Vom Bergbau lernen heißt sichern lernen – heute ein Blick in die FAZ

Andreas Rossmann, sehr landeskundiger NRW-Korrespondent für das Feuilleton der FAZ, leitet aus dem Einsturz des Kölner Stadtarchives, der die abgewandelte Form eines U-Bahn-Unglückes war, aufschlussreiche Lehren ab. Wäre nämlich der öffentliche Tiefbau nach den gleichen Spielregeln organisiert wie der Bergbau, wäre es zumindest nicht zu der organisierten Unverantwortlichkeit gekommen, die der schockierten Kölner Öffentlichkeit auf der Nase rumtanzte. Rossmanns Analyse hier.

 

Europawahl: Hier die guten Nachrichten

Glaubt man den Mainstream-Medien sind wir bei der Europwahl in einer Flut rechtskonservativer Hegemonie mit zahlreichen rechtsradikalen Merkmalen versunken. Mit der daraus erhofften selbstmitleidigen Larmoyanz auf linker und ökologischer Seite der europäischen Gesellschaft, eine Hoffnung, die leider nicht ganz unrealistisch ist, hofft man dann weiter auf der neoliberalen Welle surfen zu können.

Meine These ist: wenn die europäische Linke darauf reinfällt, ist sie selber schuld. Dass die Wahl vergeigt wurde, liegt nicht an rechter Stärke, sondern der linken Schwäche, keine inhaltliche und strategisch glaubwürdige Alternative aufzubieten. Die Fakten sprechen nicht für rechte Hegemonie. Sie sollen, weil in den meisten Medien absichtsvoll weggelassen, hier gesammelt werden.

1. Deutschland

Tatsache ist, dass die FDP die CDU-Verluste nicht kompensieren kann. Ihre Umfragebäume (16-18%) sind nicht in den Himmel gewachsen. Die Linkspartei hat dagegen schon alle Fehler begangen, weitere sind kaum denkbar; trotzdem erreichte sie 7,5%. Die Grünen stabilisierten das beste Ergebnis ihrer Geschichte (12,1). Die Piratenpartei, deren Existenz bisher reines Szenewissen ist, bekam in allen Großstädten, die diese Bezeichnung verdienen, über 1%.

2. Belgien

Die Ecolo-Liste steigerte sich von 3,7 auf 8,1%, Groen blieb stabil bei 5%, macht 13% links der Sozialisten.

3. Dänemark

Die Volkssozialisten mit linksgrüner Ausrichtung stiegen von 8 auf 14,8%.

4. Finnland

Die Grünen verbesserten sich von 10,4 auf 12,4%.

5. Frankreich

Die Grünen stiegen von 7,4 auf 16,3%. Die desolaten Ex-Kommunisten konnten sich im Bündnis mit anderen Linken von 5,3 auf 6% stabilisieren.

6. Griechenland

Hier konnten sich sogar die korrupten Pasok-Sozialisten von 34 auf 36,7% steigern. Die notorisch sektiererischen und gespaltenen diversen Kommunisten links der Pasok haben in der Summe kaum verloren: 13,1% (vorher 13,7).

7. United Kingdom

Alle schauen auf den Zusammenbruch von Labour, schlimmschlimm, jaja. Die Liberaldemokraten, die im Gegensatz zu Deutschland im UK schon links von Labour zu verorten sind, sind stark geblieben: 13,7% (vorher 14,9), die Grünen haben sich – ohne Parlamentspräsenz im Unterhaus! – von 6,3 auf 8,6% gesteigert.

8. Irland

Labour verbessert sich von 10,6 auf 13,9, Sinn Fein bleibt stabil auf 11,2%.

9. Italien

Die italienische Rechtskoalition ist noch nie über 50% gekommen, sondern profitiert immer vom Wahlsystem und der politischen Zersplitterung einer möglichen linken Alternative. Berlusconis Truppe plus die rassistische Lega Nord landeten diesmal bei 45,5%, weniger als bei der letzten Parlamentswahl. Das "Italien der Werte" von Ex-Staatsanwalt di Pietro und dem Mafiagegner Leoluca Orlando steigerte sich von 2,1 auf 8% – im Gegensatz zu den der SPD vergleichbaren windelweichen Demokraten (von 31,1 auf 26,2) fordern sie eine klare Opposition gegen Berlusconi.

