Ein Freund

Am Sonntag-Morgen, um 8 Uhr und 5 Minuten hat ein Passant Marcus Bensmann im Schnee gefunden. Er lag da, bewusstlos. Sein Gesicht zerschlagen, sein Kiefer gebrochen, seine Hände erfroren. Marcus Bensmann lag im Schnee der kasachischen Hauptstadt Astana. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad. Es heißt, Marcus Bensmann sei aus einem fahrenden Wagen hierhin geworfen worden, in das Eis der Steppe.

Wir wissen nicht, ob es ein politischer Anschlag war oder ob Marcus Opfer einer kriminellen Entführung geworden ist. Wir wissen, sie haben ihm ins Gesicht getreten, bis seine Augen brachen. Wir wissen, sie haben ihn in das Eis geschmissen. Wir wissen, es war ein Mordversuch. Marcus Bensmann ist 38 Jahre alt.

Marcus Bensmann ist ein Freund. Und ein Journalist. Er schreibt seit Jahren über Zentralasien, für die neue Zürcher Zeitung, für die ARD, die dpa und die taz. Dabei ist er einer der wenigen, die nicht über die schönen Berge fabulieren oder die Seidenstraße. Marcus schreibt über Kinderarbeit in den Baumwollfeldern. Er schreibt über den Fall Musafar Avazow in Usbekistan. Über den Mann, der im Gefangenenlager Yaslik gekocht wurde. Marcus hat die Beweise besorgt, Fotos der entstellten Leiche. Marcus hat gezeigt, wie Rücken, Bauch, Beine und Arme des vierfachen Vaters eine einzige Brandblase bildeten.

Und Marcus hat über das Öl Zentralasiens geschrieben und über das Gas. Wer es kauft, wer es haben will und wer das Schmiergeld kriegt. Die Berichte von Marcus Bensmann waren teuer. Sie haben Despoten in ihren Geschäften gestört.

Vor allem der Diktator von Usbekistan stand immer wieder im Zentrum der Berichterstattung. Marcus Bensmann war einer der wenigen Journalisten im usbekischen Städtchen Andischan am Tag des Massakers, als hunderte Menschen abgeschlachtet wurden. Er überlebte den Kugelhagel. Er sah die Leichen. Er rannte mit den Überlebenden. Und Marcus berichtete und berichtet weiter darüber. Er lässt die Toten nicht vergessen. Er schreibt an gegen die Verharmloser, gegen die Abwiegler, gegen die Vertuscher. Die auch in Deutschland im Außenministerium sitzen. Und dort für die Rehabilitierung der usbekischen Schlächter antichambrieren.

Marcus hat darüber geschrieben, nicht weil es ihm Spaß machte. Sondern weil es wichtig für uns alle ist. Deutschland hat Interessen in der Region. Deutschland macht Politik in der Region. Deutsche Soldaten stehen in Usbekistan. Die Deutsche Regerung zahlt Geld an das Regime in Usbekistan. Der Westen will Zugang zu den Gaslagerstätten in Usbekistan. Und: Politiker Europas hofieren die Greuelherrscher der Region.

Marcus Bensmann wollte aufklären, bei welchen Geschäften sich die deutsche Außenpolitik unter ihrem Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mitschuldig macht. Marcus deckte auf, dass sich Steinmeier in der EU dafür eingesetzt hat, die Sanktionen gegen Usbekistan zu lockern. Während er gleichzeitig als Friedensapostel im Nahen Osten auftritt. Mit seinen Berichten lüftet Marcus das Tuch des Schweigens, das über diese dunkle Seite der deutschen Außenpolitik geworfen wird. Er hat die Beweise gesammelt.

Zuletzt hat Marcus Bensmann einen Bericht für das ARD-Magazin Monitor über den Zynismus dieser Politik gemacht. Der Anlass hier war schrecklich. Der usbekische Exiljournalist, Alisher Saipov, war vor seinem Haus in Kirgistan vermutlich vom usbekischen Geheimdienst erschossen worden. Zwei Schüsse in die Beine, einer in den Kopf. Saipov war ein enger Kollege von Marcus Bensmann. Der Mord am Reporter war kein Anlass für den deutschen Außenminister seine freundliche Haltung gegen den Diktator Usbekistans zu überdenken.

Das Auswärtige Amt nimmt Marcus Bensmann diese Arbeit übel. Immer wieder kamen Zwischentönen aus dem Amt, die seine Arbeit diskreditieren sollten, die ihn beleidigten. Im diktatorischen Zentralasien konnten diese Signale nur so gedeutet werden, dass die Deutsche Regierung kein Interesse am Wohl des Journalisten Marcus Bensmann habe.

Marcus war auch jetzt in Zentralssien, um die Wahrheit zu berichten. Über das, was jenseits der Propaganda geschieht. Marcus Bensmann ist während seiner Arbeit zerschlagen worden.

Als Marcus im Krankenhaus lag, schaute ein Botschaftsangesteller nur kurz vorbei. Und verschwand wieder. Dem Autoren gegenüber machte der Diplomat nachher telefonisch deutlich, dass ihn der Journalist nicht interessiere. Erst auf Druck der Medien wurde diese Haltung später von der Deutschen Botschaft in Kasachstan geändert. Schnell hieß es, der Überfall könne nur einen kriminellen Hintergrund haben. Marcus sei betrunken gewesen. Stimmt das? Ist das Wahrheit oder der Beginn einer Vertuschung? Macht das überhaupt einen Unterschied?

