Kein Sommermärchen in Gelsenkirchen

Partystimmung in der Fanzone von Gelsenkirchen (Foto: Voregger)

Lange wurde die Fußball-Europameisterschaft in der ärmsten Stadt Deutschlands geplant und vorbereitet. Die Hoffnung auf ein historisches Ereignis war im Vorfeld groß, auch bei Oberbürgermeisterin Karin Welge von der SPD: „Dass wir uns als gute Gastgeber präsentieren und den Gästen aus ganz Europa die Bühne und Tribünen für ein großes Fußball-Fest bereiten. Für ein Fest, das für Gelsenkirchen im guten Falle so berauschend sein wird wie der UEFA-Pokal im Jahre 1997, oder wie das Sommermärchen vor 15 Jahren – und mit einem ebenso nachhaltigen Image-Effekt!“

Das Drama begann mit der Ankunft der Engländer in Gelsenkirchen. Sie kamen am Hauptbahnhof im Süden an. Dem besonders armen Teil der Stadt. Die Fußgängerzone ist von Leerstand geprägt, es gibt nur wenige Kneipen und Restaurants. Die britischen Fans wurden in eine „Fanzone“ auf der dafür kaum geeigneten Trabrennbahn am Stadtrand abgeschoben – aus Sicherheitsgründen. Dass die An- und Abreise zum Stadion nicht funktionierte, gab der englischen Stimmung den Rest. In den sozialen Netzwerken machte der Begriff „shithole“ die Runde. Dabei hätte es auf der Schalker Meile rund um die traditionsreiche Glückauf-Kampfbahn oder im Nordsternpark auf einem ehemaligen Zechengelände geeignete Plätze gegeben.

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EM in Gelsenkirchen: Brot und Spiele oder meine Stadt ist kein Knüller

EM-Werbung vor der größten Baustelle der Stadt Quelle: Voregger

Alles begann im Jahr 2017, als die UEFA und der DFB die Städte in Deutschland dazu aufriefen, sich als Austragungsorte für die Europameisterschaft 2024 zu bewerben. Damals war Oberbürgermeister Frank Baranowski für die Stadt Gelsenkirchen verantwortlich. Inzwischen hat Karin Welge das Amt der Oberbürgermeisterin übernommen und ist regelmäßig auf den zahlreichen Veranstaltungen und Fotos im Vorfeld des Turniers zu sehen.

Für die ärmste Stadt Deutschlands wird die EM mit vier Spielen in der Veltins-Arena auf Schalke ein teures Vergnügen. Bisher sind dafür 19 Millionen Euro veranschlagt und vom Stadtrat bewilligt. Mit dieser Summe wären die Umsetzung vieler anderer Maßnahmen für die Bürger und die Stadtentwicklung möglich. Dazu ein paar einzelne Beispiele:

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Gelsenkirchen (k)ein Platz für Nazis

Die Akteure aus dem Musikvideo – Quelle: Screenshot youtube

Thomas Donner ist Mitglied der AfD und wurde Anfang des Jahres als Beisitzer in den Vorstand der Partei in Gelsenkirchen gewählt. Das war als Neuaufstellung des Kreisverbands im Hinblick auf die anstehenden Wahlen gedacht. Gleichzeitig übernahm die Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias das Amt der Kreissprecherin. Die 30jährige AfD-Chefin musste jetzt schon nach drei Monaten den vorzeitigen Rücktritt ihres Parteifreundes bekanntgeben. Der wurde in einem Musikvideo an der Seite von Hooligans, Rockern, rechten Kampfsportlern und Mitgliedern einer rechtsradikalen Bürgerwehr entdeckt.

