Arcandor-Chef Middelhoff fliegt

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Der Handels- und Touristikkonzern Arcandor trennt sich von seinem Namensschöpfer: Thomas Middelhoff nimmt seinen Hut – Nachfolger wird Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick, wie aus dem Unternehmen zu hören ist.

Die Mitarbeiter des Essener Konzerns können zur Abwechslung mal beruhigt aufatmen: Mit dem Wechsel an der Vorstandsspitze dürfte Ruhe in das Unternehmen einkehren. Middelhoff hat der Gesellschaft eine Roßkur ausgesetzt, die aus meiner Sicht sehr hart ausgefallen ist. Viele Freunde habe er sich auf jeden Fall nicht gemacht, heißt es im Konzern.

Ganz anders Eick: Der Schwabe gilt als menschlich integer und als einer, der auch mit den Gewerkschaften einen guten Draht aufbauen kann. So bewiesen zuletzt bei der Ausgliederung von rund 50000 Telekom-Mitarbeiter in konzerneigene Servicegesellschaften. Dort verdienen sie weniger, was im vergangenen Jahr zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaft und Telekom-Führung führte. Die Verdi-Vertreter bescheinigen Eick aber, dass er sehr respektvoll verhandelt und auf unnötige Provokationen verzichtet habe.

Und Middelhoff? Tja, der verkaufte alles, was irgendwie Wert hatte. Allen voran die Immobilien. Seine Order war klar. Die Großaktionärin Madeleine Schickedanz verlangte von ihm eine Steigerung des Unternehmenswerts. Der Plan misslang, die Aktie stürzte ab. Zuletzt war das Unternehmen noch weniger als 500 Millionen Euro wert – seitdem bekannt wurde, dass Eick den Konzern künftig führen wird, legte die Aktie um über 13 Prozent zu.

Auf Eick wartet nun eine schwere Aufgabe; vordringlichstes Ziel ist nun, dass Vertrauen der Investoren zurückzulegen. Für die Aufgabe dürfte es kaum einen geeigneteren Kandidaten geben. Trotz des Niedergangs der T-Aktie genoss der 54-Jährige das Vertrauen der Analysten.

Verleger verspielen Vertrauen

Die Konjunkturflaute geht nicht spurlos an den Verlagsfirmen vorbei. Das ist bekannt, aber wir sollten uns nun Gedanken darüber machen, wie sich die Glaubwürdigkeit einer Publikation retten lässt.

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Meldungen über Stellenstreichungen und Umbauten aus deutschen Medienkonzernen an die Öffentlichkeit dringen. Direkt vor der Tür sehen wir die Einschnitte bei der WAZ-Gruppe, hoch im Norden haben wir den Kahlschlag bei der Wirtschaftspresse von Gruner und Jahr (G+J). Auch bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kreist der Hammer. Es gibt wohl kaum eine Medium, dass nicht Federn lassen muss.

Diese Kahlschlagpolitik gab es schon früher, dieses Mal setzen die Verleger das Messer aber tiefer an, es geht ans Eingemachte. Von der Krise der New Economy haben sich die Verlage kaum erholt; es gibt keinen Speck von dem die Branche zumindest eine Zeit lang leben kann. Wie die Radikalkuren bei der WAZ und auch bei G+J zeigen, geht es nicht mehr darum, Renditen zu sichern, es geht ums nackte Überleben. Jeder, auch die WAZ-Führung weiß, dass sie ihre Produkte gefährdet, wenn sie ein Drittel der Belegschaft auf die Straße setzt.

Über das Drama und die Ungerechtigkeit will ich gar nicht reden. Wie auch andere Journalisten weiß ich, was es bedeutet, wenn der Job zur Disposition steht. Auch meiner könnte es. Schieben wir also die Jobproblematik einen Moment lang zur Seite.

