3 FÜR 7 – Kultur statt Politik

BND wie BKA machen was sie wollen, die Bundesregierung verkündet eine weitere Verelendung für das nächste Jahr, aber kaum jemand zählt die Toten und berichtet darüber. Selbst bei den Ruhrbaronen zog man sich mal auf den eigenen Bauchnabel zurück. Und dann Kulturtipps? Ja, aber nur kurz und schon am Sonntag, und zwar mit RAF, Russland und Voltaire.

Bereits angelaufen ist "Stammheim.Leben.Traum" der Freien Bühne Düsseldorf, in dem "Das Leben ein Traum" von Pedro Calderon de la Barca auf die letzte Nacht der Häftlinge projeziert wird, vor allem auf das "Pärchen" Baader/Ensslin. Und geht es nicht irgendwie allen so mittlerweile? Eine Mischung aus doppelter Einzelhaft und irrer Ehe für alle die nicht begreifen dass es Leben nur im Widerstand gibt? Ist das die Rache für das Ducken vor der Geschichte? Zum Gucken müsste man jedenfalls mal raus aus dem Kabäuschen.

Frankreich besteht größtenteils nicht aus Paris, und das Ruhrgebiet nur extremst bedingt aus Kosmopoliten. Dennoch ist bei vielen hier Volkstheater verpönt – man will ja nicht mit den simplen Ureinwohnern (Westfalen! Rheinländer! Gar Münsterländer? Bewahre!) verwechselt werden. Also kleidet man sich gerne in (leicht verspätete) Modernität und kupfert ab. Macht ja nix, wenn es gut gemacht ist. "Candide" von Voltaire jedenfalls wird von Gil Mehmert und Juliane Schunke in Gelsenkirchen auf Westfalen angewandt. Und gleichzeitig die Version von Bernstein auf deutsch dargeboten.

Russland! Das Fremde in uns, das irgendwie noch beängstigender ist als Islam und Computerisierung zusammen? Die Zeiten ändern sich, man ahnt nicht Böses, und schon steht das "5. Festival der russischen Kultur in Essen" auf dem Programm. Bei der Eröffnung in der Lichtburg am Mittwoch folgt nach dem Folklore-Tanz-Ensemble "Ingushetien" die Deutschlandpremiere von Nikita Michalkows "Die Zwölf" und dann am Donnerstag "Born in the USSR" von Karen Schachnasarow in einer Deutschlandpremiere; ein Film aus den 70ern als gerade die Stones im Osten einfielen. Globale Kulturpolitik, von manchen Kulturimperialismus genannt. Manchmal ist es auch das "Selbstbestimmungsrecht der Völker". Soll es auch heutzutage geben.

Im Überblick:
"Stammheim.Leben.Traum" noch am 23., 25., 26. und 27. November um 19.30 Uhr im Düsseldorfer Theatermuseum.
"Candide" am 27. (19.30h) und 29. November, sowie am 14. Dezember (je 18h) im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier.
"Tage des russischen Films" vom 26. bis 30. November in der Essener Lichtburg.

3 FÜR 7 ? Kultur zum Mitmachen

Es geht hauptsächlich um Themen rund um die Optik diesmal, das ist nunmal so. "Blicke" in Bochum, Fotos in Düsseldorf (jaja) und Design in Dortmund.  Vieles aus der Gegend und ein Star aus den Staaten. Konkret:

"Blicke aus dem Ruhrgebiet" ist eines dieser Festivals das noch aus Zeiten stammt in denen alternative Kultur gefördert und schließlich zu so etwas wie einer Ergänzung zum üblichen (städtischen und kommerziellen) Programm wurde – muss vor der Wiedervereinigung gewesen sein. Gibt es um die international angelegten und fast etwas bemüht modernistischen Oberhausener Kurzfilmtage jedes Jahr einen Hype, auf den auch nicht gerade immer mehr Leute so richtig steil gehen (bei allem Respekt), so bemüht man sich in Bochum eher um Video und Film im Sinne von "Ruhr.Original" sozusagen, also um hiesige und ehemals hiesige Filmkünstler und -innen. Das wirkt manchmal etwas hüftsteif und knipsig, aber so ist das halt an der Basis.