Der Clip stammt aus dem zweiten Corona-Jahr 2021, die vierte Welle ging durch Deutschland und die Proteste erreichten ihren Höhepunkt. Xavier Naidoo und der Hooligan-Sänger Hannes Ostendorf produzierten den Song „Deutschland krempelt die Ärmel hoch“. Was wohl eine Anspielung auf

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Der schöne Schein der Demokratie

Karin Welge setzt auf schöne Bilder; Foto: Welge/Pascal Skwara

Die Zeit vor Weihnachten wird gerne als Zeit der Besinnung und der Betrachtung des zu Ende gehenden Jahres gesehen. Dem wollen wir uns nicht verschließen und werfen einen Blick zurück auf die Politik in unserer Stadt. Was liegt da näher, als mit der ersten Bürgerin der Stadt – der Oberbürgermeisterin Karin Welge – zu beginnen. Auch Journalisten beginnen ihre Arbeit mit der Eingabe eines Stichworts in einer digitalen Suchmaschine. Schon da wird klar, dass facebook für die Oberbürgermeisterin das Medium der Wahl ist. Ihre Geschichte hat dort schon vor drei Jahren im Wahlkampf begonnen. Wobei die Realität der sozialen Medien nicht unbedingt die Realität auf den Straßen einer Stadt abbildet.

Zwischen Kochtopf und Kultur

Es begab sich im Juli 2020 ein Posting von Karin Welge in den sozialen Netzwerken. Die Kandidatin der SPD für das Amt der Oberbürgermeisterin war dort bei der Zubereitung von Spaghetti zu sehen. Was das mit Politik zu tun hat, erschloss sich mir schon damals nicht und einigen anderen Menschen erging es ähnlich.

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Eine Geschichte über vegane Mode und teures Plastik

Alte Industrien und neue Hoffnung? Foto: Voregger

Neun Kilometer liegen zwischen der Europastraße im Süden von Gelsenkirchen und der Ulfkotter Straße am nördlichen Stadtrand. Wenn alles gut geht, braucht man mit dem Auto nur etwa 12 Minuten. Es ist also keine Weltreise. An beiden Orten gibt es Projekte, die nach Ansicht der Wirtschaftsförderung wichtige Schritte in eine erfolgreiche Zukunft der Stadt sind. Bei beiden Projekten steht Kunststoff im Mittelpunkt – umgangssprachlich würde man von Plastik sprechen. Es geht um die Norderweiterung von BP und um das stark wachsende Modeunternehmen Navahoo.

Im Norden will BP auf dem Raffineriegelände einen Kreislaufwirtschaftsverbund aufbauen. Dort soll ein Unternehmen gebrauchte Kunststoffe in „zirkuläre Rohstoffe“ umwandeln. Das Verfahren heißt „Pyrolyse“ und der Standort

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Markus Töns und die große Vergesslichkeit der SPD


Der SPD-Politiker Markus Töns (MdB) hat Bedenken bei der Zuwanderung in der EU – Foto: Frank Sikorski

Im Gelsenkirchener Lokalteil der WAZ war vor einigen Tagen Erstaunliches aus den Reihen der SPD zu lesen. Der Bundestagsabgeordnete Markus Töns räumte Fehler der Politik ein. Gemeint war die Osterweiterung der Europäischen Union und die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien im Jahr 2005. In Gelsenkirchen kam es in der Folge zu einer Armutszuwanderung in die Schrottimmobilien der Stadt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nun die Aufnahme von Serbien, Kosovo, Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien in die EU gefordert.

Eine Entwicklung, die seinem Parteifreund Markus Töns die Schweißperlen auf die Stirn treibt: „Das wäre politisches Harakiri. Ich verstehe die Zukunftsängste in Gelsenkirchen“. In Gelsenkirchen gibt es etwa 3000 Wohnungen in rund 500 Schrottimmobilien. Sie sind in einem katastrophalen Zustand und werden von kriminellen Zwischenhändlern gerne an Zuwanderer vermietet. Mit dem Interventionsteam Ost und dem 100 Millionen

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Pro-Palästina Demo in Gelsenkirchen

