Der Unabsteigbare geht

Wechsel an der Spitze der Telefongesellschaft Freenet: Eckhard Spoerr geht. Warum ich darüber schreibe? Mit Spoerr geht der wohl umstrittenste Manager der Telekombranche.

Spoerr hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt trotz widriger Umstände auf dem Posten behauptet. Er ist ein Kämpfer, den man nicht mögen muss. Wird er doch auch mal laut im Interview. Aber eines muss man ihm zugute halten: Er war immer für eine Überraschung gut. In der Branche hatte Spoerr viele Gegner, ließ er doch lange Zeit keine Chance aus, etwa die Telekom zu verklagen.

Der Schwabe war seit der Gründung der freenet.de AG im Jahr 1999 Chef der Telekomfirma und übernahm nach der Fusion mit der Muttergesellschaft mobilcom die Führung über die gemeinsame Gesellschaft. Die Berufung kam unerwartet, war doch der frühere mobilcom-chef Thorsten Grenz für den Posten vorgesehen. Spoerr dürfte nicht geschadet haben, dass der Finanzinvestor TPG als Großinvestor von einer üppigen Sonderdividende profitierte.

Spoerr überlebte an der Spitze auch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit Aktien der eigenen Firma; zumindest vorerst. Auch überstand er den Einstieg einer aggressiven Berliner Heuschrecke. Vom Vorstandsvorsitz konnten ihn auch nicht United Internet und Drillisch verjagen, die im vergangenen Jahr größter Anteilseigner der Büdelsdorfer Gesellschaft wurden, um das DSL-Geschäft zu übernehmen. Spoerr widersetzte sich den Plänen und konnte dennoch sein Amt halten.

Um die beiden Großinvestoren in die Defensive zu bringen, kaufte Spoerr den hochverschuldeten Mobilfunkprovider debitel. Damit wurde der debitel-Eigner Permira Aktionär von Freenet. Der Finanzinvestor stellt sich auf der Hauptversammlung im vergangenen August hinter Spoerr und sicherte so seinen Verbleiben als Freenet-Chef. Doch Permira ist aus einem anderen Holz geschnitzt als die vorherigen Großaktionäre. Sie stellten Spoerr Bedingungen, so sollte er das DSL-Geschäft verkaufen und die debitel-Zentrale in Stuttgart erhalten. Der Verkauf des Breitbandgeschäfts hängt und die Zentrale will Spoerr nach letzten Plänen massiv beschneiden.

Da platzte Permira der Kragen, hörte ich im Umfeld der Investors. Hinter den Kulissen fädelte Permira in den vergangenen zwei Wochen die Ablösung von Spoerr ein, Hauptgesprächspartner war United-Internet-Chef Ralph Dommermuth – kein Freund von Spoerr. Die Gespräche dauerten länger als erwartet, da Permira und Dommermuth eine jursitisch "wasserdichte" Lösung wollten.

Das ist ihnen offenbar gelungen: Montagabend teilte Freenet nun mit, dass Eckhard Spoerr das Unternehmen „auf eigenen Wunsch“ zum 23. Januar verlassen wird. Irgendwann im Januar soll auch das Verfahren wegen Insiderhandel anlaufen.

Thyssen – Schlechte Nachricht zum Weihnachtsfest

Wenige Tage vor Weihnachten müssen sich die Mitarbeiter von ThyssenKrupp Steel auf schlechte Nachrichten einstellen. Spätestens zum Februar werden viele Kollegen des Stahlkonzerns auf Kurzarbeit geschickt.

Vertreter des größten deutschen Stahlkonzerns und des Betriebsrats einigten sich im Grundsatz auf die Einführung von Kurzarbeit. Wie viele der rund 20.000 Beschäftigte betroffen sind, ist noch unklar. Die Nachricht kommt nicht unerwartet, ringt doch der Konzern mit einer drastisch gesunkenen Nachfrage. Die Werksferien wurden bereits verlängert, um auf die Lücke zwischen Bestellung und Produktion zu reagieren.

Ein schnelle Erholung steht nicht an, soll die Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur Duisburg doch bis Ende September beantragt werden. Damit zeigt sich: Ungeachtet aller Hoffnungen wiederholt sich der Schweinezyklus. Also dem Auf und Ab der Stahlnachfrage. Bleibt zu hoffen, dass die Thyssen-Chefs keine kalten Füße bekommen und Arbeitsplätze abbauen. Schlechtes Vorbild wäre ArcelorMittal, die weltweit 9000 Stellen streichen.

