Das (Lokal- bzw. National-)Fernsehen! Und dann noch ein Magazin zum Thema! Erinnerungen werden wach: Knackige Uhrzeiten und Sendungstitel. Manche bekamen gar einen kleinen Text, wenige andere gar ein Foto. „Programmzeitschriften“ nennen dieses Genre auch heute noch manche Menschen – und einige kaufen sie auch noch! Diese lose Artikel–Serie hingegen behandelt Printobjekte, zu denen der Autor fast jedes Mal nahezu feierlich schwört, sie ob totaler Nutzlosigkeit nach Veröffentlichung des Artikels nie wieder zu kaufen. Diesmal also Thema im deutschen Blätterwald: Besonders kleinkarierte Depressiva.
Die aktuelle Ausgabe (sorry, das Foto ist zum Selbst-Interpretieren): Auf dem Cover das Profil einer nahezu Mitleid heischenden Frau namens Suzan Anbeh, die irgendetwas mit einer Sendung namens „Kriminalist“ zu tun hat. Eine „Sommerpause“ wird hierzu angekündigt. Ein erstaunlicher Aufmacher. Darunter der Identitätstifter-Werbeslogan „Alles drin, alles dran, alles klar!“ mit der Detail reichen Erläuterung „Rezepte, Medizin-Tipps, Schicksale, Horoskop, Rätsel, Verbraucher-Tipps, Ihr aktuelles TV-Programm“ nebenan. Was genau soll die Fernsehnation sonst noch interessieren? Aha: „Giftalarm in Parks & Gärten“, „Musikantenstadl“, „Schutzimpfungen“, „Toskana“. Bestimmt irgendwie nahe liegend.
Ins Heft: Die erste Anzeige wirbt offensichtlich Verlag intern für das Blatt „Mein Hund & Ich“. Neben dem Inhaltsverzeichnis zeigt das „Bild der Woche“ einen einsamen kleinen Jungen in einem ansonsten leeren Stadion. Darunter wird in aller Kürze erklärt, warum Suzan Anbeh sich von ihrem Schauspielerkollegen-Lebensgefährten getrennt hat. Ein Cartoon, ein Spruch von Otto Waalkes und ein Witz sollen die Seite 3 anscheinend „abrunden“. Die Rubrik „Im Brennpunkt“ beschäftigt sich mit dem Einheiraten in Großfamilien und gibt ein paar Verbrauchertipps dazu, bevor es nach dem Umblättern schon in die Toskana geht. Eine nachvollziehbare Abfolge: Harte Themen, weiche Themen, Kreuzworträtsel.
Es folgen „Gesundheit“ und „Schönheit“ (Kurz-Rubriken) und Werbung für ein Medikament gegen „nachlassende mentale Leistungsfähigkeit“. „Für Erwachsene ab 18 Jahren“ natürlich, Zielgruppen konform quasi. „Blumen & Pflanzen“ ist die nächste einseitige Rubrik, es folgt „Verbraucher“, „Recht“, „Menschen wie wir“ und Werbung für Billigflieger (Toskana?) sowie für Salatdressing. Eine Saskia Vester winkt, denn es geht in das Herz des Magazins: Das TV-Programm.
Zunächst die „TV-Hits der Woche“. Unterteilt in: „Sport“. „Spielfilme“. „Reportage“. „Show“. „Unterhaltung“. „Serie“. Deren Unter-Rubrizierungen: „Höhepunkte“. „Komödie“. „Familienfilm“. „Reportage“ (bei „Reportage“). „Show“ (bei „Show“). „Quizshow“. „Krimiserie“. Schauspielernamen werden genannt, Wiederholungen gekennzeichnet, Wochentage, Daten und Dauer unter die Kurzinhalte gestellt. Größer: Uhrzeiten! Sendernamen! Und dann beginnt die Kästchenwelt erst richtig, ordentlich zum Wochenende, am Samstag: „Politik und Report“, „Sport“ und „Unterhaltung“ links. „Die Spielfilmhighlights des Tages“ rechts. Es gibt Bewertungsfaktoren unter den klassischen Bewertungssternchen wie: „Spass“. „Action“. „Trick“. „Spannung“. „Musik“. „Gefühl“. „Anspruch“. Es gibt Genrenamen: „Liebesdrama“. „Fantasyfilm“. „Komödie“. „Krimi“. „Katastrophenfilm“. „Sci-Fi-Thriller“. „Satire“. „Thriller“. „Action“. „Krimireihe“. „Erotik-Thriller“. Es ist alles von oben nach unten und von links nach rechts in Hinblick auf die Uhrzeit sortiert.
Es gibt weitere Sub-Rubriken: Produktionsland und –jahr. Dauer. Drei bis vier Schauspielernamen. FSK-Freigabe. Es gibt kurze Produktionsdetails unter dem Inhalt, so zum Beispiel „Gastauftritt von Pierre Brice (80) als Kosmetik-Vertreter“. Am unteren Rand der Seite findet sich eine Legende, die die Sternchen erklärt: Ein Stern bedeutet „wems gefällt“, vier Sterne bedeuten „sehr gut“. Ein „R“ weist darauf hin, dass unter Umständen auch einmal ein Regisseur genannt werden könnte. Die Produktionsdetails werden hier „Info“ genannt. Free-TV-Premieren bekommen ebenfalls ein eigenes Kennzeichen. Am oberen Rand wird nebenbei auf einen „TED“ und den Videotext dazu hingewiesen. Es gibt auch: Erstausstrahlungen. Diese bekommen ein „NEU“. Eine Detail reiche Angelegenheit? Akribisch womöglich? Hiernach kommt jedenfalls erst das eigentliche Programm des Tages – auf den nächsten beiden Seiten. Mehr als eintausend Sendungen.
Vier Spalten links, vier Spalten rechts. Farbschemata für Sender und Tageszeiten. Das Morgenprogramm nur in Titeln, aber mit einer Altersangabe für Kinder zu jeder Sendung. Stopper rufen „FILM“ oder „TIPP“, einmal pro Doppelseite aber auch „TIPP DES TAGES“ – es gibt nie zwei Tipps des Tages. Die Sendungen ab 20.15 Uhr erhalten alle ein Foto und einen längeren Text. Dasselbe geschieht um einiges kleiner mit je einer Nachmittagssendung pro Kanal. Auf der folgenden Doppelseite befinden sich dann die „nächsten“ zwölf Kanäle im oberen Drittel, darunter noch einmal zwölf ohne Texte und Fotos. Es werden ausschließlich deutschsprachige Sender präsentiert, inklusive zweier österreichischen und eines schweizerischen. Es gibt: Technische Unterscheidungsmerkmale in der Legende am unteren Rand: „Mehrkanalton“. „Für Hörgeschädigte“. „Hörfilm“. „Schwarzweiß“. „Dolby Surround“. „Dolby Digital 5.1“. Und so geht es über die Heftmitte bis zum Ende, bis hin zu einem Freitag.
Der Abschluss des Heftes: Kurzrubriken. „Kochen & Geniessen“. „Rätseln & Mehr“. Anschriften der Sender. TV-Vorschau. Auf der Rückseite eine Anzeige mit der großen Überschrift „Eines morgens konnte ich wieder ohne Schmerzen gehen“. Unter dieser eine kleine Rubrizierung: „TATSACHEN-BERICHT“. Mensch weiß Bescheid: Diese Sorte Logik hat uns erst fit gemacht für das geliebte Internet. Nur sieht der „Volkskörper“ heute fast global aus. Na, Gott sei Dank.