebung blickt er auf einen Metallzaun. Der direkte Zugang zur Kohlenwäsche ist versperrt. Parkverbotsschilder stehen im Abstand von wenigen Metern.

Von der isolierten Lage am Rand der Brache Zollverein ist vor allem die Galerie von Christof Mika in der Existenz bedroht. „Ich hab hier viel investiert. Aber von den ganzen Versprechen wurde nichts gehalten“, sagt der Galerist. Er hat keine Mietsubventionen bekommen und alles aus der eigenen Tasche bezahlt. „Mir wurde immer wieder gesagt, hier geht es aufwärts. Aber nichts ist passiert. Der Scheich war doch auch nur eine Ente“, sagt Mika. Selbst ein gemeinsames Marketing sei immer wieder blockiert worden. Einen Newsletter unter dem Namen Designstadt durften die Designer jedenfalls nicht über das Internet versenden. Webdesigner Stratmann sagt: „Das ist die Leistung der Wirtschaftsförderung Schürmann.“ EGZ-Mann Thielen meint lediglich: „Wir werben nicht nach außen für die Designstadt.“

Nun hoffen alle auf die Zukunft. Die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) hat als Eigentümerin der Brache rund um die Design-Etage einen europaweiten Wettbewerb ausgelobt. Neue Investoren sollen auf Zollverein Hotels bauen, Kneipen und Wohnungen. Das neue Viertel wird allerdings nicht unter dem Namen Designstadt angeschoben. Ergebnisse sollen im Juli präsentiert werden. Niemand wollte sagen, wie viele Interessenten sich beworben haben. Das sei geheim, heißt es.

Stattdessen wird gemunkelt, dass es auch gut sei, wenn die Ausschreibung scheitert. Dann könne die EGZ das Gelände von der LEG bekommen und versuchen, die Brache an befreundete Investoren zu geben. Vielleicht kommt dann ja auch Scheich Yamani zum Zuge, der sich ja nicht an der Ausschreibung beteiligen wollte.

Zum Schluss: Im Februar wurde bekannt, dass die Gesamtkosten von 150,3 Millionen Euro für den Aufbau von Zollverein zu einem Tourismuszentrum in diesem Jahr um 6,4 auf 156,7 Millionen Euro steigen werden.

 

Ein Schartau wird kommen…

Das Comeback des Jahres hat geklappt. Harald Schartau, Ex-IG-Metall-Chef in NRW, Ex-SPD-Chef in NRW, Ex-Arbeitsminister in NRW, Ex-Ministerpräsidentenhoffnung in NRW wird Arbeitsdikretor von Jürgen Großmann (RWE-Chef) seiner Stahlbutze Georgsmarienhütte.

 

Das ist ein Ding. Eigentlich hatte ich die Karriere des Multi-Ex Schartau abgeschrieben. Er soll ja in seiner Freizeit mit der Spielzeugeisenbahn rummachen.

Aber gut, als gut verdrahteter Metaller wird er noch seine Kontakte nutzen können. Und Großmanns Firma ist nicht der schlechteste Arbeitgeber, auch wenn es heißt, Schartau habe ja irgendwie versorgt werden müssen, seitdem er ohne echten Job ist.

Wie dem auch sei. Die Bande von Großmann zur SPD wird diese Einstellung jedenfalls sicher stützen. Die Genossen halten zu denen, auf die sie sich verlassen können. Menschlich sowieso. Und eigentlich ist die Entscheidung ja auch OK, nur eben bemerkenswert.

Schartau ist der mit dem Bart in der Mitte / Foto: Reinhard Schultz

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Macht die Kohle unser Benzin billig? Leider nein…

Die Benzinpreise in Deutschland steigen. Und im Ruhrgebiet wird die Erinnerung wach. Gab es da nicht mal eine Kohleöl-Anlage? So ein Ding, mit dem man aus den Steinen Sprit machen konnte? Ja, so ein Ding gab es, sagt Christof Beike vom letzten deutschen Kohlekonzern RAG. Jedoch: „Unsere letzte Anlage in Bottrop wurde Ende der neunziger Jahre verschrottet, weil es hieß, das Verfahren lohnt sich erst, wenn der Benzinpreis bei 2,30 liegt.“ Tja, diese Schwelle ist mittlerweile weit überschritten. Lohnt es sich jetzt also wieder Benzinfabriken auf Basis von Anthrazit zu bauen?

