Der Ruhrpilot

Medien: Der „Tatort“ kehrt zurück ins Ruhrgebiet…Der Westen

Medien II: Tatort im Ruhrgebiet geplant…Pottblog

NRW: „Wir mögen auch Männer!“…Zeit

NRW II: CDU-Chef Röttgen glaubt nicht an Neuwahlen…Der Westen

NRW III: 14 Dioxin-Höfe gesperrt…RP Online

NRW IV: Erdgassuche kann beginnen…Der Westen

Bertelsmann-Studie: Lücken in der sozialen Gerechtigkeit…FAZ

Bochum: SPD will Einkaufszentrum…Ruhr Nachrichten

NRW: Sprecher der LAG Bildung verlässt die Linkspartei

Ulrich Schröder war Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung der Linkspartei in NRW. Am 31. 12. 2010 hat er die Partei verlassen. Der Grund: Die Zustimmung zum Steag-Deal und der Mangel an innerparteilicher Diskussionskultur. Wir dokumentieren hier den Brief, mit dem er seinen Austritt begründet:

Genossinnen und Genossen,

hiermit gebe ich meinen Austritt aus der Kaderpartei „Die Linke“ zum
31.12.2010 bekannt. […]

Anlass für meine Entscheidung ist die Aushebelung grundlegender
Mechanismen zur demokratischen Entscheidungsfindung in einer so
zentralen politischen Frage wie der regionalen Energiepolitik. So
zeugt die im Kreisverband Bochum auf keiner einzigen
Kreismitgliederversammlung im Vorfeld der Beschlussfassung im Stadtrat
diskutierte Übernahme des Evonik-Steag-Konzerns von einem
unentschuldbaren Mangel an innerparteilicher Demokratie. Es kann nicht
sein, dass der Ankauf von einem Unternehmensanteil von 51 Prozent an
einem maroden Energieunternehmen mit einem völlig veralteten
Kraftwerkspark samt Atomstromsparte sowie höchst fragwürdigen
Auslandsgeschäften unter Arbeitsbedingungen, die mit hiesigen
Standards gänzlich unvereinbar wären, von einer Handvoll
Ratsmandatsträger_innen an der Mitgliedschaft vorbei durchgestimmt
wird. Es ist mit jeglichem emanzipatorischem Anspruch einer sich als
linker politischer Alternative verstehenden Partei völlig unvereinbar,
wenn eine solche Entscheidung auf der Ebene der Mandatsträger_innen
getroffen wird und nicht das Gespräch mit der Basis gesucht wird,
sondern vielmehr mit einigen Abgeordneten der Landtagsfraktion, um
dann direkt an die Öffentlichkeit heranzutreten statt an eine
Kreismitgliederversammlung. Dies ist insbesondere ein Schlag ins
Gesicht jener Genoss_innen, deren Politikverständnis basisdemokratisch
geprägt ist. So führten beispielsweise Bündnis 90 / Die Grünen 1998
über das ökologisch unverantwortbare Braunkohletagebau-Projekt
„Garzweiler II“ eine breite Debatte in jedem einzelnen
NRW-Kreisverband – wenn auch mit dem knappen bedauerlichen Resultat
einer Entscheidung für einen Ausbau des Braunkohletagebaus und damit
für eine Weiterführung der damaligen rot-grünen Koalition.

