Munscheid war ein Familienbetrieb

Wenn Otto Bartsch an der großen Treppe im Arbeitsgericht an der Bochumer Straße in Gelsenkirchen steht, dann denkt er an sein altes Büro im ersten Stock. Da, wo heute über Streitigkeiten aus dem Berufsalltag entschieden wird, war vor vielen Jahren die Verwaltung des Gussstahlwerkes untergebracht.

„Nach dem Kriege bin ich in der Exportabteilung gelandet. Ich habe schon in der Handelsschule Englisch gelernt und habe dann bei den Amerikanern in der Verwaltung gearbeitet“, erinnert sich der 86jährige. „Dann war ich Auslandskorrespondent im Werk – und daraus ist dann später der Fremdsprachenkorrespondent geworden.“ 42 Jahre hat Otto Bartsch hier gearbeitet. Der Weg zum Industriekaufmann war für ihn nur über Umwege möglich. Nachdem er 1940 sein Lehre anfing, musste er zwei Jahre zum Kriegsdienst und kam erst 1947 aus der Gefangenschaft zurück. Seine Ausbildung konnte er erst ein Jahr später als 25jähriger beenden. Sein Arbeitgeber, das Gussstahlwerk Gelsenkirchen, auch Gelsenguss oder Munscheidwerk genannt, ist genau unter diesen Bezeichnungen noch heute in den Köpfen vieler Ückendorfer bekannt.

Das Werk gehörte über viele Jahre zu den größten Arbeitgebern, nicht nur im Stadtteil, sondern auch in Gelsenkirchen. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Eigentümer mehrfach gewechselt und damit auch die Bezeichnungen für Gelsenguss. „Die einen arbeiteten bei Grillo und bei Krupp, wir haben eben bei Munscheid gearbeitet“, erzählt Otto Bartsch. „In den Hochzeiten waren über 2.000 Menschen hier an der Bochumer Straße beschäftigt“. Für die Menschen in Ückendorf war das Werk immer von großer Bedeutung. „Die meisten, die hier gearbeitet haben, kamen aus der unmittelbaren Umgebung und sind zu Fuß zur Arbeit gekommen“, sagt Otto Bartsch. „Wir hatten eine Kantine, und als die abgeschafft wurde, gab es gegenüber eine Gaststätte.“ Dort gingen viele Arbeiter nach der Schicht auch hin, um sich die Kehle anzufeuchten und „einen Deckel zu machen“. Das Werk an der Bochumer Straße bestimmte den Alltag im Stadtteil. Für die Mitarbeiter errichtete das Werk in Ückendorf viele Wohnungen, die von der Rheinelbe Wohnstätten verwaltet wurden.

Der heute nur noch in Resten für Alteingesessene erkennbare Bahnübergang der Rheinelbe-Bahn, die am Cramerweg die Bochumer Straße überquerte, führte oft zu einem Stau von Menschen und Fahrzeugen an dieser handbedienten Schranke. Anfangs waren es die Kohlenwagen der Zeche und Kokerei Rheinelbe, später die tiefliegenden Spezialwagen des Munscheidwerkes mit den wuchtigen Lasten stählerner Ungetüme, die von hier aus ihren weiteren Weg antraten. Unter schützenden Planen verließen Zahnräder, Polräder, Retorten, Walzenständer von ungewöhnlichen, mehrfach mannshohen Ausmaßen das Werk. Drei Siemens-Martin-Öfen und umfangreiche mechanische Werkstätten bildeten mit den Stahlgießereibetrieben das Munscheidwerk. Die Stahlgießerei, produzierte in der Regel keine großen Serien. Es wurde nach Kundenwünschen gearbeitet, und der wichtigste Kunde war eine dänische Maschinenbaufirma. Der geschmolzene Stahl kam in Pfannen und wurde dann in die Formerei gefahren. Dort wurde nach Holzmodellen eine Form erstellt, in die der Stahl hineinfloss. Es wurden Zahnräder mit einem Durchmesser von bis zu neun Metern produziert. Geliefert wurde in die ganze Welt von Valparaiso in Chile bis nach Kobe in Japan. Im Jahr 1984 war dann Schluss, und das Werk wurde geschlossen. „Das Gussstahlwerk war sozusagen ein Familienunternehmen, in dem ganze Generationen vom Großvater bis zum Enkel gearbeitet haben. Bei den ersten Umsetzungsmaßnahmen habe die Leute teilweise noch gefeilscht, um ein oder zwei Wochen länger hier bleiben zu können“, erklärte der letzte Betriebsratsvorsitzende Friedhelm Dörmann damals. Heute ist in das ehemalige Verwaltungsgebäude ein Gericht eingezogen, und dort, wo einst Zahnräder produziert wurden, steht jetzt der Wissenschaftspark.