Auch ganz dicht an der Realität (von Trendmöbelfreunden, selbstgemachter Mode samt Accessoires und ähnlichem, aber auch von Fotografie und Grafik) befindet sich zum Glück Heimatdesign. Der diesjährige Markt macht mit bei der neuen "Popstadt Dortmund"-Welle und integriert dazu passendes verstärkt in sein Programm. (Der Name des Projektes ist und bleibt offensichtlich auch … Programm.) Schauplatz in diesem Jahr ist gar das Westfalen-Forum. An jene die das Magazin gleichen Namens vermissen: Ich sehe da keine konkreten Aussichten, vielleicht korrigiert mich ja jemand. Nein? Gut.

Also noch mehr Glamour ins Paket: Noch eine Woche lang gibt es eine gute Gelegenheit mal wieder in ein Düsseldorf zu fahren wie es immer sein wollte (und dann doch viel zu banal wurde): Exklusiv hängen Fotografien von David Lynch schick im Medienhafen. Da kann mensch ja mal rüberfahren, braucht sich weder Bilk noch Altstadt geben und hat mal kurz wieder dieses Gefühl da ginge was, Düsseldorf sei eine Kunststadt und nur von interessanten Leuten bewohnt. Ob ich "Inland Empire" noch ein viertes Mal einwerfe? Es heißt ja, nur die Szenen mit der Polin (?) seien "real", der Rest "Traum". Hm, vielleicht.

Im Überblick:
"Blicke aus dem Ruhrgebiet" sind vom 20. bis 23. November im Bahnhof Langendreer zu erhaschen.
"Heimatdesign 2008" zeigt sich am 22. und 23. November im Westfalen-Forum.
"David Lynch: New Photographs" im Epson Kunstbetrieb wird ab dem 23. November dann mal wieder abgehangen.

2 für 7 – Tipps für Draußen

Diesmal gleich drei Themen, aber nur zwei Tipps. Erstens: Warum muss es eigentlich Titelseiten geben, wenn es gar keine Titelstory gibt? Zweitens: Umso mehr man über was liest, desto weniger ist man letztlich doch dabei, oder? Drittes Thema: Namen und Orte. Und weiter im Text:

Die einstigen "Kunstquadrate" haben sich in sanfter Anschmiegung an den abkupferfreudigen Aushilfsmetropolengeschmack potentieller Gönner dann doch in "contemporary art ruhr" umbenannt. Wenn das alle so machen würden, dann könnte man das hier ja gleich "Neu Ruhrstadt" nennen – oops das klingt ja echt nach NYC. Hm. Jedenfalls ist ein Name oft ein Indiz, aber ja nicht zwangsläufig mit den Inhalten zu verwechseln. Und die sind bei "c.a.r." (hihi) im letzten Jahr schon über "ganz nett" hinaus gewesen. Die Macher wechseln in der Regel schön die Hallen auf Zollverein und professionalisieren sich weiter, wobei die Ausstellungsstücke auch mitziehen. Immer wieder schade dass Zollverein halt Zollverein ist. Aber das kann ja noch werden, in Jahrhunderten findet man den ganzen Komplex  bestimmt viel besser. Und die Kunstquadrate sind auf jeden Fall ein selbst gemachtes Highlight im aktualitätsbezogenen Standardprogramm dieses Weltkulturerbes – und das ist ja was.

Auch leicht auf Titelseiten kommt hin und wieder noch Max Goldt, der nun ausgerechnet im Fritz-Henßler-Haus gastiert. Das hat bestimmt auch eine lokalpatriotische Komponente (der Name!), aber das muss hier ja nicht auch noch hin. Was macht Max Goldt? Er liest. Und man sieht schon wieder vor dem geistigen Auge die, die zu laut, gar nicht oder schüchtern lachen, die genießenden und die palavernden Gäste vor sich, die diesem (haha) Urahn der 80er-geprägten Popliteratur Deutschlands immer wieder gerne ihre Aufwartung machen. Durchaus zurecht, denn schreiben kann der Goldt an der Grenze von Boulevard und Intimität ja wie kaum ein zweiter hierzulande – und wer will darf sich auch was denken dabei, muss aber beileibe nicht. Schade, dass Katz nicht dabei ist.