Reden wir mal über die Autorität der Branche. Damit meine ich das publizistische Gewicht, dass etwa eine FAZ, SZ oder das Handelsblatt haben. Wird in einem dieser Zeitungen – und zum Glück auch bei vielen anderen – etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel oder ein anderer Politiker oder Wirtschaftsführer kritisiert, dann muss sich die Person damit auseinandersetzen. Keine von ihnen kann sich über einen solchen Bericht oder Kommentar einfach hinweg gehen. Er oder sie muss dazu Stellung beziehen, sich rechtfertigen. Das geht nur, weil diese Zeitungen eine hohe Glaubwürdigkeit haben. Bei dem normalen Leser auf der Straße wie auch bei den Führungskräften.

Und diese Glaubwürdigkeit steht nun auf dem Spiel. Und das nicht nur, weil Arbeitsplätze bei den Medien gestrichen werden. Es geht um das wie. Und das finde ich erschreckend.

Schauen wir uns G+J an: Allen Mitarbeitern bei den Magazinen Capital, Impulse und Börse Online wurde gekündigt, einige von ihnen sollen in Hamburg mit den Kollegen von der Financial Times Deutschland in einer zentralen Wirtschaftsredaktion gebündelt werden. Von dort sollen dann die drei Magazine und die lachsfarbene Zeitung mit Nachrichten beschickt werden. Diese Strategie der G+J-Verantwortlichen ist nicht nur absurd naiv, sondern vor allem unwürdig. Halten wir uns vor Augen: Gerade die Kollegen vom Capital waren so gut, dass die Telekom sie bespitzeln ließ. Als das im Mail rauskam, hat G+J Strafanzeige gestellt und sich als Moralapostel in Sache Pressefreiheit aufgeführt.

Nehmen wir die Süddeutsche Zeitung: Das Blatt wettert über den Stellenabbau bei der Telekom. Zuletzt musste sich Konzernchef René Obermann bei einem Besuch in der Münchener Redaktion wegen dem Abbau in seiner Firma dafür grillen lassen, wie mir ein Kollege erzählt. Eine Woche später gibt die SZ-Führung einen Stellenabbau im eigenen Hause bekannt.

Mit solchen Aktionen gefährden G+J und auch die SZ ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Hauptasset. Denn welchen Wert hat ein Kommentar einer G+J-Publikation etwa zur Pressefreiheit und welche Autorität hat die SZ nun noch in Fragen Arbeitsplatzsicherung?

Mit solchen Aktionen verspielen die Verlagshäuser die publizistische Autorität ihrer Titel und das zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land steckt in der Krise, kaum einer weiß wo es langgeht. Die Politik lanciert ein Rettungspaket nach dem nächsten. Da wird viel Steuergeld aufgewendet. Gerade in einer solchen Zeit ist eine kritische Begleitung durch Leitmedien wie die SZ und FAZ gefragt. Also bitte liebe Verlagschefs: Streicht vielleicht mal einen Arbeitsplatz, wenn es nicht anders geht. Aber verhaltet euch dabei gesittet, auch im eigenen Interesse. Denn ist ein Titel erst einmal vor die Wand gefahren, dann macht man aus ihm nie wieder eine publizistische Macht.

Opel und die Folgen

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Wer dachte, die Krise bleibt auf Opel und die anderen Autobauer beschränkt, der hat sich getäuscht. Nun spart auch ThyssenKrupp, ein wichtiger Lieferant von Opel.

Der Stahlkonzern will seine Kosten um über eine Milliarde Euro senken; möglich schnell, wie Vorstandschef Ekkehard Schulz beteuert. Wo er das Messer ansetzt, ist noch offen. Speck sieht er offenbar in allen fünf Sparten der Gesellschaft. In allen Bereichen solle gespart werden. Zugleich stellt er einen Teil der geplanten Investitionen zurück. Damit will er weitere 500 Millionen Euro in der Kasse behalten.

Die Maßnahmen machen Sinn, da die Nachfrage nach Stahl massiv eingebrochen ist. Die Abnehmer aus der Bau- und Automobilindustrie haben ihre Order zurückgefahren. Vor allem die letzte Kundengruppe macht ThyssenKrupp Sorgen. Rund 40 Prozent des Stahls der Gesellschaft wird von den Autobauern gekauft. Nimmt man die Dienstleistungen und die Automobilzulieferer dazu, dann sind es sogar über 50 Prozent, rechnet ein Konzerninsider vor.