Die WAZ und die Evangelikalen

 

Der Niedergang der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung schreitet weiter voran. Die Veröffentlichung von verfremdeten Fotos der vermeintlichen Opfer aus dem Jemen auf der ersten Seite macht das mehr als deutlich. Das bewegt sich fast schon auf dem Niveau von Bild, wo die Frauen allerdings ohne Verfremdung gezeigt werden. Weiter geht es mit dem Bericht über die Bibelschule Brake vom Hayke Lanwert im Innenteil der Zeitung. Von hier sind die beiden Frauen als Teil ihrer Ausbildung zu einem Praktikum in den Jemen aufgebrochen. Es entsteht der Eindruck, dass in Ostwestfalen Menschen ausgebildet werden, um in aller Welt zu helfen und Gutes zu tun. Das wird dem Charakter der Bibelschule allerdings nicht ganz gerecht, denn es handelt es sich um eine evangelikale Bildungseinrichtung und das Ziel ist eindeutig die Missionierung. Um das festzustellen reicht schon ein Blick auf die Internetseite der Bibelschule und dem dort formulierten Glaubensbekenntnis: „Wir glauben an die göttliche Inspiration, Unfehlbarkeit und Autorität der gesamten Heiligen Schrift.“ Die Ausbilder und Lehrer haben in der Regel einen Abschluss einer evangelikalen Bildungseinrichtung in Deutschland oder den USA.

Viele Journalisten schauen hier gerne weg und haben in den letzten Jahren lieber über die Aktivitäten des „deutschen Papstes“ berichtet. Das die evangelischen Fundamentalisten in der Regel eine „gute Presse“ haben, liegt auch an ihrer intensiven Lobby und Medienarbeit. Diese besonders bibeltreuen Protestanten sprechen sich gegen Abtreibung aus und zweifeln an der Gültigkeit der Evolutionstheorie. Experten schätzten die Zahl der Anhänger evangelikaler Ideen in Deutschland auf etwa zweieinhalb Millionen Menschen. Die sind vor allem in freikirchlichen Gemeinden organisiert. „Diese Bemühungen sind nicht alle auf die Verbreitung fundamentalistischer Ideen ausgerichtet. Viele davon sind auch missionarisch orientiert“, sagt Hans Jörg Hemminger, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. „Das man sich in der modernen Gesellschaft, auch im öffentlichen Meinungskampf zeigen muss, diese Überzeugung hat sehr zugenommen.“

Die evangelikalen Christen haben in Deutschland in den vergangen Jahrzehnten ein umfangreiches Netzwerk an Medien aufgebaut. Dazu gehören der Nachrichtendienst “idea”, Fernsehsender wie “Bibel TV” oder das “Deutsche Christliche Fernsehen” und Zeitschriften wie das christliche Medienmagazin pro. Ein wesentliches Element dieser Weltanschauung ist der Kreationismus. „Das ist die Ablehnung der Evolutionstheorie aus religiösen Gründen. Im christlichen Bereich meistens, weil man die Schöpfungsgeschichte der Bibel für eine historische, naturwissenschaftliche Darstellung hält“, sagt Hans Jörg Hemminger. „Dann geht man davon aus, dass die Erde sechs bis zehntausend Jahre alt ist, anstatt vier Milliarden Jahre. Damit legt man sich mit einem großen Teil der etablierten Naturwissenschaften an.“

Die evangelikalen Medienaktivitäten sind in der Regel über Spenden finanziert. Mit den Möglichkeiten moderner Medientechnik und großem Engagement erreichen die Evangelikalen sehr viele Menschen. Viele Wissenschaftler kritisieren, dass die Amtskirchen sich nicht eindeutiger für die Evolutionstheorie aussprechen und sich fundamentalistische Ideen so leichter in der Gesellschaft etablieren. „Es gibt eine kreationistisches Lehrbuch der Evolution und da stellt sich natürlich die Frage, warum schreibt jemand der die Evolution für Humbug hält, ein solches Buch“, fragt sich der Biologe Thomas Junker, der in Tübingen eine Professur hat. „Sie versuchen in die Breite zu gehen, indem sie quasi seriöse Publikationen verfassen, die dann über den normalen Buchhandel vertrieben werden. Der Erfolg scheint den bibeltreuen Christen Recht zu geben, denn der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus hat dieses Buch sehr gelobt.“