Im Überblick:
Max Goldt am 11. November in Dortmund und "contemporary art ruhr" vom 14. bis 16. November in Essen.

3 für 7 – Kulturtipps gegen den November

Diesmal gibt es keine gemeinsame Klammer für die drei Ausgehtipps. Warum auch? Das ist nämlich so eine typische journalistische Dummheit, alles immer irgendwie in Bezug setzen zu müssen, auch wenn die Bezüge in Wahrheit außerhalb des Textes zu finden sind. Zwischen einer Ausstellung in Bochum (siehe letzte Woche) und einem Tanzfestival zum Beispiel (Pina Bausch). Oder, wenn gewollt, zwischen den Smashing Pumpkins und Theodor Fontane (Cilli Drexel). Oder einfach zwischen dem 3. und 9. November (Duisburger Filmwoche).

Wie war das eigentlich nochmal mit der Popkultur? Das ist doch wenn man aufgrund der Werbung und nicht wegen der erbaulichen Qualität der Darbietung z.B. in‘s Kino geht, oder? Oder vielleicht doch eher weil jemand gerne mit sich selbst Werbung und neugierig macht? Wäre das nun näher an Warhol? Muss das das Publikum interessieren? Und was sind eigentlich die Auswahlkriterien bei den Duisburger Filmwochen? Quotiert da gar eine Jury nach Jarmusch-, Godard-, Gender-, Weltpolitik- und Wenders-Filmanteilen? Das wäre doch mal interessant! Der Journalist interviewt aber nicht, der Journalist sagt: Gucken gehen!

Und wie stellen wir uns „3 Wochen mit Pina Bausch“ (Untertitel) vor? Schön? Oder schreckt uns der vereinnahmende Titel ab? www.fest-mit-pina.de klingt ja nun auch streng nach Starprinzip. Schauen wir beim Internationalen Tanzfestival NRW 2008 also mehr nach Kameras und Prominenten oder nach dem Inhalt der Stücke und den Choreografien (Foto von Chris aus einem Stück von Meg Stuart)? Betrachten wir wie Aushilfs-Emporkömmlinge die Darbietungen irgendwelcher dressierten Püppchen oder erwarten wir Anreize für Sinne und Seele? Die namensgebende künstlerische Leiterin hatte es nie leicht mit dem Publikum hier, wie dankbar muss die Arbeit mit den Tänzerinnen und Tänzern also sein! Ergo? Der Journalist sagt: Nicht einfach nur gucken gehen, sich einlassen auch, bitte!

Nach „The killer in me is the killer in you“ und „Das Meerschweinchen“ ist „Effi Briest“ die dritte Regiearbeit von Cilli Drexel für Anselm Weber in Essen. „Kritik an der Institution Ehe“ sei das Thema Fontanes, heißt es. Stimmt, und das ist das Neue Testament im Grunde auch, oder? Interpretiert da nun also jemand Fontane oder liest ihn jemand richtig? Und ist das der Inszenierung anzumerken? Herrjeh, ist das kompliziert, dieses moderne Theater! Der Journalist sagt: Gucken gehen und einlassen, aber nicht einfach nur davon mitnehmen was gerade passt. Danke schön. Da war die Klammer (zu).

Im Überblick:
Die Duisburger Filmwoche findet vom 3. Bis 9. November im Filmforum statt.
Das Internationale Tanzfestival NRW an verschiedenen Orten in Wuppertal, Düsseldorf und Essen geht vom 7. bis 30. November.
Die Premiere von „Effi Briest“ ist am 7. November im Grillo Theater.

