Inventur zum World Intellectual Property Day

  Die UNRIC, das Regionale Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa hat für den kommenden Donnerstag (26.4.12) den Welttag des geistigen Eigentums ausgerufen, auch WIPO genannt, siehe http://www.wipo.int/ip-outreach/en/ipday/.
Dazu habe ich als veritables Original-Genie mal ein völlig eigenständiges Gedicht geschrieben. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Texten wären rein zufällig.

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Alltagssplitter (5): Reliquien und Relikte

Religiöser Pomp und crossmediale Circumstances nerven mal wieder.
Die Katholiken zum Beispiel treibt es TV-unterstützt zur Heilig-Rock-Wallfahrt nach Trier, wo sie gemeinsam eine Tunika anbeten, die vermeintlich Fragmente der Unterwäsche Jesu enthalten soll. Doch nicht einmal das wirkliche Alter der Tunika kennt bis heute irgendjemand und die DNA Jesu ist daran auch nicht nachgewiesen. Jenes Stück Stoff könnte also durchaus auch das auf der Haut getragene Leibchen eines/einer ganz anderen sein.
Vor so obskurer Wäsche niederzuknien, das kannte ich als Laie bisher nur aus der klinischen Psychologie oder dem Fetisch-Bereich. Irrungen, Wirrungen, o.k., jeder hat halt seine Vorlieben.

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Alltagssplitter (4): Der stumme und der nicht so stumme Zwang der Verhältnisse

Neulich verlor ich, spät abends von Lesung und Bühnengespräch mit Andreas Altmann heimkehrend, mein Brillenetui mit der Nah- und Lesebrille. Lange habe ich das Etui am nächsten Morgen in der Wohnung gesucht, aber suchen Sie mal eine Brille ohne die richtige Brille. Schließlich fahre ich mit der Fernbrille zur Arbeit und sehe in der ersten Kurve das vermisste Etui zwischen Motorhaube und Frontfenster draußen herumrutschen.
In den folgenden Tagen versuche ich herauszukriegen, wer es da abgelegt haben könnte. Aus dem Haus, vor dem ich geparkt hatte, ist es niemand. Aber der Sohn des Hauses kennt eine Dame zwei Häuser weiter namentlich. Sie hat das Etui gefunden und es zunächst ihm, dem Sohn, zugeordnet, bevor man beschloss, es gehöre wohl mir, dem augenärztlich zertifizierten weitsichtigen Mann von gegenüber. Also legte die Dame das Etui auf meinen Peugeot-Partner, wo es über Nacht tatsächlich niemand wegnahm.

Plötzliche Besuche fürchten müssen
Zweimal klingle ich tagsüber bei der findigen Dame. Nie wird geöffnet.

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Letzte Denke

Günter Grass und „letzte Tinte“, Stefan Laurin in der Pose des umbarmherzigen Grass-Entlarvers, die ganze Beißreflex-Debatte: Man weiß gar nicht, was man zuerst schweigen soll, weil’s nicht gesagt werden muss.
Da zitiere ich doch lieber aus dem jüngsten WAZ-Interview Britta Heidemanns mit Martin Walser (publiziert vor Erscheinen des Grass-Gedichtes):

„Walser:
Sagen wir mal so: Alles, was im Roman ‚Muttersohn‘ passiert, könnte man eine Tangente nennen an die Sphäre, an der Rechtfertigung daheim ist oder stattfindet. Das hat mehr mit Rechtfertigung zu tun als alles andere, was ich vorher geschrieben habe. Was ich vorher hatte, das war Rechthabenmüssen. In der Gesellschaft bist du diesem furchtbaren Wettbewerb ausgesetzt, dem Reizklima des Rechthabenmüssens.

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Alltagssplitter (3)

Der Knacks
Heute genieße ich die Sonne, bevor sie wieder für Tage verschwindet, setze mich auf dem Gladbecker Goetheplatz in der Mittagspause auf einen Stuhl vor das „Casa Marbella bei Johnny“. Johnny ist Tamile aus Sri Lanka. Oder vom indischen Subkontinent? Seine Frau sieht chinesisch aus, ist aus Indonesien, chinesische Minderheit, hat Johnny mal erzählt, aber er hat schon viel erzählt.
Eine alte Dame kommt aus der Tür des Ristorante auf den Platz, schaut suchend umher: „Wo hat er denn die Pizza hingestellt?“ Nirgendwohin. Der Laden drinnen ist gerappelt voll, das wird dauern. „Wo hat er die Pizza denn hingestellt.“ Ich werde direkt angeschaut, sie nähert sich unweigerlich meinem Tisch. „Darf ich mich zu Ihnen setzen, ich würde so gern in der Sonne sitzen.“
Stimmt, alle anderen freien Plätze liegen im Schatten. Mein zu freundliches Gesicht wird mich noch einmal richtig in die Scheiße reiten (einen Teller Metaphernsalat bitte).
„Ja, gerne, setzen Sie sich.“
“Ist heute Mittwoch?“

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Alltagssplitter (2): Frühling, Freiheit, Feuer

Larmoyanz & Ärsche
Es ist Frühling und in meinem Alter ignorieren mich die schönen Frauen nicht einmal mehr. Geht mir alles am Arsch vorbei, ehrlich.