Zudem scheinen die meisten an der Entscheidungsfindung in Sachen
Evonik-Steag-Übernahme beteiligten linken Landes- und
Kommunalpolitiker_innen weder die relevanten Passagen der
Landesverfassung NRW, noch die eigenen programmatischen Grundlagen zu
kennen oder diese bewusst zu ignorieren: „Großbetriebe der
Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen
Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt
werden“, heißt es in Artikel 27 (1) der NRW-Verfassung, auf die sich
die Linke wiederholt in ihrem Landtagswahlprogramm bezogen hat. Somit
ist es nicht hinnehmbar, dass ein solcher Konzern wie Evonik-Steag für
einen horrenden Betrag von 649 Millionen Euro aufgekauft wird –
angeblich, um bedeutende Teile des Unternehmens wie die ökologisch
unverträglichsten Kraftwerke sowie die (relativ lukrative) Atomsparte
abzuwickeln. Wer für einen solchen Konzern mehr als einen Euro
bezahlt, hat weder den Kapitalismus durchschaut noch die ideologischen
Grundlagen einer Partei wie „Die Linke“ auch nur annähernd begriffen.
In einer Partei, in der sich die politische Ignoranz der eigenen
Ideale in derart rasanter Weise durchsetzt, wie die
Evonik-Steag-Übernahme zeigt, ist für Menschen, die den Glauben an die
eigenen ideologischen Grundwerte noch nicht verloren haben, kein Platz
mehr. Daher kehre ich der Kaderpartei „Die Linke“, die sich von
Grundsätzen innerparteilicher Demokratie sowie ihren eigenen
ideologischen Grundlagen innerhalb kürzester Zeit in erschreckendem
Umfang verabschiedet hat, hiermit unwiderruflich den Rücken.

Dr. Ulrich Schröder

Der Ruhrpilot

Hannelore Kraft
Hannelore Kraft

NRW: Kraft sieht sich als Vorbild gegen „Vermännlichung“…Welt

NRW II: Neujahrsansprache von Hannelore Kraft…Pottblog

Internet: Kurzer internationaler Jahresrückblick…Netzpolitik

Ruhrgebiet: Wo liegt Emschau?…Unruhr

Kultur: Bochum bekommt ein Konzerthaus…Welt

Kultur II: Linkschleudern, Leseschleudern…FAZ

Politik: Die verschmähte Liebe des Jörg Tauss…F!MBR

Verkehr: Das Handicap der Elektromobilität…Frontmotor

Internet: Was ich 2010 ungern zugebe…Blogbar

Zeitgeist: Ich fand das Alte Testament oft grausam und unerbittlich…Zoom

Der Ruhrpilot

Eine Tragödie ohne Schuldige?

Loveparade: Der Moment, in dem die Zeit stehen blieb…Der Westen

Ruhrgebiet: Weitere Details für das 4. BarCamp im Pott…Pottblog

Internet: Was wurde eigentlich aus den Debattenblogs…Blogbar

Dortmund: Neonazis marschieren an Silvester…Der Westen

Dortmund II: Till Hoppe leitet ab 2011 das FZW…Der Westen

Essen: IG Bau am Hochtief-Pranger…RP Online

Essen II: An Wirtschaftsförderer Georg Arens scheiden sich in die Geister…Der Westen

Umland: Die unseriösesten Manager Berlins…Frontmotor

Internet II: Videogespräche mit der iPhone-App…Netzwertig

Internet III: QuerVideo – Ein eigenes Video-Angebot…Querblog

Ausblick: Zwanzigelf kann kommen…2.0

Pop: Warum sitzt Gregg Gillies noch nicht im Knast?…Zoom

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Jahresrückblick 2010: November

Im November erschien das zweite Ruhrbarone Magazin. Und wir beschäftigten uns mit einer breiten Palette an Themen.

Viele der Themen, mit denen wir uns im November beschäftigten, spielten im Ausland: Die Situation von Bloggern und Arabien und deren Verfolgung  in Tunesien und im Gaza-Streifen nahmen breiten Raum ein. Und wir berichteten über den Tod einer Journalistin in Russland.

Das zweite Ruhrbarone-Printding kam im November raus. Wir feierten es wie schon die erste Ausgabe mit einer Party im Freibad in Bochum.

Im Ruhrgebiet ging der Streit um das Kraftwerk Datteln weitere. Wir zeigten Videos, die belegten, wie die Entwicklungshilfeorganisation GTZ für den PCB-Verseucher Envio warb und nannten gute Gründe gegen den Kauf der Steag-Anteile durch die Revierstädte.