Schon im Zweiten Weltkrieg milderten Kohle-Öl-Anlagen die Abhängigkeit von Sprit-Importen. Die Nazis brauchten die Treibstoff-Fabriken um ihre Kriegsmaschine laufen zu lassen. Im Jahr 1944 produzierten fast zwei Dutzend Kohle-Öl-Anlagen über 5 Mio. Tonnen flüssiger Treibstoffe. Erst in den fünfziger Jahren gab die Industrie diese teuerste Form der Benzin-Synthese wieder auf.

Heute könnte die Technik den Zorn der Autofahrer vor hohen Benzinpreisen dämpfen – hoffen die deutschen Kohlefreunde. Sei es mit heimischer Kohle, oder mit Importsteinen.

Doch das Thema steht nicht auf der wirtschaftlichen Agenda der deutschen Industrie. Die einzigen Großanlagen stehen in Südafrika, den USA, der Mongolei und China. In Deutschland sind keine geplant. Der einstige Technologieträger Deutschen Montan-Technologie GmbH (DMT) in Essen hat sich nach Auskunft einer Sprecherin vor Jahren von allen Projekten getrennt. Und Christof Beike beklagt: „Das Know How ist verschwunden. Es gibt hier keinen mehr, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt.“

In anderen Ländern werden die Pläne allerdings weiterverfolgt. In Südafrika lies das Apartheidregime unter dem Druck des Embargos zwischen 1955 und 1983 drei Anlagen bauen. In den USA stehen zwei Fabriken, die im industriellen Maßstab produzieren. Dazu kommt ein Werk in China, das in wenigen Wochen die Produktion aufnehmen soll. In der Mongolei wird eine Anlage zur Produktion von jährlich rund 900.000 Tonnen Benzin, Diesel und Kerosin errichtet.

Der Grund für die Expansion im Ausland ist einfach zu finden: In diesen Ländern gibt es reichlich Kohle zu relativ günstigen Preisen. Gleichzeitig ist die Versorgung über lange Zeiträume gesichert.

Allen voran der südafrikanische Konzern Sasol treibt die Technik voran. Mit dem chinesischen Konzern Shenhua Energy unterzeichnete das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Vertrag zum Bau von zwei weiteren Anlagen im Wert von 5 Mrd. Dollar. Auch in Südafrika plant das Unternehmen neue Anlagen. In Japan treibt das Energieministerium entsprechende Projekte voran.

In Deutschland erlebte die Technik ihren letzten Höhepunkt während des Ölpreisschocks in den Siebziger Jahre. Im Rahmen eines „Programms Energieforschung“ gingen sieben Pilotanlagen zur Kohleveredelung in Betrieb gingen. Ab 1980 wurden zudem 14 großtechnische Anlagen mit einem Gesamtverbrauch von 22 Mio. Tonnen Stein- und Braunkohle pro Jahr geplant. Doch die fallenden Ölpreise machten Mitte der 1980er Jahre diese Planungen zunichte. Die Pilotanlagen wurden nach und nach abgeschaltet. Die letzte stand in Bottrop.

RAG-Fachmann Beike beklagt sich: Seitdem die Bottroper Fabrik verschrottet worden sei, habe niemand mehr auf die Kohle gesetzt, deswegen sei auch die Technologie vernachlässigt worden. Selbst an den Unis werde nicht mehr ernsthaft geforscht. „Wenn der Bergbau verschwindet, verschwindet die Technik und dann das Know How.“

Einer der letzten Technologie-Träger in Deutschland ist die Firma URACA in Bad Urbach. Hier im Herzen der Schwäbischen Alb werden Hochdruckpumpen entwickelt, die Kohlemehl in die Verflüssigungsanlagen pressen können. URACA liefert vor allem nach China. In Deutschland sind nach eigenen Angaben keine Projekte geplant. 