10 Luxemburg

Die Grünen steigen von 15 auf 17,4%.

11. Malta

Die Arbeiterpartei (Labour) steigt von 48,4 auf 55%.

12. Niederlande

Die deutschen Medien konzentrierten sich ausschliesslich auf den Aufstieg der Rechten. Ein WDR-Radiokorrespondentenbericht, der die tatsächliche Amibivalenz des zutreffend beschrieb, wurde penetrant falsch und tendenziös anmoderiert. Hier die andere Seite: die Linksliberalen D 66 stiegen von 4,2 auf 11,3%, Groenlinks stieg von 7,4 auf 8,9%. Die Lafontaine-ähnlichen populistischen Sozialisten blieben bei 7 % und damit sicher unter ihren Erwartungen – macht 27% links der großkoalitionären Sozialdemokraten. Da werden wir in Deutschland noch lange von träumen, oder?

13. Österreich

Von den Ösis gibts leider wirklich nichts Positives zu berichten.

14. Polen

Kaum zu glauben, aber die Demokratische Linksallianz stieg im Woytila-Land von 9,4 auf 12%.

15. Portugal

Ein "Linker Block" stieg von 4,9 auf 10,7%, die altdogmatischen Kommunisten von 9,1 auf 10,7%.

16. Rumänien

Hier ist alles anders, die Sozialdemokraten gewannen 30,8% (nach 23,1).

17. Schweden

Die Piratenpartei errang 7,1% und einen Sitz; bei den jungen Männern wurde sie stärkste Partei. Die Grünen stiegen von 6 auf 10,8%.

18. Spanien

Trotz dramatischer Wirtschaftskrise hat sich die rechte Opposition kaum verbessert: 42,2% (+ 1,0), links der regierenden Sozialisten haben 6,2% gewählt.

19. Tschechien

Die Sozis gewannen von 8,8 auf 22,4%, u.a. zu Lasten der Kommunisten (von 20,3 auf 14,2).

20. Zypern

Die Linkspartei Akel verbesserte sich von 27,9 auf 34,9%, die Sozialisten eroberten weitere 9,9%.

Man kann sich über die Bewertung solcher Zahlen unendlich streiten. Tatsache ist: nicht alles ist ein Bild des Jammers, und vieles davon ist selbstverschuldet und fern jeder Ohnmacht.

Und hier noch die Lesetipps in heutigen Mainstream-Medien 😉

Robert Misik erklärt in der taz das "Monsterminus" der Sozialdemokraten.

Andre Brie, der geschulte Dialektiker kleidet seine fundamentale Lafontainismuskritik in eine Lafontaine-Hommage und publiziert sie im Spiegel.

Ruhrstadt oder Berlin?

 

 

Kürzlich war ich mit dem Dezernenten einer Ruhrgebietsstadt essen (und trinken) in Essen. Später kam noch seine Frau dazu. Unser Gespräch mäanderte aufs Angenehmste durch alle Themen des Weltgeschehens. Irgendwann stellte er dann die These auf, Berlin sei sozial und kulturell spannender und vielfältiger als das Ruhrgebiet. Da war ich platt.

Denn ich kenne den Kollegen als extrem fach- und sachkundig, was alle wichtigen Entwicklungen des Ruhrgebietes betrifft (an alle, die jetzt raten: es ist kein früherer Chef von mir), ich nutze ihn sogar als Informationsquelle, wenn ich z.B. im Freitag über Ruhrgebietsthemen schreibe. Ich widerspreche ihm, aber halte dieses Phänomen für repräsentativ für das Ruhrgebiet: der permanente Minderwertigkeitskomplex, der Neid auf die Konkurrenz, sei es nun Düsseldorf, Köln oder Berlin und das Übersehen der eigenen Potenziale. Wer kennt es nicht, dass man seine Stadt erst kennenlernt, wenn einen auswärtige Gäste bitten, ihnen mal eine Führung zu organisieren? Als ich längst im Rheinland studierte, baten mich MitstudentInnen, ihnen eine "Tour de Ruhr" zu organisieren, inspiriert von der gleichnamigen TV-Serie der 80er Jahre (Drehbuch Elke Heidenreich; eine Hauptrolle: Marie-Luise Marjan, die spätere "Mutter Beimer"). Dabei lernte ich im hohen Alter von 25 erst die wahren Qualitäten meiner Heimat kennen, die Arnold Voss kürzlich an dieser Stelle in seinem lesenswerten Essay aktualisiert beschrieben hat. (ja, der Text ist lang, aber er lohnt sich!)