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3 für 7 – Außentermine in dieser Woche

Eigentlich stand hier etwas über echte Persönlichkeiten und das Missverhältnis zwischen Bekanntheitsgrad und Charakter im Showgeschäft, Kulturbetrieb, etc. Leider aber ging dem Schreiber hier der Laptop ein wenig in die Binsen am Samstag, und die gestern auf dem geliehenen geschriebene Datei will nicht kompatibel sein mit dem Rechner auf der mittelgut bezahlten Arbeit hier – und gestern wollte der Autor nicht noch ein Programm auf die geliehene Möhre runterladen, um wenigstens das Redaktionssystem nutzen zu können… Nun, der erste Entwurf des Artikels endete mehr oder weniger damit, dass letztlich in der Lebenswelt abgerechnet wird, egal wie weit draußen manche Stars und Sternchen sind – und mit drei wohl klingenden Namen: Bausch, Cohen, Palminger.

Um es kurz zu machen mit ihm: Jacques Palminger ist nicht nur ein Drittel von Studio Braun, und ausgerechnet zu Halloween in dem ständigen Autonomie-Experiment namens Druckluft in Oberhausen ist er das auch, so ein Drittel wie Rita Blunck und Victor Marek. Es gibt ein Album, das klassisch die Hits, ein bisschen was neues und ein paar Füller enthält. Ah, und ich entsinne mich dass ich schrieb "Palminger aus dem Dreiländereck Trash/Wahrheit/Dada". Sowas schreibt man auch zweimal.

"Räume Träume" – und ich schreibe das jetzt weiter aus dem Gedächtnis, man will ja keinen Ärger im Büro und schnell fertig sein – ist der, ich zitiere mich, "banale, aber treffende" Titel einer einzigen bzw. mehrerer kleiner Rauminstallation(en) im Erdgeschoss des Museums in der Bochumer Kortumstraße. Herr Pabst, Jahrzehnte langer Bühnenbildner für Pina Bausch, hat dort einige exorbitante Stücke aus seiner Arbeit für die Dame positioniert, ergänzt durch Bühnenfotografien, größtformatige, von den Stücken, … und ich komm jetzt nicht drauf wie er nochmal heißt, sorry. Dazu ein dynamisches Begleitprogramm des Hauses, eine echte Empfehlung!

Leonard Cohen wiederum könnte, wie ich einst ungefähr schrieb, die Arena Oberhausen mal für einen Abend in etwas ganz anderes verwandeln. Genau, und dann dachte ich: " Das muss reichen, was soll ich hier Trivia über Cohen loslassen." Und dann kam so etwas wie: "Zum Glück kommt zur Abrundung zwar nicht das Wetter, aber die Eckdaten:".

Im Überblick:
Jacques Palminger und Band gastieren am 31. Oktober ab 20 Uhr im Druckluft.
"Räume Träume" findet sich ab dem 1. November und mindestens bis zum 1. Februar im Museum Bochum.
Auf Leonard Cohen wartet das Publikum in der Oberhausener Arena am 2. November ab 20 Uhr.

3 für 7 – Ausgehtipps am Dienstag

Ach, immer diese Kulturdebatten! Eine Pleitgen-Vertraute auf dem Präsentierteller hier, ein "Leitungsteam in schwierigen Zeiten" nebenan und ein vielleicht etwas nostalgisches Jubiläum noch woanders. Und niemand redet über die Aufführungen, Lesungen und Konzerte selbst. Denn Kulturkritik ist schwierig, alles ist Geschmackssache und mobben und palavern können ja alle irgendwie? Also Kultur als ein weiterer Boulevardkrimi? Nö. Drei Tipps zum Mitmischen:

"Melez" heißt das Festival unter der künstlerischen Leitung von Asli Sevindim, das bereits am 18. Oktober begann, aber noch bis zum 1. November an verschiedensten Stätten das Zusammenleben der Kulturformen im Ruhrgebiet darstellt. Das "Melez.Labor" zeigt in Anlehnung an Touristen-Touren das Leben in Dortmunds Nordstadt und Duisburg-Marxloh. Bei "Kulturpolitik in der Einwanderungsgesellschaft" wird am 31. Oktober ein regelrechter Kongress zum Thema in der Jahrhunderthalle abgehalten. "Melez in Love" wiederum und viele andere Konzerte gehen das Ganze musikalisch an, mit Künstlern wie Amparanoia und Kwadrofonik. Dazu natürlich auch Lesungen, Theater, Politikergastspiele und einiges mehr. Erster Eindruck: Ein vielfältiges und ambitioniertes Programm.

