4 FÜR DEN FLUR – Runterkommen am Wochenende

So, mir reicht es jetzt. Die Reihe "3 FÜR 7" handelt kurz, knapp und schnodderig die extrem kulturvolle Sparte ab, und das jeden Dienstag. Aber was macht das brave Arbeitervolk hier in der Gegend nach wie vor am liebsten? Genau dann weggehen, wenn jedeR ausgeht, nämlich am Freitag und Samstag. Fatal, und das wird sich ohne ein gewisses Zutun wohl nie ändern. Also werden von nun an total coole Underground-Clubnächte derart unverschämt freitäglich in alle Welt hinausposaunt, bis der Untergrund endlich dahin geht, wo er hingehört: Zu den Werktagen, wie in sonst jeder bescheuerten Super-Menschenansammlungswohngegend auch. Danke, gern geschehen.

Freitags gehen immer die besonders Sauf(-und-so)-Bedürftigen auf die Piste, deshalb macht sich anscheinend kaum jemand die Mühe, da Programm-mäßig überhaupt noch etwas Besonderes abzuliefern. Also gut, könnt Ihr haben: Opening des Panic Room (ehemals in Steele) am Essener Pferdemarkt. Und zwar schon ab 18 Uhr mit Unmengen an Flaschenbiersorten, Rock aus den letzten vier Jahrzehnten, extrem kleinteiliger Trashdeko und den Garagejunggöttern Torpedo Monkeys (sowie noch ner Band mit einem allerdings viel zu langen Namen). Danach kann man dann höchstens noch in den Goldclub (jetzt seit einem Monat im Girardet Center) einfallen, um sich von Thorsten Pop Missile (sonst vor allem Hundertmeister Duisburg) die eher schaumgebremste, nie zu trendige BritPop-Packung (weit gefasst, dieser Begriff) zu geben und dabei beobachten, wie in diesem Etablissement mal wieder Essener Normalvolk und Semi-Szene (nicht) aneinander vorbeitanzen.

Samstag? Besser, wahrscheinlich weil am Sonntag weniger Leute arbeiten – ein Hoch der Arbeit natürlich, blabla, nix dagegen, muss schon, etc. Also: Ganz schön massenkompatibel "Summer Sounds" (ist das noch Englisch?) heißt die Sommerreihe (16 – 22 Uhr) in verschiedenen Parks von Dortmund, und niemanden wird wundern, dass Helmich und Sänger (sonst auch im Taxi des domicil) den Anfang machen, und das – als Westpark Unit auch noch. Da können sie sich auch schön äh eingrooven für die DeepHouse-Saison im von der Stadt gestifteten FZW-Club demnächst. Glückwunsch, nun lebenslänglich DJ, haha. Zum Glück auch noch dabei, aber woanders: Ralf Odermann, und das dann eher ultra-klassisch an alter Stätte, die jetzt Stargate heißt, aber natürlich zum nur zweimal im Jahr stattfindenden Logo-Club. Ahl Männer, all right. Noch mehr Urgestein? Geier, Koth (beide Rote Liebe früher mal), DNMK, Casio (alles Mögliche früher mal, nun vor allem Residents) und ein gewisser Martin Eyerer machen im Goethebunker zum einen auf Disco-MinimalHouse-Connection und zum anderen auf Broken/BigBeat-Techno-Connection. Letzteres auf dem großen, ersteres auf dem kleinen Floor im Goethebunker. Genau, und Beatplantation (Foto: irgendeinE AutonomeR) im Landschaftspark in Duisburg ist auch noch. Viel Spaß! (Fortsetzung dieser Party-Reihe hier: unregelmäßig.)

3 für 7 – (d.h.:) 3 Kulturtipps für die nächsten 7 Tage

Im Grunde wird Popmusik, speziell Lieder über das übliche, weniger in Frage gestellt denn je. Das ist natürlich langweilig, es kann sich nämlich genau die Generation, die ja gerüchteweise eher an Interaktivität oder so interessiert sein sollte,  erst recht nicht von Strophe-Refrain-Strophe-Refrain lösen. Man findet sich einfach allzu gern immer noch wieder in ander Popstars Liedern. Ja, Mensch!  Und dafür gibt es dann, als wären all die Files und Streams nicht genug, auch noch Billionen von Songwritern, Millionen von Konzerten und Hunderttausende an Festivals. Von Stadtfesten und Einzelkonzerten natürlich mal abgesehen. Hier mal drei: In einer Hafenschänke, in einer Fußgängerzone und in (gähn) umfunktionierten Industriehallen.

A Hawk and a Hacksaw: Aus der Beirut-Ecke. Also so irgendwie studiert wirkende Amis, die gern auf Folklore und Europa machen. Betont an Volksmusik angelegtes Grundprinzip, aber immer recht Crossover-haft, immer ein bisschen durch den Kopf-Fleischwolf gedreht überspannt, aber nichtsdestotrotz recht "authentisch" wirkend. Hier mal mit einigem an Balkan und Klezmer von einem weitgehend instrumental operierenden Duo. Aus Albuquerque ins Subrosa. Sehr angenehm für Dienstags.