Fakt ist: Marcus war Samstagabend in einer Kneipe in der kasachischen Hauptstadt, um dort einen Drehort zu recherchieren. Als er die Kneipe verließ, verschwand er und wurde einige Stunden später aus einem fahrenden Wagen geworfen. Wir wissen nicht, ob ihm den Tag über Geheimdienstbeamte gefolgt sind, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, einen staatlich gelenkten Anschlag wie eine „normale“ Verschleppung aussehen zu lassen. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Schon im vorliegenden Polizeibericht gibt es Widersprüche zur Realität. So heißt es bei der kasachischen Polizei Marcus Bensmann habe um 2:32 Ortszeit Astana die Kneipe verlassen. Fakt ist, die Frau von Marcus Bensmann hat in Gegenwart des Autoren kurz vor 3:00 Ortszeit Astana mit Marcus Bensmann telefoniert. Da war er noch in der Kneipe und machte einen normalen Eindruck.

Wir wissen nur eines sicher: Marcus ist das Opfer eines Verbrechen geworden. Marcus Bensmann hat den Mordversuch überlebt. Er ist zurück in Deutschland. Die ARD und der WDR haben ihn rausgeholt. Dafür gebührt ihnen Dank.

Nokia Demo – CDU Lammert kommt nicht

Heute ist die Nokia Demo. Die Beschäftigten kämpfen um ihre Arbeit, um ihr Werk, um ihre Stadt, um ihre Zukunft.

Alle kommen. Alle. Nur Norbert Lammert nicht.

"Das sieht schlecht aus", heißt es aus dem Umfeld von Norbert Lammert, dem CDU-Bundestagsabgeordneten aus Bochum. Und das ist richtig, es sieht schlecht aus. Offizieller Grund: "unaufschiebbare Verpflichtungen in Berlin" Schlechter kann es eigentlich gar nicht aussehen, wenn die Menschen im eigenen Wahlkreis zur Solidarität aufrufen. Eine Steilvorlage für den politischen Gegner.

Aber: Norbert Lammert hat tatsächlich "unaufschiebbare Verpflichtungen". Denn Lammert ist nicht nur Bochums Delegierter im Parlament. Er ist auch Chef vom Ganzen. Als Bundestagspräsident muss er heute um 12:30 den irischen Parlamentspräsidenten John O’Donoghue empfangen. Was soll er dem sagen? "Sorry, Mann, ich muss nach Bochum, unaufschiebbare Verpflichtungen im Wahlkreis. Kommt doch morgen. Oder heute Abend, oder gar nicht?"

Der Termin mit O’Donoghue stand früher fest als die Werksschließung durch Nokias Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo. (Warum haben die eigentlich alle so seltsame Namen?)

Tatsächlich war aus Lammerts Umfeld zu erfahren, dass der CDU-Mann versucht hat, seinen irischen Kollegen zu überreden, doch einfach mit nach Bochum zu kommen. Man kann ja beim Demonstrieren plaudern. Wollte O’Donoghue aber nicht. Tja, so muss Lammert also in Berlin bleiben.

Seine Botschaft an die Nokianer lautet:

Der Belegschaft und dem Betriebsrat von Nokia in Bochum, die sich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sowohl in der Produktion als auch in der Forschung und Entwicklung einsetzen, sowie den Zulieferfirmen und den betroffenen Leiharbeitnehmern sage ich auch auf diesem Wege noch einmal meine Hilfe zu.

Das Unternehmen steht nicht nur gegenüber den eigenen Aktionären in der Verantwortung, sondern auch gegenüber dem Land und der Region, die durch das Zahlen von gewaltigen Subventionen und durch die Bereitstellung öffentlich finanzierter Infrastrukturmaßnahmen die gute Entwicklung von NOKIA mit ermöglicht haben.

Das Ruhrgebiet hat hinreichende Erfahrungen mit einem tief greifenden Strukturwandel und dem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionszweigen. Umso weniger können und dürfen wir hinnehmen, dass mit hohem Einsatz öffentlicher Mittel angesiedelte High-Tech-Unternehmen ohne zwingenden Grund allein zur Maximierung von Gewinnerwartungen wie ein Wanderzirkus durch Europa ziehen. Auch das Europa-Parlament und die EU-Kommission sind inzwischen mit dem Vorgang befasst.

Gerne beteilige ich mich an allen Bemühungen, die getroffene Entscheidung der Konzernführung zu korrigieren und unterstütze die entsprechenden Anstrengungen von Stadt, Land und Bund.

Das sagte Lammert. OK. Mit anderen Worten: Wenn der Ire seinen Kaffee leergetrunken hat, geht es weiter. Lammert schubst in den Kulissen.

PFT – Das Problem des Ruhrverbandes – Fortsetzung 1

Es geht weiter mit dem PFT in der Ruhr, diesem Krebserregendem Gift, dass täglich in den wichtigsten Trinkwasserfluss der Region abgeht. Je Woche gut 3,5 Kilo.

Ich habe mittlerweile eine neue Gift-Tabelle vom Ruhrverband bekommen, in der er die Unterschiede erklären will, zu den Daten, die ich von der Bezirksregierung Arnsberg bekommen habe.