Auch durchaus schon begonnen hat die Intendanz von Peter Carp am Theater Oberhausen, einem gebeutelten Stück Ruhrkultur das eindeutig mehr Zuspruch verdient. Ein Beispiel ist der aktuelle "Woyzeck" nach Büchner, interpretiert von Robert Wilson, Tom Waits und Kathleen Brennan und dann noch einmal überarbeitet von Joan Anton Rechi. Der Hinweis auf Moliére’s "Tartuffe" von Tobias Fritsch unter Hinzunahme einiger Fragmente aus Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmadaption soll hier auch nicht fehlen. Das Oberhausener Theater: Jetzt!

Und dann wäre da noch der Festakt der Woche. Schon wieder Essen! Da muss ja was los gewesen sein in den Fünfzigern! Und "fünfzig!" heißt auch die Gala am 24. Oktober, bei der es "eine musikalische Zeitreise" mit "Songs weltbekannter Stars" gibt. Ohne diese selbst? Ja. Und auch ohne die erfolgreiche Partyreihe Radio Gruga (Foto: Thomas Geier)?? Ja. Dafür gibt es am 25. Oktober noch die Oldie Night, am 31. Marianne Rosenberg und am 4. November Johnny Winter. Kann ja mal erwähnt werden…

"Melez" geht noch bis zum 1. November – www.melez.de
"Tartuffe" gibt es im Oktober noch am 22. und 30. jeweils um 19.30 Uhr, "Woyzeck" am 24. und 25. zur selben Zeit – www.theater-oberhausen.de
Das Jubiläumsprogramm der Grugahalle währt noch bis zum Ende des Jahres – www.grugahalle.de

Blick über den Tellerrand: Einseitig.info

Links sind Standard, schöner ist es doch mal so über ein gutes Portal zu berichten, dass es den Zeiger direkt zu „Lesezeichen markieren“ hinzieht. Am besten natürlich zu einem empfehlenswerten Webmagazin, das auf den ersten Blick nicht viel mit den Ruhrbaronen zu tun hat: Einseitig aus Köln, Düsseldorf und der Welt.

Zunächst die Gemeinsamkeiten mit dem Ruhrgebietsadel: Akademiker und Journalisten schreiben auch bei Einseitig über das was sie bewegt, und das (im Rahmen) unabhängig und in verschiedenster Form. Es fällt auf dass auch Felder beackert werden, die andere nicht oder später bestellen. Es gibt hier und da mal einen Fake, und die Autoren haben offensichtlich ihren Kopf nicht an irgendeiner Stechuhr abgegeben und erwarten das zum Glück auch von der Leserschaft.

Was ist also die „differentia specifica“ von einseitig.info?
Im Gespräch erzählt Gründungsmitglied Matthias Bickenbach, dass es im Bereich der akademischen Textproduktion ähnliche Grenzen gibt wie bei Zeitungen und Magazinen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs: Ob Historiker, Soziologe oder Kulturwissenschaftler, es gibt nur wenig Raum um Themen so aufzubereiten, dass sie auch einmal subjektiv oder provokant serviert werden können. Oder die Themen sind einfach heiß und dringend, was aber gar nicht so sehr das Anliegen dieser Seite sei. Man wolle lieber besonnen außerhalb des Medienoverkills stehen und aktuelle Ereignisse in einen größeren Zusammenhang stellen. Dies kann natürlich z.B. ökonomische Phänomene betreffen, aber auch Bedeutungsverschiebungen im öffentlichen Diskurs. So beobachten die Autoren von einseitig also auch wie Meinung gemacht wird und setzen eigene Analysen und Meinungen dagegen. Und daher auch der Name des Projektes, eine bewusste Positionierung gegen größere (und mächtigere) Einseitigkeiten in der Berichterstattung, deren Macher sich gerne pluralistisch geben – haben sie ja auch oft für jede Zielgruppe eine Publikation im Portfolio.