Recht unangenehm irgendwie, aber natürlich der ganze Stolz Bochums, schon aus Prinzip und wegen über Jahre gewachsenem "Sind-ja-alle-irgendwie-beteiligt"-Filz: Bochum Total. Viele Bühnen zwischen mehr oder weniger grauen (Einkaufs-)Häusern, Gerempel, vom mittelmäßigen Programm unbeeindruckt aufgedrehte Kids, Aufreißkommandos und einfach auch Gelegenheitssäufer. Die große Unübersichtlichkeit in der globalen Musikszene führt in Bochum zu sogenannten "Headlinern" wie Jennifer Rostock, Madcon und Dune. Und bei dem Konzertprogramm in den Läden drumherum ist irgendwie auch immer noch 1985. War ja aber auch ein gutes Jahr für Bochum, da ist man sicher gerne drauf hängengeblieben.

Tim Isfort macht es anders als künstlerischer Leiter des Traumzeitfestivals und geht von der E- auf die U-Musik zu. Kronos Quartet hier, Calexico da, Kitty Hoff hier vorne, Beatplantation im Partybereich. Und Françoiz Breut (Foto: T.Rec), John Scofield, Goran Bregovic, Zita Swoon, Lambchop und Gilda Razani z.B. Übrigens von der Tendenz her also auch eher ins Folkloristische lappend, dieses Festival, damit schließt sich ein schöner Bogen (nach Albuquerque, nicht nach Fußgängerzonenfolklore hin!), der Autor kann noch kurz einen Avantgarde-Tag für die Traumzeit 2010 einfordern und verweist ansonsten auf den…

Überblick:
A Hawk and a Hacksaw (plus Balkan Pepper Ece) am Dienstag, 30. Juni, im Dortmunder Subrosa so ab 20 Uhr.
Bochum Total von Donnerstag bis Sonntag.
Traumzeit von Freitag bis Sonntag im Landschaftspark Duisburg-Nord.

3 FÜR 7 – Höllenwochenende-Special

Viel Hartes diese Woche in Kruppstahlhausen. Barbaren an aggressiv klingenden Saiteninstrumenten in einem "Landschaftspark", Emo-Industrialrock in der Philipshalle sowie Menschen verschleißende Industriearchitektur im schönen Schein modernen Lichtdesigns und mit Kleinkunst und Führungen drumherum als Aperitif. Es bricht anscheinend diese regionaltypische Kultursommerromantik aus, die in letzter Zeit besonders gerne auf laut und massenkompatibel macht. Also direkt mitten rein, Drumrumreden bringt ja auch nicht weiter, und die Rosinen aus den Bombern gepickt.

Samstag. Extraschicht heißt diese Veranstaltung für hiesige und auswärtige Touristen im Ruhrgebiet, bei der einerseits Leute an Orte geführt werden, die sie sonst nie im Traum freiwillig besuchen würden, und diese zudem dann auch noch hübsch verfremdet werden, damit alles nicht zu sehr nach "Strukturwandel", "dysfunktionales Museum", "leer stehendes Industriemagnatenmonument" oder "Kulturpleitegeierabenteuerspielplatz" aussieht. Jene Orte also, die allgemein hier gerne "Industriedenkmäler" genannt werden. Diesmal sind folgende im besonderen Blickpunkt des Geschehens: Die Emscherinsel Herne, Phoenix in Dortmund, die Henrichshütte Hattingen und die gesetzten Dauerbrenner Landschaftspark Duisburg-Nord und Zollverein Essen. Es gibt neben Lichtdesign und Kleinkunst vor allem Führungen und Offene Türen, der Star ist halt mal wieder die Architektur – der IBA-Mythos ist einfach unbesiegbar.

Sonntag. Warum also nicht gleich a walk on the Devil Side? Oder direkt da campen, in Duisburg-Nord, wo um zehn Minuten nach 10 Uhr morgens direkt ein Highlight von heutzutage spielt mit den Kamikaze Queens, bevor dann nur noch totaal mächtige Untote aus den 70ern, 80ern und 90ern auftreten wie die geschätzten Misfits, Clawfinger, Sepultura, Motörhead, die Cro Mags und Sodom. Anthrax übrigens schon direkt nach den Kamikaze Queens (Foto: Miguel Lopes). Peter Pan Speedrock, die Bloodhound Gang und Soulfly sind ebenso wie noch etwa sieben andere auch dabei auf den zwei Bühnen. Moderation macht Silvia Superstar von den Killer Barbies.

Montag. Wenn man sich den Tag freigenommen hat, höchste Zeit die Aggression ein wenig nach innen und nicht etwa auf den Chef zu richten. Das könnte am Dienstag sonst zu Komplikationen führen. Also lieber ins Stahlbad, im Grunde natürlich in die Philipshalle, genau,  zu Nine Inch Nails, ein bisschen Emotionen abhärten, die Frustrationstoleranz flexen, den Gefühlshaushalt beizen lassen. Und dann wieder ab an die Maschinen, aber spätestens!

Im Überblick:
Extraschicht am 27. Juni ab 18 Uhr.
Devil Side am 28. Juni ab 10 Uhr.
Nine Inch Nails am 29. Juni ab 20 Uhr.

