Dû bist dîn, ich bin mîn – Sensationeller Handschriften-Fund der Ruhrbarone

Die Sicht auf die Ursprünge deutscher Liebeslyrik dürfte sich in diesen Tagen radikal verändern. Kurz vor dem Valentinstag am 14. Februar zeichnet sich eine Katastrophe für das Selbstverständnis vieler Liebender ab, ein Selbstverständnis, das nicht selten in Bildern und Sprache auf die Kunst, insbesondere die Literatur rekurriert.
Wie Ruhrbarone-Autor Gerd Herholz jetzt nach langen Studien und Recherchen in den Kellern süddeutscher Archive herausfand, kann das bisher als ältestes Liebesgedicht deutscher Zunge anerkannte „Dû bist mîn, ich bin dîn“ wohl nur als Zweitfassung eines älteren Gedichtes gelten.

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Schule hat begonnen / alles bleibt zerronnen – ein Lamento für vier Stimmen und Chor

Der Schüler
                        (für Rainer Maria R.)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Lehrer
so leer geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob da tausend Lehrer wären
und hinter tausend Lehrern keine Welt.

Der krumme Sitz – statt junger starker Schritte –,
wie man auf allerkleinstem Platze bockt,
schreit auf als Rest von Kraft aus einer Mitte,
in der betäubt ein großes Wünschen hockt.

Nur manchmal hebt das Lid vor der Pupille
sich lustlos an -. Dann rutscht ein Bild hinein,
verblasst gleich wieder – war hier wo ein Wille? –
und hört vorm Hirne auf zu sein.

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„Mich mangeln die Wörter“ (10) – Heute: „Verunglimpfung“ und „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“

Thomas Quasthoff bei einem Auftritt in Köln Foto: Elke Wetzig/CC-BY-SA“

Zwei Nachrichten haben mich heute bewegt. Die erste war, dass ein wundervoller Mann nicht mehr auftreten kann, wie er will. Bassbariton Thomas Quasthoff wird ab sofort nicht mehr öffentlich singen. Die zweite Nachricht betraf den Bundespräsidenten, einen Mann und Volljuristen, der gern weiter wollen würde, wie er’s eben können möchte, betraf zudem generell den gesetzlichen Schutz des Bundespräsidenten-Amtes vor Verunglimpfung.
Dem Musikhimmel sei Dank: Quasthoff, ein begnadeter Sänger und integrer Mensch, er immerhin wird uns noch lange erhalten bleiben– auf CD. Ach, wie klingt sie mir noch im Ohr, seine unvergessliche Arie aus Lortzings „Zar und Zimmermann“: „O sancta justitia“.

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Nichtrauchen schadet vielleicht Ihrer (geistigen) Gesundheit!

Hier bei den Schlot…, äähhh, Ruhrbaronen wird in letzter Zeit wieder viel übers Rauchen diskutiert. Hhmm…, ich bin jetzt seit knapp 18 Jahren Nichtraucher. Gelegentlich rieche ich gern Zigaretten-, Pfeifen- oder Zigarrenrauch in meiner Umgebung. Nimmt die Konzentration aber Smog-Stärke an, verlasse ich Kneipen, Restaurants, besuche sie nie wieder, schneide mir vor dem Zuhause meine nikotinvergifteten Haare ab und verbrenne die geräucherte Kleidung auf dem Rasen, betrete nackt unsere Mietwohnung und dusche für Stunden.

Den letzten Halt und Schliff für lebenslange Nichtraucherei gab mir eine Körperwelten-Ausstellung des umstrittenen Prof. von Hagens. Da – so meine ich mich zu erinnern –  sah ich eine reine, eine unschuldige, eine unbefleckte, eine zarte weißrosa Lunge, welch‘ Locken, welch’ Eros, welch’ Glück!

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Update – „Mich mangeln die Wörter“ (9): Heute: Was Wulff gestern wirklich gesagt hat

Zugegeben: Unter Stress und im TV-Interview gelingen niemandem nur klare Sätze und gutes Deutsch. Man darf auch mal den Faden verlieren, aber man sollte ihn zuvor zumindest einmal aufgenommen haben. Nicht so Bundespräsidentendarsteller Christian Wulff (Volljurist) in seinen gestrigen Interviewantworten und deren Subtexten. Wulff würde sich gern öffentlich die Beichte abnehmen lassen, betet aber vor allem viele unverständliche Sätze herunter, fordert indirekt eine Art Referendariat für Bundespräsidenten und spricht sich als Agnus Dei-Imitat mit einem kräftigen „Ego me absolvo“ von allen lässlichen Sünden frei.
Die merkwürdigsten Sätze im kommentierten Überblick.