Ich habe das Ganze für die Kläranlagen ausgewertet, die mehr als 5 Gramm PFT am Tag in die Ruhr kippen.

Hier ist folgendes Detail interessant. Bei Werdohl und Rahmedetal sind die Werte zum Jahresende laut Ruhrverband wieder angestiegen. In Rahmedetal lagen die Werte laut Ruhrverband wohl seit April 2007 bei über 140 Gramm am Tag.

In den Daten der Bezirksregierung sah der Meßwert am 13. April mit 299 Gramm am Tag noch aus wie ein Ausreißer.

In Werdohl ein ähnliches Bild. Während die Bezirksregierung im Dezember ebenfalls einen starken Anstieg um 60 Gramm feststellte, notierte der Ruhrverband einen Anstieg um 160 Gramm.

Dabei stehen hinter jedem Meßwert Industriebetriebe, die Gift in die Ruhr und ihre Zuflüsse kippen. Rahmedetal und Wedohl liegen an der Lenne, einem dieser landschaftlichen schönen Ruhrzuflüsse.

Und noch etwas fällt auf, während es im Detail Unterschiede gibt, liegen die Meßwerte im Großen und Ganzen sehr nah beieinander. Die Gesamtfracht liegt sowohl laut Ruhrverband als auch laut Bezirksregierung Arnsberg bei rund 210 Gramm am Tag. Die Angaben des Ruhrverbands sind hier sogar minimal höher als in den Angaben der Bezirksregierung.

Das ist kein Zufall. Wie ich zwischenzeitlich gelernt habe, rechnet die Bezirksregierung mit den Abwasserdaten der Kläranlagen, die auch für die Berechnung der Abwassergebühren benutzt werden. Das ist ein fein austarierter Mittelwert, der von Gerichten in Prozessen bestätigt wurde. Deswegen unterscheiden sich die Berechnungen in der durchschnittlichen Tagesfracht über den gesamten Zeitraum kaum.

Im Detail aber können die Werte auseinander gehen. Für die Beurteilung von Rahmedetal und Werdohl kann genau das erhebliche Auswirkungen haben. Etwa indem man feststellt, dass die Belastung aus Rahmedetal in der zweiten Hälfte 2007 offenbar höher war als in der ersten Hälfte.

Und das zersiebt natürlich die Aussage von NRW Umweltminister Uhlenberg, der in seiner Datei komkas.pdf behauptet: Die PFT-Belastung in der Ruhr sei in den vergangenen Monaten runtergegangen.

Wie er das geschafft hat, zeige ich hier.

 

Man achte auf den Reduzierungs-Wert von Werdohl. Obwohl es einen Anstieg von 60 Gramm (Bezirksregierung) oder 160 Gramm (Ruhrverband) gab, notiert hier der Minister lediglich eine 0 als Belastungssenkung.

Versteht ihr mich richtig?

Übersetzt gibt der Minister hier folgendes an: Gut, es gab in Werdohl also einen Anstieg, das bedeutet, es gab keine Reduzierung. Also es gab Null Erfolg. Deswegen setze ich in meiner Tabelle komkas.pdf den Wert für Werdohl mal auf Null. Da wird schon keiner fragen.

Nur dank dieser Milchmädchenrechnung kommt Uhlenberg am Ende der Tabelle, im Original auf der Seite 3, auf eine Reduzierung von 68 Gramm. Hätte er in Werdohl die Steigerung um 60 Gramm oder 160 Gramm angebenen, wie man es erwarten müsste, wäre die Aussage der gesamte Tabelle hinüber gewesen.

Das für heute. Es geht weiter.

Der Bruch mit dem geistigen Alten

Eigentlich waren in der SPD immer alle stolz auf Wowi Wolfgang Clement (SPD). Lob war ihm sicher und Preis. Vor allem im Pott, kam der Leuchturmbauer doch aus Bochum. Und brachte brav Geld mit. Subventionen und so.

Aber jetzt ist keiner mehr stolz auf den Kolumnisten. Vor allem die beiden wichtigsten Ziehkinder des großen Alten aus dem Ruhrgebiet,.also die ehemalige Europaministerin Hannelore Kraft und der Gewerkschaftsfunktionär Norbert Römer (alle SPD), haben Clement die Mini-Merkel gemacht. Ich meine den Bruch zum Vorbild. Wie die Ostdeutsche dem Dicken aus Oggersheim einst.

Lest hier selbst. Norbert Römer etwa sagt:

Wolfgang Clement hat über mehrere Jahrzehnte als Minister und Ministerpräsident in NRW und dann als Bundesminister und stellvertretender Parteivorsitzender die Solidarität seiner Partei ganz selbstverständlich in Anspruch genommen und auch bekommen, obwohl er ihr öfter mit seinen extravaganten persönlichen politischen Ansichten viel zugemutet hat. So jemand sollte sich heute als Privatier zurückhalten.

Seine Kritik gegenüber Andrea Ypsilanti und die von ihr vertretene Klimaschutz- und Energiepolitik ist weder in der Form zu akzeptieren noch in der Sache begründet. Wolfgang Clement verhält sich schlicht unanständig und vertritt wieder einmal eine persönliche Einzelmeinung, die durch die jüngsten SPD-Parteitagsbeschlüsse in Hamburg auch nicht ansatzweise gestützt wird.