Nun bittet Europa das Ruhrgebiet als Kulturhauptsdtadt zu fungieren – und ja, das muss ein Erfolg werden – aber die Akteure finden Berlin irgendwie doller. Wenn es nicht so ernst wäre, wäre es zum lachen. Mein Gesprächspartner sah schnell ein, dass das Ruhrgebiet nicht nur doppelt so groß wie Berlin ist (an Einwohnern), näher am prosperierenden Rheinland, an Brüssel, Paris und London liegt, sondern auch ein Vielfaches an Opern, Theatern und kreativer freier Szene zu bieten hat. Gleiches gilt für die Einwohner mit, wie Landesminister Laschet sagen würde, "Einwanderungsgeschichte". Was hat Berlin dem Ruhrgebiet voraus? Die Bundesregierung, Beamtenapparate, politische Klasse (die dort besonders abgehoben weil fern der überwiegend westlichen Heimat agiert), Lobbbyisten- und Politikberatungsindustrie. Da kann ich als heutiger Bonner nur sagen: seid froh, dass die so weit weg sind! Seit sich viele von denen aus Bonn verzogen haben, hat die Stadt erkennnbar an ökonomischer, sozialer und kultureller Dynamik gewonnen – und wie Blei liegen sie jetzt auf dem ohnehin schon bitterarmen Berlin.

Die Musikindistrie ist fast komplett nach Berlin übergesiedelt. In Köln macht man dankbar drei Kreuze darüber. Denn sie ist – aufgrund eigener Dummheit, die eigenen Fans als Verbrecher zu jagen – mittlerweile noch töter als der Steinkohlebergbau. Und Dieter Gorny spricht für sie. Muss man Berlin darum beneiden?

Ich fragte also meinen Gesprächspartner, wie er denn darauf komme. Nun ja, meinte er, in Berlin- Mitte sei doch um diese Zeit (es war 22.30 in einem indischen Lokal in Essen-Rüttenscheid) mehr los als hier. Das musste ich zugeben. Allerdings ist es ein Irrtum, das für einen Beweis sozialer und kultureller Vielfalt zu halten. Es gibt nämlich kaum etwas monokulturelleres als Berlin-Mitte. Was mich an Berlin irre machen kann, wie auf engstem Raum so eine soziale Segregation statttfinden kann, dass z.B. in Straßen, die auf der Grenze der Bezirke Wedding und Mitte verlaufen, die Leute die Straße einfach nicht überqueren. Dagegen ist die U17 von Essen nach Gelsenkirchen-Horst ein avantgardistisch-multikulturelles Entwicklungslabor.

Ich muss nur zugeben, dass ich selbst das auch erst sehe, seit ich in der idyllischen Puppenstube Bonn (weniger als halb so viele Erwerbslose wie in Gelsenkirchen) lebe und sie regelmässig zum Verwandtenbesuch im wahren Leben des Ruhrgebietes verlasse. Die Chance des Ruhrgebietes ist die Alltagskreativität seiner Einwanderer (schon immer gewesen), und hier besonders der jungen, und von denen besonders der Frauen. Keine andere deutsche Region hat so viel davon, auch Berlin nicht. Ob die Kulturhauptstadt dem Rechnung trägt, weiss ich nicht. Aber sie muss es!

Als wir uns im Gespräch gerade darauf einigten, erschraken wir, es war schon viertel vor 11 geworden. Es war ein Werktag. Die letzte Bahn nach Karnap fährt um 23 Uhr. Ich musste zugeben, so wird das natürlich nichts. Berlin, Du hast es doch besser.

