"Wer den Woyzeck noch sehen will, der bekommt ihn auch", dachte der Autor dieser Zeilen nach einem Spontanbesuch im Grillo am Sonntag, den Duft vom Bodennebel des Stückes noch in der Nase. Und bald: "Was macht eigentlich Bochum?" Und: "Dieser Intendantenwechsel von Anselm Weber von Essen nach Bochum ist tatsächlich ein schöner Ruhr interner Hype, der nach außen strahlen soll. Bestimmt ist das so. Und wenn nicht, dann mach ich es so." Also diesmal eine Woche Schauspielhaus Bochum versus eine Woche Schauspiel Essen.
Am Dienstag (3. Februar) zwei kleinere Aufführungen in Bochum und die "Bochumer Geschichten" von Wolfgang Welt und Rainer Küster im Theater unter Tage. "Lesart Spezial: Wegbereiter der Wende" mit Wolgang Herles (Aspekte, ZDF) und den Veranstaltern KWI, Deutschlandradio und der hausinternen Proust-Buchhandlung in Essen (Café Central). Eine dieser kleinen, wertvollen Reihen mit Inhalt und viel Strahlkraft in Essen. BO – E 0:1
Am Mittwoch die öffentliche Probe von "Krankheit der Jugend" von Nuran David Calis (Foto) im Grillo und direkt danach ein Konzert von Tangoelectrón in der Heldenbar. Die Wiederaufnahme von "Emilia Galotti" im Schauspielhaus, "Komödie der Irrungen" in den Kammerspielen, zweimal Junges Schauspielhaus im T.u.T und im Melanchthonsaal. Bochum also zwar ein wenig vorhersehbar, aber stark in der Wochenmitte. BO – E 1:1
Die American Drama Group gastiert am Donnerstag (und Freitag) mit "Romeo and Juliet" im Schauspielhaus, "Forelle Stanley" von Claudia Dey hat Deutsche Erstaufführung im Theater unter Tage. Poetry Slam in der Heldenbar, Broadway-Klassiker mit Nadja Karasjew und Mark Weigel (Comedian Harmonists) im Café Central. Das ist ein wenig rustikal da in Essen. BO – E 2:1
Freitag: "Dream Team" (oh, Thema iPhones!) in der Casa, das Spardosen-Terzett plus Weber-Beckmann im Grillo selbst und auch noch parallel (Olaf) "Kröcks kapitale Kritik – Das Kochstudio zur Weltverbesserung" in der Heldenbar. Im Schauspielhaus? Nach der American Drama Group auch noch "Macbeth" (Regie: Lisa Nielebock). In den Kammerspielen premieren Torsten Kindermann, Karsten Riedel und Band mit "A Tribute to Quentin Tarantino", im Melanchthonsaal ist Uraufführung von Michael Lippolds "Zwischen" aus der Regiewerkstatt. Das geht trotz Shakespeare-Overkill an Bochum, ist aber beides natürlich je nach Möglichkeiten und auf seine Art gut. BO – E 3:1
Der Samstag hat im Schauspielhaus "Wie es euch gefällt" zum letzten und im T.u.T. "Connecting People" rund um Nokia-Betroffene zum ersten Mal. Im Melanchthonsaal noch einmal "Zwischen", in den Kammerspielen "Endstation Sehnsucht". Die Uraufführung von "Krankheit der Jugend" im Grillo plus anschließende Premierenfeier im Central, Wiederaufnahme von "Paradies" (alle Plätze 8 Euro!!) in der Box, "Heldenhouse"-Party mit Geier und Yoshino in der Heldenbar. Die Kombination aus Glam-Faktor und Niedrigschwelligkeit bringt es deutlich: BO – E 3:2
Am Sonntag im Grillo diesmal alle Plätze 8 Euro bei Aischylos‘ "Die Orestie" von Roger Vontobel, Katja Lillih Leinenwebers Kinder- und Jugendstück "An der Arche um Acht" des nachmittags in der Casa. Deutsche Erstaufführung von Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" im Schauspielhaus, "I Hired a Contract Killer" nach Karusmäki in den Kammerspielen, Uraufführung von Martina van Boxens "Troi" (Musiktheater für Kinder) im Melanchthonsaal und auch noch "Der kleine Prinz" im Planetarium. Ein rundum toller Sonntag für Bochum! BO – E 4:2
Tarantino, Macbeth, "Der Kleine Prinz" am Montag (9. Februar) in Bochum, ebenso wie "Das Tagebuch der Anne Frank" mit Johanna Sembritzki in der Titelrolle. In der Essener Casa wieder "An der Arche um Acht". Man kann auch Äpfel und Birnen vergleichen. BO – E 5:2
Conclusio: Essen ist gemütlicher, braucht mehr Theaterfreunde. Bochum hat diese anscheinend zu Genüge und könnte hier und da etwas konzeptionelle Improvisationsfreude "nach unten" gebrauchen. Aber das war ja vorher schon klar. Alles super. War ja nur ein Freundschaftsmatch.