Sinnvoller wäre es, wenn er sich in seiner Rolle als RWE-Aufsichtsrat dafür einsetzen würde, dass RWE endlich die Vereinbarung von 1994 mit der damaligen Landesregierung unter Johannes Rau erfüllt und die alten Braunkohle-Kraftwerksblöcke schnellstens stilllegt. Das würde der Glaubwürdigkeit von RWE und der gesamten Elektrizitätswirtschaft gut tun und könnte für mehr Akzeptanz bei der Kohleverstromung sorgen.

Und die Hannelore, jetzt Kraftmeierin und Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag meint:

Die Äußerungen von Wolfgang Clement sind in der Form völlig inakzeptabel und in der Sache falsch. Sie sind ein übles Foul gegen Andrea Ypsilanti, die in Hessen einen hervorragenden Wahlkampf macht.

Wolfgang Clement hat über Jahrzehnte die Solidarität der Partei in unterschiedlichen Funktionen in Anspruch genommen. Diese Solidarität verdient nun auch Andrea Ypsilanti. Wolfgang Clements Kolumne ist unanständig.

Fehlt nur noch eines: Ey, und überhaupt: Der wohnt ja gar nicht mehr in Bochum, sondern im Bonner Edelvorort Bad Godesberg. Der SACK.

Beeindruckend, wie schnell eine Entfremdung stattfinden kann, wenn die Macht futsch ist und anderer Leute Lieder gesungen werden.

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PFT – Das Problem des Ruhrverbandes – Eine Fallgeschichte

Das Gift PFT ist in der Ruhr. Ich habe darüber recherchiert. Jeden Tag fließt es da rein. Gut ein halbes Kilo. Dann wird es verdünnt. Und sammelt sich weiter. Überall, in den Pflanzen, in den Tieren, in den Menschen.

Wo kommt das Gift her? NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg sagt zum größten Teil aus einem Acker im Sauerland, auf den Kriminelle den Dreck tonnenweise gekippt haben. An dieser Aussage stimmt zumindest der Teil, dass da Kriminelle kiminellen Scheiß gebaut haben.

Aber aus den Daten, die mir vorliegen geht eindeutig hervor, dass vor allem aus den Kläranlagen des Ruhrverbandes und der Möhnetalsperre, die ebenfalls unter der Verantwortung des Ruhrverbandes steht, das Gift in die Ruhr sickert. Täglich. Auch jetzt. Und zwar zusammengerechnet rund 400 Gramm reines Gift.

Ich weiß, PFT im Wasser ist ein Exotenthema im Pott. Aber mir ist das trotzdem wichtig.

Der Ruhrverband will die Kläranlagen nicht nachrüsten. Er sagt, vor allem die Industrie hinter den Kläranlagen wär für den Dreck verantwortlich. Sollen die doch damit aufhören. Doch so einfach ist das schwarze Peter Spiel nicht. Der Ruhrverband ist ein gesetzlicher Sonderverband. Das heißt, die Industriebetriebe sind da Zwangsmitglieder. Sie werden gezwungen Abgaben für ihr Schmutzwasser zu zahlen. Dafür muss der Ruhrverband dann dafür sorgen, dass die Ruhr sauber bleibt. Und kein Dreck aus den kläranlagen kommt. Eine Nachrüstung der Anlagen auf den Stand der Technik ist teuer. Der Ruhrverband hat schon 1 Milliarde Euro Schulden. Mal sehen was passiert. Die politische Debatte wird eine Entscheidung erzwingen.

Hier will ich aber was zu der Recherche erzählen. Wie ich an die Daten gekommen bin. Und wie hinter den Kulissen daran gearbeitet wurde, dass die Informationen nicht öffentlich werden. (Mittlerweile habe ich noch mehr Daten bekommen. Dazu hier mehr.)

Nun, den Verdacht, dass Brilon-Scharfenberg nicht der Hauptverursacher der PFT-Verseuchung an der Ruhr sein konnte, hatte ich ziemlich früh. Die Daten, die ich seit 2006 bei den Kreisen im Sauerland zu den jeweils lokalen PFT-Verseuchungen eingesammelt hatte, passten nicht zu den Aussagen von Uhlenberg. Ich hatte den Eindruck, da soll was vertuscht werden, aber was?

Die Geschichte entwickelte sich. Schließlich, im vergangenen Sommer, kam ich auf die Kläranlagen als einer der Hauptverursacher. Uhlenberg sprach immer wieder von Direkteinleitern, die für die PFT-Verseuchung verantwortlich seien. Doch an der Ruhr gibt es so gut wie keine Direkteinleiter, die mit PFT zu tun haben. Das meiste läuft über den Ruhrverband und bei dem wieder über die Kläranlagen.

Ich musste mir also die Rohdaten der PFT-Messungen an den Kläranlagen besorgen, um den Verdacht zu klären. Meine üblichen Informanten in der Bezirksregierung und im Umweltministerium waren verdammt eingeschüchtert. Uhlenberg und sein Staatssekretär Schink machten Druck auf ihre Mannschaft. Aber ich bekam Hinweise, dass mein Verdacht begründet sei. Ich solle weitermachen. Die Daten lägen alle zusammengefasst bei der Bezirksregierung Arnsberg.