Am Freitagabend haben sich auf dem Bahnhofsvorplatz in Gelsenkirchen etwa 130 Menschen versammelt, um ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk deutlich zu machen. „Gaza, Gaza ist in Not – kein Wasser, kein Brot!“ und „Deutschland finanziert und Israel bombardiert“ wurden skandiert. Transparente, Plakate und Fotos wurden von der mit einem Großaufgebot vertretenen Polizei auf strafbare Inhalte kontrolliert. „Wir haben

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„Der Verlust“ von Anita Blasberg

Der Verlust von Anita Blasberg – Foto: Rowohlt Verlag

Warum nicht nur meine Mutter das Vertrauen in unser Land verlor

Das Buch beginnt wie eine alltägliche Familiengeschichte. Die Tochter im fernen Hamburg telefoniert mit ihrer Mutter in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen. Der Alltag der Menschen zu dieser Zeit – im April 2020 – ist geprägt von Diskussionen über die Pandemie und die Maßnahmen der Regierung. Die Tochter erkundigt sich nach dem Befinden ihrer Mutter und bemerkt so etwas wie Besorgnis in ihrer Stimme. Keine ungewöhnliche Situation, aber die Tochter ist Journalistin und arbeitet für die Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie nimmt den Anruf zum Anlass, mit der 71-Jährigen über ihre Zweifel an Politik und Demokratie in Deutschland zu sprechen. Herausgekommen ist ein spannendes Buch über einen großen Verlust in einem demokratischen Land – über den Verlust des Vertrauens der Bürger in die politischen Eliten: „Vertrauen verschwindet nicht von heute auf morgen. Es verschwindet nicht einfach so. Es wird strapaziert wie ein starkes Tau, das erst porös wird und schließlich reißt“.

Es ist der Beginn einer Reise durch ein zerrissenes Land und eine Reise durch die Geschichte der Republik in den letzten 30 Jahren. In Begegnungen mit verschiedenen Menschen rekonstruiert die Journalistin die Erosion des Vertrauens. Es geht um Willy Brandt, Helmut Kohls Spendenaffäre, Schröders Agenda 2010, den Kosovo-Krieg, die Treuhandanstalt, die Gesundheitsreform, die

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Warum die AfD in Deutschlands ärmster Stadt nicht das Problem ist!

Läuft nicht wirklich in Gelsenkirchen Foto: Michael Voregger

Über rechte Kulturkämpfe und die Probleme einer armen Stadt. Vor einigen Wochen kursierte in den sozialen Medien die Meldung, dass die AfD in Gelsenkirchen einen Stimmenanteil von über 30 Prozent erreicht habe. Das wurde von vielen noch als Spekulation ohne Grundlage abgetan. Inzwischen liegt die Partei in Umfragen für NRW bei 15 Prozent, das wäre eine Verdreifachung des Ergebnisses der Landtagswahl 2022, bei der sie mit 5,2 Prozent nur knapp den Einzug ins Parlament schaffte. In Gelsenkirchen wählten damals knapp 11 Prozent die AfD. Bei einer Verdreifachung wären das mehr als 30 Prozent. Schon heute ist die Stadt die Hochburg der AfD im Westen. Eine aktuelle Umfrage des Erfurter Meinungsforschungsinstituts INSA bestätigt nun die vermeintliche Spekulation. Demnach würde der Bundestagsabgeordnete Markus Töns (SPD) sein Direktmandat im Wahlkreis 123 an die AfD verlieren.

In diesem Text soll es nicht um eine Partei gehen, die keine Lösungen für die Probleme der ärmsten Stadt Deutschlands anbietet, nicht um den geführten Kulturkampf, nicht um die fehlende Klimapolitik und auch nicht um die fehlende Präsenz im Alltag der hier lebenden Menschen. Es wird auch nicht darum gehen, dass eine demokratisch gewählte Partei nicht demokratisch sein muss. Es wird darum

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