3 für 7 – Festivals galore

Theater, Videos, Popmusik – und manchmal auch alles zusammen. So sieht es in dieser Woche aus in den Veranstaltungstipps. Zweimal Bochum, einmal Dortmund. Eine Premiere, einmal zum 19. Mal, eine Vorpremiere. Einen Abend, drei Tage, 12 Tage lang. Konkreter? Gut:

Das Internationale Videofestival in Bochum ist eine nette Idee, die vor allem von der Freude am Präsentieren und dem Präsentierten lebt. Wettbewerbe, VJs und gerne einige Partys, so mag es das Popkulturherz, und auch der Austragungsstadt wird mit einem Special Rechnung getragen. Am Donnerstag ab 14 Uhr Start mit Sektempfang und Begrüßung, dann u.a. ein Iran-Special samt Vortrag "Die geopolitische Situation des Iran" und abends Party mit Balkanbeats. Freitag geht es im Special um Animationen und bei der Party um Nu Rave, Samstag das Gastfestival mit Comma Film, Preisverleihung und anschließend ein bisschen Techno und Electro. Immer mit Visuals dabei, natürlich!

Noch etwas vielfältiger geht Elmar Goerden mit dem K15-Festival ins Rennen um die Publikums- und Kritikergunst. Theater, Tanz, Performance und Musik, einzeln oder beisammen, und das fast zwei Wochen lang? Das sieht mal wieder so richtig gut nach Selbstbewusstsein im Bochumer Theaterwesen aus. Zu besuchen sind u.a. der "Othello" nach Peter Sellars, der Film "Zidane" nebst anschließendem Konzert von Mogwai, die "Hamlet Episode" der Daegu City Modern Dance Company, eine neue Solochoreografie von und mit Henrietta Horn und die Installation "Etiquette" von Sylvia Mercuriali und Anthony Hampton (Foto) in der Eve Bar, die die willigen Besucher zu Improvisatonsschauspielern werden lässt. Auch pfiffig: "Im Wald. Nachts.", eine Nachtwanderung mit dem Intendanten und seinem Ensemble am 26. und 27. Juni.

In Dortmund hingegen gibt es tatsächlich eine Art doppelte Vorpremiere, nämlich die gleichzeitige Rohbauparty des neuen FZW zusammen mit der WarmUp-Party für das Juicy Beats, Datum für das eigentliche Festival ist diesmal der 1. August. Live spielt die Mediengruppe Telekommander ihren Mix aus AgitHop und DepriWave, Herb LF präsentiert sein neues LiveSet, Fiehe, Helmich & Sänger, Top Frankin, Bückle & Saavedra-Lara und Larse geben die Top-DJs aus der Nachbarschaft. Putzig: Das gute, alte ganz neue FZW blogt jetzt auch über gute, alte und neue Zeiten.

Im Überblick:
Das 19. Internationale Videofestival findet vom 18. bis 20. Juni vor allem im Musischen Zentrum der Universität Bochum statt.
"K15 – Bretter, die die Welt verleugnen" ist vom 19. Juni bis zum 1. Juli im Bochumer Schauspielhaus.
"Juicy Beats Soundcheck" am Samstag, 20. Juni ab 22 Uhr im FZW.

 

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Rettet den Blätterwald (6) – Heute: Galore

So, das war es jetzt für die Printausgabe von Galore. Im Netz geht es weiter. Schönen Dank an Valeska Bogatzke für das Rezensionsexemplar, der Autor strickt diesen Artikel mal "live", also während des Lesens quasi, zur Feier des Tages und im Gedenken an die ursprünglichen Werte des Rock’n’Roll, sozusagen. "Rettet den Blätterwald", liebe Neuleser/innen? Ist eine lose Artikelserie (siehe z.B. hier) über Printpublikationen und deren (fragwürdige) Sinnhaftigkeit, exklusiv bei ruhrbarone.de. (Kann aber ausgedruckt werden.)

Schlingensief sieht gut aus, fast nicht erkannt. Auch auf dem Cover: Ein Kölner Model in Japan, Eismacher (??), Talese, Dafnäs, Dath. Mühe, von Otter, Everett. Zwei erste Eindrücke: Genau, die Filmbeilage wirkte schon immer etwas wie wilder Aktionismus gegen Auflageeinbruch. Und: Auch und gerade in der letzten Ausgabe sieht es mal wieder aus, als wollten sich Journalisten ein paar persönliche Interviewwünsche wahr machen. Das ist natürlich erlaubt, erinnert den Autor dieser Zeilen aber direkt daran, wie er Galore immer gesehen hat: Von Verlagsseite eine nette Idee für Visions-Leute jenseits der 30, aber kaum ein auf Dauer tragbares Konzept. Die zweite vom Schreiber gelesene Nummer nach der Erstausgabe wird also die letzte Printausgabe sein. Ab in’s Heft.