Dort stellte ich einen Antrag auf Auskunft. Ganz normal. Per Email an die Pressestelle. Als Antwort bekam ich zunächst nichts. Dann nach Tagen eine windelweiche Abwicklung. Aus Gründen des Datenschutzes könne man mir nichts sagen. Ich war der Ansicht, dass diese Aussage Quatsch ist.

Wie mir Informanten zutrugen war meine Anfrage an die Bezirksregierung an das Umweltministerium weitergeleitet worden. Dort habe man darauf bestanden, die Daten unter Verschluss zu nehmen und alla Anfrage abzulehnen. Es hieß, es sei so eine Art Maulkorberlass an die Bezirksregierung ausgegeben worden. Nun, diese Behauptung konnte ich nicht erhärten. Aber das folgende legt diese Vermutung nahe.

Ich drohte mir einer Auskunftsklage, wenn ich keine Antworten auf meine Frage zu den PFT-Meßwerten in den Kläranlagen bekommen solte. Wieder tote Hose. Schließlich reichte ich die Klage beim Verwaltungsgericht Arnsberg ein.

Jetzt begann hinter den Kulissen das Geschubse, wie mir Informanten in den Behörden steckten. Zunächst zog offenbar das Umweltministerium den Fall an sich. Hier wurde eine Rechtsanwaltkanzlei in Münster auf den Fall angesetzt, mit dem Ziel, die Daten weiter geheim halten zu dürfen. Der Briefkopf der Kanzlei war vor lauter Proffessoren und Doktoren so lang wie eine Din A 4 Seite. Offenbar nahm das Ministerium die Klage ernst.

Nur dooferweise erklärten die Rechtsanwälte nach der Prüfung der Klage, dass die Daten auf jeden Fall herausgegeben werden müsste. Keine Chance auf Top Secret. Das war Mitte Dezember.

Nun folgte eine Inszenierung. Die leider wohl in die Hose ging.

Zunächst beantragten die Rechtsanwälte, eine Fristverlängerung für die Auskunftsklage. Und zwar auf den 27. Dezember. Also in die Tote Zeit nach Weihnachten. Am 20.Dezember aber stellte Uhlenberg eine Auswertung der Daten ins Internet. Diese Daten waren zunächst in der Masse völlig unübersichtlich. Dann aber auch seltsam zusammengestückelt. Sie schienen zu beweisen, dass Uhlenberg für eine Reduzierung der PFT-Fracht in der Ruhr gesorgt hat. Wirklich wichtig war von der Menge der Daten eigentlich nur eine Tabelle. Und zwar die komkas.pdf.

Hier behauptete Uhlenberg, auf den Punkt gebracht, alles sei OK. Allerdings war die Tabelle wohl frisiert. Bei Brilon Scharfenberg war eine ganze Zahlenreihe gelöscht. Bei Werdohl stand eine Nullemmission. Obwohl vorher die Meßreihen offenbar in die Höhe gegangen sind.

Nun war der Zeitpunkt der Veröffentlichung im Internet und das Verzögern der Klage sicher mit Bedacht genau um Weihnachten gelegt, um die Geschichte versanden zu lassen.

Aber die Klage lief ja noch. Ich nutze das, um mir die Rohdaten bei der Bezirksregierung zu beschaffen, auf deren Grundlage Uhlenberg seine komkas.pdf erstellt hat. Und siehe da. Offenbar hatten Uhlenbergs-Leute ganze Datenreihen weggelassen. Und überall dort, wo sich die Lage, wie in Werdohl verschlechter hatte, waren Nullwerte eingesetzt worden.

Ich meine es geht um Gift. Darf man dann Daten zu aufhübschen, bis sei einem passen. Was passiert mit einem Minister, der monatelang Quatsch erzählt über die wirklichen Ursachen der PFT-Verseuchung in der Ruhr?

Aber auch diese Frage teibt mich jetzt um: Was ist mit dem Ruhrverband? Reicht es einfach aus, dass Gift zu verdünnen? Oder muss das Dreckswasser in den Kläranlagen geklärt werden? Dabei geht es nicht nur um PFT. Das Gift ist nur eine Leitsubstanz. Dahinter kommen weitere Substanzen aus den Kläranlagen, die keiner im Fluss haben will. Wir reden von Medikamenten, von Flammschutzmitteln. Von diesem ganzen Scheißcocktail.

Wusstet Ihr, dass Tiere verweiblichen, wenn sie zu viele Östrogene trinken?

Ich bleibe weiter dran. Ich will es wissen.

 

 

 

RWE Einigung bestätigt

Keine Streiks – dafür 3,9 Prozent mehr Lohn für die RWE Jungs. Keine Einmalzahlung. Laufzeit 12 Monate.

Zur Einigung hat am Ende offenbar der direkte Einfluss des neuen RWE-Chefs Jürgen Großmann geführt. Die große Tarifkommission hat mit 80 Prozent für diese Lösung gestimmt.

RWE: Konzern bietet mehr Lohn – Streiks abgewendet

Die Kuh beim RWE ist vom Eis. Wie mir die Beteiligten erzählt haben, hat der Konzern im hauseigenen Tarifstreit gestern abend mit 3,9 Prozent mehr Lohn auf 12 Monate ein Tarifangebot gemacht, das nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi angenommen werden kann. Heute tagt die große Tarifkommission der 20.000 vom RWE-Haustarif betroffenen Mitarbeiter. Wie es aussieht, sind mit dem Last Minute Angebot die ersten Stromstreiks in der Geschichte des Essener Energieversorgers abgewendet. Die Verhandlungen waren in den vergangenen Wochen überraschend eskaliert.