Zumwinkel-Jägerin geht

Sie hat ordentlich Schwung in die Jagd auf Steuersünder gemacht; und vor allem mit dem Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel einen prominenten Wirtschaftskapitän ins Visier genommen. Nun schmeißt die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen den Brocken hin.

Die Mitteilung aus dem Justizministerium NRW kam am Abend und war nur wenige Zeilen lang: Lichtinghagen verlasse den staatsanwaltschaftlichen Dienst zum Jahreswechsel und übernehme eine Aufgabe an einem Amtsgericht in Nordrhein-Westfalen. Was ist passiert? Intern soll es zu Kritik an der Juristin gekommen sein – laut der Nachrichtenagentur dpa wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der Verteilung von Bußgeldern an gemeinnützige Organisationen.

Ob die Vorwürfe Substanz haben, erscheint unwahrscheinlich. So spricht das Justizministerium von einer "einvernehmlichen Lösung" beim Rückzug der Staatsanwältin. Und. "Die Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe rechtfertigt keine sofortigen dienstrechtlichen Maßnahmen", heißt es in der Mitteilung. Aufklärung soll eine laufende Prüfung der Generalstaatsanwalt in Hamm und des Justizministerium bringen.

Und was wird nun aus dem Zumwinkel-Fall? Der soll am 22. Januar vor Gericht kommen. Die Anklage wird dann natürlich nicht Lichtinghagen vorgebracht. Eigentlich schade, die Früchte ihrer harten Arbeit kann sie nicht ernten.

WestLB in Haftung

Ein Verkauf mit Tücken: Der Stahlhändler Klöckner & Co gehört schon seit 2005 nicht mehr zur WestLB. Trotzdem muss die Landesbank blechen – Geld, dass sie eigentlich nicht hat. Wird das Geschäft doch von der Finanzkrise belastet.

Klöckner wurde heute von den französischen Kartellbehörden zu einer Geldstrafe über 169 Millionen Euro verurteilt. Die Duisburger haben sich dem Urteil zufolge in den Jahren 1999 bis 2004 an einem Kartell beteiligt; dabei haben sich insgesamt elf Firmen zusammengetan, um die Preise auf dem französischen Stahlhandelsmarkt abzusprechen. So lautet zumindest das Urteil der Kartellhüter.

Klöckner hatte mit einer deutlich geringeren Strafe gerechnet und daher nur 20 Millionen Euro zurückgestellt; weitere 79 Millionen Euro muss der Konzern nun aus eigener Tasche dazulegen. Die verbliebenen 70 Millionen Euro holt sich Klöckner von den Landesbanken WestLB und HSH Nordbank, die im Jahr 2005 die Firma an den Finanzinvestor LGB um den früheren Thyssenchef Dieter Vogel verkauft hatte. Vogel war schlau genug, sich die Risiken aus dem Kartellverfahren in Frankreich absichern zu lassen.

Die Hauptlast dürfte auf die WestLB entfallen und damit letztendlich auf den Steuerzahler. Bleibt die Frage, warum die Bank für die Strafe aufkommen muss. Immerhin sind die Düsseldorfer erst seit 2003 an Klöckner beteiligt. Zuvor war der Konzern im Besitz des Versorgers Eon und dessen Vorläufergesellschaft Viag.

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WestLB braucht mal wieder Geld

Wie hätte es auch anders sein können: Die WestLB braucht mal wieder Geld, schreibt zumindest die Rheinische Post am Samstag. Dieses Mal soll es sich um staatliche Garantien über einen zweistelligen Milliarden-Betrag handeln.

Was soll man dazu sagen? Bei jeder Gelegenheit hält der Laden die Hand auf. Nun soll also der Bund zur Abwechslung mal bürgen. Wir erinnern uns: Bei früheren Verlusten mussten gerne mal das Land bürgen oder mit frischen Mittel dem Institut beispringen. Nur Gott allein weiß wohl, wie viel Kapital über die Jahre aus den Taschen der NRW-Bürger in die Kassen der WestLB gewandert ist.

Damit aber nicht genug: Der "Rheinischen Post" zufolge will die Bank zudem in weiteres Mal riskante Wertpapiere im höheren zweistelligen Milliarden-Betrag auslagern, um ihre Kernkapitalquote von bisher 5,4 Prozent auf acht Prozent zu verbessern. Das ist die Voraussetzung dafür, um Hilfe vom Bund zu erhalten.

