Über 17 Millionen Kundendaten sind bei der Telekom-Tochter T-Mobile im Jahr 2006 gestohlen worden. Nach einer Anzeige des Konzerns nahm die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen auf – und stellt sie ein. Offenbar ohne wichtige Zeuge zu vernehmen.
Beim Thema Datenschutz ist man bei der Telekom mittlerweile einiges gewohnt. Seit Mai wissen wir, dass Journalisten und Aufsichtsräte ausspioniert werden, der Zugang zur zentralen Kundendatenbank unzureichend gesichert war und detaillierte Telefonrechnungen von T-Mobile-Aufsichtsräte ohne deren Wissen gesammelt wurden. Der am Wochenende bekannt gewordene Diebstahl von über 17 Millionen Adressen, Telefonnummer, Geburtsdaten von T-Mobile-Kunden passt, um das Bild abzurunden.
Immerhin hat die Telekom eine interne Untersuchung eingeleitet und Anzeige erstattet, auch wenn sie bewusst darauf verzichtete, die betroffenen Kunden zu informieren. Mit der Anzeige nahm die Staatsanwalt Köln die Ermittlungen auf, führte laut Telekom Durchsuchungen und Befragungen aus. Ein Schuldiger für den Datenklau fand sich indes nicht. Zwei T-Mobile-Mitarbeiter mussten ihren Hut nehmen – nachzuweisen war ihnen die Tat nicht. Im Juni dieses Jahres stellten die Kölner ihre Untersuchung ein.
Seltsam, denn mindestens eine Spur blieb offen. Der Mainzer Erotikunternehmer Tobias Huch hatte sich schon 2006 bei der Telekom gemeldet und denen erzählt, dass ihm aus Österreich die 17 Millionen Datensätze zugespielt wurden. Die Daten lagern auf seinem Rechner, verwendet habe er sie nicht, sagte er mir heute. Er will die Daten weg haben, denn er weiß, dass sie illegal sind. Doch weder Telekom noch Staatsanwaltschaft werden bei ihm vorstellig. Durch Zufall trifft der Unternehmer nun Bundesjustizminister Gabriele Zypries im Flugzeug. Jetzt hat er endlich jemanden, den er auf das Thema aufmerksam machen kann. Die Ministerin hört zu und informiert die Telekom.
Erst jetzt ruft die Telekom an, und zwar ein Vertreter der internen Sicherheit. Leider kann Huch den Anruf nicht persönlich entgegennehmen. Der Sicherheitsmann hinterlässt seine Telefonnummer bei einer Mitarbeiterin von Huch. Dieser ruft den Sicherheitsmann zurück, immer wieder, wie er erzählt. Doch keiner nimmt ab. Denn dem Sicherheitsmann ist aufgefallen, dass Huch einen Medienverlag hat und da denkt er sich, dass ist ein Fall für die Presseabteilung. Und so verläuft sich die Geschichte. Nach einigen Anrufen greift Huch nicht mehr zum Hörer, er verzweifelt wie eine Kunde in der Telekom-Hotline.
Merkwürdig ist, warum die Staatsanwaltschaft Köln sich nicht an Huch gewendet hat. Die Telekom hatte ihn nach meinen Informationen schon früh als Zeuge benannt und auf die Daten in seinem Besitz hingewiesen. Offen bleibt auch, warum sich nicht die Telekom mit Huch in Kontakt setzte. Dies geschah erst heute morgen, wie er sagt. Huch hat die Sache nun seinen Anwalt übergeben, was kein dummer Zug ist. Denn falls ein Sündenbock gesucht wird, liegt der Fingerzeig auf einen Erotikunternehmer nahe. So plump funktioniert leider manchmal die Welt.
Der Datenklau wäre versandet, hätte nicht der "Spiegel" am Wochenende umfangreich darüber berichtet. Nun sind alle aufgeschreckt. Die Telekom und die Staatsanwaltschaften in Köln und Bonn. Die Telekom, weil sie ihre Kunden über einen weitere Datenschlamperei informieren muss. Die Staatsanwälte in Köln, weil sie offenbar nicht viel taten. Und ihre Bonner Kollegen, weil sie einen weiteren Datenskandal der Telekom bearbeiten müssen.
Die Bonner untersuchen bereits die Spitzelattacke auf Aufsichtsräte und einen weiteren Fall von Datendiebstahl. Jetzt lassen sie sich die Akten aus Köln kommen. Gut möglich, dass die Untersuchung weitergeht und der Datenentwender noch gefunden wird. Hinweise auf einen möglichen Täter gibt es schon: Huch hält einen Mitarbeiter der Geschäftskundensparte T-Systems, bei der viele Telekom-Daten lagern, für den Täter. Er kenne den Namen, wie auch die Telekom, beteuert er.
Nachtrag am 8. Oktober:
Wie ich hörte, werden die Daten bei Huch nun zumindest gesichert. Am Mittwoch war ein Auszug der Liste bei der "Bild"-Zeigung abgedruckt. Jetzt will der Landesbeauftragte für den Datenschutz Rheinland-Pfalz die Daten gegen weiteren Missbauch absichern. Zumindest so lange, bis eine Staatsanwaltschaft sich dem Fall annimmt. Zur Erinnerung: Noch sind ist das Verfahren eingestellt.