Die Angst des weissen Mannes vor der schwarzen Frau

Meine ersten fünf Lebensjahre brachte ich an der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Gladbeck zu. Die damals sehr kinderreiche Siedlung, heute sieht sie wie eine akkurate Rentnerreihenhaussiedlung aus, wurde damals "Mau-Mau-Siedlung" genannt und noch heute hat ein Kartenspiel diesen Namen. Wenn meine Eltern mich veranlassen wollten, mein Kinderzimmer aufzuräumen, behaupteten sie häufig: "Hier siehts ja aus wie bei den Hottentotten."

 

Das war zwischen 1957 und 1962. Meine Eltern wählten CDU, die Großeltern waren keine Nazis, sondern beim Zentrum oder wählten SPD. Das war damals normaler Ruhrpottsprech, niemand dachte sich was dabei.

Heute geht es etwas anders zu, aber der projektive Rassismus feiert offensichtlich dennoch weiter fröhliche Urständ. Was uns der damalige Sprech als Kleinkind einbimste war ja, dass es auch Andere gab, Wilde, Unerzogene. Im heraufziehenden TV sahen wir, dass die nicht nur beängstigend dunkel aussahen, sondern auch schneller rennen und besser boxen konnten. Sie legten es, wie ein gewisser Cassius Clay mit seinem Großmaul, regelrecht darauf an uns Angst zu machen. Heute bedauern wir den gleichen Mann als erkrankten Ali und weinen zusammen, wenn er das olympische Feuer anzündet. Trotzdem glauben wir, dass die Schwarzen irgendwie mehr Rhythmus im Blut haben, und – ganz entscheidend: wilder rumvögeln, sonst gäbe es in Afrika ja nicht so viele Aids-Opfer.

Genau dieses Bild wird in dem Fall der Frau, die unter dem Vorwurf, mehrere Männer bewusst mit Aids infiziert zu haben, verhaftet wurde, unausgesprochen aber penetrant bedient. Die meisten Zeitungen beschäftigen sich ausführlich und extrem selbstbezogen mit der Frage, inwieweit der Fall die Pressefreiheit und das Persönlichkeitsrecht berührt. Heribert Prantl hat heute in der Süddeutschen zu dieser Abwägung, wie so oft, fast alles Nötige geschrieben.

Nirgends jedoch wird die rassistische und Gender-Komponente des Falles erörtert. Man lässt die Bilder und den Staatsanwalt sprechen, der Rest spielt sich in den Köpfen ab. Wer ist schwer im Kommen in unserer Gesellschaft? Es sind die Frauen. Und es sind besonders die bi- oder trikulturell gebildeten Migrantinnen. Dass sie bei den Castingwettbewerben der privaten TV-Sender so überdurchschnittlich reüssieren konnten, hat bereits etwas mit ihrer hohen Adaptionsfähigkeit neuer Spielregeln zu tun. Sie machen uns vor, wie frau heute Karriere macht, berühmt wird, dabei gut aussieht und im Bett immer öfter oben liegt.

Nun haben deutsche Juristen mal zurückgeschlagen. Diesem wilden Treiben durfte nicht mehr tatenlos zugesehen werden. Über ein Jahrhundert ist es gelungen, in der deutschen Rechtswissenschaft durch alle historischen Umbrüche Kontinuität zu sichern, vor allem auf den Lehrstühlen, aber auch in den Behörden. Da wächst selbstverständlich die Verantwortung, eigene Beiträge gegen wachsende gesellschaftliche Unordnung zu leisten. Vieles, was bereits den Verfassungsrichter Udo die Fabio in seinen Werken "Die Kultur der Freiheit" (2005) und "Gewissen, Glaube, Religion" (2008) beunruhigt hat, ist symbolisch mit der Verhaftung dieser schönen schwarzen Sängerin zielsicher getroffen worden.