Ich mache jetzt mal einen Vorschlag: Macht einfach die WestLB dicht. Gleich am Montag. Einfach die Türen abschließen. Jedem Mitarbeiter eine ordentliche Abfindung, kann gerne auch mehr sein. Denn mal ehrlich, niemand braucht einen solchen Verlustbringer. Wenn ich nur an die Nummer mit Cleverbox denke. Aua.

Nachtrag: Hat jemand Vorschläge, was man mit dem Laden machen kann?

 

Thyssen in Schwierigkeiten

Den deutschen Stahlkochern geht es nach Jahren des Booms an den Kragen. Nun packt es auch ThyssenKrupp, einem der größten Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen.

Eigentlich sollte 2009 für das Unternehmen ein richtig gutes Jahr werden. Zehn Jahre war die Fusion von Thyssen und Krupp unter Dach und Fach und mit dem Umzug nach Essen sollte das Unternehmen an seine Wurzeln zurückkehren. Der Schreibtisch im Zentrum von Düsseldorf hatte ausgedient. Doch nun kommt es anders: In einigen Bereichen gehen die Mitarbeiter bereits auf Kurzarbeit; die Stahlsparte soll im Februar oder März folgen.

Die Maßnahme soll gleich bis Ende 2009 beantragt werden, schreibt das Handelsblatt. Grund dafür ist die Sorge der Führungsmannschaft um Ekkehard Schulz, dass die Nachfrage im kommenden Jahr schwach bleibt. Diese ist berechtigt, hängt doch das Wohl von ThyssenKrupp an der Automobilindustrie; und der geht es bekanntlich schlecht. Als BMW und dann auch noch Daimler ihre Produktion zurückfuhren, schrillten die Alarmglocken bei Thyssen.

Die Mitarbeiter bei dem Unternehmen müssen sich nun auf unruhige Zeiten einstellen; immerhin gilt der Vorstand mit Schulz an der Spitze als krisenerprobt, damit dürften Schnellschüsse zu Lasten der Belegschaft ausbleiben. Getroffen hat es aber bereits 2100 Leiharbeiter, die verbliebenen 1500 Leihkräfte müssen wohl auch gehen. Sollte aber die Nachfrage nach Stahl dauerhaft niedrig bleiben, dann könnte es auch die Stammbelegschaft treffen, fürchtet so mancher im Konzern.

Für die Stahlkonzerne kommt der Abschwung überraschend, hatte sich doch seit 2003 einen kräftigen Zuwachs verzeichnet. womit der Glaube genährt wurde, das ewig Auf und Ab der Branche gehört der Vergangenheit an. Diese Annahme erweist sich nun als falsch: Am stärksten bekommen dies die Mitarbeiter des Weltmarktführers ArcelorMittal zu spüren.

ArcelorMittal unterhält in Deutschland vier Standorte; und bei zwei von diesen kreist nun der Hammer. In Eisenhüttenstadt und Bremen fallen insgesamt 1500 Stellen weg. Die Kollegen in Duisburg kommen mit einem blauen Auge davon. Dort sollen nur 10 Arbeitsplätze wegfallen.

Novum bei Thyssen – Frau am Steuer

Ein Novum bei einem alten Stahlkocher: Mit Susanne Herberger soll die erste Frau in den Aufsichtsrat von ThyssenKrupp berufen werden.

Auf die Ernennung haben sich am vergangenen Dienstag die rund 800 Betriebsräte des Industriekonzerns geeinigt, wie ich erfahren habe. Neben Herberger gibt es auf der zehnköpfigen Arbeitnehmerbank drei weitere Wechsel. Mit der Neuordnung stärkt die Gewerkschaft IG Metall ihre Stellung in dem Aufsichtsgremium: Denn Heinrich Hentschel wurde nicht wiedergewählt. Der Betriebsrat von Blohm+Voss galt als unabhängig von der IG Metall.

Auch auf der Arbeitgeberbank gab es zum Monatsanfang ein Wechsel. Ausgeschieden ist der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Nachfolger wurde auf Wunsch der einflussreichen Krupp-Stiftung der Präsident des BDI-Verbans, Jürgen Thumann.

Großmann lässt kurz arbeiten

Neben seinem Aufsichtsrat hat RWE-Chef Jürgen Großmann nun auch Ärger an einer anderen Front: Seinem Stahlwerk Georgsmarienhütte geht die Arbeit aus.

