Alles außer Pop – verwirrt vom Shining

Kennen Sie das Gefühl, wenn man ein Glas zum Mund führt und man rechnet, sagen wir, mit alkoholfreier dunkler Weiße, aber es ist Cola? Okay, ich trinke echt gerne alkoholfreie dunkle Weiße, wohingegen ich die schwedische „Black Metal“ „Band“ (ja, das muss beides in Gänsefüßchen) Shining ohnehin schon skeptisch sehe. Ich fand die Musik zu Zeiten von „Darkness Redefined“ ehrlich gesagt nicht schlecht. Ich habe durchaus ein Herz für progressiven Ambient Black Metal, auch wenn das natürlich gar nicht trve ist oder so.

Ob es trve ist, den 15-jährigen Fans Rasierklingen auszuhändigen, weil man Suizid glorifiziert, lässt sich unter dem Aspekt der Künstlerfreiheit genauso betrachten wie unter dem von Jugendschutz. Als jemand, dessen Beruf es ist, Leuten wieder Hoffnung auf das Leben zu machen, zuckt mir da jedenfalls die Faust in der Hosentasche.

Aber allzu lecker war das Shining-Bier zuletzt ohnehin nicht mehr, denn die Zielgruppe der Teenager verlangte offensichtlich nach immer mehr Zuckerzusatz. Das BM-Reinheitsgebot galt ja sowieso nie für Shining (Schweden! Bitte merken), aber die jüngsten Veröffentlichungen waren eher Malzbier als Weizen.

Bloß, als ich dann bei Spotify ein neues Shining-Album sah – zugegebenermaßen schon etwas misstrauisch ob des knallbunten Tiger-Covers, aber immerhin in der Rubrik Metal – da hatte ich plötzlich Bubble-Tea im Mund. So richtig mit Schlumpf-Aroma, Giftfarbe und Gelatine-Kügelchen. Irgendwo in dem pop-bunten Synthesizer-Gemisch gab es auch sterile Gitarren, langsam war das auch nicht und mit viel Fantasie hätte das vielleicht der Kitsch-Teil einer besonders unerträglichen Variante von Kommerz-Djent sein können, bevor wieder was Härteres kam. Sollten so jetzt also Shining klingen? Wie Bon Jovis jüngster Sohn nach einer Silikon-Implantation? Was zum Leibhaftigen war da in meinem Ohren?

Die Recherche erleichtert einem die Frage nicht sofort, kann unter Shining doch sowohl ein schwedischer Black-Metaller firmieren, als auch ein Norweger (halt das mal einer auseinander), der mal bei Emperor gespielt hat. Der schwedische und der norwegische Black-Metaller sind aber zwei verschiedene Entitäten und wenn man dann liest, das letzter auch bei den genialen Jaga Jazzist gespielt hat und außerdem „Metal‘s chief saxophone-wielding renegade“ (Selbstbeschreibung) sein soll, dann fragt man sich, ob möglicherweise psychotrope Substanzen in dem Blubbertee waren.

Also, um das zusammenzufassen: „THE Shining“ sind irgendeine irrelevante Joe-Cocker-Lookalike-Band. Shining A) ist ein groupie-killender Jüngling mit HIM-Ambitionen und Shining B) ist ein versierter Multiinstrumentalist mit dem Ziel entweder sehr viel Geld in sehr großen Stadien mit glattpolierter Plastikmusik zu machen oder einfach unschuldige Hörer zum Erbrechen zu bringen.

Jetzt weiß ich jedenfalls, wie das Mikroplastik ins menschliche Blut gelangt.

Der Autor schreibt hier alle zwei Wochen über Musik. Über Musik redet er auch im Podcast Ach & Krach – Gespräche über Lärmmusik.

Happy Horror Halloween

Fragt sich diese Dame, wie sie auf Kindergartenkinder wirkt?
Quelle: Flickr, Foto: Shawn Perez
CC BY 2.0

Letztens in einer Halloween-Sondersendung eines Metal-Podcasts: Mehrere Musiker aus der Szene erzählen von ihren Lieblingshorrorfilmen und auch, wie sie zu ihrer Horror-Leidenschaft gekommen sind. Der erste berichtete, dass er im Alter von vier Jahren von seinen Eltern mit ins Autokino genommen wurde, wo die Eltern „Der Exorzist“ schauten und ihm befahlen, nicht hinzusehen. Der zweite sagte, dass bereits seine Mutter Horrorfan gewesen sei und mit ihm zusammen „Nightmare on Elm’s Street“ geschaut habe, als er gerade einmal drei Jahre alt war. Seitdem liebe er Horrorfilme. Bei dieser Gelegenheit fiel mir die Dokumentation „Heavy Metal auf dem Lande“ ein, wo ein ca. Einjähriger zu sehen ist, der mit einer ausgesprochen gruseligen „Eddie“-Actionfigur spielt. Und da fragt man sich doch: Kann das gut sein, für die Kinderseelen?

Für die Jüngeren hier kurz die Information, dass es bis vor Kurzem bei uns kein Halloween gab. Aber weil die Leute in den Filmen das immer feiern und um davon abzulenken, dass seit Ende August schon Spekulatius in den Regalen liegen, haben TV und Einzelhandel den neuen Feiertag eingeführt.

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Alles außer Pop spezial: Spotify hat sich soeben ins Genick geschossen

Update, 28.10.2018, 19:50: Die Funktion „entdecken“ ist unter Suche als neunte Kachel doch noch verfügbar. Spotify hat seinen unique selling point also nicht weggeschmissen, nur sehr, sehr gut versteckt.