Für Dusiburgs OB Adolf Sauerland war auch der November kein guter Monat:  Erst wurde er „Opfer“ eines Ketchup-Attentats und dann setzte ihm auch noch der Skandal um den Neubau des Landesarchivs zu.

Und sonst? Wir tanzten gegen die Taliban, fürchteten den ewigen Klink, bekamen Post von Dieter Gorny, freuten uns über die neu CD von Boris Gott und schauten uns die Szene im Revier an und wollten Marl abreissen.

Flughafen Essen-Mülheim vor der Pleite?

Flughafen Essen-Mülheim Foto:W.wolny/Wikipedia Lizenz: GNU

In wenigen Monaten könnte die Betreibergesellschaft des Regionalflughafens Essen-Mülheim Insolvenz anmelden. Der Flughafen ist nicht der einzige mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Experten fordern ein bundesweites Luftverkehrskonzept.

Essen muss sparen. Die Ruhrgebietsstadt ist pleite. Im kommenden Jahr wird das Geld  wohl nicht einmal mehr reichen, um die Springbrunnen in der Innenstadt zu betreiben. Gespart werden muss überall – auch am ungeliebten Flughafen, den Essen gemeinsam mit der Nachbarstadt Mülheim und dem Land Nordrhein-Westfalen betreibt. 700.000 Euro Verlust macht der kleine Essener Regionalflughafen jedes Jahr. Er liegt im Süden der Stadt auf der Grenze zu Mülheim und sorgt schon seit Jahren für Negativschlagzeilen. Vor allem den gut betuchten Nachbarn ist er  ein Dorn im Auge. Er ist, neben dem Flughafen Düsseldorf, die Hauptlärmquelle für Stadtteile wie Bredeney, Kettwig und Werden. Und das hat Folgen: In Kettwig führte die Belastung durch den Fluglärm schon zu sinkenden Immobilienpreisen. Im Essener Süden eine Ausnahme.

Der Essener Rat hat nun beschlossen, künftig 100.000 Euro weniger an Subventionen zu zahlen. Und weil die Zuschüsse gemeinsam finanziert werden, werden auch das Land und Mülheim künftig ihre Zuschüsse in gleicher Höhe senken. 300.000 Euro muss Reiner Eismann, der Geschäftsführer  der Flughafen Essen Mülheim GmbH sparen. Für Eismann reine Utopie: „Wir haben die Verpflichtung, für die Öffentlichkeit den Flugbetrieb sicher zu stellen. Dazu gehört, dass wir die immer höher werdenden Sicherheitsstandards erfüllen müssen. Dafür brauchen wir Personal und auch bei den Investitionen sind uns zum größten Teil die Hände gebunden. Zu vielem, was wir ausgeben, sind wir rechtlich gezwungen.“ Auch bei den Gehältern  sieht er wenig Spielraum: „Wir orientieren uns an den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes. Fabelgehälter, die man einsparen kann, gibt es nicht.“

Bleibt es bei dem Beschluss der Stadt Essen, muss Eismann irgendwann im kommenden Sommer den Weg zum Amtsgericht antreten, und Insolvenz beantragen.

Mit dem defizitären Flugbetrieb ist dann allerdings immer noch nicht Schluss. „Wir müssen“, sagt Dr. Hendrik Dönnebrink, Geschäftsführer der Beteiligungsholding Mülheim an der Ruhr GmbH, „weiter einen Flughafen betreiben. Nur wenn die Flughafengesellschaft insolvent ist, bleiben wir als Mülheim alleine auf den Kosten sitzen. Dafür gibt es zwei Gründe: Der Aero-Club hat einen Teil des Flughafengeländes bis 2034 gepachtet – und im Erbauvertrag hat die Stadt Mülheim den Hobbyfliegern garantiert, den Flugbetrieb sicher zu stellen. Ansprüche auf einen geregelten Betrieb hat auch die am Flughafen ansässige WDL Luftschiffgesellschaft mbH. Das Unternehmen hat in Mülheim-Essen vier Prall-Luftschiffe, so genannte Blimps,  stationiert und überfliegt von dort aus das Revier und das Ruhrgebiet mit Werbebotschaften.

Ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 1998 hat die Ansprüche des Aero-Clubs bestätigt und verpflichtet die Stadt Mülheim „alles zu unterlassen, was den Motorflug-, den Motorsegelflug, den Motorschleppflug- und den Segelflugbetrieb des Klägers zu Sportzwecken einschränkt oder aufhebt.“

Ginge der Flughafen in die Insolvenz, rechnet Mülheims Kämmerer Uwe Bonan mit Kosten von bis zu 6,4 Millionen Euro für die Stadt Mülheim.

Ginge es nach Dönnebrink und Eismann, würde es niemals soweit kommen. Beide plädieren für den Ausbau des Flughafens. Im Moment sorgen vor allem Hobbyflieger für bis zu 70.000 Flugbewegungen im Jahr. Für Flughafenbefürworter Dönnebrink ein Ärgernis: „Warum sollen Städte und das Land so etwas subventionieren. Er steht hinter den Plänen Eismann, dem Flughafen eine neue Chance zu geben. Mülheim-Essen, so Eismanns Pläne, soll den Flughafen Düsseldorf entlasten. Anstatt vieler leichter Sportflugzeuge sollen künftig  wenigere und schwerere kleine Düsenflugzeuge dort starten und landen. Und da sich die Gebühren auch an dem Gewicht eines Flugzeugs orientieren, den Flugplatz so in die Gewinnzone bringen.

„Mein Vorbild war immer Egelsbach. Das ist die Richtung, in die sich Mülheim-Essen orientieren muss“, sagt Reiner Eismann.

Der kleine Ort Egelsbach im Landkreis Offenbach mit gerade einmal 10.000 Einwohnern gilt als Musterbeispiel für einen wirtschaftlich erfolgreichen Kleinflughafen. Er entlastet den Frankfurter Flughafen von den Geschäftsfliegern. 71.000 Starts und Landungen finden jährlich in Egelsbach statt. Betrieben wird der Flughafen gemeinsam von den Städten Egelsbach und Langen sowie dem US-Unternehmen NetJets. NetJets, das zum Imperium von Warren Buffet gehört, hält 80 Prozent der Flughafengesellschaft.

So gut sich Eismanns Egelsbach-Pläne für den Flughafen Mülheim-Essen auch anhören, sie haben ein Problem: Keiner der Betreiber will sie unterstützen. Weder Essen noch Mülheim oder das Land NRW denken auch nur an einen Ausbau des Flugplatzes. Beide Städte wollen den Flugplatz am liebsten stilllegen.

Lothar Reinhard ist Fraktionsvorsitzender der Liste Mülheimer Bürgerinitiativen. Seine Liste hat gemeinsam mit CDU und Grünen im Juli dieses Jahres den Ausstieg der Stadt aus dem Flughafenprojekt im Rat durchgesetzt: „Der Flughafen hat keine wirtschaftliche Perspektive. Düsseldorf benötigt ihn nicht zur Entlastung. Wir haben hier in der Nähe so viele Flugplätze, das Mülheim-Essen einfach überflüssig ist.“ Das Problem der Erbbaurechte des Aero-Clubs will er in Gesprächen lösen. Sein Ziel: Die Hobbyflieger sollen zum Flugplatz Schwarze-Heide auf der Stadtgrenze Bottrop-Dinslaken umziehen.