Nachbemerkung: "Schwarz" wird hier nicht als identisch mit afrikanischer Herkunft angenommen, sondern als Sammelbegriff für rassistische Diskriminierung aufgrund äußerer Erscheinung. Es gibt, was nicht viele wissen, z.B. mehrere hunderttausend Schwarze Deutsche, die nicht nur zur Nazizeit, sondern auch zu Zeiten des "Mau-Mau"- und "Hottentotten"-Sprech extrem übler Diskriminierung ausgesetzt waren. Heute agieren sie mit erheblich größerem Selbstbewußtsein, z.B. in der Initiative Schwarze Deutsche. Durch die Einwanderungswellen der letzten Jahrzehnte hat sich zum Glück zumindest in den Städten das öffentliche Erscheinungsbild spürbar internationalisiert. Aber nicht jedem Weissen Deutschen gefällt das.

Noch ein Quellenhinweis vom Sonntag: zum Thema "HIV & Öffentlichkeit" Nils Minkmar in der FAS, eine seltene Stimme der Vernunft.

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Presseschau Migration/Integration

Foto: Beate Moser

Das Ruhrgebiet ist die größte Einwanderungsregion Europas. Da kann es nichts schaden manchmal über den Tellerrand zu schauen, wie es in der Einwanderungs-, Integrations- und Flüchtlingspolitik zugeht. An dieser Stelle soll in Zukunft ca. einmal im Monat eine Presseschau zu diesem Thema erscheinen. Sie erhebt keinen Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit, sie enthält Texte, die aus meiner Sicht für – die oftmals kontroverse – Debatte in diesem Themenbereich von Interesse sind. Die Aufnahme von Texten bedeutet keine Identifikation mit ihren inhaltlichen Aussagen. Auf den Link klicken führt zum Text.

Sinus-Studie zeichnet neues Bild der Migranten (Telepolis, mit Links zum Originaltext der Studie)

Navid Kermani wehrt sich gegen Identitätszuweisungen (KStA)

Lehrer mit Zuwanderer-Biografie gesucht! (Die Zeit)

Im Förderunterricht klappt es schon (Die Zeit)

Siemens weniger "deutsch und männlich"? (FTD)

In Berlin-Neukölln machen Migrantinnen Quartiersarbeit (Tagesspiegel)

Basare für das Ruhrgebiet ? (WAZ)

Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb im Interview (Berliner Zeitung)

FAZ-Ressort Wissen über verschiedene Migrationskulturen

Ermittlungen gegen Islamfunktionäre (Kölner Stadt-Anzeiger), zum gleichen Thema Hubert Wolf in der WAZ

Werner Schiffauer verteidigt die Islamkonferenz (Berliner Zeitung)

In Kreuzberg gibts Streit zwischen Migranten und Drogenszene mit Cem Özdemir mittendrin (Jungle World); zum gleichen Thema eine Reportage der Berliner Zeitung; und dito die taz

Nach 40 Jahren: Türkin soll ausgewiesen werden (Tagesspiegel)

Eine 22-jährige Schwarze wurde nach Togo ausgewiesen, hier erzählt sie, wie es ihr ergangen ist (SZ)

WAZ-Berichterstattung über eine Schießerei in der Grugahalle, ausgelöst durch einen Hamburger Afghanen beim Nowrooz-Fest,

der mutmaßliche Täter wurde mittlerweile festgenommen (NRZ)

Kairoer Soziologin meint: "Konsum macht rebellisch" (taz)

Das türkische Kommerzkino boomt (Freitag)

Buchbesprechung zu Pariser Banlieus (FR)

Micha Brumlik über Antisemitismus und Islamophobie (taz)

Zum Spannungsfeld Palästinasolidarität und Antisemitismus ein Interview mit dem Sozialwissenschaftler Peter Ullrich (Telepolis)

100.000 organisierte jugendliche Rechsradikale – übertreibt Prof. Pfeiffer oder verniedlicht der "Verfassungsschutz"? (taz)

"Ehrenmord"? Ermittlungen im Fall Gülsüm (WAZ)

Zur Lage der MigrantInnen in Spanien (Berliner Zeitung)

In Istanbul wird das Roma-Viertel Sulukule plattgemacht (Tagesspiegel)

Der Springer-Verlag hat Probleme mit seinem Dogan-Deal (FTD)

Türkische Kommunalwahl: Denkzettel für Erdogans AKP (taz)

Zur Lage der Arbeitsmigranten in Zentralasien in der Wirtschaftskrise (Junge Welt)

Bürgerwehr in Verona (Berliner Zeitung)

Cem Özdemir zum Ex-Schalker Mesut Özil (taz)

 

 

Köln-Unglück: Keiner ists gewesen

Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute ausführlich auf einer ganzen Seite über Vorwarnungen, die es bereits im Vorjahr zum Kölner U-Bahnbau, der Anfang dieses Monats den Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Todesopfern nach sich zog, gegeben hat.