Was passiert nun mit den Arbeitsplätzen? Droht Kurzarbeit oder gar ein Stellenabbau? Die Festangestellten brauchen sich keine Sorgen zu machen, wie Schulz sagt. Dank Arbeitszeitkonten könne man auf die Krise flexibel reagieren. Dies gilt aber nicht für die rund 3700 Leiharbeiter; ein Großteil von ihnen konnte sich schon die Papiere holen.

Die Hoffnung von Schulz: Auch wenn das erste Quartal wohl nicht so gut werden soll, könnte das Stahlgeschäft im zweiten Quartal anziehen. Immerhin müssten die Autokonzerne neue Fahrzeuge bauen und dazu benötigen sie Stahl, lautet die Rechnung. Könnte klappen, wenn denn noch jemand bei Opel & Co da ist, um die Bestellung abzuschicken.

Opel braucht Bürgen

Der Autobauer Opel will von Bund und Ländern eine dicke Bürgschaft, angeblich geht es um eine Milliarde Euro. Schuld ist weniger das eigene Geschäft, sondern die Probleme der Muttergesellschaft General Motors.

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Für den US-Konzern GM sieht es angesichts der Finanzkrise und der daraus folgenden Absatzflaute richtig bitter aus. In Medienberichten wird bereits über eine Insolvenz spekuliert – und die würde auch den Traditionskonzern Opel treffen. Denn bekommt General Motors kein Geld mehr, dann könnte auch Opel bei den Banken vor verschlossenen Türen stehen. Ohne Kreditlinien läuft wenig, der Fahrzeugbauer mit Werken in Bochum, Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern stände dann im Regen. Damit das nicht passiert, soll wie schon bei den Finanzinstituten der Staat eingreifen und bürgen – also wir, die Steuerzahler.

Irgendwie schmeckt mir das nicht. Klar ist, sollte Opel die Bürgschaft benötigen, dann ist das Geld nicht automatisch weg. Aber ein Ausfallrisiko besteht. Warum soll dafür der Steuerzahler gerade stehen? Immerhin haben die Manager in den USA sich für einen freien Markt ausgesprochen; und der impliziert nun einmal Risiko.

Auf der anderen Seite sehe ich die über 25.000 Opel-Beschäftigten. Die mussten in den vergangenen Jahren schon genug Sparprogramme über sich ergehen lassen. Zuletzt war auch noch Kurzarbeit angesagt.

Vielleicht sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen am Montag doch das Scheckbuch zücken. Wenn es sich wirklich um ein Milliarde Euro dreht, dann sind das zwar rund 40.000 Euro pro Opelaner. Aber immerhin bleiben die Arbeitsplätze erhalten. Zumindest bis zur nächsten Sparrunde.

Werbung


Gruner+Jahr macht in Zahnpflege

Dem Verlagshaus Gruner+Jahr (G+J) geht es wirtschaftlich schlecht. Wie am Wochenende bekannt wurde, tritt Verlagschef Bernd Kundrun wegen der Werbekrise auf die Kostenbremse und denkt auch über die Schließung einzelner Titeln nach. In der Not haben sich die Verlagsleute aus Hamburg nach neuen Erlösquellen umgeschaut. Und sie sind fündig geworden – leider.

Nach dem Modell „Drückerkolonne“ behelligt G+J nun seine Leserschaft mit Offerten von so genannten Partnerunternehmen. Ich erhielt unter dem Banner von G+J gleich zwei Angeboten der Karstadtquelle Versicherung. Ich soll doch bitteschön eine Zahnersatz-Versicherung abschließen, dann würde ich auch eine elektrische Zahnbürste nebst Batterien erhalten.