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„Das Blech vom Tage“ – Peter Rühmkorfs „TABU“ sollte man zwischen den Jahren lesen

Peter Rühmkorf Foto: Ottoerich Lizenz: GNU

Wer schlechten Umgang bevorzugt, und zwar den mit guten Büchern (die einen bekanntlich fürs Leben verderben), dem empfehle ich „TABU I. Tagebücher 1989 – 1991″ des doch tatsächlich 1929 in Dortmund geborenen Peter Rühmkorf.

Die aufgeklärt-aufklärenden  Kommentare und virtuosen Gedichte des 2008 verstorbenen Schriftstellers fehlen allenthalben. Umso faszinierender ist es zu lesen, wie Rühmkorf über seine Fragmente, Aphorismen und „Einfallsquanten“ mit den Jahren 89 bis 91 auch sich selbst als politischen Kopf und begnadeten Hypochonder porträtiert. So werden seine Tagebücher zu einem tragikomischen Schelmenroman: Der Lyriker Rühmkorf als schreibender Don Quichote im Kampf mit den Windmühlen der Zeit.  Und dabei ist Rühmkorf immer hellsichtig, ein gelehrter Poet mit lakonischem Witz und artistischer Sprache.

Zitate gefällig?
„Politik? – Einfach mal eine Weile nicht hinkucken und abwarten, bis sich die ehernen Wahrheiten von heute als Blech vom Tage entlarvt haben.“
Oder: „Man soll ungeniert zu sich selbst sprechen und nicht als trüge man sein Ich wie eine Monstranz vor sich her. Manche Dichter behandeln ihre Depressionen wie rohe Eier.“

Und wenn man’s gelesen und genossen hat. Na, einfach TABU II und ein Glaserl Wein zur Hand nehmen und ab geht die Retro-Reise in die Jahre 1971 – 72.

 

Easy Thinking mit Richard David Precht – Der Philosoph als heimsuchender Sozialarbeiter

Richard David Precht © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Von Richard David Precht habe ich drei Bücher zuhause, die ich mit großem Gewinn und wenig Kritik im Detail gelesen habe. Dass allerdings auch ein Precht in seiner Liebe zur Weisheit jederzeit einen Prachtbock schießen kann, bewies der umtriebige Medienstar im „stern“ jüngst mit seinem Vorschlag, auch Rentnern ein soziales Jahr zu verordnen und sie etwa junge Menschen coachen zu lassen, z.B. als Nachhilfelehrer in der Schule: „Die Generation, die jetzt in Rente geht, die goldene, die eine beispiellose Wirtschaftsprogression erlebt hat, und vom Krieg verschont wurde, muss in die Pflicht genommen werden (…) Ich bin überzeugt: Nach dem ersten Jahr würden viele Menschen das freiwillig verlängern; weil sie gebraucht würden und das gut fänden.“
Tucholskys Evergreen-Einsicht „Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse sondern gut gemeint“: Prechts Einberufung einer eisernen Senioren-Sozialreserve weist sie einmal mehr als unkaputtbar aus.

Wenn du doch geschwiegen hättest …
Jajaja, „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ Doch plappern gehört zum Handwerk; schließlich wird auch Keynote-Speaker (5-Sterne-Redner) Precht für viele Tausend Euro pro Abend von der Referentenagentur Bertelsmann nicht allein ins Talk-Show-Gequassel der Republik vermittelt: „Was das für Ihre Veranstaltung bedeutet? Optimale Voraussetzungen, um Ihr Unternehmen in Erinnerung und Ihren Namen ins Gespräch zu bringen. Frei nach unserem Motto ‚Hier spricht Ihr Erfolg!‘“
Kein Wunder, dass sich der Link zu Prechts Auftritt zum verpflichtenden sozialen Jahr in Anne Wills Proporz-Piep-Schau „Anne Will“ auch hier bei den Event-Bertelsmännern wiederfindet.
Und es war auch diese „Anne Will“-Sendung vom 7.12.2011, die ab Minute 45 zeigte, wie Precht als Kreuz- und Querdenker in Windeseile instrumentalisiert werden dürfte von den unzähligen Lobbyisten, die von der Privatisierung des Rentensystems