Tatsächlich scheint der Wissens-Verlust tragisch zu sein. Beide heute noch gebräuchlichen Verfahren wurden von deutschen Ingenieuren entwickelt. Bei der so genannten Fischer-Tropsch-Synthese wird mit Hilfe von Wasserdampf aus glühender Kohle ein Gas erzeugt, dass anschließend über Katalysatoren zu flüssigen Kohlenwasserstoffen gerinnt. Auf Basis dieses Verfahrens erzeugt der Sasol Konzern in Südafrika rund 9 Mio Tonnen Ölprodukte, unter anderem Benzin.

Bei dem Bergius-Verfahren wird gemahlene Kohle unter Hochdruck bei Temperaturen von 500 Grad Celsius verflüssigt. Nach diesem Muster arbeiten die neuen Fabriken in China und in der Mongolei. Der Forscher mit dem Namen Bergius bekam für seine Kohle-Öl-Erfindung übrigens damals einen Nobelpreis.

Der Leiter der Abteilung für Kokerei-Technik bei der Deutschen Montan-Technologie, Manfred Kaiser, ist traurig, dass die Kohle-Öl-Fabriken nicht in Deutschland weiter entwickelt werden. „Man hat hier aus dem Kleinen nie das ganz Große gemacht.“ Seine Versuchsanlage in Essen mit einem Ausstoß von 250 Kilogramm Öl am Tag wurde vor vier Jahren demontiert und nach China verkauft.

In Fernost entsteht nun mit Hilfe der DMT-Forschung eine Anlage mit einer Kapazität von 5 Mio. Tonnen Benzin oder wahlweise Kerosin. Die Investitionssumme liegt nach Angaben des chinesischen Konzerns Shenhua bei rund 2,45 Mrd. Euro. Aber wichtiger noch: aufgrund der billigen Kohlepreise in China kann die Anlage selbst bei einem Rohölpreis von knapp 20 Dollar je Barrel noch wirtschaftlich arbeiten.

Eigentlich könnten diese Zahlen in Deutschland eine Euphorie erzeugen. Doch der Regionalchef des südafrikanischen Marktführers Sasol, Hans Ratajczak, dämpft die Erwartungen. „In Deutschland wird sich die Kohleverflüssigung auf lange Zeit nicht rechnen.“ Der Sasol-Chef erklärt, die Kohleschmelzen würden nur in weit entlegenen Gegenden aufgestellt, in deren direkten Umgebung sehr große Mengen billiger, energiearmer Kohle zu finden seien. „Diese Kohle hat oft einen Aschegehalt von 30 Prozent und mehr.“ Es lohne es sich nicht, diese energiearme Kohle zu transportieren. Allerdings kann es am Rand der Welt günstig sein, aus 50 Mio Tonne billig geförderter Kohle rund 10 Mio Tonnen Öl zu machen. „Die Standorte sind immer da, wo die Kohle ist“, sagt Ratajczak.

Es mache wirtschaftlich keinen Sinn, große Mengen Kohle teuer nach Deutschland zu importieren und diese dann in geringe Mengen Benzin umzuwandeln.

Klar? Das heißt nichts anderes als: In Deutschland wird es auf absehbare Zeit keine neuen Kohle-Öl-Anlagen geben. Entweder wird hochwertige Kohle importiert, die verbrannt wird, oder es wird Öl importiert. Der einzige Ausweg wäre, die heimische Kohle wird saubillig. Und kann ohne Subventionen Hektoliterweise Öl fabrizieren. Die Chancen dazu kann sich jeder selbst ausrechnen.

Schon wieder AGR? Leider…..