Ein Beispiel aus der Arbeit außerhalb des Internets:
Es gibt auch eine Edition Einseitig, deren einzige Printpublikation derzeit „Alpujarras Geschichten“ von einem gewissen Joseph-Heinrich Colbin (siehe Illustration) ist. Da dieser Herr laut Internet-Geschichtsschreibung seit einigen Jahrhunderten tot ist und als Co-Autoren Matthias Bickenbach und Michael Stolzke fungieren, zweifeln manche Germanisten an der Echtheit dessen „unbekannter romantischer Erzählung“. Nun jedoch folgt am 1. November im Studio des zakk zu Düsseldorf sogar eine Verleihung des Joseph-Heinrich-Colbin-Literaturpreises. Manche argwöhnen schon: Hier sind wohl (De-)Konstruktivisten am Werke. Dies also eine Surf- und Veranstaltungsempfehlung in einem. Man lasse sich doch auch mal anderswo den Kopf waschen beizeiten.

Für Zweifler:
Es gibt sogar einen renommierten Verein um Einseitig herum: Das Netzwerk freier Kulturjournalisten e.V. Und Mitte Oktober drehen sich die Themen und Geschichten im Magazin (das umfassende Archiv mal außen vor) z.B. um Woody Allen, Talkshows, Sarkozys Innenpolitik, Schiedsrichter und Salvador. Ein ganz eigener Pluralismus also. Oder, um das Editoral zu zitieren: „Die Frage „wie sich nicht regieren lassen?“ von Mächten und Meinungsmachern, die Michel Foucault als Antwort auf die Frage was Kritik sei entgegen stellte, mag den fernen Horizont unserer Aufforderung einseitig zu werden andeuten.“

www.einseitig.info

3 FÜR 7 – Ausgehtipps, ausnahmsweise am Sonntag

Thema „Veranstaltungsreihen“ – hier durchaus schon einmal andiskutiert. Was machen die Veranstalter am besten? Lokal fokussieren und zeitlich ausbreiten? Nur Spitzenproduktionen abliefern und die freie Szene sich selbst überlassen? Infrastruktur und Anreize schaffen und sich inhaltlich raushalten? Das Spektrum ist breit und zu Recht unterschiedlicher Ausprägung. Gut auszumachen ist dies Mitte Oktober an einem Filmtheater und den Kreativwirtschaftlern in Essen sowie an einem Theaterfestival in Dortmund.

Geburtstagsgala für die Essener Lichtburg! Und natürlich massenhaft Premieren drum herum. 80 Jahre wird die alte Dame, und es gibt bereits am 16. Oktober einen Stargast namens Elmar Wepper, der zu „Kirschblüten – Hanami“ von Doris Dörrie vorbeischaut. Die Deutschlandpremiere im Festprogramm gebührt „La Boheme“ von Robert Dornhelm mit Anna Netrebko und Rolando Villazón. Als Bühnenveranstaltung gibt es Gerhard Polt & Biermösl Blosn. Nun ja, das ist jedenfalls nicht alles, und bei der Geburtstagsgala am 18. Oktober wird der Gildefilmpreis vergeben, prominente Freunde und Förderer schauen rein und es gibt selbstverständlich Filme, Musik und Präsentationen. Glückwunsch!