Ja: Die Nouvelle Vague Alben werden auch nicht gerade immer besser. Schöne Anzeige auf der U2 also. Und Michael Lohrmann verabschiedet das Blatt und ruft zum Reinklicken auf. Nun gut. Erste echte Doppelseite: "Smalltalk". Bitte? Es geht irgendwie um Showbiz-Interna wie Filz bei MTV und Fotografen. Dann verabschiedet sich der Chefredakteur, ein Dieter Grabbe, "präsentiert von Wii Fit", beantwortet eine Frage (?) zum Thema Fitness und Wellness und es gibt Möbel- und andere Produktinformationen. Das ist etwas weniger spannend als die BUNTE bisher. "Neu im Kino" folgt als weitere Unterrubrik von "Smalltalk". Der Artikel über Cannes wirkt dafür leicht am Thema verhoben, macht nichts, danach wird im Rahmen eines Interviews ein Berater für Führungskräfte und Psychologe vorgestellt. Gewährt uns das jetzt Einblicke in den Verlag, die wir gar nicht wollten? Zitat: "In anderen Ländern ist es heute selbstverständlich, nach drei oder vier Jahren den Job zu wechseln und was Neues zu machen." Außerdem ist der Interviewpartner Autor des Buches "Neu auf dem Chefsessel – Erfolgreich durch die ersten 100 Tage". Das kann keine Selbstironie sein, dafür sind die doch viel zu ehrlich und volksnah in dem Verlag, oder? Befremden.

Erstes großes Interview: Klaus Lemke. Kennichnich. Aha, Mark Oliver Everett ist der Sänger der Band The Eels! Überschrift: "Ich glaube ich habe das Schlimmste hinter mir." Zurückblättern: Bei Lemke war es "Style kommt nicht mit der Post." Bei Everett lesen sich die ersten Fragen alle etwas nach oldschool-Ami-Journalismus: Familie, Kindheit. Irgendwie kommt man dann auf Sex, Hunde und Musikinstrumente. Hoffen auf den nächsten Interviewpartner, Dietmar Dath. Der wird darauf angesprochen, dass er die aktuelle Weltwirtschaftskrise (wenn man das so nennen will) in seinem Buch "Maschinenwinter" quasi vorhergesehen hat. Guter Einstieg, aber auch hier hat man den Eindruck eines etwas zu vertrauten Kaffeeklatsches. Bis auf saublödes Fragen wie "Spüren Sie als Marx-Anhänger (…) Genugtuung, wenn Sie aus dem Fenster schauen oder die Tagesschau sehen?" Vielleicht gehören viele Redakteure doch im Grunde ins Fernsehen – kommen sie ja jetzt via Internet dann auch irgendwie, und zum Glück gibt es da recht viele "Sender".

Anna Maria Mühe: Schauspielerin. Christoph Schlingensief: "Künstler" genannt. Erstmal nicht viel Neues von ihm, es geht tatsächlich immer noch bis zum Ende um die Krankheitsverarbeitung. Hoffentlich lässt man Schlingensief aus der Ecke bald mal wieder raus. Die beigelegte DVD: "La Antena". Sieht nach einem feinen Retro-Vergnügen aus, danke! Dann Jürgen Schadeberg, Fotograf und "Südafrika-Zeitzeuge". David Schumann: Das (andere, haha) Model vom Cover. Peter Lind, der Eis-Entwickler. Ein Blick des Schreibers auf den Preis: fast sieben Euro wollten die dafür haben? Weiter. Eine Reportage über Philadelphia, vielleicht so etwas das beim Zweitdurchblättern an einem langweiligen Sonntag gelesen würde. Hm, unwahrscheinlich. Anne Sofie von Otter: Opernsängerin. Michael Gantenberg: Autor. Welche Zielgruppe hatten die im Auge? Frühvergreiste bis 50? Sorry, mal was Positives: Die Anzeigen (Filme, Musik, Bücher) machen alle einen sehr soliden Eindruck. Helmut Pfleger: Schachkommentator! Adolfo Cambiaso: Polo-Spieler!! Lars Defnäs: Design-Chef von IKEA!!! Helmut Oehring: Komponist. Gay Talese: "Erfinder des New Journalism". Er erläutert am Ende auf Anfrage "drei Grundregeln, die ein Journalist nie vergessen darf": "Erstens: Seien Sie skeptisch. (…) Zweitens: Schreiben Sie über diese Informationen so, dass der Leser es verstehen kann. Und drittens: Verfälschen und übertreiben Sie nicht. (…)" Dem Schreiber wird gaaanz müd und langweilig.

Erstaunlich viele Kurzartikel über DVDs. CDs? Placebo, Phoenix, Manic Street Preachers, La Roux, Elvis Costello, Green Day,… Reinhard Mey!!!! Prefab Sprout, Björk, Rolling Stones, Götz Alsmann? Es muss fürchterlich sein, heutzutage für die Zielgruppe 30 – 55 im deutschen Markt für Musik zuständig zu sein! Da ergreift einen ja das kalte Grausen!! Oder die Melancholie, denn bei "Literatur" (ja, genau, gähn) ist Cees Nooteboom an der Reihe. Und Judith Hermann schreibt über den Tod. Irvine Welsh. Helge Schneider – um nur klare Namen zu nennen. Zum Schluss eine Seite mit Namen, als Dank an alle Interviewten, eine taz-Anzeige, eine Anzeige für einen Mini Cabrio. Das ist alles keine Weltwirtschaftskrise, es ist eine Depression. Sagt der Kritiker. Man muss ja immer alle Entschuldigungsmöglichkeiten geltend machen. Freuen wir uns auf galore.de mit neuer Chefredaktion ab dem 6. Juli!