Dass ein Internet-Unternehmen die Größe von Spotify erreicht und noch nicht von einem der Giganten gekauft wurde, ist selten. Der schwedische Streaming-Dienst scheint entschlossen, ein eigenständiger Betrieb zu bleiben. Im ersten Halbjahr 2018 hatte er mit 36% Marktanteil die Nase deutlich vor Apple Music (19%) und erst recht vor Amazon, Deezer etc. Derzeit tritt mit Youtube Music ein Konkurrent auf den Plan, der Spotify das Fürchten lehren dürfte. Youtube Music bietet wie Spotify eine werbefinanzierte Gratis-Version. Diese hat zwar einige Nachteile, dafür kriegt momentan jeder Youtube-Nutzer den neuen Dienst unter die Nase gerieben, mit einer Reichweite, die ihresgleichen sucht.
Zeit, sich auf seine Stärken zu besinnen? Offenbar nicht.

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Cartoons ohne Bilder #23


Dickes Kind am Küchentisch. Mutter stellt ihm gefüllten Teller hin.
Sprechblase über der Mutter: „Ich gebe dir erst mal viel – ja? – zum Schlingen und danach kannst du ja noch mal wenig nehmen und gucken ob’s dir schmeckt.“

Alles außer Pop – Slave to the Grind

Der Film “Slave to the Grind” läuft zur Zeit auf einigen Festivals und hier und da im Programmkino. Es handelt sich um eine Dokumentation über Grindcore. Sie kennen keinen Grindcore? Aber Sie kennen doch bestimmt die erste Napalm Death? Auch nicht? Also … Sie haben eine Waschmaschine und die läuft doch sicher manchmal im Schleudergang. Und Sie waren mal auf einem Bauernhof und haben gehört, wie sich die Schweine dort artikulieren. Nun bringen Sie beides zusammen: Grindcore.
Für jeden, der in dieser Musik mehr als das hört, ist der Film sehr aufschlussreich. So erfährt man, wie der typische Blastbeat entstanden ist, dessen synkopische Snare-Schläge eigentlich ein Trick waren, um mit der Hälfte der Anschläge die volle Geschwindigkeit spielen zu können. Man erfährt, wie Repulsion in den USA und Napalm Death in England Anfang der 80er Jahre den bestehenden Hardcore-Punk zu neuen Geschwindigkeitsgefilden getrieben haben und so ein ganz neues Genre erfanden. Wie sich die verschiedenen Spielarten (etwa Gore-Grind) entwickelten, wo überall auf der Welt Grindcore gespielt wird (überall) und dass es auch weibliche Grindcore-Bands gibt.
Viel Raum nimmt der Tod mehrer Protagonisten ein, etwa von Mieszko Talarczyk, Sänger der Band Nasum, der 2004 beim Tsunami in Thailand ums Leben kam. Oder der von Seth Putnam von der Band Anal Cunt, einem Provokateur vor dem Herrn, von dem die eine Hälfte der Zeitzeugen sagt, er sei völlig gestört gewesen, während die andere ihn privat eigentlich als ganz normal empfunden hat.
Viele Momente sind lustig, z.B. wenn Tim Morse von Anal Cunt erzählt, wie er seiner Mutter die neue Band vorgestellt hat, samt ihrer ganzen Obszönität, und einfach nichts und wieder nichts als Argument vorbringen konnte, wieso man so eine Band gründen wollen sollte. Wie die meisten Herrschaften in dem Film ist Morse ein äußerst sympathischer, intelligenter Typ und es wäre eine nähere Betrachtung wert, warum nette und aufgeweckte Leute eigentlich so eine Freude daran haben, derartige Primitivität zu vertonen.
Wie heutzutage üblich ist alles schnell geschnitten, mit vielen kurzen Statements, vielen Bildern und wenig Ruhemomenten. Das könnte man natürlich auch als Parallele zur vorgestellten Musik interpretieren, aber so extrem ist es nun doch wieder nicht. Ich hätte mir den Mut gewünscht, einfach mal ein ganzes Stück einer Band zu spielen (so lang dauernd Grindcore-Lieder nun wirklich nicht) und darauf zu vertrauen, dass die Zuschauer auch mal mehr als 30 Sekunden bei einer Sache bleiben können.
Der Film ist trotzdem empfehlenswert, präsentiert eine bemerkenswerte Fülle an Material, an Zeitzeugen, Bildern und Skurilitäten. Für Freunde dieses Genres ein Muss, für Menschen, die sich für einen Blick in eine fremde Welt offen zeigen, ein Anlass zum Wundern.

Der Autor schreibt hier alle zwei Wochen über Musik. Über Musik redet er auch im Podcast Ach & Krach – Gespräche über Lärmmusik.

Cartoons ohne Bilder #21


Bürgersteig. Ein Rentnerehepaar in beigen Westen wird von einem Mann überholt.
Renterin: „Komm Heinz, lass den jungen Mann mal vorbei, der hat’s EILIG!“
Gezackte Sprechblase über dem Mann: „Ich habe es überhaupt nicht eilig, ich habe einfach nur mehr POWER als Sie!“

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Alles außer Pop – Bunter, schwarzer Krieg

Soll mir keiner kommen und sagen, Anaal Nathrakh wären Sell-Outs. Nur weil sie Clean-Gesang, groovende Parts, eingängige Melodien, pathetische Chöre und kitschige symphonische Synthesizer haben, darf man dieses Gewaltgewitter nicht vorverurteilen. Die neue Platte A New Kind Of Horror ist soeben erschienen und ballert mich aus meinem Schleudersitz. Ich muss eine gewisse Empfänglichkeit für Kitsch einräumen, ich mag auch Cradle of Filth, jedenfalls manchmal.

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