„Essens Kreative Klasse“ – eine Art Showcase von Unternehmen und (sich zusammen schließenden) Einzelakteuren, die im gesamten Stadtgebiet vom Tag der Offenen Tür über (kostenfreie) Veranstaltungen bis hin zu Workshops auf unterschiedliche Weise zeigen was sie so drauf haben. Preise gibt es in diesem Jahr ebenso wie einen Schirmherrn Dieter Gorny und hier mal exemplarisch zwei der interessanteren Veranstaltungen: Bei der „talkbox“ in der Heldenbar des Grillo-Theaters reden am 18. Oktober kluge Köpfe des Popbiz Ruhr über das „Musikbusiness 2009“. Danach gibt es „Heldenrausch“ mit DJ Jan 3000 und Dirk Ping – es ist wohl eine Art „Popkomm in der Nussschale“. Zur „Paperchase an der Flora“ wiederum laden einige viele Geschäfte an der Florastaße in Rüttenscheid, geben eine kleine Zeitung mit Fragen drin heraus und blasen dann zur – genau – Schnitzeljagd am 17., 18. und 20.–25. Oktober. Natürlich finden aber auch Kongresse, Business Talks usw. statt, in denen die Entwicklungsgesellschaft Zollverein dann zeigt was sie inzwischen gelernt hat.

Schnell also raus aus Essen – da wird’s ja manchmal recht eng – und nach Dortmund, wo „Theaterzwang“ jetzt „favoriten08“ heißt. Äußerlich eine vorsichtige Modernisierung also, inhaltlich bleibt es bei einer Auswahl an freien Produktionen aus ganz NRW, Jury-gepickt und sorgsam aufbereitet. Einiges aus der Auswahl in Schlagworten: Es gibt z.B. Half Past Selber Schuld mit „Barfuss durch Hiroshima“ (Foto: Krischan Ahlborn) nach einem Manga von Keiji Nakazawa, Laurent Chétouane macht „Bildbeschreibung“ nach Heiner Müller (beide im Depot) und es gibt mit „Die Schauspieler“ von Kerlin, Lettow, Schmuck eine erste Koproduktion von favoriten mit dem Institut der Theaterwissenschaften Bochum, dem Ringlokschuppen, dem Pumpenhaus und dem Theater Moers – diese außerhalb des geschätzten Wettbewerbs, so wie es ja offiziell zu sein hat bei dieser Sorte fröhlichem Kulturfilz.

Im Überblick:
„80 Jahre Lichtburg“ vom 16.-22. Oktober – www.lichtburg-essen.de
„Essens Kreative Klasse“ vom 16.-26. Oktober – www.essenskreativeklasse.de
„favoriten08“ vom 17.-25. Oktober – www.favoriten08.de

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3 FÜR 7 – Ausgehtipps, immer noch wöchentlich

Drei aktuelle Hinweise zu potentiellen Top-Veranstaltungen der nächsten sieben Tage im Ruhrgebiet. Nun war der Autor ja vorher nicht da, geht es doch meist um seltene Auftritte oder Premieren. Aber ist es nicht eben das? Nicht nur aufgrund des bezahlten Geldes oder wegen "Erinnerungen auffrischen" die Show erleben, sondern um sich überraschen zu lassen von dem das die Künstler da Neues aufzubieten haben? Oder sich mal überwinden und trotz der alternden Knochen etwas Neues und Anderes an Input gestatten? Also auf zu Musik und Tanz mit Newcomern, gestandenen regionalen Popgrößen und natürlich echten Klassikern.

Anknüpfend an das Bob Dylan Thema letzter Tage direkt mal einen Tipp aus der Ecke: "This Wheel’s On Fire", gecovert von Julie Driscoll, Brian Auger & the Trinity, das war und bleibt ein enormer Reißer. Der Schöpfer dieser Interpretation ist einer dieser Organisten und Pianisten, denen man eben so gern zuschaut wie zuhört. Das sehen u.a. auch Herbie Hancock, Rod Stewart und Led Zeppelin so. Und das Beste nebenbei: Man kommt zu dem Konzert endlich mal an’s äußerste Ende Duisburgs, und zwar in den Steinbruch. Auch den muss man einfach mal gesehen haben, die Innenstadt und der Hafen hätten sowas gern!