3 FÜR 7 – Ausgehtipps, immer noch wöchentlich

Jetzt muss das Wetter kommen, denn es geht allerorts nach draußen: Stadt(teil)feste, Festivals und so weiter. Bald gehen die Theater, einige Discos und ein gewisses Kunstinteresse eh in die Sommerpause, also üben wir heute hier schon einmal ein wenig simples, sonniges Gemüt – oder gehen direkt in die Kirche: Shantel, Rü-Fest, Marsen Jules.

Marsen Jules (Foto: erselbst) aka Martin Juhls macht viel von Dortmund aus, ob früher mit dem Cosmotopia, immer mal wieder für das Juicy Beats, gerne auch mal Pressearbeit, aber vor allem im Bereich … nennen wir es jetzt einmal (semi-)elektronische Kammermusik und vergessen diese Schublade gleich wieder. Als Veranstalter lädt er auch gerne mal in eine Kirche, diesmal dient ihm mit der Paulus- eine solche als Spielstätte für ihn selbst, den Trompeter John Dennis Renken, den Pianisten Jan Philip Alam, den Geiger Anwar Alam und für Visuals und Installationen von Nicolai Konstantinovic. Das wird sich zwischen Ambient, Jazz und klassischer Moderne abspielen, heißt es, also nichts für Puristen und keine reine Lehre, sondern eher musikalischer Hörgenuss in kühlem Ambiente.

Eine Runde heißer denkt man sich da schon Stefan Hantel bzw. Shantel und das Bucovina Club Orkestar. Für’s Erleben des Ganzen ist diesmal das zakk zuständig, hoffentlich wird dort auch eher getanzt als gestarrt, und so etwas klappt ja im Rhein/Ruhrgebiet bei Konzerten zum Glück immer dann, wenn mal ganz Europa und nicht nur brutal deutschtümelndes (und brav eingedeutschtes) Westfalen oder Rheinland im Publikum ist. Zu hoffen ist aber natürlich auch, dass die alternativen Sozialarbeiter und die Szenepolizei nicht allzu "Frieden stiftend" intervenieren in Düsseldorfs Vorzeigeobjekt für äh De- und Resozialisierung verhaltensauffälliger Interessantist/innen? Nee, aber egal.

Mehr noch als Kirche und Differenzpolitik trägt gerne mal ein Stadt(teil)fest dazu bei, dass sich alle vertragen. In Essen-Rüttenscheid klappt das selbst unter der Ägide der IGR (Interessensvertretung der dort ansässigen Firmen und Betriebe) so gut, dass wirklich alle möglichen Menschen sich beteiligen oder zumindest auf der Straße von Innenstadt Richtung Grün (und umgekehrt) äh dabei sind: Selbst ernannte Underground-DJs stehen neben der Trachtengruppe, Späthippies mixen Nazis Cocktails, Prekariat guckt Modenschau. Das alles natürlich auf vielen Bühnen, an vielen Ständen entlang und mit Folgen bis mindestens spät in die Nacht. Das Rü-Fest. Naja, warum nicht, ne?

Im Überblick:
Marsen Jules und Gäste spielen am Freitag, 12. Juni ab 21 Uhr in der Dortmunder Pauluskirche.
Shantel und das Bucovina Club Orkestar spielen am Samstag, 13. Juni eher so ab 21.30 Uhr im Düsseldorfer zakk.
Das Rü-Fest ist am Samstag, 13. Juni von mittags bis irgendwann.

Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 6

In dieser Reihe wurden zunächst klassische Soziokulturelle Zentren vorgestellt. Mittlerweile geht es dem Autor weniger um die ehemaligen Hausbesetzer der 80er und Kulturbeamten von heute, sondern um lose Zusammenschlüsse von Menschen, die dabei eigenständige Formate entwickeln und Projekt orientiert auch einmal mit öffentlichen Institutionen zusammen arbeiten (so z.B.). Im Gespräch diesmal: Patrick Matzmohr und Oliver Grunau von u.a. Supercity und Elektronische Wiese.

 

Ruhrbarone ?: Ihr seid an zwei größeren Projekten aus Essen beteiligt, die sich mit elektronischer Musik beschäftigen. Wie kommt man zu so etwas?

Patrick Matzmohr: Die Idee zur Elektronischen Wiese gab es schon vor zehn Jahren, als ich auch schon DJ war und mich fragte, warum diese Musik keine Berücksichtigung findet beim Werdener Pfingst OpenAir. Und da kommt dann eins zum anderen, denn mir fiel auch auf, dass auf der „Made in Essen“-CD, die von der Sparkasse herausgebracht wird, ebenso nie etwas Elektronisches zu finden ist. Insofern war der Name „Supercity“ also eher ironisch gemeint. Der Name wurde das erste Mal sogar ganz einfach als Ortsangabe verwendet, auf einem Flyer für eine Veranstaltung mit Matthias Tanzmann im Baikonur. Einige Jahre später habe ich dann über Musikprojekte und Veranstaltungen den Oliver kennengelernt.

Oliver Grunau: Patrick hat damals mit Tim Krischak zusammen Musik produziert, der wiederum bei meiner Vinyl Lounge im Bahnhof Süd aufgelegt hat. Das war dann direkt eine sehr entspannte Zusammenarbeit, uns war aber recht bald klar dass wir noch mehr Leute aus diesem Bereich zusammen führen, Kräfte bündeln wollten. Und daraus wurde dann eben auch Supercity.