Eine Einmalzahlung soll es nach meinen Informationen nicht geben. Trotzdem heißt es aus Gewerkschaftskreisen, eine Lohnerhöhung von 3,9 Prozent sei vertretbar. Gut, die Frage ist nun, ob die Mitarbeiter nach der Eskalation einem Abschluss ohne 4 vor dem Komma zustimmen. Immerhin war das die ganze Zeit über die wichtigste Forderung. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nciht, dass irgendwer wegen 0,1 oder 0,2 Prozent einen Streik bei RWE anfängt. Auch wenn die Gewerkschaften ursprünglich mal 8 Prozent mehr Lohn gefordert haben.

Der Tarifabschluss beim RWE gilt übrigens in der Energiebranche als Pilotabschluss. Der Konzern Vattenfall Europe ist ebenfalls in Verhandlungen. Hier hatte das Unternehmen zunächst 2,8 Prozent angeboten. Die Gewerkschaften fordern 8 Prozent. Beim Branchenführer E.on beginnen die entsprechenden Gespräche im Februar. Die Beschäftigten der kommunalen Stadtwerke haben im Rahmen der Lohnrunde im öffentlichen Dienst für ihren Versorgertarifvertrag eine Erhöhung von neun Prozent verlangt.

 

Parteipolitik mit Nokia wird populär

Zur Ankündigung von Nokia, den Standort Bochum platt zu machen, sagt der Bochumer Europaabgeordnete, Dr. Frithjof Schmidt von den Grünen:

"Ich begrüße die klaren Worte von Kommissions-Präsident Barroso heute im Europa-Parlament. Die Verwendung von Geldern aus den EU-Strukturfonds für eine Produktionsverlagerung nach Rumänien, Ungarn oder Finnland ist nicht zulässig. Die EU-Regeln sind hier eindeutig."

"Das hat Präsident Barroso heute klar gestellt und eine Überprüfung des Vorgangs angekündigt. Die zuständige Kommissarin Hübner hatte schon vorher erklären lassen, dass bisher keine Gelder geflossen sind. Die Regeln sind klar: Sollte Nokia zukünftig entsprechende Anträge stellen, muss die Kommission sie ablehnen. Sollten aber doch Gelder geflossen sein, war das unzulässig und das Geld muss zurückgezahlt werden."

"Dass in Rumänien und Ungarn Gelder des PHARE-Programmes für die Schaffung von Infrastruktur in Industrie-Parks verwendet werden – wie entsprechende Mittel in Deutschland auch – ist nicht zu kritisieren."

Offenbar war der Zungenschlag von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel aber tatsächlich anders: Zunächst hat er europäische Hilfen für die Verlegung der Bochumer Nokia-Fabrik nach Rumänien ausgeschlossen. Strukturmittel für die Verlagerung von Betrieben habe es auf jeden Fall nicht gegeben. Es habe schlicht Geld für den Bau von Industrieparks gegeben, das war alles – laut Barroso.

Das muss dann auch der Grüne Haudrauf einsehen und sagt kleinlaut:

"Dass in Rumänien und Ungarn Gelder des PHARE-Programmes für die Schaffung von Infrastruktur in Industrie-Parks verwendet werden – wie entsprechende Mittel in Deutschland auch – ist nicht zu kritisieren."

Und dann rief Barroso nicht zur Generalinventur der rumänischen Wirtschaftsförderung auf, so wie es der besorgt tuenden Schmidt nahelegte. Stattdessen forderte der Komissionschef seine "deutschen Freunde" auf, "den Mut zu haben, auch über die Vorteile der EU-Erweiterung aufzuklären". Schließlich müsse es erlaubt sein, Betriebe von Deutschland nach Rumänien zu verlagern, wenn auch Fabriken von Finnland nach Deutschland gebracht werden könnten. Alles egal laut Barroso, schließlich blieben die Arbeitsplätze innerhalb der EU.

Zur Ehrenrettung des Grünen muss gesagt werden, dass auch die anderen Politfreaks versuchen ihr Kapital aus der Nokia-Krise zu schlagen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung prüfe, ob sie vom finnischen Mobilfunkkonzern 17 Millionen Euro aus Fördermitteln zurückzufordern könne, sagte die NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Möglicherweise seien mit den Subventionen verbundene Beschäftigungszusagen nicht eingehalten worden. Ihren Angaben zufolge hat Nokia öffentliche Mittel in Höhe von 88 Millionen Euro kassiert. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers warnte den Weltmarktführer für Mobiltelefone deshalb schonmal vor einem Image als "Subventionsheuschrecke", die Fördermittel kassiere und dann weiterziehe.

Aber was soll das ganze Theater? So funktioniert das nunmal. Produziert wird da, wo es billig ist und den meisten Profit bringt. Die Scheingefechte um Subventionen bringen nicht viel. Sie sollen nur verdecken, dass die Politiker nicht viel tun können. Der Konzern Nokia ist Herr seiner Dinge. Wenn er seine Fabrik verlagern will, kann er das tun. Wenn er die Leute rauswerfen will, kann er das tun. Wenn er sein Kapital in Brausepulver oder irische Kokosnüsse investieren will, darf er das. Die Finnen von Nokia können ihre Kohle sogar einfach nur versaufen. Dagegen können Rüttgers und Co nichts tun.