Eigentlich könnte man die Schreiben wie andere Werbebriefe in den Müll werfen und gut ist. Ich wunderte mich aber schon, warum ein etablierter Verlag wie G+J mit solchen Methoden arbeitet. Aufklärung brachte ein Anruf im Callcenter. Nachdem ich zweimal weiter verbunden wurde, landete ich bei einer freundlichen Dame. Sichtlich betroffen räumte sie ein: "Uns geht es wirklich schlecht." Den Abonnenten – wozu auch ich gehöre – würden daher Werbeangebote unterbreitet. Schließt der G+J-Leser einen Vertrag mit der Karstadtquelle Versicherung ab, dann wird der Verlag an der Beute beteiligt. So erklärte die Kundenbetreuerin das Geschäftsmodell, wenn auch mit anderen Worten.

Unaufgefordert schickte mir die Dame dann einen Brief, in dem mir versichert wurde, dass meine persönlichen Daten für weitere Werbemaßnahmen gesperrt seien. "So dass Sie zukünftig keine Werbe- und Informationssendungen, bzw. Anrufe, mehr erhalten werden." Besten Dank, dem Verlag hatte ich dies auch nie erlaubt.

Hilfe – Mein Thor ist offen!

Bei der Deutschen Telekom sind neue Sicherheitslücken in den Datenbanken aufgetaucht. Ganz plötzlich – mal wieder. Die Lecks sind nun geschlossen und alles ist sicher, behauptet zumindest der Bonner Konzern.

Die Telekom bekommt das Thema Datenschutz nicht in den Griff; in schneller Abfolge tauchen immer neue Lecks auf. Vorstandschef René Obermann wollte am Freitag in die Offensive gehen, in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ waren ihm neue Lücken beim Zugang zu einer Kundendaten gezeigt worden. Bei der anschießenden Krisensitzung wurden weitere Löcher gefunden, berichten Teilnehmer. In einer ad hoc-Aktion schloss die Mannschaft um Obermann die bekannten Lecks und verabschiedet dazu ein Maßnahmenpaket. Neben höheren Standards soll ein eigener Vorstand sich dem Thema Datenschutz annehmen.

Die Pannenserie bei der Telekom bringt Obermann in Erklärungsnot. Warum schafft es der Konzern nicht, die Daten der knapp 30 Millionen Festnetz- und 38 Millionen Handy-Kunden zu sichern? Dem Unternehmen ist seit dem vergangenem Jahr bekannt, dass eine Kundendatenbank mit dem Namen Cosma nicht sicher sind. Der Zugang war nur mit Passwort und Kennungen geschützt, nicht aber an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden. Wer über die Zugangsdaten verfügte, konnte von jedem beliebigen Computer aus auf die vertraulichen Kundendaten zugreifen.

Der Zugang zu Cosma wurde am 21. August 2007 dicht gemacht. Bei anderen Datenbanken blieb er aber offen. Dies bewiesen die Recherchen des „Spiegel“, die einen Lücke fanden. Aber auch auf das interne Kundenmanagement-System Thor konnte von extern zugegriffen werden, wie mir ein Eingeweihter sagte. Als diese Lecks nun innerhalb von wenigen Stunden bekannt wurden, sei Obermann „sehr laut“ geworden. Nicht nur für ihn ist das eine „Riesen-Schlamperei“. Denn unverständlich ist, warum nach der Cosma-Panne nicht auch die Sicherheit anderer Datenbanken geprüft wurde. Obermann will nun personelle Konsequenzen ziehen, treffen wird es wohl auch Manager bei der betroffenen Sparte T-Mobile.

Für Obermann wird die Datenmisere langsam aber sicher peinlich. Aufgrund seiner vielen Entschuldigungen für immer neue Pannen und die Beteuerung, die Daten seien nun sicher, hat er sich konzernintern bereits den Titel „Mr Sorry“ erworben. Es geht aber um mehr als einen Spitznamen. Es geht um den Posten von Obermann und um den seines wichtigsten Vertrauten, den Festnetzvorstand Timotheus Höttges.