Wie ich erfahren habe, will sich der Regionalverband Ruhr (RVR) in seiner kommenden Verbandsversammlung mit der Abfallgesellschaft Ruhr beschäftigen. Dabei soll vor allem meine Berichterstattung über die bilanzielle Überschuldung der Müllfirma thematisiert werden. Der Geschäftsführer der AGR, soll dazu Stellung nehmen und meine "Falschberichterstattung" zurückweisen. Ich nehme an, über die Mülltransorte aus Neapel nach Herten, die die AGR derzeit durchführt, will keiner der Verantwortlichen plaudern – auch nicht darüber, ob unter dem legalen Müll auch die eine oder andere Tonne Giftdreck gepanscht war…

Wie dem auch sei. Damit es einfacher wird, fasse ich hier kurz die Kernpunkte meiner Berichterstattung zusammen, auf die der AGR-Geschäftsführer Stellung nehmen soll.

Aus dem Bundesanzeiger geht hervor, dass die AGR zum 31. Dezember 2006 eine bilanzielle Überschuldung von 80.694.775,98 Euro im Konzern hatte. Die Bilanz 2006 ist die aktuelle Bilanz, da noch keine neue vorgelegt wurde.

Für alle Nicht-Fachleute erklär ich hier nochmal das wesentliche: die bilanzielle Überschuldung steht bei den Aktiva unter dem Punkt "Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag". Der AGR-Geschäftsführer spricht immer nur von der Überschuldung in der Kern-GmbH. Die sieht natürlich nicht so schlimm aus, denn etliche Teile der Überschuldung sind im Konzerngeflecht der AGR versteckt. Die Fachleute wissen das. Deswegen gibt es ja die Konzernbilanz, damit die Aufhübschung einer GmbH-Bilanz über ihre Töchterbilanzen nciht mehr möglich ist. Der Verweis auf die GmbH-Bilanz soll nur die Politik im RVR und die naiven Menschen in der Öffentlichkeit beruhigen.

Dann habe ich noch darüber geschrieben, wie die Rückstellungen für die Deponienachsorge schwinden, weil das Geld, dass zur Sanierung der Deponie gedacht war, für andere Zwecke eingesetzt wird. Das hat mir der Pressesprecher der AGR auch so bestätigt. So wurden erheblich Teile des RZR II mit dem Geld bezahlt und zudem der Vergleich mit dem Brochier-Insolvenzverwalter aus diesem Topf finanziert. Als Begründung hieß es: Das Geld für die Deponien werde ja später wieder mit dem RZR II verdient, so dass der Einsatz der Rückstellungen als Investition in mündelsichere Sachanlagen dargestellt werden kann. Nun ja, wer das glaubt….

Aktuell jedenfalls verfallen die Verbrennungspreise rasend schnell und die AGR hat für das RZR II mit einen Tonnen-Erlös von über 100 E geplant. Derzeit liegt der Preis irgendwo zwischen 60 und 70 E.

Ein Blick in die Bilanz zeigt zudem, wie erhebliche Teile der Rückstellungen schon futsch sind:

Die Rückstellungen finden ihre Entsprechung auf der Aktiva-Seite in der Konzernbilanz vor allem unter den Punkten "Wertpapiere des Anlagevermögens". Hier ist der Betrag von 2005 auf 2006 von rund 129 Mio Euro (genau 129.122.970,25) auf rund 59 Mio Euro (genau 58.649.829,31) gesunken. Im elektronischen Bundesanzeiger ist dieser Punkt um eine Zeile verrutscht. In der Printausgabe der Konzernbilanz steht es aber so wie ich es hier schreibe.

Wenn man die Gelder aus der Position "Wertpapiere des Anlagevermögens" flüssig machen will, um damit irgendwelche Ausgaben zu bezahlen, etwa den Bau des RZR II, müssen die Wertpapiere verkauft werden. In der Bilanz taucht der Cash dann wieder unter dem Punkt "Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten" auf. In der Bilanz ist diese Position von 2005 auf 2006 von rund 32 Mio Euro (genau 32.163.435,28) auf rund 63 Mio Euro (genau 63.024.117,41) angestiegen.