Auch Essen will den Flughafen nicht mehr. Eine Mehrheit hat den Ausstieg schon vor Jahren beschlossen. Walter Wandtke, Ratsherr der Essener Grünen: „Wir können mit den Subventionskürzungen beim Flughafen gleichzeitig Geld einsparen und etwas für die Umwelt tun.“

Auch das Land will, wie im Koalitionsvertrag  von SPD und Grünen beschlossen, den Flugbetrieb alsbald als möglich einstellen. Über einen Ausbau mag man in Düsseldorf nicht nachdenken. Die Egelsbach Vision hält Verkehrs-Staatssekretär Horst Becker (Grüne) weder für realistisch noch für wünschenswert. Auch will das Land den Flughafen nicht wirtschaftliche stützen. Becker:

„Die Finanzierung der Gesellschaft fußt auf einem paritätischen System. Zwischen den Gesellschaftern ist nun die Umsetzung des diverse Male geäußerten Zieles einer im Laufe der Zeit zu erfolgenden Schließung zu erörtern und die Voraussetzung dazu zu beraten und so zu organisieren, dass alle Beteiligten damit leben können.“

Die Landesregierung pocht ohnehin darauf, dass die Regionalflughäfen kritisch ihre wirtschaftlichen Perspektiven beurteilen.

Eine Sicht, die Eric Heymann teilt. Heymann ist bei DB-Research, der Forschungsabteilung der Deutschen Bank, für Verkehrsfragen zuständig und hat sich in einem Gutachten mit den wirtschaftlichen Perspektiven der deutschen Regionalflughäfen auseinander gesetzt. Er warnt vor einem Ausbau der Regionalflughäfen und der Überschätzung ihrer wirtschaftlichen Perspektiven: „Die meisten Regionalflughäfen werden schon heute hoch subventioniert und das wird sich auch durch einen Ausbau nicht ändern. Egelsbach ist die Ausnahme, nicht die Regel. Viele Städte geben sich der Illusion hin, dass sie mit einem attraktiven Flugplatz auch zu einem attraktiveren Standort werden. Die Chancen sind allerdings gering.“

Die großen, namhaften Fluggesellschaften setzen kaum auf Regionalflughäfen und auch die Möglichkeiten mit Fracht Geld zu verdienen, seien begrenzt. Vor allem Billigflieger würden von den ausgebauten Regionalflughäfen angezogen werden. Da die aber extrem günstige Start und Landegebühren zahlen und die Flughäfen gegeneinander ausspielen, sei mit ihnen kaum Geld zu verdienen. Heymann: „Die Wachstumsstorys der Flughäfen in Hahn oder Egelsbach lassen sich nicht beliebig oft wiederholen.“

In NRW seien die Chancen dafür besonders schlecht – hier sei schon heute der Wettbewerb zwischen den Flughäfen sehr groß.

Heymann fordert, dass es endlich ein bundesweites Luftverkehrskonzept gibt. Bislang kümmern sich die Länder um die Flughäfen. Koste es was es wolle: So plant das Land Hessen den Ausbau des kleinen Flughafens Kassel-Calden zum Regionalflughafen. Das würde auf Kosten des Airports Paderborn gehen, der wirtschaftlich vergleichsweise gut dasteht. Am Ende, so die Befürchtung zahlreicher Experten, wären beide tief in den roten Zahlen.

Auch die Landesregierung ist sich dieser Problematik bewusst. Becker: „Wir werden innerhalb dieser Wahlperiode den Entwurf für ein neues Luftverkehrskonzept vorlegen.“

Über einzelne Standorte mag die Landesregierung nicht den Stab brechen. Wohl auch, um Ärger zu vermeiden. Denn für viele Städte ist der eigene Flughafen, unabhängig von allen wirtschaftlichen Problemen, eine Frage des Prestiges ist. So kostet der Regionalflughafen Dortmund den Steuerzahlern der Revierstadt jährlich bis zu 20 Millionen Euro an Subventionen. An eine Aufgabe denkt die Politik trotzdem nicht. SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse wollte den Flughafen sogar durch einen Bürgerentscheid sichern. Er scheiterte schon im Rat der Stadt mit seiner Idee.