Höttges und Obermann haben schon bei T-Mobile zusammengearbeitet. Und da haben sie offenbar glatt übersehen, dass man Datenbanken sicher machen kann. Die genannten Fälle betreffen fast alle die Handy-Sparte. Auch der am Wochenende bekannt gewordene Klau von 17 Millionen Datensätzen von T-Mobile-Kunden. Wenn Obermann nun von „Schlamperei“ redet, muss er sich selbst mit einbeziehen. Auch wenn er sich als Manager nicht um alles kümmern kann, hätte er dem Thema Datenschutz mehr Platz einräumen müssen. Das gilt auch für Höttges. Er ist seit dem 1. Januar 2008 für die Konzernsicherheit und damit für Datenschutz verantwortlich. 

Vielleicht kann man Höttges und Obermann keinen Vorwurf machen, denn sie sind beide durch und durch Vertriebsleute. Sie kämpfen um jeden Neu- und Altkunden, da fließt das Geld rein. Datenschutz und umständliche Zugangssicherungen für die Kundendatenbanken verschlingen da nur unnötig viel Geld. Um hohe Investitionen wird Obermann nun nicht umhinkommen, um beim Thema Datenschutz aus den Schlagzeilen zu kommen.

Lahme Justiz im Telekom-Datenskandal

Über 17 Millionen Kundendaten sind bei der Telekom-Tochter T-Mobile im Jahr 2006 gestohlen worden. Nach einer Anzeige des Konzerns nahm die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen auf – und stellt sie ein. Offenbar ohne wichtige Zeuge zu vernehmen.

Beim Thema Datenschutz ist man bei der Telekom mittlerweile einiges gewohnt. Seit Mai wissen wir, dass Journalisten und Aufsichtsräte ausspioniert werden, der Zugang zur zentralen Kundendatenbank unzureichend gesichert war und detaillierte Telefonrechnungen von T-Mobile-Aufsichtsräte ohne deren Wissen gesammelt wurden. Der am Wochenende bekannt gewordene Diebstahl von über 17 Millionen Adressen, Telefonnummer, Geburtsdaten von T-Mobile-Kunden passt, um das Bild abzurunden.

Immerhin hat die Telekom eine interne Untersuchung eingeleitet und Anzeige erstattet, auch wenn sie bewusst darauf verzichtete, die betroffenen Kunden zu informieren. Mit der Anzeige nahm die Staatsanwalt Köln die Ermittlungen auf, führte laut Telekom Durchsuchungen und Befragungen aus. Ein Schuldiger für den Datenklau fand sich indes nicht. Zwei T-Mobile-Mitarbeiter mussten ihren Hut nehmen – nachzuweisen war ihnen die Tat nicht. Im Juni dieses Jahres stellten die Kölner ihre Untersuchung ein.

Seltsam, denn mindestens eine Spur blieb offen. Der Mainzer Erotikunternehmer Tobias Huch hatte sich schon 2006 bei der Telekom gemeldet und denen erzählt, dass ihm aus Österreich die 17 Millionen Datensätze zugespielt wurden. Die Daten lagern auf seinem Rechner, verwendet habe er sie nicht, sagte er mir heute. Er will die Daten weg haben, denn er weiß, dass sie illegal sind. Doch weder Telekom noch Staatsanwaltschaft werden bei ihm vorstellig. Durch Zufall trifft der Unternehmer nun Bundesjustizminister Gabriele Zypries im Flugzeug. Jetzt hat er endlich jemanden, den er auf das Thema aufmerksam machen kann. Die Ministerin hört zu und informiert die Telekom.

Erst jetzt ruft die Telekom an, und zwar ein Vertreter der internen Sicherheit. Leider kann Huch den Anruf nicht persönlich entgegennehmen. Der Sicherheitsmann hinterlässt seine Telefonnummer bei einer Mitarbeiterin von Huch. Dieser ruft den Sicherheitsmann zurück, immer wieder, wie er erzählt. Doch keiner nimmt ab. Denn dem Sicherheitsmann ist aufgefallen, dass Huch einen Medienverlag hat und da denkt er sich, dass ist ein Fall für die Presseabteilung. Und so verläuft sich die Geschichte. Nach einigen Anrufen greift Huch nicht mehr zum Hörer, er verzweifelt wie eine Kunde in der Telekom-Hotline.