Addiert man die beiden Posten, kann man sagen, das zur Verfügung stehende Geld aus den Rückstellungen ist zumindest von rund 161 Mio Euro auf rund 122 Mio Euro gesunken. Das ist natürlich nur ein ungefährer Wert, da weitere Rückstellungen unter anderen Posten wie "Sachanlagen" auftauchen.

Nach der Definition der AGR-Geschäftsführung stimmt meine Rechnung auch deswegen ncht, weil gesagt wird, das abgeschmolzene Geld sei in das RZR II investiert und damit nur eine Umwandlung der Geldanlagen betrieben worden. Ein Versickern der Rücklagen habe es also nicht gegeben. Nur: Ich glaube nicht, dass das RZR II eine mündelsichere Anlage ist, sondern im Gegenteil eine hochriskante Spekulation.

Statt sich im RVR mit diesen Punkten zu beschäftigen, würde ich mich eher freuen, wenn der AGR-Geschäftsführer die Bilanz von 2007, also die wirklich aktuelle Bilanz, auf den Tisch legt. Wenn der Chef nicht feige ist, tut er es. Vielleicht hat sich ja was getan. Oder will die AGR was verbergen?

Alles andre bringt doch nichts auf den Tisch. Getretener Quark wid breit – nicht hart.

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Der Regionalverband Ruhr und die Krisen-AGR

Diese Geschichte von dem Ende der Ökomedia GmbH kann man von zwei Seiten betrachten. Man kann schreiben, dass sich die Abfallgesellschaft Ruhr (AGR) von unnötigem Ballst befreit und zielgerichtet auf ihr Kerngeschäft konzentriert. Man kann aber auch schreiben, dass in der Krise die Einschläge langsam näher kommen, nah heran ans Haupthaus. Ein Treffer und alles bricht zusammen.

Wie gesagt, es geht um die Firma Ökomedia. Das ist eine hundertprozentige Tochter der AGR. Die Abfallgesellschaft selbst ist wiederrum eine hundertprozentige Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Der Geschäftsführer der Ökomedia heißt Heinz Struszczynski. Das ist der Pressesprecher der AGR. Ein naher Kontakt ist ja manchmal nützlich. In diesem Fall zum Beispiel für Kredite, die die AGR in die Ökomedia gepumpt hat. Nach den Vorliegenden Unterlagen waren das ein paar hunderttausend Euro, die da mit Werbequatsch verbrannt wurden. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass schon Ende 2006 eine Bilanzielle Überschuldung von 462.000 Euro bei der AGR-Tochter mit Sitz in Essen gegeben war. Eine Pleite konnte damals nur vermieden werden, weil die AGR ihren Anspruch auf die Kredite  in der Tochterfirma teilweise aufgab. Insgesamt schuldete die Ökomedia des Pressesprechers dem Mutterkonzern zu der Zeit 535.000 Euro.

Das ist aber noch nicht alles. Selbst das laufende Geschäft gab keinen Grund zur Hoffnung. Die Ökomedia schob aus dem laufenden Geschäft einen Verlustvortrag von 613.000 Euro vor sich her. Sicher ist da im Lauf des Jahres 2007 noch ein fettes Brot dazugekommen.

Gut. Irgendwann ging es nicht mehr. Das hat auch die AGR eingesehen und der RVR. Es gab eine Sitzung im Dezember. Die Gesellschafterversammlung der AGR beschloss, die Ökomedia einzustellen. Und zwar unbemerkt von der Öffentlichkeit am 30. April. Die neun Mitarbeiter wurden entlassen, berichtet die Co-Geschäftsführerin Janna Wadle. "Nach der Betriebsstilllegung verfügt die ÖKOMEDIA GmbH über keinerlei Aktivitäten mehr. Über die weitere Vorgehensweise bezüglich des leeren und inaktiven GmbH-Mantels kann und wird später noch entschieden werden." In der Gesellschafterversammlung der AGR gibt Heinz-Dieter Klink (SPD) der Regionaldirektor des RVR den Ton vor.

