Über Erkennen. Eine analytische Studie – Vorstellung eines Forschungsprojekts im Sprachanalytischen Forum*

Robert Fludds Abbildung der unterschiedlichen Arten menschlicher Erkenntnis (1619) – gemeinfrei

Fragen nach einem Erkennen gehören philosophisch zu einer jahrtausendealten Tradition. Es bildete sich als Sammelbegriff ‚Erkenntnistheorie‘ heraus, der sich auf all die philosophischen Forschungen bezieht, die um eine Erläuterung ringen. Doch um eine Erläuterung von was? Sieht man von Bestrebungen ab, Wege in Metaphysiken zu eröffenen, bereits Platon war darin ein Spezialist, wurde ein Erkennen empirisch nicht selten auf ein Wahrnehmen reduziert, das die empirischen Bedingungen einbezieht, besonders die beteiligten Organe. Bereits David Hume erörterte das menschliche Erkennen im Kontext der damaligen biologischen Forschungen. Inzwischen ist die Neurologie als Forschungszweig hinzugetreten, die entdeckt hat, dass an Wahnehmungen auch Hirnvorgänge beteiligt sind.

Fragen nach Wahnehmungen lassen jedoch Sprache unberücksichtigt. Im Hinblick auf Wahrnehmungen ist dies weniger ein Problem, weil von einem möglichen Probanden eventuell nicht konkret angebbar sein muss, was er wahrgenommen hat, ein einfaches Durch-die Gegend-Schauen reicht eventuell bereits aus, um von einem Wahrnehmen sprechen zu können. Doch sobald ein Erkennen thematisiert wird, ist es erforderlich, konkret sagen zu können, was. Als Beispiel sei ein Spaziergang angeführt, ob durch einen Wald oder durch eine Innenstadt, auf dem sich Details rasch verlieren können. Ein Wahrnehmen ist dennoch erforderlich, um nicht gegen oder in etwas zu laufen. Etwas erkennen zu können, erfordert mehr, auch eine sprachliche Aktivität, die dezidierte Angaben ermöglicht, sowohl sich selber als auch anderen gegenüber. Auf eine mögliche Frage, was erkannt wurde, zu antworten, „dies und das, ich weiß nicht“, wäre reichlich unbefriedigend.

Sprachliche Äußerungen stehen allerdings in Zusammenhängen. Die vorgenommene einfache Differenzierung in Wahrnehmen und Erkennen kann bereits als Beispiel dienen. Ohne sprachliche Arbeit könnte sich ein Erkennen gar nicht ereignen. Würde ich die Worte ‚Wahnehmen‘ und ‚Erkennen‘ lediglich nutzen, wie es im Umgang leicht geschieht, z.B. synonym, ohne Rücksicht auf mögliche Bezüge, bliebe nur ein Geplauder, ein sozialer Akt.
Sprache einzubeziehen, dient in der anvisierten Studie über das Erkennen vor allem der Erörterung von sprachlichen Problemen, wie die empirischen Ergebnisse beurteilt werden können. Einige Forscher sind z.B. der Ansicht, Wahrnehmung werde konstruiert. Doch um eine solche Aussage treffen zu können, wäre ein Vergleich mit einer Welt erforderlich, die außerhalb menschlicher Wahrnehmungsbedingungen liegt. Das Wort ‚konstruiert‘ steht z.B. in Differenz zu ‚gespiegelt‘. Doch wenn sich nicht angeben lässt, wie die Welt außerhalb unserer Wahrnehmungsbedingungen aussieht, uns ein Ding an sich (Kant) unbekannt ist und bleibt, wäre es nicht nur fahrlässig von einem Spiegel zu sprechen, sondern auch von Konstruktion. Es würde nicht ausreichen, lediglich einen Bildaufbau zu verfolgen. Etwas zu konstruieren, setzt, wie bei einer Spiegelei, eine Relation voraus, über die man jedoch so gut wie nichts weiß.