Nun soll eine Verlängerung der Start- und Landezeiten in Ausnahmefällen auf 23.30 Uhr helfen, eine wirtschaftliche Perspektive zu finden. Befeuert wurde die Diskussion zudem durch Borussia Dortmund: dass die Kicker wegen eine 29sekündigen Verspätung nach dem Auswärtssieg gegen Nürnberg Anfang Dezember nicht um kurz nach 23.00 Uhr auf ihrem Heimatflughafen landen durften, erzürnte viele schwarz-gelbe Seelen.

Die Bezirksregierung prüft nun die beschlossene Verlängerung der Start- und Landezeiten. In Düsseldorf sind sich Grüne und SPD nicht einig, wie man mit der Flugzeitverlängerung umgehen soll: Die Abwägung zwischen den Interessen der Flughafenbetreiber und denen der Anwohner wird in der Koalition noch für Diskussionen sorgen.

In Mülheim und Essen ist man inzwischen dabei, schon Pläne für die Zeit nach  dem Flughafen-Aus zu machen. Das Gelände des Flughafens ist attraktiv. Die Innenstädte Mülheims und Essens sind gut zu erreichen, die benachbarte A52 und der nahe Düsseldorfer Flughafen sorgen für eine nahezu perfekte Verkehrsanbindung des Areals. Hier soll, nach den Mehrheiten in den Räten, im Jahr 2020 die von der Landesregierung grob ins Auge gefasste Klima-Expo stattfinden. Und wenn das nicht klappt, könnte auf dem Gelände auch ein schöner Büropark entstehen.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

Der Ruhrpilot

Bochum: Bochumer Jahrhunderthalle als „teure Mitgift“…Der Westen

Bochum II: Ruhrgebiet beklatscht Konzerthaus Bochum…RP Online

Bochum III: Interview mit Michael Townsend zum neuen Musikzentrum in Bochum…Pottblog

NRW: Warum Migranten sich nicht willkommen fühlen…Der Westen

NRW II: Bestimmungen für Umweltzonen verschärfen sich…RP Online

Loveparade: Der Alptraum, der nicht endet…RP Online

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Jahresrückblick 2010: Oktober

Die Auseinandersetzungen um den Stuttgarter Bahnhof bewegten die Republik. Sogar in Bochum gab es Demos für und gegen den Bahnhofsbau. Im  Ruhrgebiet sorgte das Eon-Kraftwerk in Datteln für Schlagzeilen.

Überall im Land boomten im Oktober die Grünen. Die Koalition in NRW feierte ihre ersten 100 Tage. Nur im Ruhrgebiet stritten sie sich. Der Grund: Der RVR-Planungschef Thomas Rommelspacher suchte nach einem Weg, den Bau des Eon-Kraftwerks in Datteln doch noch zu ermöglichen. OK, die Aufregung um das Kraftwerk in Datteln war nicht so groß wie beim Thema Stuttgart 21. Selbst in Bochum ging man zu dem Thema auf die Straße.

Die Ruhr2010 GmbH versagte endgültig dabei, jungen Künstlern Räume zu besorgen und wir fragten uns: Was passiert, wenn nichts passiert?

Eine Sauftour nach Berlin machte die Duisburger Junge Union bekannt und das Skandaltunternehmen Envio versuchte sich mit merkwürdigen Gutachten reinzuwaschen. Klappte natürlich nicht.

Und sonst? Wir fragten uns, wie die SPD wieder sexy wird, betrauerten irgendwie Pinkwarts Abgang und wollten wissen, wem der Fußball gehört.

Und dann war da noch der drohende Jugendmedienschutz Staatsvertrag. An einem Beispiel machten wir klar, welche Auswirkungen dieses Machwerk für unser Blog haben könnte.

Konzerthaus Bochum: Seid verschlungen, Millionen…

Das Konzerthaus Bochum heißt jetzt Musikzentrum. Leisten kann es sich Bochum trotzdem nicht.