?: Wie organisiert man so eine Zusammenarbeit?

P.M.: Vor allem muss da erstmal etwas raus das man parat hat, veröffentlichen will. Das Supercity-Logo zum Beispiel war innerhalb einer Stunde fertig. Wie man das in Form gießt, das kommt erst später. Ich als Freiberufler schied aus, also hat Oliver für Supercity dann ein Kleinunternehmen gegründet. Und wir fragen einfach befreundete Läden, ob die unsere CD verkaufen wollen. Der Profit fließt dann in die nächste CD, vielleicht auch einmal in Shirts und Badges. Ähnlich bei der Elektronischen Wiese: Mittlerweile gibt es ein kleines Budget, von dem dann auch einmal ein Gast-DJ eingeladen wird, aber alles funktioniert vor allem durch freundschaftliche Kontakte und auch ohne Sponsoren oder klassische Medienpartner (Foto: Patrick Matzmohr).

O.G.: Supercity haben wir auch begonnen ohne einen Mehrjahresplan á la „ Da muss jetzt ein erfolgreiches Label dabei herauskommen“. Idee war eher: „Hier ist Essen, wir gucken uns um und machen dann einfach mal.“ Einen Stein ins Rollen bringen und gucken was passiert.

?: Man behält natürlich so auch die künstlerische Kontrolle. Dabei fällt dann aber schon auf, dass eine Vinyl-Lounge mit elektronischer Musik in einem Laden wie dem Bahnhof Süd natürlich erst einmal wie eine recht gewagte Kombination aussieht. Immerhin interessieren sich ja selbst Clubgänger außerhalb des Wochenendes nur bedingt für diese Musik, und die Klientel im Süd, zumindest bis zum Start der Reihe, doch wohl eher gar nicht.

O.G.: Ich musste da schon recht vorsichtig rangehen an die Sache damals. Der Inhaber meinte zwar: „Bring mal etwas frischen Wind hier rein, Olli. Mittwochs.“ Aber man musste schon signalisieren: „Kein Stress, keine Kasper.“ Eher Leute an den Plattenspielern, die den Lounge-Gedanken gut umgesetzt haben. Darauf haben die alteingesessenen Rockleute dann gut reagiert, vor allem aber wurde die Vinyl Lounge ein Anlaufpunkt für Musiker der Stadt. Wirtschaftlich brachte das konkret gar nicht viel, so dass die Reihe eines Sommers eingestellt werden sollte. Die Abschiedsparty war dann aber so ein Riesenerfolg, wir mussten einfach weitermachen und haben mit der Sandbar zusammen anschließend noch viele erfolgreiche Veranstaltungen gemacht. Es lief also doch. Und außerdem: Es interessieren sich wesentlich eher allgemein für Musik aufgeschlossene Leute für die Supercity-CD als der typische Partygänger.  Da geht über die Identifikation mit der Stadt natürlich dann auch so ein bisschen was zusätzlich bei den Leuten.

?: Inwiefern hat das alles denn dann einen (pop-)kulturellen Wert, gerade jenseits des kaum vorhandenen Profits?

P.M.: Das ist wie so ein Wecker, der gestellt ist und irgendwann losgeht. Die Uhrzeit kennen wir selbst nicht. Das funktioniert ja dann auch rückwirkend, dass Leute irgendwann bemerken: Ach, der DJ hat da ein Stück drauf? Und der produziert ja auch mit dem zusammen? Und wir denken uns ja auch Slogans aus wie „same city, different electronic music“ oder „du bist wir sind du“, damit die Leute Hinweise bekommen, dass in dieser Stadt auch anderes passiert als das Übliche.

?: Bei Köln in Teilen und vor allem in Berlin hat man ja immer ganz subjektiv das Gefühl, dass da selbst der Großneffe von Willy Millowitsch so ein bisschen auch von dem Gefühl getragen wird: Hey, hier ist eine Stadt mit einer weltweit beachteten Popkulturszene. Und das ist hier ja erst bedingt so. Da hat dann Katernberg mal einen großen Tag wenn Freakatronic im Shanghai spielt, oder Altenessen wenn Kreator Topact in Werden ist…

O.G.: Umso schöner, wenn das dann unkompliziert und ohne größeren Einfluss von außerhalb funktioniert. Und die Möglichkeiten, Essen als wichtige Stadt für elektronische Musik zu etablieren, die waren ja immer mal da, von Europas größter Disco, dem Pink Palace, über ganz andere Läden wie das Baikonur oder das Fink, wo eben immer auch Leute von hier Feder führend waren und sich präsentieren konnten. Und an Musikalischem gab es halt früher The Fair Sex oder The Eternal Afflict, und seitdem gab und gibt es immer wieder Leute von hier, die aber eben nicht allzu übermäßig wahrgenommen werden.