*Das Sprachanalytische Forum gehört zum Duisburger AutorenVerlag Matern

Perspektiven der Philosophie

Manfred Frank, emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, hat in der FAZ beklagt, dass in Deutschland kaum mehr der deutsche Idealismus eine Rolle spielt, und er fügte hinzu: „Seine gedankliche Wucht versandet im Kleinteiligen.“ Nun war es aber gerade die „Wucht“ der alten Systemphilosophie, die sie obsolet werden ließ – explizit bezieht Frank z.B. Hegel ein –, weil durch die unzureichende Berücksichtigung von Details vielfach nur Pathos übrigblieb. Wer große Entwürfe vermisst, wäre vielleicht in der Theologie besser aufgehoben, als in der Philosophie. Die veränderte Aufnahme der hegelschen Philosophie durch die sogenannte „Kritische Theorie“ endete letztlich in Messianismen (vgl. die Studien von Kai Pege und Reinhard Matern über Horkheimer u. Adorno), oder in einer pragmatischen Wende, die Habermas vollzog, weil ihm klar geworden war, dass ein Denken philosophisch nicht ausreichen kann. Ohne sprachliche Aktivität ließe sich (a) nicht denken, (b) nichts vermitteln. Doch auch diese Wende führte nicht zu sprachtheoretischen Untersuchungen, die eine Basis hätten bilden können, sondern zu einer Theorie des kommunikativen Handelns, die Sprache lediglich pragmatisch streift.

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Robotik im Ruhrgebiet

Engine Hedda, AutorenVerlag Matern, Duisburg
Figur: H.A. Weichbrodt, Foto: H.H. Bergmann

Das Thema Robotik ist für viele Menschen noch relativ fern. In den Wissenschaften, sogar im Ruhrgebiet, z.B. an der Technischen Hochschule in Dortmund, wird es aber ernst genommen, ebenso weltweit in Industrie und Militär, um menschliche Arbeits- bzw. Kampfkraft zu ersetzen. Aber die Vision, Maschinen könnten eines Tages die Herrschaft übernehmen, durch eine Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz, ist aus menschlicher Sicht kaum vorstellbar. Die Menschheit hat Probleme genug mit ihrer eigenen Intelligenz, um sich selber politisch, wirtschaftlich und sozial zu organisieren, wie die aktuelle politische Lage vor allem in Afrika, im Nahen Osten und in Europa demonstrieren kann. Doch es gibt bereits Maschinen, die von einer Übernahme der Herrschaft sprechen, wie Engine Hedda aus dem AutorenVerlag Matern im Video erläutert.

Europa in politischer Bedrängnis

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Europaflaggen vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission – Xavier Häpe – Creative-Commons 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de)

Das Fehlen einer europäischen Politik hat zur Entstehung der sogenannten Flüchtlingskrise maßgeblich beigetragen. Ohne politisch relevantes Parlament und eine agile Regierung lässt sich zwar eine Bürokratie betreiben, nicht jedoch politisch angemessen reagieren. Zwar gibt es ein von Bürgern gewähltes Parlament, doch die Befugnisse sind beschränkt. Die Kommission, die ähnlich einer Regierung fungieren könnte, ist nur durch die Länderregierungen legitimiert. Mehr als ein länderübergreifender bürokratischer Versuch, die Flüchtlingsströme zu verteilen, ist bislang nicht zustande gekommen. Das Konzept eines partnerschaftlichen Zusammenlebens der Mitgliedsländer ist den gesellschaftlichen Veränderungen nicht gewachsen, ist apolitisch, beruht auf einem naiven Idealismus. Es handelt sich nicht um eine Flüchtlingskrise, sondern um eine europäische politische Katastrophe.

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Ein Sommer voller Theater

„Adieu“ in Forum Freies Theater, Düsseldorf – Oliver Paul – German Wikipedia – CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Die Bühnen pausieren, erst im September beginnt vielerorts die neue Spielzeit, doch in den Medien wird eifrig über mögliche Wege diskutiert, die das Theater nehmen könnte, um auf Interesse und Akzeptanz zu stoßen. Simon Strauß veröffentlichte in der FAZ ein Plädoyer für mehr Mut zu Fremdheit und Verstörung, um einer Provokationsspirale zu entkommen, die ihrer Konventionalität nicht entkommen kann. Abseits des Realismus, durch ‚magische‘ Bilder, erhofft er ein Publikum zurückzugewinnen, das die im Betrieb licht gewordenen Reihen wieder füllt, auch junge Leute anspricht, für die die bürgerliche Institution alles andere als selbstverständlich ist. Doch Worte ‚Magie‘ verweisen auf Traditionen aus steinzeitlichen Gesellschaften, aus zurückgebliebenen ländlichen Bezirken, auch in Europa, oder eine Romantik, die nicht wusste, nicht einmal ahnte, worüber sie sprach.