Wie erfolgreich hier gearbeitet wird, zeigt auch die Preisverleihung des Goldenen Kompasses im letzten Jahr in der Schalker Arena. Den bekamen einige Fußballspieler des FC Schalke 04 für ihre Mitwirkung an dem Buch: Mit Gott auf Schalke. Ausgeschrieben wird der Preis vom Christlichen Medienverbund KEP. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, die evangelikale Öffentlichkeitsarbeit voranzutreiben. Bibeltreue Christen drängen weiter in die Öffentlichkeit und für 2009 sind weitere Fernsehsender geplant. Das ist eine Herausforderung für die Kontrolleure der Medien. „Sie dürfen nicht werben im klassischen Sinne, das heißt sie dürfen nicht offen zu Spenden aufrufen, sie dürfen keine Produkte verkaufen, denn das ist eine religiöse Werbung im eigentlichen Sinne“, erklärt Holger Gierbig, der bei der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen für die Programmaufsicht zuständig ist. „Die ist dem Staatsvertrag, der die Zulassungskriterien für solche Dinge regelt, verboten.“ Es sind auch die Missionierung und die Anwerbung neuer Mitglieder verboten. Wann man es mit Missionierung zu tun hat, ist für die Kontrolleure nur schwer zu beurteilen. Die Aktivitäten der evangelikalen Medien bewegen sich in hier in einem Grenzbereich. Verkündigung, Missionierung und Zweifel an den Naturwissenschaften werden weiter auf allen Kanälen gesendet.

Hier ist der Link zu dem Artikel in der WAZ.

Eine Couch für alle Fälle

Die Idee ist eigentlich ganz einfach. Reiselustige Menschen aus der ganzen Welt vernetzen sich über das Internet und bieten ihr heimisches Sofa kostenlos zum Übernachten an. Im Gegenzug dürfen sie selbst weltweit auf die Couch. „Empfehlen würde ich es jedem und ich habe die besten Reiseerfahrungen damit gemacht. Ich glaube dass die Menschen, die da mitmachen, von Grund auf vertrauenswürdig und offen sind“, sagt Daniela Michalzik. „Es waren auf jeden Fall sehr interessante Leute, die ich da kennengelernt habe“. Die kleine Wohnung der Studentin der Sozialen Arbeit liegt an einer Hauptverkehrsstraße nicht weit von der Bochumer Innenstadt entfernt. Es ist nicht viel Platz zwischen ihrem Schreibtisch und der Küchenzeile, aber die Couch wird für Besucher immer frei gehalten.

Die 23jährige ist seit einem Jahr bei dem Portal angemeldet. Bisher haben Menschen aus Deutschland und Ungarn ihre Couch für ein paar Tage genutzt. Angemeldet hat sie sich wegen einer zweiwöchigen Reise nach Wales mit vier Freundinnen. „Ich habe vorher noch von Deutschland aus ganz viele Leute angeschrieben. Von manchen Orten habe ich dann positive Rückmeldungen bekommen“, erklärt Daniela Michalzik. „Ich habe mit den Leuten dann telefoniert, Treffpunkte ausgemacht und Adressen ausgetauscht“. Die Erfahrungen der Reisegruppe waren in der Regel gut, auch wenn die Gastgeber manchmal etwas seltsame Vorstellungen hatten. In einem Luxusappartment in der Londoner Innenstadt mussten die Damen ihre Ausweise hinterlegen, weil die Couchbesitzer Angst um ihre kostspielige Einrichtung hatten.

Gastgeber-Communities wie Hospitalityclub, Bewelcome oder Couchsurfing verzeichnen beständig ansteigende Teilnehmerzahlen. Der älteste Dienst Hospitality aus dem Jahr 2000 kommt auf etwa 400 000 Nutzer. Couchsurfing ist derzeit der beliebteste Anbieter und hat nach eigenen Angaben weltweit mehr als 900 000 Mitglieder. Jede Woche kommen bis zu 8000 Neuanmeldungen dazu. Der Weg zur Übernachtung erfordert zunächst eine Registrierung auf der entsprechenden Seite. Dort kann man in einer Art Steckbrief ein paar Daten zur eigenen Person eingeben. Hier wird das Alter, das Geschlecht, die Ausbildung und etwas über die eigene Herkunft mitgeteilt. Man sollte sich mit ein paar Worten selbst beschreiben und die eigenen Interessen vorstellen. Ein paar Worte zur Lage der Wohnung, der Verkehrsanbindung und der Umgebung helfen ebenfalls bei der Auswahl. Die meisten Mitglieder veröffentlichen ein paar Fotos auf dem Portal. So gibt es viele Informationen und man kann sich jemanden aussuchen, der gut zu einem passt. In der Regel gibt es auch ein Bild der Couch, so dass die Surfer eine Vorstellung von ihrem Schlafplatz haben.