Was bleibt, ist die moralische Keule. Der Grüne Schmidt schwingt sie:

"Ein Skandal ist dagegen das Verhalten der Nokia-Führung. Sollten sich die Informationen bestätigen, dass das Nokia-Werk in Bochum Gewinne und keine Verluste gemacht hat, verstößt seine Schließung gegen alle Grundsätze einer sozial verantwortlichen Unternehmensführung, wie sie im entsprechenden Verhaltens-Kodex für Unternehmen der OECD festgelegt sind. Der Haushalts-Ausschuss des EP wird sich mit dem Vorgang in seiner nächsten Sitzung beschäftigen."

Für Subventionen, um beim Scheingefecht bleibt, heißt das: Am besten lebt man ohne sie. Wer keine Beihilfen gibt, kann auch keine Beihilfen verlieren.

Zudem macht man den Leuten keine trügerischen und falschen Hoffnungen. Denn das ist das schlimmste.

Wenn das Vertrauen in die Zukunft zerbricht.

Und das ist in Bochum passiert. Es ist unredlich aus dieser Notlage der Menschen nun politisches Kapital schlagen zu wollen.

 

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Overkill in Bochum

Nokia Bochum Foto: ruhrbarone

Nokia macht dicht. Von diesem Schlag muss sich die Opelstadt erstmal erholen! In der Mitteilung untertreibt Nokia: Insgesamt sind allein am Standort Bochum über 3000 Jobs futsch. Die Produktion wird nach Osteuropa verlagert. Im Moment laufen auf dem Werksgelände Informationsversanstaltungen. Nokia hat Sicherheitskräfte im Werk zusammen gezogen. Die Stimmung bei den Mitarbeitern ist niedergeschlagen. Niemand arbeitet mehr.

Mit dem Bochumer Werk und seinen insgesamt über 3.000 Mitarbeitern schließt nach Witten, Gladbeck und Kamp-Linfort der letzte Telekommunikationsstandort im Ruhrgebiet. Die Branche, an die einst im Strukturwandel so hohe Erwartungen geknüpft wurden, gibt es nicht mehr.

Die Entscheidung von Nokia, die Produktion in Bochum stillzulegen, kommt nicht überraschend: Die Gerüchte kursierten seit Jahren in der Stadt und hatten sich in den vergangenen Monaten, zumindest was die aus mehreren hundert Ingenieuren bestehende Entwicklungsabteilung betraf, verdichtet. Nokia begründet die Schließung mit der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Eine Erneuerung des Standorts Bochum, so die Finnen, würde zusätzliche Investitionen erfordern, doch selbst diese würden nicht dazu führen, die Produktion in Bochum weltweit wettbewerbsfähig zu machen.

"Die geplante Schließung des Werkes Bochum ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit von Nokia langfristig zu sichern,"

sagte Veli Sundbäck, Executive Vice President von Nokia und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Nokia GmbH.

"Aufgrund der Marktentwicklung und der steigenden Anforderungen hinsichtlich der Kostenstruktur ist die Produktion mobiler Endgeräte in Deutschland für Nokia nicht länger darstellbar. Es kann hier nicht so produziert werden, dass die globalen Anforderungen hinsichtlich Effizienz und flexiblem Kapazitätswachstum erfüllt werden. Daher mussten wir diese harte Entscheidung treffen."

Hilfreich war wohl, dass die Europäische Union den Bau neuer Nokia-Werke in Rumänien mit Steuergeldern subventioniert. Das zumindest ist Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben in einer ersten Erklärung sauer aufgestossen:

"Es scheinen jetzt weitere öffentliche Mittel – in diesem Fall von der EU – von Nokia dafür eingesetzt zu werden, einen neuen Standort in Rumänien aufzubauen."

Thoben erwartet in dieser Auseinandersetzung die Unterstützung durch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos – bislang allerdings ein nicht durch sonderlichen Tatendrang auffällig gewordener Minister.

Nokia war am Standort Bochum seit 1988 präsent. Erst wurden in dem alten Graetz-Werk Fernseher hergestellt. Später dann Mobiltelefone. Tragisch: Die Ingenieure in Bochum waren mit die ersten im gesamten Konzern, die an Mobiltelefonen gearbeitet haben und somit die technologische Grundlage für die Erfolgsgeschichte Nokias gelegt haben. Ab dem Sommer müssen Sie sich neue Jobs suchen. Schon heute steht für die meisten fest: Sie werden im Ruhrgebiet kaum Arbeit finden und nach Süddeutschland ziehen müssen. Für 240 von ihnen besteht indes die Möglichkeit, von anderen Unternehmen übernommen zu werden – sicher ist das aber noch längst nicht.

Auch für die Mitarbeiter in der Produktion ist die Perspektive düster: Neue, relativ gut bezahlte Jobs in der Industrie sind selten geworden im Ruhrgebiet, und dass sich auf der Fläche noch einmal ein Produktionsbetrieb von der Größe der finnischen Telefonbauer ansiedelt, ist unwahrscheinlich.