Am 30. September habe das Aachener Hochschulinstitut für "Geotechnik im Bauwesen" eine 84-seitige Studie vorgelegt, die vor einem "hydraulischen Grundbruch" gewarnt habe. Die NRW-Ingenieurkammer Bau wird dahingehend zitiert, dass die Ausschreibung der U-Bahn-Bauarbeiten nach dem "Geiz ist geil"-Prinzip ausschliesslich über das Kriterium niedrigster Preis erfolgt sei.

Hinterher ist man natürlich immer schlauer. Es bleibt die Frage, warum solche wichtigen Warnungen nicht vor dem Unglück öffentlich wurden. Hier fällt auf, dass sich dafür niemand verantwortlich fühlt. Die Baufirmen schweigen, alles andere kann für sie sehr teuer werden. Die Kölner Verkehrsbetriebe wollen es nicht gewesen sein und schieben es auf die Baufirmen. Die Stadt Köln nicht, sie schiebt es auf ihre Verkehrsbetriebe. OB Schramma (CDU) auch nicht, der hat ein Alibi, war in Österreich. Der kommunalaufsichtführende Regierungspräsident (heute Lindlar-CDU, davor Roters-SPD und jetzt rotgrüner OB-Kandidat) schiebt alles auf die Stadt. Der Stadtrat fand sich in seiner letzten Sitzung in Trauer vereint, aber war zu politischen Konsequenzen – verständlicherweise? – nicht in der Lage. Bund und Land, die U-Bahnbau üblicherweise zu 90% finanzieren, haben selbstverständlich überhaupt gar nichts mit all dem zu tun. Was geht sie Köln an? Mit ein paar Ressentiments zu Klüngel und Karneval hat man sich da schnell rausgeredet.

Genau dieses Szenario einer anscheinend unauffindbaren Verantwortung ist es, das die Menschen in Köln in einen stimmlosen Wahnsinn treibt. Es braut sich ein Volkszorn zusammen, der kein Ventil und keine politische Artikulation hat. Das kann bei der Kommunalwahl, wann immer sie stattfinden wird (aktueller Stand: 30.8.), zu einem unausrechenbaren Unwetter führen. Die Angst davor ist es, die das Handeln der Kölner Akteure dominiert.

 

WDR-Story: KölnBonner Sparkasse „beraten und verkauft“

Ein ansehnliches Stück Journalismus lieferte das WDR-Fernsehen gestern um 22 Uhr mit einer aktuellen Programmänderung in seiner Reihe "WDR-Story". Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann zeigten, "wie Politiker und Investoren bei der Sparkasse KölnBonn abkassieren" – Wiederholung morgen (Mittwoch, 11.3., 12 Uhr).

Das Traurige daran ist, neben dem skandalösen Inhalt, der so sicher nicht nur in Köln aufzufinden ist, dass diese Art von engagiertem und handwerklich sauberem Journalismus heute eine besondere Erwähnung wert ist. Die Autoren, die bereits ähnliche Stücke in der Vergangenheit geliefert haben, sind sogar – völlig zu Recht – mittlerweile vielfach preisgekrönt (Deutscher Fernsehpreis, Nominierung für den Grimme-Preis etc.). Von den öffentlich-rechtlichen, also "unseren" Sendern müssten wir eigentlich verlangen können, dass sowas Alltag ist. Gestern, Montag, war aber ein "Sonntag".

Wers verpasst hat – unbedingt morgen ansehen (oder aufzeichnen) – ein Lehrstück über Köln hinaus!