P.M.: Ich hatte mal mit Thomas Geier (früher Rote Liebe, jetzt u.a. bei der Band Festland) so eine Diskussion, bei der er diese gewisse Langeweile hier als eher attraktiv bezeichnet hat. Dass eben nicht alle rumlaufen als wäre eine Kamera hinter ihnen her. Und das ist ja wohl gut nachvollziehbar. Man hält sich hier auf, man kann da drin leben, so meint er das wohl. Ich hätte es gerne schon etwas aufregender, mit ein klein wenig mehr Glamour und so, aber das ist ja auch Geschmackssache. Und andererseits müssen sich die Leute auch erst einmal für die Themen und Leute hier interessieren, auch die Medien und Veranstalter.

?: Wobei es ja auch angenehm ist, wenn man eben nicht pausenlos Radio-, Video- oder TV-kompatible Popformate basteln zu meinen muss, nur weil irgendwelche Sender in der Nachbarschaft das direkt oder indirekt einfordern. Ihr hingegen habt jetzt eine neue CD mit interessanter, eigenständiger Musik aus Essen draußen und macht auch noch eine Party dazu…

O.G.: Ja, kommenden Mittwoch, 10. Juni im Essener Goethebunker. Da legen dann auch die Künstler von der CD fast alle auf oder machen einen LiveAct. Alles zugunsten der nächsten Veröffentlichung natürlich.

?: Besten Dank und viel Erfolg weiterhin!

3 für 7 – 3 Kulturtipps für die nächsten 7 Tage

Womit eineN diese Kulturbeflissenen immer in die merkwürdigsten Gemäuer locken wollen, das ist ja nun wirklich merkwürdig. Steckt eigentlich immer noch der Geist der vormaligen Nutzung in all diesen neuen-und-alten Tempeln? Eine interessante Idee, vor allem in Bezug auf: Schwimmbäder und Zechen.

Gerburg Jahnke strahlt von Oberhausen aus jedenfalls ganz ordentlich nach ganz Deutschland hinaus. Umso schöner, wenn sie ihr neues Programm "Lappen weg – Frauen ohne Regeln" (Foto: Harald Hoffmann) denn mal wieder an "alter Wirkungsstätte" (und nicht auf St. Pauli) präsentiert, nämlich im Ebertbad. Im Anschluss geht es nach Herne, Düsseldorf und Ratingen. (Mehr Infos bitte einfach bei Anklicken des Fettgedruckten bei den weiterführenden Links.)

"Feldstärke International" liegt ein weniger klar vorgegebenes Konzept zugrunde, denn es geht um die Genre übergreifende Zusammenarbeit von Künstlern aus den Bereichen Tanz, Design, Bildende Kunst,…, die sich in Paris, L.A. und auf Zollverein treffen, um gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Und dies wird auf PACT denn auch im Rahmen einer öffentlichen Führung und einem Publikumstag der Allgemeinheit zugänglich gemacht.

"contemporary art ruhr"
ist auch einmal mehr, und wieder auf Zollverein. Galerien, Fotoworkshops, Installationen, Medienkunst. Diesmal in der Mischanlage der Kokerei und immer einen Besuch wert. Und all dies ist ja zum Glück ganz normaler Alltag in der Gegend hier inzwischen, deshalb auch jetzt schon ganz unaufgeregt…

Der Überblick:
"Lappen weg – Frauen ohne Regeln" von Gerburg Jahnke vom Freitag, 5. bis Sonntag, 7. Juni im Oberhausener Ebertbad.
Publikumstag bei "Feldstärke International" am Donnerstag, 4. Juni auf PACT Zollverein.
"contemporary art ruhr" von Samstag, 6. bis Sonntag, 7. Juni in der Mischanlage der Kokerei Zollverein.

 

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3 FÜR 7 – Festival-Special

Auf die erste echte Hitze des Jahres reagieren die Menschen ja durchaus verschieden. Manche stürzen sich geradezu konsumfreudig ins Freie, andere warten eher, bis sich die Sonne auch in ihrem Gemüt ausgebreitet hat. Und egal ob man sich nun die feineren Sinne verklebt oder sensibilisiert, für alle Menschen gibt es diese großartige Massenveranstaltungserfindung namens Festival. Einige heißen so: Klangvokal, moers festival, Pfingst Open Air Werden.

Klangvokal ist neu für Dortmund: In der gesamten Innenstadt finden verschiedenste Konzerte rund um Vokalkünstler statt, regionale wie internationale. Das geht von Jazz mit Dianne Reeves im Konzerthaus über Puccinis "Tosca" im Theater bis hin zum 14. Sparkassen-Accapella-Festival. Dortmund im Rundumschlag der Stimmen, quasi. Weltmusik, Chöre, Oratorien, Peter Maffay, Erika Stucky und "Haydn meets Hip-Hop". Gar nicht schlecht, wenn die "Popstadt" mal nicht zu poppig ist, Popmusik von der Stange gibt es ja auf den Stadtfesten schon genug.

Moers darf sich in diesem Jahr mit Namen wie Wayne Horvitz, Tim Isfort Tentett, Marc Ribot, Mostly Other People Do The Killing (Foto: moers festival) und auch Emscherkurve 77 schmücken. Und zu diesem Festival ist wirklich schon genug geschrieben worden. Vielleicht gibt es dieses Jahr bei den Ruhrbaronen ja wieder eine Live-Reportage, das wär doch was, oder?

