Cartoons ohne Bilder #91


Ein Wohnzimmer mit Bücherregalen bis unter die Decke, Bücherstapel und Notizen am Boden. In Sesseln – in verschiedenen Ecken des Raumes – sitzt ein Paar, beide hager und blass, beide in schwarzen Rollkragenpullovern. Alternierende Sprechblasen.

Er: „Ich habe überlegt, ob wir nicht doch mal zu einem Paartherapeuten gehen sollten.“

Sie: „Glaubst du wirklich, wir finden jemanden, der intellektuell differenziert genug ist, um unsere komplexen Beziehungsprobleme nachzuvollziehen?“

Er: „Nein, aber die geteilte Verachtung für diesen Versager könnte uns wieder zusammenschweißen.“

Interview: Anselm Neft, Mit-Unterzeichner des Woody-Allen-Briefes an Rowohlt

Anselm Neft, Copyright: Maren Kaschner, mit freundlicher Genehmigung

In einem offenen Brief sprechen sich diverse Autoren des Rowohlt-Verlags gegen die dort geplante Veröffentlichung der Biografie von Woody Allen aus, unter anderem Sascha Lobo, Kathrin Passig und Margarete Stokowski. Wir sprechen mit einem der Unterzeichner, dem Autor Anselm Neft, über die Hintergründe und wieso er trotz Bedenken unterschrieben hat.

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Cartoons ohne Bilder #89


Ein Bild von Hans-Georg Maaßen, erschrockene Mimik.
Überschrift: „Wegen Hufeisentheorie: WerteUnion gibt ihre Auflösung bekannt.“

Sprechblase über Maaßen: „Uns ist gerade klar geworden, dass dann rechts ja auch genauso schlimm ist wie links!“

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Alles außer Pop – RIP McCoy Tyner

Es ist einer der faszinierenden Aspekte des Jazz, dass sich wie in keiner anderen Musik die Persönlichkeit des Künstlers in seiner Musik wiederfindet. Je näher man sich mit einem Musiker beschäftigt, desto mehr scheint man seinen Charakter in seinen Stücken zu erkennen und je mehr von seiner Musik man hört, desto besser scheint man den Menschen dahinter kennenzulernen.

Natürlich ist vieles davon Spekulation. Doch ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich sage, dass McCoy Tyner ein bescheidener und liebenswerter Mensch war, ein loyaler, ruhiger und doch von tiefer Leidenschaft und gewaltiger Liebe erfüllter Mensch. Liebe zur Musik, vermutlich auch Liebe zu den Menschen.

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Cartoons ohne Bilder #88

Drei Panels. Jeweils eine Pressekonferenz, jeweils der gleiche Politiker, sieht in jedem Bild etwas ramponierter aus als im vorangegangenen. Jeweils eine Sprechblase über dem Politiker.

Panel 1: „Meine Damen und Herren, die Lage ist ernst, aber bislang besteht kein Grund zur Panik.“

Panel 2: „Die Lage hat sich weiter zugespitzt, aber es besteht nach wie vor kein Grund zur Panik.“

Panel 3: „Meine Damen und Herren, es ist soweit: Es besteht Grund zur Panik, bitte handeln Sie ab sofort überstürzt und irrational!“

Impertinente Häscher für den guten Zweck

Ein intaktes Sozialverhalten. Also offensichtlich keine Spendeneintreiber. Foto: R. v. Cube

Sie kommen in Rudeln. Sie stellen ihre Fallen an gut besuchten Kreuzungen auf. Sie suchen sich Orte, an denen es kein Ausweichen gibt. Sie tragen bedruckte Regenjacken in Einheitsfarben, wie Gangmitglieder. Wenn man sie eine Zeit lang aus der Ferne betrachtet, kann man beobachten, wie sie sich gegenseitig aufstacheln, wie sie sich Mut machen, eingeschworene Teams, Predatoren auf Adrenalin. Sie tänzeln auf der Stelle, in einer Mischung aus Jagdfieber und aufgesetzter Fröhlichkeit. Manche Passanten lassen sie unbehelligt durch, vielleicht, weil sie nicht ins Beuteschema passen, vielleicht auch nur, weil sie sich schon von Weitem auf ein anderes Opfer eingeschossen haben, das sie im Blick halten wie ein Raubvogel.

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Cartoons ohne Bilder #87

Mehrere Panels.

Ein Karnevalsumzug nähert sich. Im Publikum ein ernster, älterer Herr. Kleine Sprechblasen über dem Umzug: „Helau! Helau! Helau!“

Der Umzug nähert sich weiter, die Sprechblasen werden größer: „Helau! Helau! Helau!“

Dann ein Gardist direkt vor dem Herrn, fette Sprechblase: „Ein dreifach donnerndes Helau! Helau! Helau!“
Sprechblase über dem Herrn, er hält eine Hand ans Ohr: „Verzeihung, könnten sie das letzte Wort noch mal wiederholen?“

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Kleine Typologie der Fastnachtsverkleidungen

Karneval in Mainz, Foto: R. v. Cube

Der Beau

Er nutzt die Verkleidung, um besonders elegant auszusehen. Die Fastnacht ermöglicht ihm eine Gewandung, die im normalen Leben übertrieben wirken würde, auch wenn der Beau am Liebsten immer so herumliefe. Der Beau trägt vielleicht ein Piratenkostüm mit üppigem Spitzenkragen und Dreispitz oder er ist ein Vampir im wehenden Mantel, gerne auch Geheimagent oder alles, was es einem erlaubt, auch innerhalb von Gebäuden die Sonnenbrille aufzulassen. Er blickt sich beständig nach Bewunderern oder Damen zum Flirten um.

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Hanau: Auch Wahn ist kulturell geprägt

Screenshot Twitter

Jörg Meuthen hat sich bereits erleichtert geäußert, dass der Täter von Hanau kein rechter Terrorist sei, sondern wahnhaft. Nun soll man zu allererst vorsichtig mit Spekulationen sein, aber wenn das kursierende Bekennerschreiben echt ist und wenn es nicht bewusst irreführend geschrieben wurde, dann finden sich darin sehr, sehr eindeutige Hinweise auf eine psychotische Störung des Täters. Es sieht sehr danach aus, als wäre hier ein kranker Mensch zum Mörder geworden. Was ihn dazu trieb, wie er zu seinen Ideen kam, was die Tat ausgelöst hat, all das lässt sich, wenn überhaupt, nur im Rahmen einer gründlichen Beweisaufnahme und anschließenden Begutachtung klären.

Doch ganz allgemein kann man festhalten, dass der Wahn eines psychisch kranken Menschen niemals im luftleeren Raum entsteht.

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