Ist die Entscheidung richtig? Ich weiß es nicht. Auf der einen Seite ist es gut, wenn die AGR ihre Kommunikationsaufgaben im eigenen Haus erledigt. Welchen Sinn soll eine Verlustbringende Tochterfirma unter Kontrolle eines Pressesprechers auch machen. Und nur die Konzentration auf das Kerngeschäft kann die leckgeschlagene Firma wieder flott machen.

Auf der anderen Seite tun mir die acht Leute leid, die Ihren Job verloren haben. Es gab "betriebsbedingte fristgerechte Kündigungen", sagt Wadle. Aber alle acht hätten "wieder eine adäquate neue Beschäftigung." Was auch immer das heißt. Zählen dazu auch vom Arbeitsamt finanzierte Gehversuche in der Selbstständgkeit oder Parkwächtertätigkeiten in Herten?

Für die AGR bedeutet die Betriebseinstellung jedenfalls den Totalverlust der Kredite. Wieder weit über 500.000 Euro verbrannt unter Verantwortung des Pressesprechers. Wir habens ja.

Warum wurde die Ökomedia eigentlich nicht verkauft?

Und warum wurde die Firma überhaupt gegründet oder von einem Herrn F. gekauft.

Da gehen Großmannträume vor die Hunde. Von Menschen, die glaubten, sie seien Medienmacher.

Ruhrbistum gefährdet?

Es gibt eine Neuigkeit vom Rande des Katholikentages. Und zwar wird im Kreis der deutschen Bischofskonferenz überlegt, das Ruhrbistum aufzulösen. Die  flächenmäßig kleinste Diözese Deutschlands gibt es erst seit 1958. Nun, mit den stetig zurückgehenden Mitgliederzahlen, den steigenden Kosten für Kindergärten und Altenbetreuungen, wird die Verwaltung des Bistums scheinbar zu teuer.

Bislang hat Bischof Felix Genn alles versucht, sein Bistum zu erhalten. Nahezu alle Zivilbeschäftigten wurden in der Steuerungszentrale rausgeworfen und durch streng katholische Mönche oder Laien ersetzt. Dieser Closed Shop machte anschließend gegen den Widerstand der katholischen Verbände nahezu alle Jugendhäuser im Revier platt, setzte Zwangsvereinigungen von Gemeinden durch und überführte unabhängige Kindergarten in übergeordnete Zweckverbände. Das Große Ziel: maximale Einsparung.

Doch all diese Anstrengungen reichen offenbar nicht. Deswegen wird im Kreise der Mitraträger überlegt, den Wasserkopf am Bischof-Sitz ganz aufzulösen. Stattdessen könnten sich wieder die Diözesen Köln, Paderborn und Münster ihre alten Kirchsprengel einverleiben, die sie kurz nach dem Krieg aufgeben mussten.

Sollte diese Idee Realität werden, würde die einzige Verwaltungseinheit des Ruhrgebietes 50 Jahre nach ihrer Gründung zerschlagen werden und die Zersplitterung des Potts weiter voranschreiten.

Wobei: So ganz brachte auch das Ruhrbistum keine Einheit für das Revier. Köln konnte etwa das Örtchen Kettwig in seinem Kichenkreis halten. Die Gemeinde im Essener Süden hat ein bedeutendes Kirchensteueraufkommen. Und Dortmund hat sich geweigert irgendwo mitzumachen, wo Essen im Namen ist. Auf Latein heißt  das Ruhrbistum nämlich:  Dioecesis Essendiensis. Stattdessen blieb die Ostpott-Kommune im Bannstrahl von Paderborn.

Mir hat diese Geschichte ein führener Verbandskatholik aus Berlin erzählt – mit direktem Zugang zur Bischofskonferenz. Sie wurde von einem anderen leitenden Organisationskatholik aus Osnabrück bestätigt. Ich gehe davon aus, dass die Nummer stimmt.