An der insgesamt positiven Lage der Wirtschaft in NRW und dem Ruhrgebiet, so Uwe Neumann vom RWI in Essen, ändert sich durch das Nokia-Aus jedoch nichts:

"Die Werksschließung allein gefährdet nicht den Aufschwung in NRW."

 


Bochums OB Ottilie Scholz und Wirtschaftsdezernent Paul Aschenbrenner

 

"Heute ist ein schlechter Tag für Bochum und das Ruhrgebiet."

 

Mit diesen Worten leitete Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz die nach dem bekannt werden der Nokia-Schließung eilends einberufenen Pressekonferenz im Bochumer Rathaus ein.

Sie selber sei um 8.45 Uhr persönlich vom Aufsichtsratchef von Nokia, Jorma Ollila, über die Schließung des Standortes Bochum informiert worden. Nokia hätte auch vor Bekanntgabe des Schließungsbeschlusses, der am gestrigen Tag vom Nokia-Aufsichtsrat beschlossen worden war, NRW-Ministerpräsident Rüttgers und NRW-Wirtschaftsministerin Thoben informiert.

Die sichtlich betroffene Oberbürgermeisterin macht sich wenige Hoffnungen auf einen möglichen Erhalt des Werkes. Nun gehe es vor allem darum, dass die Mitarbeiter einen vernünftigen Sozialplan erhalten. Außerdem wolle man sich um den Erhalt einzelner, forschungsintensiver Abteilungen am Standort Bochum bemühen. Immerhin gäbe es eine enge Kooperation mit der Uni-Bochum. Nokia-Vertreter machten indes auf einer Informationsveranstaltung innerhalb des Betriebes klar, dass es keine wichtigen Kooperationen mit Hochschulen in Europa gäbe.

Scholz machte deutlich, dass Bochum sich in den vergangenen Jahren intensiv um Nokia bemüht habe. Ob Erschließungen oder Lärmschutz zur Vermeidung von Konflikten mit den Anwohnern – Bochum hätte sich stets stark für das Werk engagiert.

Der Bochumer Wirtschaftsdezernent Paul Aschenbrenner war ebenfalls von der Entwicklung enttäuscht:

"Hier wurde mit einem Federstrich eine jahrelange Zusammenarbeit beendet."

Es müsse nun darum gehen, deutlich zu machen, mit welchen Summen die neuen Werke in Osteuropa aus Deutschen Steuergeldern finanziert worden seien. Ein Nokia-Mitarbeiter:

"Wir haben mit unseren eigenen Steuerzahlungen viel Geld für die Abschaffung unserer eigenen Arbeitsplätze bezahlt."

Am Freitag werden OB Scholz, Wirtschaftsministerin Thoben und Arbeitsminister Laumann in Bochum zusammen treffen, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

Lage bei RWE spitzt sich zu

Der Tarifstreit beim Versorger RWE spitzt sich zu. Nach Unterlagen, die mir vorliegen, planen die Gewerkschaften Verdi und IGBCE eine Demo am 20. Februar vor dem RWE-Turm in Essen. Mindestens 5000 Mann sollen kommen. In ihren Privatwagen. Passenderweise ist am gleichen Tag eine Aufsichtsratsitzung. Ach, und Verdi-Chef Frank Bsirkse wird einen Tag vorher zu den Betriebsräten und Vertrauensleuten von RWE sprechen. Streiks sind auch schon in Planung. Und zwar ab Anfang März. Bsirske hat sein OK gegeben. Die RWEler sollen sich durchsetzen.

Sollte der Konzern nicht bis kommenden Donnerstag zur Sitzung der großen RWE-Tarifkomission ein verbessertes Lohnangebot vorlegen mit einer 4 vor dem Komma, wird es hart auf hart gehen. Wenn die Gewerkschaft erst einmal auf einen Konflikt festgelegt ist, wird ein Kompromiss nicht mehr billig zu haben sein.

Bislang bietet RWE 4,5 Prozent, allerdings mit einer langen Laufzeit. Auf das Jahr gerechnet liegt das Angebot immer noch unter der Preissteigerung, sagt Verdi. Und lehnt das Angebot ab.

Der RWE-Streit wird besonders hart durch seine Einbettung in eine größere Verdi-Linie. Denn die Versorgungsfraktion in Verdi will versuchen, den Tarif für die Stadtwerker an die Tarife für die großen Versorger anzugleichen. Bislang orientierten sich die Stadtwerker in ihrem Tarifvertrag Versorgung (TV-V) am öffentlichen Dienst.

Auch in den laufenden Verhandlungen zum TV-V wird im Augenblick eine Konfliktlinie von Verdi verfolgt. In einer gemeinsamen Strategie haben sich die Gewerkschafter entschlossen, die Lage zum März hin zuzuspitzen. Wenn es hart auch hart kommt, kann zu dem Zeitpunkt die gesamte Energiebranche in Flammen stehen.

Schließlich nimmt E.on Ende Februar die Verhandlungen zu einem neuen Tarifvertrag auf. Und die Gespräche bei Vattenfall sind ebenfalls vom Scheitern bedroht.

Kurz und gut: Der Streit beim RWE wird zum Initial der gesamten Branche. Der Abschluss in Essen wird zum Leitabschluss für die gesamte Energiewirtschaft.