Die meisten Übernachtungen werden in Deutschland in Berlin und in Hamburg angeboten. In der Hauptstadt gibt es 6600 Schlafplätze und an der Alster immerhin noch 2400. In Nordrhein Westfalen liegen Köln und Bochum mit jeweils 301 freien Schlafplätzen bei den Angeboten ganz vorne. In Gelsenkirchen gibt es 61 Plätze und in Korschenbroich finden sich noch sieben Couchsurfer. Für viele Nutzer der Portale geht es nicht nur um eine Schlafstelle für ein paar Nächte. Sie sehen in dieser Form der weltweiten Mobilität eine andere Lebensart. Ein Vorteil dieser Art zu Reisen ist auf jeden Fall, dass man sofort Anschluss bekommt. „Es ist komplett etwas anderes, denn es ist kein Urlaub sondern eher eine besondere Einstellung“, sagt Ania aus Essen, die gerade an ihrer Doktorarbeit in Biologie arbeitet. „Man taucht in den Alltag der Menschen ein und ich fand es besonders toll auf den kanarischen Inseln. Wir sind mit dem Gastgeber an den Strand gegangen und haben seine Freunde kennengelernt“. Die 28jährige war bisher in Belgien, Deutschland, Großbritannien, Polen und in Spanien als Couchsurfer unterwegs. Die meisten Teilnehmer sind nicht älter als 35 Jahre. Es gibt aber auch die Möglichkeit sich mit Kindern und Familie auf die Reise zu begeben. Der Betreiber des Portals gibt hierfür ausführliche Tipps und Empfehlungen.

Ob privat oder geschäftlich, immer mehr Menschen pflegen ihre Kontakte mit Hilfe von Internetplattformen, in denen sie Persönlichkeitsprofile anlegen. Diese Social-Networking-Plattformen verlangen von ihren Nutzern bei der Registrierung viele private Daten, bieten aber nur wenige Möglichkeiten, diese persönlichen Informationen vor ungewollten Zugriffen zu schützen. Die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt raten beim Anlegen von Profilen an den Schutz der eigenen Daten zu denken. „Die Plattform Couchsurfing bietet immerhin die Möglichkeit ihren Namen und die Adresse zu verstecken. Wenn Sie sich erstmal um Sympathien im Netz bemühen, dann brauchen sie diese Daten erstmal nicht“, erklärt der Wissenschaftler Andreas Poller. „Die Nutzer können diese Angaben deaktivieren und haben die Privatsphäre schon gut geschützt“. In der Regel schreiben die meisten Mitglieder ihren Gastgebern immerhin Kommentare ins Profil. So haben sie im Prinzip die Möglichkeit, andere zu warnen, aber meistens wird hier nur ausgiebig gelobt. Vor etwa einem Jahr machte ein krimineller Couchsurfer die Runde, der bei seinen Gastgebern regelmäßig Wertsachen entwendete. Nach einiger Zeit ging ein Sicherheitshinweis mit einem Bild an die Nutzer des Portals und beendete die diebische Karriere.

Die Reisenden sollten ihre Gastgeber ein bis vier Wochen vor ihrer Ankunft kontaktieren. Die Gemeinschaft fungiert als Kontrolle und wenn sich wirklich mal Gäste danebenbenehmen, dann spricht es sich schnell herum. Wer mal abspült und den Kühlschrank fühlt, der hat gute Chancen auch in Zukunft eine passende Couch in der ganzen Welt zu finden.

Portale für Couchsurfer
www.couchsurfing.com
www.bewelcome.org
www.hospitalityclub.org
www.usservas.org
www.globalfreeloaders.com
www.yowtrip.com

Studie zu Sozialen Netzwerken und dem Schutz der Privatsphäre:
www.sit.fraunhofer.de

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