Über die Werksferien, die bis Mitte Januar gehen, kann sich die Hütte noch mit flexiblen Arbeitszeiten retten. Doch dann ist Kurzarbeit angesagt, möglicherweise über die erste Hälfte 2009. Dem Unternehmen setzt die Krise auf dem Automobilmarkt zu, die Fahrzeugbauer bestellen weniger Stahl bei dem Unternehmen. Die Nachricht ist zwar in der vergangenen Woche schon regional in Niedersachsen gestreut worden, über die Grenzen des Bundeslandes hinaus fand die Flaute bei Georgsmarienhütte aber keinen Widerhall.

Dabei muss die Nachricht aufschrecken, denn die Lage bei seiner Hütte dürfte Großmann zusätzlich einbinden. Derzeit muss sich der Manager um seine Position an der RWE-Spitze sorgen, glaubt man den Spekulationen im Umfeld des Versorgers. Demnach wollen Teile des Aufsichtsrats die Macht von Großmann beschneiden. Diese kritisieren die Pläne des RWE-Bosses, in osteuropäische Kernkraftwerke zu investieren.

Großmann muss sich also nicht nur um seinen renitenten Aufsichtsrat kümmern, sondern auch um seien eigentliche wirtschaftliche Machtbasis, seine Stahlhütte. Diese hatte der Unternehmer für einen symbolischen Preis gekauft und in den vergangenen Jahren auch dank einer guten Stahlnachfrage zu einem kleinen Schmuckstück aufpoliert. Mit seinen knapp 1400 Mitarbeitern erwartet die Hütte einen Jahresumsatz von rund 700 Millionen Euro.

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Merkels Reise ohne Wert

Der Klimaschutz ist eine prima Sache: Um beim Wahlvolk zu punkten, holt man ihn aus dem Schrank und wenn es wirtschaftlich eng wird, dann kommt er da wieder rein. So verfährt auch Angela Merkel.

Medienwirksam ließ sich die Bundeskanzlerin an den Nordpol schippern, um den Eisbergen beim abtauen zuzuschauen. Sie war dann auch gleich ganz schockiert und kündigte an, sich stärker für den Schutz unserer Umwelt einzusetzen. Klimaschutz müsse stärker im Bewusstsein der Bürger verankert werden, lautete die Parole nach der Bootstour im August vergangenen Jahres. Jetzt kippt Merkel das Thema Klimaschutz über Bord, die Wirtschaft geht vor. Der „Bild“-Zeitung sagte die Kanzlerin: „Der EU-Gipfel wird keine Klimaschutz-Beschlüsse fassen, die in Deutschland Arbeitsplätze oder Investitionen gefährden. Dafür werde ich sorgen.“

Zwischen Merkels Nordpolreise und heute hat sich einiges in der Welt verändert. Teile der Wirtschaft wie das Bankenwesen oder die Automobilindustrie sind kollabiert oder stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Staat – also wir – machen Milliarden locker, um die Konzerne vor dem Aus zu retten. Rund läuft es weiterhin bei den Unternehmen aus den Bereichen der Erneuerbaren Energien, die Branche weist weiterhin hohe Zuwachsraten aus. Auch dafür schießen wir Bürger eine Menge Geld zu: Subventionen beim Aufbau neuer Werke und durch höhere Strompreise.

Ich bin kein Freund von staatlich regulierter Wirtschaft. Da soll er die Rahmenbedingungen vorgeben und sich sonst raushalten. Aber wenn schon weite Teile der deutschen Industrie am staatlichen Tropf hängt, dann muss man die Chance nutzen, die Wirtschaft auf eine neues Fundament zu stellen. Nie zuvor hatte eine Bundesregierung diese Durchgriffsmöglichkeit wie heute. Doch Merkel nutzt diesen Spielraum nicht. Sie reagiert mit dem alten Reflex, den leider viele Konservative inne haben: Halte am Bewährten fest.

Damit liegt sich leider falsch. Unsere Industrie hat sich nicht bewährt, sie hat versagt. Und damit ist es an der Zeit, neue Wege zu beschreiten. In der Umweltschutztechnik liegt die Zukunft, das ist ein Exportschlager. Windkraftmühlen und Solaranlagen werden von Deutschland aus in alle Welt verkauft. Firmen wie Q-Cells (Solar) und Enercon (Windkraft) spielen weltweit in der ersten Reihe mit. Selbst Konzerne wie Bosch und Siemens haben dies erkannt und investieren massiv in das Geschäft. Natürlich verkauft Siemens auch Kohlekraftwerke, aber die sind deutlich effektiver und damit wirtschaftlicher und weniger umweltschädlich wie Anlagen anderer Hersteller.