Köln: Die Frage nach der Verantwortung

Der Kollege Dirk Graalmann nimmt heute in der Süddeutschen den Kölner Junior-Verleger Konstantin Neven DuMont als Kronzeugen für die Frage nach der politischen Verantwortung für die Kölner Katastrophe, deren Ausmass immer noch nicht zu überblicken ist. Mit der Suche nach den zwei Vermissten konnte bis heute morgen immer noch nicht begonnen werden. Mehrere weitere Häuser sind einsturzgefährdet. Die am Platz befindlichen Journalisten durften gestern in ein 27 Meter tiefes Loch gucken.

Die Verantwortung: ja, es ist wahr. Es war der gleiche Oberbürgermeister Schramma (CDU), der in diesen Tagen von einem Bedenklichkeitsanfall den U-Bahnbau betreffend übermannt wurde, der den U-Bahnbau einst stolz eröffnet hat, zusammen mit seinem heutigen rot-grünen Gegenkandidaten und damaligen Regierungspräsidenten Jürgen Roters (SPD). Und es hätten ihrer beiden Behörden sein müssen, die die geologischen Besonderheiten des Kölner Untergrunds wahrscheinlich besser etwas gründlicher geprüft hätten, als sie es getan haben. Der Kollege Dieter Bartetzko hat dazu in der FAZ einiges zusammengefasst, was kein Geheimwissen war, und nach dessen Lektüre man sich eher fragt, wie jemand auf die Idee kommen kann, da eine U-Bahn bauen zu wollen.

Doch kommen wir noch mal zur sehr grundsätzlich aufgeworfenen Verantwortungsfrage des Kölner Zeitungsverlegers zurück. Im Windschatten dieses Kölner Dramas dräut am Horizont ein anderes: die KölnBonner Sparkasse veranstaltet nächste Woche ihre Bilanzpressekonferenz. Einige hoffen, dass sie nun weniger Beachtung findet. Es ist die öffentliche Sparkasse, die bei spektakulären Kölner Immobilienprojekten Risiken übernommen hat, bei denen sich der private OppenheimEsch-Fond mit voluminösen Mietgarantien ausstatten liess. Und wer hat ein beachtliches Scherflein seines bescheidenen Vermögens in diesem Fond angelegt? U.a. eine Kölner Verlegerfamilie. So viel Verantwortungsbewußtsein!

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Kölner Unglück: Fragen an deutsche Ingenieurskunst, Medien und Politiker-Parallelgesellschaften

Nach wie vor werden Menschen vermisst. Drei Hunde sollen an der gleichen Stelle des Schuttberges angeschlagen haben. Doch mit Rettungsarbeiten kann erst morgen begonnen werden. Man weiss nicht, wo man in der eng bebauten Kölner Südstadt die großen Kräne hinstellen soll, wo der abgeräumte Schutt zwischengelagert werden kann, wie LKWs und anderes Großgerät manövriert werden sollen.

Nach wie vor fürchtet man einstürzende Nachbargebäude und hofft, dass niemand in dem Schutt liegt, weil wenn, dann sei die Überlebenschance nahe 0.

Liebe deutsche Ingenieure: haben wir kein Kleingerät, um bedrohte Menschen auszubuddeln? Wie haben das unsere Großeltern eigentlich nach 1945 gemacht? Die hatten auch keine Großkräne und LKWs, nur die Superglücklichen hatten überhaupt ein Fahrrad. Ist es Blödsinn das zu fragen?

Deutsche Medien: wie müssen es die Angehörigen der Vermissten wohl empfinden, wenn ihr die vielen Betonmischer bewundert, die jetzt seit 24 Stunden und noch weitere 12 Stunden instabile Löcher verfüllen, während man mit der Rettung der Vermissten immer noch nicht beginnt (beginnen kann?)? Wie müssen es die Angehörigen empfinden, wenn jetzt über den Versicherungswert der zerstörten Kulturgüter spekuliert wird. Die Spekulationsspannbreite reicht derzeit von 60 bis 400 Mio. Euro – der Hinterbliebene des Althaus-Skiunfall-Opfers, nur mal so zum Vergleich, bekam großzügige 5.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das sind doch mal Maßstäbe, oder? (österreichische allerdings)