Merkwürdig ist, warum die Staatsanwaltschaft Köln sich nicht an Huch gewendet hat. Die Telekom hatte ihn nach meinen Informationen schon früh als Zeuge benannt und auf die Daten in seinem Besitz hingewiesen. Offen bleibt auch, warum sich nicht die Telekom mit Huch in Kontakt setzte. Dies geschah erst heute morgen, wie er sagt. Huch hat die Sache nun seinen Anwalt übergeben, was kein dummer Zug ist. Denn falls ein Sündenbock gesucht wird, liegt der Fingerzeig auf einen Erotikunternehmer nahe. So plump funktioniert leider manchmal die Welt.

Der Datenklau wäre versandet, hätte nicht der "Spiegel" am Wochenende umfangreich darüber berichtet. Nun sind alle aufgeschreckt. Die Telekom und die Staatsanwaltschaften in Köln und Bonn. Die Telekom, weil sie ihre Kunden über einen weitere Datenschlamperei informieren muss. Die Staatsanwälte in Köln, weil sie offenbar nicht viel taten. Und ihre Bonner Kollegen, weil sie einen weiteren Datenskandal der Telekom bearbeiten müssen.

Die Bonner untersuchen bereits die Spitzelattacke auf Aufsichtsräte und einen weiteren Fall von Datendiebstahl. Jetzt lassen sie sich die Akten aus Köln kommen. Gut möglich, dass die Untersuchung weitergeht und der Datenentwender noch gefunden wird. Hinweise auf einen möglichen Täter gibt es schon: Huch hält einen Mitarbeiter der Geschäftskundensparte T-Systems, bei der viele Telekom-Daten lagern, für den Täter. Er kenne den Namen, wie auch die Telekom, beteuert er.

Nachtrag am 8. Oktober:

Wie ich hörte, werden die Daten bei Huch nun zumindest gesichert. Am Mittwoch war ein Auszug der Liste bei der "Bild"-Zeigung abgedruckt. Jetzt will der Landesbeauftragte für den Datenschutz Rheinland-Pfalz die Daten gegen weiteren Missbauch absichern. Zumindest so lange, bis eine Staatsanwaltschaft sich dem Fall annimmt. Zur Erinnerung: Noch sind ist das Verfahren eingestellt.

 

Die Datendeals der Telekom

Klammheimlich hat die Telekom ein neues Geschäftsfeld erschlossen: Dem Sammeln und Dealen mit Daten. Nicht irgendwelche, sondern die ihrer vielen Millionen Kunden. Also Name, Adresse, Telefonnummer und Bankdaten. Abrufbar ist alles über das Internet.

Spion Foto: Flickr/lintmachine

Zuständig ist eine Tochter mit dem Namen SAF Unternehmensverbund, die ihren Sitz in einem alten Telekomgebäude in Heidelberg hat. Was man bei dem Laden alles für Daten abrufen kann, kann man auf der Internetseite: www.saf-portal.de sehen. Die Daten stammen aus dem Bestand der Telekom (Festnetz und Handy), den Gerichten und anderen Quellen. Lieferant und Partner ist unter anderem die Deutsche Post. Dazu kann man über das Portal auf alle Melderegister zugreifen und auch einen Ermittler losschicken, der 35 Euro netto pro Einsatz kostet. Der fragt dann bei den Nachbarn, wo denn die gesuchte Person abgeblieben ist. Mit 32 Millionen Bankverbindungen und 47 Millionen Adressen ist das Unternehmen einer der größten Datendealer Deutschlands.