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt gibt es noch ein weiteres Argument für einen neuen Kurs. Wir haben nur diese ein Welt; und wie es um diese steht, kann man am Nordpol sehen. Wenn man denn richtig hinschaut.

Rettet die alte Dame dpa

Die Deutsche-Presse Agentur (dpa) hat Probleme: Erst geht ihr die Rheinische Post von der Fahne und nun wohl die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Sollten die beiden Regionalzeitungen Nachahmer finden, dann droht dem Fundament der deutschen Medienlandschaft ein böser Schlag.

Jeden Tag verfassen die Mitarbeiter der deutschsprachigen Agenturen Nachrichten, die ein Buch vom Volumen der Bibel füllen. Der weitaus größte Teil davon stammt von der dpa mit ihren weltweit 800 Schreibarbeitern. Ohne deren Texte kommt die WAZ nun seit einigen Tagen aus. Offenbar ein Probelauf, da die Ruhrzeitung sich von dem Nachrichtenlieferanten verabschieden will.

Statt der dpa will die WAZ auf andere Agenturen setzten und eigene Schreiber ran lassen. Was die eigene Schreibleistung angeht, finde ich das gut. Aber der WAZ-Führung geht es ums Geld sparen, nicht um Qualität. Denn will man die in seinem Blatt haben, dann geht es nicht ohne die gute alte Dame aus Hamburg.

Die dpa ist mehr als das Grundrauschen im Nachrichtenstrom; die dpa ist das Fundament für unsere Medien. Wie ein Seismograf liefert die Agentur Informationen aus allen Teilen Deutschlands, nicht nur in NRW unterhält dpa Büros, auch in Zeitungs-armen Bundesländern wie dem Saarland und Sachsen-Anhalt hat die Gesellschaft Leute vor Ort.

Und die leisten gute Arbeit. Sicherlich lässt sich gelegentlich über die Qualität einzelner Berichte diskutieren, aber die Masse der Nachrichten ist sauber bearbeitet. Das wissen Journalisten in allen Redaktionsstuben zu schätzen. Aber nicht nur sie, fast jedes Unternehmen, Verband und jedes Bundestagsbüro bezieht die Nachrichten der dpa. Bringt die Agentur eine Meldung, dann hat sie jeder gleichzeitig auf dem Tisch und kann reagieren, Stellung beziehen. Diese Durchsetzung hat kein anderes Medium in Deutschland, auch nicht die Konkurrenz AP, AFP, Reuters und ddp zusammen.

Von dieser Informations-Aorta will sich die WAZ nun verabschieden. Das kann nicht klappen, glaube ich. Die WAZ-Oberen sollten sich die bisherigen Abtrünnigen anschauen. Vor einigen Jahren ging die Lausitzer Rundschau, und kam wieder. Auch die Rheinische Post ging, wie die WAZ vom Sparzwang getrieben. Die RP ist nicht schlecht, aber bei einigen Themen hängt sie einfach hinten dran. Und das ist nicht gut für eine Zeitung. Ich will das hier nicht als Kritik an den RP-Kollegen sehen, meine Kritik gilt der Führung der Düsseldorfer Zeitung. Sie haben ihr Blatt vom System abgeklemmt. Kann das Sinn machen, wenn auch der Spiegel oder eine FAZ nicht auf die Dienste der dpa verzichten wollen? Sollte die WAZ dem Beispiel folgen?

Die dpa steckt in einem Dilemma. Zum einen ist da die ungelöste Frage wie man auf die Umwälzung der Medienlandschaft reagieren soll, schwerer wiegt aber die Eigentümerstruktur. Das Unternehmen ist im Besitz der Zeitungen, Radio- und TV-Sender. Also ihren Kunden – und die wollen sparen und zwingen die dpa-Führung zu immer neuen Sparprogrammen. Diese Vorzeichen erschweren es der Agentur, sich fit für die Zukunft zu machen. Eine Internetstrategie erkenne ich nicht, die Nachrichten werden günstig ins Netz verkauft. Das kann nicht klappen.

Am besten wäre es, wenn ein Eigentümer die dpa übernehmen würde. Es muss nicht gleich eine Finanzinvestor oder ein Murdoch sein. Aber ein Verleger mit Bewusstsein für die Bedeutung der dpa als Fundament für einen qualitativ hochwertigen Journalismus.