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Ecce homo! – Seltsame Sekten kommen auf in Zeiten des Wandels

Winkelmanns Reise ins U Foto: Theater Dortmund

Siehe der Mensch! – Ja, Menschen gibt es unter uns, die folgen einem dreitagebärtigen Propheten und lesen in seinen apokryphen Schriften namens „Die Huren des Voran“. Diese Anhänger des falschen Propheten Ibn al Vorny leben unerkannt immer öfter in Parallelgesellschaften mitten unter uns in Essen oder anderswo und gehen den milliotanten Weg des Eiligen Warenkriegs, fahren im Dunkeln in ihren Think Tanks vor und entfeseln Brainstorm um Brainstorm. „Yes, we can just do it – and if not – we try something new!“, so lautet ihr geheimer Schlachtenruf.
In einem abseitigen Paradies noch jenseits von Florida warten 72 Supermodels (gecastet vom Großwesel des Propheten) auf jene Ungezählten, die bereit sind, sich mit heißer Luft so lange aufzublasen, bis sie platzen. So machen sie gehorsam und in großer Zahl weltweit Wind zum Lobe des Propheten (Eat local, fart global!) und ermüden all jene Heiden, die ihren Visionen  nicht folgen wollen.

DAS GROSSE U

Während überholte christliche Religion uns ehedem ihr X für ein U vormachte, predigen die Kreativisten heute genau das Umgekehrte und geben ihr U für ein X aus („Erlöse uns von dem Erlöser, denn es geht doch viel größer!“) Täglich knien sie gegen 5 vor 12 vor ihren iPods, loaden DAS GÖTTLICHE  U down und mailen ihrerseits frohe Botschaften gen Dortmund, von wo aus sie aller Welt verkündet werden.

Vor der Ankunft des Propheten vor 6.000 Tagen – so glauben die Kreativisten – war der Markt wüst und leer. Jetzt aber kommen die Menschen unter den lichtdurchfluteten Dächern der Malls und Börsen zusammen, um den Propheten (und mit ihm seine Götter) zu preisen. Kreator unser, deine Economy komme, und wir vergeben schon jetzt unseren Gläubigern.

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Tausend Tassen Tee oder Die Wahrheit über Zen (erzählt von der Frau Nan-ins)

Den Alltag üben

Mein Mann, Nan-in, Sie wissen schon, er gilt als wahrhaft erleuchteter Meister, hat gerade eben seinen Gast begrüßt. Wieder einen dieser suchenden Dummköpfe oder langweiligen Besserwisser aus dem Westen, die etwas über Zen erfahren wollen und es nicht wagen, selbst nachzudenken, eigensinnig zu sein, ein Stück des Weges einfach mal allein zu gehen …

Hinter der Wand aus Papier höre ich wie gewöhnlich der Unterhaltung zu. So lerne ich ohne zu lernen geduldig mein Zen, und manchmal höre, begreife, vergesse ich mehr als mir lieb ist. Köstlich duftenden Tee habe ich den beiden hohen Herren in einer Kanne aus Ton gebracht, eingießen wird ihn wie immer mein Mann.

Die ganze Zeit über redet die Langnase nun schon, Professor soll er sein, Gelehrter, Weiser, unhöflich aber ist er wie Hunderte vor ihm. Nan-in unterbricht sie nie, auch heute verlässt er sich wieder auf die Wirkung seines kleinen fadenscheinigen Tee-Hokuspokus, den gleich sich selbst vorzuführen – oder mir? – er nicht lassen kann.

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Der Limerick darf nicht sterben!

Der Limerick als Spott- und Scherzgedicht gehört zwar noch nicht zu den bedrohten Lyrikarten, aber einer Revitalisierung stünde in Zeiten humorloser Geld- und Hirnwäscherei nun wirklich nichts entgegen. Außerdem möchte ich dem üblen Gerücht begegnen, als Blogger könne ich nur längere Texte. Nicht mir mir! So nicht!

Also habe ich heute einmal eine Deutschlandkarte an der Wohnzimmertüre befestigt und mit Hilfe eines Wurfpfeils einen beliebigen Ortsnamen angestochen:
Guttenberg, zufälligerweise.
Mein Gott, ein Ort im Oberfränkischen, was soll man dazu schon sagen, gar limericken?
Fast war ich geneigt, einen berühmten Limerick plump zu kopieren, nur leicht zu variieren. Aber eine innere Stimme warnte mich vor solchem Vorgehen.

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