Kaum zu glauben, aber das ist legal, wie mir mehrere Datenschützer versicherten. Gedeckt ist die Speicherung durch das Kleingedruckte in den Telefonverträgen. Und die Abfrage der Melderegister ist auch vom Gesetz gedeckt, auch wenn die Telekom pro Monat alleine 30.000 bis 40.000 Datensätze in Berlin abfragt.

Ganz sauber läuft es bei der Telekom-Tochter aber trotzdem nicht: Ich habe über das SAF-Portal die Bonität einiger Privatpersonen abgefragt, die natürlich im Vorfeld zugestimmt hatten. Nachdem ich die Antworten hatte, habe ich gewartet. Denn die Telekom muss dem Gesetz nach die Betroffenen informieren – und zwar zeitnah. SAF-Chef Peter Bürker rühmte sich im Interview noch, dass alles automatisch geht. Spätestens nach einer Woche hätten die Betroffenen die Mitteilung, wer welche Daten abgefragt hat, behauptete er. Tja, was soll ich sagen? Ich und die Betroffenen warten immer noch; seit über zwei Monaten.

Konfrontiert mit dem Ergebnis meiner Stichproben reagierte Bürker betroffen. Dann schickte er seine Juristen ins Rennen und mit denen wurde es krude. Erst behaupteten das Unternehmen, nur bei einer negativen Bonität müssten sie die Betroffenen informieren. "Das ist völliger Blödsinn“, sagte mir ein Datenschützer. Im Gesetz steht davon auch kein Wort. Am vergangenen Montag bekräftigte das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme: "Eine Benachrichtigung erfolgt nur dann, wenn das erste Mal Negativmerkmale bei der Accumio (eine SAF-Tochter) gespeichert oder von der Accumio erstmals "ohne Kenntnis" des Betroffenen übermittelt werden." Am Mittwoch rudert die Telekom zurück und räumt ein: „Selbstverständlich erfolgt im Falle der erstmaligen Übermittlung eine Benachrichtigung des Betroffenen.“ Auf eine Erklärung für den Sinneswandel warte ich noch heute.

Die Telekom versucht das Ding nun nach dem Motto „Wer ist schon diese kleine Tochter“ runterzuspielen. Das ist billig, denn ich finde es sehr bedenklich, wenn die Telekom-Juristen offenbar schon elementarste Grundsätze des Datenschutzgesetzes nicht verstehen. Die Mitteilung an die Betroffenen ist wichtig. Wie soll ich sonst erfahren, wo welche Daten über mich liegen? Ein Datenschützer sagte mir, dass das Ausbleiben der Mitteilung branchenüberlich ist. Denn ein Bürger könnte ja darauf bestehen, dass bestimmte Daten gelöscht werden. Der Firmen gehen dann die für viel Geld gesammelten Rohstoff verloren, das kann denen nicht schmecken.

Die Nachlässigkeit in Sache SAF wirft ein trübes Licht auf den Gesamtkonzern. Die Tochter unterliegt nach Bürkers Angaben den schärfsten Datenschutzbestimmungen. Wenn aber solche Pannen möglich sind, dann scheint es bei der Telekom mit dem Schutz unserer persönlichsten Daten nicht weit her zu sein. Man darf nicht vergessen, wir reden hier über das Unternehmen, dass Journalisten und Aufsichtsräte bespitzelt hat.

Welchen Sprengstoff die Telekom da in ihrem Konzern hat, wird den Verantwortlichen allmählich klar. Die haben SAF mit ihren 500 Mitarbeitern auf den Prüfstand gestellt. Bedenken gibt es zwar noch, da eine Menge Telekom-Daten auf den Rechnern der SAF-Gruppe lagern. Aber über kurz oder lang wird der Laden verkauft. Als möglicher Käufer wird der Bertelsmann-Konzern mit seiner Tochter Arvato genannt.

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Telekom – Wie Spionage und Callcenter zusammenhängen

 Jetzt ist es also amtlich: die Telekom hat nicht einen, sondern mindestens fünf Aufsichtsräte bespitzelt. Die Empörung ist groß, denn der Konzern wurde von der Staatsanwaltschaft Bonn vor den Opfer über die neusten Entwicklungen informiert. Diese erfuhren erst von Vorstandschef René Obermann, dass in ihre Privatsphäre eingedrungen wurde.