Britpop aus Deutschland mit aufmunternden Beziehungs-Texten rezeptfrei, aber mit kommunikationsfreudiger Sängerin? Klee. Die sind durchaus einmal im Jahr anschaubar und nicht langweilig, haben ein neues Album draußen und haben im Hundertmeister (Duisburg) eine Art Heimspiel, so genau am Rhein-Ruhr-Eck, Sie verstehen? Klasse Sache und hinterher halt noch was trinken.

Und Edith Piaf darf heute auch noch grüßen. Und Maurice Chevalier, Gilbert Bécaud und Jacques Brel gleich mit. Um diese vier dreht sich nämlich die Bühnenpremiere des neuen Choreographen im Aalto (Essen) namens Ben van Cauwenbergh. "La Vie En Rose" heißt das Programm und wird zusammen gehalten durch einen Clochard, der sich der Lieblingsstücke seiner Jugend erinnert. Das ist fast Pop für Aalto-Verhältnisse, das sei gelobt (und zwar ohne Seitenhieb auf die Philharmonie).

Im Überblick:
Brian Auger’s Oblivion Express am Donnerstag, den 9. Oktober ab 20 Uhr im Steinbruch.
Klee am Sonntag, den 12. Oktober ab 20 Uhr im Hundertmeister. (Das Foto ist aus Essen.)
Premiere von "La Vie En Rose" am Samstag, den 11. Oktober ab 19 Uhr im Aalto. Weitere Vorstellungen im Oktober: 15. & 30. (19.30 Uhr), 19. (16.30 Uhr) und 25. (19 Uhr).

3 für 7 – Ausgehtipps am Dienstag

Anfang Oktober ist es so langsam, und da sollte doch… Anders gesagt: Wenn mit Beginn der Herbstsaison im Ruhrgebiet nicht mindestens drei absolute Hochkaräter im Programm wären, das wäre doch geradezu eine Schande für diese anscheinend so Kultur beflissene Gegend. Und was gibt es? Eine neue Jazzreihe, einen Gedenkabend und … Kurt Krömer. Immerhin!

Kurt Krömer schafft es auf erstaunliche Weise, den Nerd und das (leicht verbeamtete) Schoßhündchen im etwas angeschrägten Mann von heute sympathieträchtig gegen das Standardproletariat zu stellen und damit auch noch bei beiden Seiten – und darüber hinaus – zu punkten. Das reicht an der Ruhr schon weit im Vorfeld für eine ausverkaufte Essener Lichtburg und für nur noch wenige Restkarten im RuhrCongress Bochum. "Kröm de la Kröm" heißt die bereits jetzt extrem erfolgreiche Tour, und vielleicht gibt es bei der nächsten dann ja auch noch einen Termin mehr in der Nähe. Nicht wahr, Dortmund?

In die vollen in punkto Jazz und Improvisation geht das geschätzte Hundertmeister. Unter dem Titel "Kultgäste" werden von nun an lokale auf internationale Größen der Szene treffen, und zwar nicht gerade knapp. Den Anfang machen Th´Elektro Club (Tim Isfort, Thorsten Töpp und DJ till-o-mat) zusammen mit Saxophonistin Angelika Niescier und Schlagzeuger Achim Krämer für’s Regionale, internationale Gäste sind Han Bennink, Mary Oliver und Johanna und Christofer Warner. Ein starker Auftakt, der eine Menge feinsinniger wie dynamischer Improvisation verspricht!

Vor zehn Jahren verstarb Thomas Koppelberg, unbestritten einer der großen Charakterköpfe seiner Zeit. Den Schauspieler, Musiker und Theatergründer ehrt ein "Koppelberg Abend" im Theater Freudenhaus ganz im Sinne des Künstlers: Erst Anekdoten und Musik mit Gästen wie Markus Kiefer und Der Vorstand, dann ganz viel Party.

Im Überblick:
"Kröm de la Kröm" am Donnerstag, den 2. Oktober ab 20 Uhr im Bochumer RuhrCongress.
"Kultgäste" am Samstag, den 4. Oktober ab 19.30 Uhr im Duisburger HundertMeister.
"Koppelberg Abend" am Freitag, den 3. Oktober ab 20 Uhr im Essener Theater Freudenhaus.