Du Pflaume
Zwischen zwei Zwetschgen zwitschern Zwergen-Zwillinge zwangsweise zwanzig Slibowitz zwecks zukünftiger zwiebelnder, zwackender Zirrhose.
Geht doch.

Mönchsköpfe
Der Freund aus Berlin mäkelt, die regionalen Zeitungen hier seien Käseblätter. Mein Tête de Moine, blattfein geschabt, scheut diesen Vergleich und verlangt lautstark nach einer Gegendarstellung. Also spüle ich den renitenten Stinker Glas um Glas mit Sauvignon runter…
Fas tut man ficht alles für die Fressefreiheit!

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Alltagssplitter (1)

Cover: Diogenes Verlag

Red Nose Day – jede Spende zählt
Meinen Freund fragte ich neulich, ob er gestern zu viel getrunken habe, die rote Nase verrate ihn. Daraufhin prustete seine Liebste los. Warum? Darum: Die Liebesnacht zuvor war durch Levitra abgesichert worden.  Deshalb noch Stunden später die arg gerötete  Clownsnase. Seitdem beginne ich, mehr auf Männer zu achten, die mitten am Tag mit roten Gesichtern herumlaufen, und frage mich, wo die herkommen oder hingehen. Werde versuchen, noch eine Zeit lang ohne chemische Kampfmittel auszukommen, koste es, wen es wolle.

18 Jahre Ehe
Meine Frau eben zu mir: „Ich würde gern auch öfter mit einem Mann schlafen. Und wenn mich einer fragt, dann mach ich das auch.“

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Radika(h)lschläge an der Ruhr oder über die Fabrikation von Dumpfheit

Foto: Herholz

Die Lese- und Literaturförderung der öffentlichen Hand wird Schritt für Schritt abgewickelt und ersetzt durch Event-Kulissen und Modernisierungsgeschwätz. Eine lebendige literarische Szene hält sich aber dennoch. Vorerst.

Vorbemerkung
Literatur stellt sie eindringlich dar, die inhumanen Folgen unfreier und ungerechter Verhältnisse mit ihren Denk-, Sprach- und Verhaltensmustern. Der Münsteraner Autor Burkhard Spinnen hat es einmal – sinngemäß – so auf den Punkt gebracht: Als freier Schriftsteller bin ich eher zuständig für das Scheitern der Menschen.
Dass das Scheitern der Menschen auch die Autoren einholen kann und ihre Förderer sowieso, versteht sich von selbst.

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Überdosis HERR IM HAUS. Andreas Altmann erzählt die Geschichte seiner Entgiftung

Andreas Altmann - Foto: W. Schmidt

In Bücher gepresste Kindheitserinnerung – mich berührt sie kaum noch, wenn sie mal wieder als Verklärung oder verbitterte Spurensuche daherkommt, als weinerliche Familienaufstellung, als Mutterexorzismus gar und Vater-Rufmord. Interessiert mich nicht. Bis wieder einmal ein rares Erzähltalent die literarische Bühne betritt und die Re- und Dekonstruktion eigener früher Jahre so obsessiv vorführt, dass das uralte Thema kühn belebt wird durch abgründigen Humor zum Beispiel oder hellsichtigen Furor.

Es war der New Yorker Autor Frank McCourt, der zu Beginn seines autobiografischen Romans „Die Asche meiner Mutter. Irische Erinnerungen“ schrieb:
„Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, frage ich mich, wie ich überhaupt überlebt habe. Natürlich hatte ich eine unglückliche Kindheit; eine glückliche Kindheit lohnt sich ja kaum. Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglücklich irische katholische Kindheit.“
Ersetzen Sie „irisch“ durch „bayrisch“ – und wir sind mitten in Andreas Altmanns langer Erzählung „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“: Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche bayrische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche bayrische katholische Kindheit.

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Ein Gedicht für Wislawa Szymborska

Wisława Szymborska Foto: Mariusz Kubik, http://www.mariuszkubik.pl Lizenz: GNU ab 1.2

“Szymborska, a heavy smoker, died in her sleep of lung cancer Wednesday evening at her home in the southern city of Krakow, her personal secretary Michal Rusinek said.”
Auch mit diesem lakonischen Satz beginnt der Artikel der New York Times zum Tode der polnischen Literatur-Nobelpreisträgerin.

Für sein Kulturhauptstadt-Projekt „Europe … a poem“ hatte im Ruhrgebiet zuletzt Roy Kift aus Castrop-Rauxel Wislawa Szymborska gebeten, ein Original-Gedicht beizusteuern, was Szymborska mit dem Gedicht „Manche mögen Poesie“ auch tat.

Alle Texte dieses Projektes sind 2010 im Klartext-Verlag (Essen) erschienen:
Roy Kift (Hrsg.), Europe… a poem
Ein deutsch/englischer Katalog und Quellensammlung
A German/English catalogue and sourcebook

Bleibt mir noch, Wislawa Szymborska mit ein paar eigenen Zeilen nachzurufen:


so viele sterben

in den zeitungen
lese ich nachruf um nachruf

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