Für die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die die betroffenen Aufsichtsräte juristisch vertritt, ein unverständliches Vorgehen. Die einseitige Informationspolitik der Staatsanwaltschaft sei "völlig inakzeptabel", sagte die SPD-Politikerin mir. Verständlich: Denn die Täter sind eher im Umfeld der Telekom zu suchen – im Fokus stehen Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Warum wird das Unternehmen dann vor den Opfern informiert? Die Telekom schweigt dazu; bei der Staatsanwaltschaft ist niemand erreichbar.

Im Konzern erzählt man sich nun folgende Geschichte: Telekom-Chef Obermann bat die Staatsanwaltschaft, ob er die Aufsichtsräte über die Spitzelattacke informieren könnte. Sein Ziel, er will die Stimmung verbessern. Denn seit dem Streit um die Verlagerung von rund 50.000 Mitarbeiter in konzerninterne Töchter herrscht dicke Luft zwischen Arbeitnehmerbank und Konzernführung. Mit der geplanten Schließung von zwei Drittel aller Callcenter hat sich die Lage nun noch einmal verschärft. Regelmäßig knallt es zwischen den Parteien, wie mir Beteiligte sagten.

Nun schaltet sich die Politik ein und damit kann es brenzlig für die Telekom-Führung werden. Auch wenn der Konzern stets versucht, den Einfluss von Berlin runter zu spielen. Wie die Rauswürfe von Ricke und Ron Sommer gezeigt haben, wichtige Entscheidung werden vom oder im Einklang mit dem Kanzleramt gefällt. Obermann weiß das. Er hat sich seit seinem Amtsantritt im November 2006 um einen guten Draht bemüht und kann auf eine breite Unterstützung in Berlin bauen.

Mit dem Kahlschlag bei den Callcentern bläst dem Vorstand aber plötzlich der Wind ins Gesicht. Mir liegen etliche Brief von Bürgermeistern und Bundespolitikern vor, die scharfe Kritik an den Plänen und auch an Obermann persönlich üben.

Da kommt die Spitzelaffäre ungelegen: Denn ausspioniert wurden die Daten von Aufsichtsräten der Arbeitnehmerbank. Die Arbeitgeberseite blieb unbehelligt oder steht mit Zumwinkel sogar selbst unter Verdacht. Moralisch ist die Konzernführung damit ins Hintertreffen geraten, auch wenn Obermann keine schuldhaftes Verhalten nachgesagt wird. Er muss also bemüht sein, das Thema schnell vergessen zu machen. Da ist es hilfreich, sich als erster im Namen des Unternehmens bei den Betroffenen zu entschuldigen.

WestLB mal unauffällig

Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zieht weite Kreise: Neben der KfW sind auch die Landesbanken betroffen – wieder einmal.

Wir erinnern uns, unsere Landesbanken hatten kräftig auf dem Markt für amerikanische Immobilien-Ramschkredite mitgemischt. Etliche Milliarden gingen da verloren, die Sachsen LB ging sogar in die Knie. Nun zeigt sich, dass unsere staatlichen Banken auch den laufenden Zusammenbruch der US-Finanzbranche zu spüren bekommen. Das "Handelsblatt" beziffert die Belastungen alleine aus der Pleite der Traditionsbank Lehman Brothers auf über eine Milliarden Euro. Die Zeitung beruft sich dabei auf Sparkassenpräsident Heinrich Haasis.

Betroffen sein sollen dem Bericht zufolge die HSH Nordbank, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die BayernLB. Ups, was ist da passiert? Mit der WestLB fehlt ein Institut in der Reihe, das sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit Bürgergeld verbrannt hat. Die WestLB sei "relativ unauffällig" in Sache bankrotter US-Banken, schreibt das "Handelsblatt". Offenbar haben die Reformen der vergangenen Jahre etwas bewirkt. Hoffe ich zumindest.