Eine wilde Mischung an frischer Luft mit etwas Jugendamt-Flair an einem christlichen Feiertag? Genau, Pfingsten in Werden. Und diesmal will man es anscheinend wissen, was man der (Sonnen-)besoffenen Jugend so an Durcheinander zumuten kann. The Whitest Boy Alive wollten nicht zwingend zwischen Jennifer Rostock und Kreator auf der großen Bühne spielen, heißt es. Hahaha! Naja, sie spielen nun wohl auf dem Areal der Elektronischen Wiese, nebst DJs wie Vincenzo und Mit-Gastgeber Modern Walker. Weitere Bands auf der großen Bühne: Black Lips, Ja, Panik!, Freakatronic. Fürchterliche Mischung mit teils aber auch ganz guten Acts, fast als wolle man die Jugend von heute zu mehr Bandenkriegen motivieren. Könnte heiß werden, kann aber auch wieder mal ganz stumpf bleiben.

Im Überblick:
Klangvokal vom 28. Mai bis zum 16. Juni in der Dortmunder Innenstadt.
moers festival vom 29. Mai bis zum 1. Juni.
Das 28. Pfingst OpenAir Werden am 1. Juni im Löwental zu Essen.

 

3 für 7 – Ausgehtipps am Dienstag

Bei der Zusammenstellung der Themen dieser Woche fiel dem Autor einmal wieder etwas auf. Nämlich wie von der Pressemitteilung bis hin zum Kuratieren von Ausstellungen selten die tatsächliche Aussage einer Veranstaltung transportiert wird. Das mag manchmal gewisse diplomatische Gründe gegenüber Beteiligten oder Sponsoren haben, macht aber meist den Zugang für Uneingeweihte besonders schwer. Deshalb diesmal in schonungsloser Offenheit die reine Wahrheit über: Klaviere, Geister, Sozialismus.

Bereits gestartet: Das Klavier-Festival Ruhr. Da gibt es eigentlich wenig Geheimnisvolles, sollte mensch meinen. Es fallen aber zumindest die Programmänderungen ins Auge: Am Mittwoch dann doch Ivo Pogorelich im Dortmunder Konzerthaus, ein frisch aus dem Kloster kommender Meisterpianist. Nächsten Montag außer Plan auch noch Gabriela Montero in der Essener Philharmonie, eine Venezolanerin, die eher mehr als weniger Improvisation "riskiert". Weitere große Namen: Anne-Sophie Mutter am 16. Juni ebenfalls in der Philharmonie zu Essen, drei Tage später Frank McComb in der Bochumer Jahrhunderthalle, Chick Corea am 9. Juli im Dortmunder Konzerthaus, Herbie Hancock u.a. eine Tag darauf in der Essener Philharmonie. Letzteres Konzert ist übrigens bereits ausverkauft – um die Wahrheit zu sagen.

Kommen wir zu Künstlern, die den Spuren von Geistern in der Maschine folgen. Inke Arns vom Hardware MedienKunst Verein sagt es diplomatisch: Die an "Wach sind nur die Geister" beteiligten Künstler glaubten nicht zwingend an diese, sondern seien mehr an der Ästhetik des Themas interessiert. Dabei war das doch letztens genau Thema bei den Ruhrbaronen! Und was ist eigentlich problematischer: Im Umgang mit Maschinen als Medien für zwischenmenschliche Kommunikation jedwede Instinkte rationalistisch ausschließen? Oder offen bleiben für Dinge, die zwischen den Zeilen stehen, unprogrammiert sind, jenseits des Erwartbaren liegen? Insofern gibt es da wirklich nichts zu belächeln bei dieser Veranstaltung in der Dortmunder Phoenix-Halle.

Ebenfalls nicht zu belächeln, aber auch nicht zwingend einfach hinnehmbar: Sozialistisch geprägte Erziehung im Ruhrgebiet. Menschen, die einfach kategorisch nicht an die reale Welt gewöhnt wurden, sondern zu Rebellen, Künstlern oder einfach Bohemians erzogen wurden. Wie ist denn nun das wieder zu bewerten? Eine davon ist Eva Kurowski (Foto: Asso Verlag), und sie hat jetzt ein Buch zu präsentieren: "Avanti Popoloch". Morgen. Im Druckluft. Als Tochter von Kuro ("Trompeter, Marxist, Grafiker") recht bald dem Helge Schneider Umfeld zugerechnet hat sie einiges zu erzählen von der Instrumentalisierung von Kindern bei Ostermärschen bis hin zum Colaverbot und letztlich vielleicht der Emanzipation vom Übervater durch die … Mischung aus Künstlerinnen- und Mutterrolle ausgerechnet? Sehr interessant. Jedenfalls wird sie das sprachlich so verpacken, dass alle Beteiligten lachen oder zumindest lächeln werden – und dann zurück in ähnliche Verhältnisse gehen, aber zumindest im Hinterkopf um einige geteilte Erfahrungen reicher. Und das ist dann natürlich ganz große Ruhrgebietskultur, um das mal regional-typisch so zu sagen dass es auch klar wird.

Im Überblick:
Das Klavierfestival Ruhr geht an über 25 Spielstätten noch bis zum 17. Juli.
"Wach sind nur die Geister" ist noch bis zum 18. Oktober in der Phoenix-Halle.
Eva Kurowski liest am morgigen Mittwoch ab 20 Uhr im Druckluft.