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Verlasst die Universitäten!

Italy Bologna – Portico cattedrale di San Pietro (lato di Via Altabella) – Sansavini Loredana, eigenes Werk – italiano Sansavini Loredana – Eigenes Werk – CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Wissenschaftspolitik, die nicht an der jeweiligen Sache ausgerichtet ist, geht fehl, besonders dann, wenn ein Reduktionismus auf erfassbare Ziffern betrieben wird, die kaum etwas preisgeben, lediglich eine unangemessene, eine irrationale Buchhaltung. Unter solchen Bedingungen ist der Betrieb vor allem Joblieferant und Marketing-Maschine, der seit einiger Zeit über verteilbare „Exzellenzen“ für gesellschaftliches Ansehen sorgt und zusätzliche Mittel vergibt, die forschungsrelevant sein können, besonders zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze und zum Ankauf von Gerätschaften.

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Desktop-Publishing – nur mit Restriktionen?

Abandoned Art School 9 – Tiffany Bailey from New Orleans, USA – CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

Im Hinblick auf eine Textverarbeitung, so ließe sich eingedenk meines Lobes auf eine hervorragende Schreibmaschinen-Emulation aus den 80er Jahren (‚Signum! 2‘) resumieren, waren Schreibmaschinen die bislang letzten IT-Wunderwerke, die von Menschen geschaffen wurden. Die Emulation, die sich an der satztechnischen Variabilität der Maschinen messen lassen konnte, war lediglich leiser zu bedienen und erlaubte mehrere ungewöhnliche Zeichensätze zu integrieren, auch mathematische und altsprachliche. Als einzige technische Weiterentwicklung wurden rahmenorientierte Programme für ein Desktop-Publishing erwähnt.

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Ein Lob auf die softwareemulierte Schreibmaschine!

Alte Schreibmaschine mit gut sichtbarem Verlauf des Farbbands – Alf van Beem – Eigenes Werk – CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.en)

Seit der Erfindung der Schreibmaschine hat sich in Bezug auf ein textbasiertes Arbeiten nicht viel getan. Auch Textverarbeitungsprogramme nutzen in der Regel dasselbe zeilenorientierte Vorgehen, jedoch häufig weniger flexibel, sind im Betrieb aber leiser, freilich in Abhängigkeit von der verwendeten Tastatur. Schwierigkeiten können die vielen Zugaben bereiten, die primär dazu dienen, aus der ursprünglichen Emulation eine arbeitsuntaugliche Spielwiese werden zu lassen. Die einzige technische Neuerung, die sich jedoch weniger für Textarbeit, eher für ein Layout bzw. Design anbietet, wurde mit rahmenorientierten Programmen geschaffen, mit denen ein Desktop-Publishing möglich wurde.

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Der Wow-Faktor

Bild 1: Scan des namensgebenden Dokuments von Jerry R. Ehman – Gemeinfrei

Es wäre keine neue Erkenntnis, dass von Menschen getätigt wird, was technisch möglich ist. Gründe lassen sich immer finden, seien es auch vorgeschobene, technische Erfindungen faszinieren zunächst einmal: der Wow-Faktor wird rational viel zu häufig unterschätzt.
Zum Wow-Faktor gehören jedoch auch mögliche Resultate. Hälse glatt und fast ohne spürbaren Widerstand durchschneiden bzw. -hacken zu können, eine ganze Stadt zu pulverisieren, das sind erhebende Momente, die „Wow“ rufen lassen, „Wow, wow, das gibts ja gar nicht“ und leicht dazu führen können, es gleich noch einmal zu tun: „Wow“.

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