Eines vorweg: Der Bau des nun Musikzentrum genannten Konzerthauses Bochum ist keine Katastrophe. Eine Katastrophe für Bochum wird der Bau des geplanten ECE-Einkaufszentrums auf der Fläche des heutigen Landgerichts ein paar Meter weiter die Straße herunter. Das Konzerthaus wird eine peinliche Baulücke gegenüber des Bermudadreiecks schließen. Es wird die eher schlichte Innenstadt architektonisch bereichern. Die Bochumer Symphoniker bekommen eine attraktive Spielstätte. Und die Marienkirche bekommt auch noch eine sinnvolle Nutzung und wird in das Konzept mit integriert.

Möglich wird der Bau, über den in Bochum seit Jahrzehnten diskutiert wird, weil das Land insgesamt 16,6 Millionen Euro dazu gibt: 6,5 kommen aus EU Mitteln, 0,5 Millionen direkt vom Wirtschaftsministerium und 9,6 Millionen vom Städtebauministerium für den Umbau der Marienkirche. 14,3 Millionen wurden gespendet. 2,4 Millionen packt die Stadt oben drauf. Insgesamt 33 Millionen Euro wird das Musikzentrum kosten. Heute. Auf dem Papier. Wenn es am Ende über 50 werden, wird wahrscheinlich niemand überrascht sein.

Das Musikzentrum soll nun mit seinen über 1000 Plätzen nicht nur den Symphonikern und der klassischen Musik zur Verfügung stehen, sondern allen Musikrichtungen. Das finde ich gut – zumal so die Innenstadt belebt wird.

Alles ok? Nö. Bochum muss im Gegenzug zu den Landesmillionen die Jahrhunderthalle übernehmen. Auch die muss bespielt werden, wenn man die Zuschüsse begrenzen will und dann ist da noch der defizitäre Ruhrcongress. Die Frage, woher all die Veranstaltungen und Besucher in einer schrumpfenden Stadt die in einer schrumpfenden Region liegt herkommen sollen, liegt auf der Hand. Die Antwort: Der Wettbewerb zwischen den hochsubventionierten Kultureinrichtungen im Ruhrgebiet um Zuschauer und Veranstaltungen wird größer werden. Und die zu erwartenden Defizite werden die Stadtkassen belasten. Nicht nur in Bochum – auch in Dortmund und Essen werden sie das neue „Musikzentrum“ spüren. Einmal mehr hätte ein regionale Planung Sinn gemacht. Aber die will ja niemand.

Und dann ist Bochum schlicht und ergreifend pleite. Es kann sich den Unterhalt  eines solchen Hauses nicht leisten. Schon heute reicht das Geld nicht aus, die bestehenden Kultureinrichtungen vernünftig zu fördern. Die Freie Kultur wird in den kommenden Jahren massiv sparen müssen. Neue Projekte wie Rottstraßentheater sind nicht einmal mittelfristig abgesichert – hier könnte mit einem Bruchteil der Musikzentrumsgelder viel erreicht werden. Über die Stadtbücherei, die Schulen und das Versagen der Räumdienste will ich gar nicht reden. Auch nicht über den miserablen Zustand vieler Straßen.

In Bochum, im Ruhrgebiet und im Land will man wieder Geld ausgeben. Geiz ist nicht mehr geil. Zwar hat man kein Geld, aber haut es trotzdem raus: Für den Aufbau eines komplett Kreditfinanzierten neuen Energiekonzerns, für Konzerthäuser, für üppig besetzte Verwaltungsspitzen und vieles andere mehr. Die Bürger haben dieser Politik ihre Stimme gegeben. Und da im Ruhrgebiet die Zahl der Transferempfänger die der Steuerzahler übersteigt, wird es den meisten egal sein, wofür die öffentlichen Mittel ausgegeben  werden. Es ist ja nicht ihr Geld.