Deutsche Politiker: Wie immer schiesst einer von Euch, der Kölner Oberbürgermeister Schramma den Vogel ab. Ihm ist jetzt ein Licht aufgegangen, nämlich dass U-Bahn-Bau in dicht bebauten Städten eigentlich heutzutage nicht mehr zu verantworten sei. Neben ihm sitzt bei anderer Interviewgelegenheit der Sprecher seiner Verkehrsbetriebe und erklärt ebenso wortreich, dass an einen Baustopp nicht zu denken sei, das sei auch für die Sicherheit kontraproduktiv. Ist das nicht beruhigend? Ein Investment, das von gut 600 Mio. auf über eine Mrd. Euro gestiegen und damit immer noch nicht fertig ist, das mögen die Herren, die hier mit unserem Steuergeld hantieren, eben nicht gerne so einfach aufgeben.

Wäre es vielleicht besser gewesen, wenn das Gerücht von den 30 Opfern stehengeblieben wäre? Hätte es dann andere Prioritäten gegeben? Hätte das die zwei oder drei Vermissten vielleicht retten können? Darf man das fragen? Ich lasse mich gerne belehren.

Nachrichtenlage zum Kölner Hauseinsturz

Anfängliche Gerüchte über 30 Todesopfer scheinen sich zum Glück nicht zu bestätigen. WDR-Quellen, u.a. der geschätzte Kollege Frank Ãœberall, berichten von zwei Vermissten und „noch nicht einmal Schwerverletzten“. Das ist wohl der Vorwarnung durch einige Bauarbeiter zu verdanken, die einen Wassereinbruch im Untergrund festgestellt hatten. Gerätselt wird noch über die Ursachen.

Hauptverdächtiger ist der U-Bahnbau der Kölner Nord-Süd-U-Bahn, durch den bereits im Jahr 2004 ein in unmittelbarer Nähe des heutigen Gebäudeeinsturzes befindlicher Kirchturm Berühmtheit als „Schiefer Turm von Köln“ gewann. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, dann ist der materielle Schaden noch um einiges größer, als er der Stadt Köln schon durch mehrere hundert Mio. Euro schwere Verlustgeschäfte ihrer Sparkasse entstanden ist. Und über die großzügig bereitgestellte Landesförderung für dieses unsinnige U-Bahn-Bauprojekt haben wir dann diese Katastrophe alle mitfinanziert.

Der Kölner Südstadt bleibt wirklich nichts erspart. Von Brauchtumsgruppen wie Black Föss und BAP viel besungen, durch den U-Bahn-Bau in ähnlicher Weise ruiniert, wie  z.B. Essen-Altenessen, im Karneval von alkoholisierten Bergheimer Besatzungstruppen überfallen, und nun stürzen dort auch noch ganze Häuser ein. Hoffen wir, dass es wirklich keine Todesopfer gab.

Update:
Bei dem eingestürzten Gebäude handelt es sich um das Historische Archiv der Stadt Köln. Der kulturelle Wert der vernichteten Dokumente, darunter Nachlässe von Heinrich Böll und Jacques Offenbach, ist noch nicht abschätzbar. Zahlreiche Nachbargebäude sind einsturzgefährdet und geräumt worden. Gefahren lauern auch in möglicherweise defekten Versorgungsleitungen.

Die Kölner Polizei meldete am Abend drei vermisste Personen. An Räumungsarbeiten sei wegen weiterer Einsturzgefahren noch nicht zu denken.

Ursache soll ein unterirdischer Erdrutsch sein. Erdreich unter dem Stadtarchiv sei in den U-Bahntunnel gerutscht.

Eberhard Illner, ein ehemaliger Abteilungsleiter des Stadtarchives, erklärte in Interviews, u.a. mit der WDR-Lokalzeit Köln und dem Deutschlandradio, die Stadtverwaltung Köln bereits vor Monaten auf Risse und Bodenabsenkungen in dem 1971 errichteten Gebäude hingewiesen zu haben. Die Schäden seien durch den U-Bahnbau hervorgerufen worden.