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Die Musik spielt nicht im Ruhrgebiet

Seit fast zwei Jahren suche ich jeden Morgen ein Musikvideo für einen Konzerttipp heraus. In den letzten Wochen empfehle ich immer häufiger Konzerte in Düsseldorf oder Köln. Und dass es dazu keine Alternative gibt, sagt viel über das Ruhrgebiet.

Im vergangenen Jahr, es war Kulturhauptstadt, haben wir es ja fast täglich gehört. Wie groß das Kulturangebot ist, wie umfangreich, wie bunt. Mag sein dass das, was Theater oder klassische Konzerte betrifft, sogar stimmt. Subventionskultur läuft. Für den Pop-Bereich stimmt es nicht. Sicher, wirft man einen Blick in den Coolibri-Kalender, gibt es keinen Tag, an dem nicht mehrere Konzerte stattfinden. Aber mal im Ernst: Was für welche? Irgendwelche Jazz-Sessions in irgendwelchen Kneipen, Blueser und Coverbands machen Tag für Tag den größten Teil des Konzertangebots aus.

In Köln – Düsseldorf sieht nicht viel besser als das Ruhrgebiet aus – ist die Situation anders. Ich habe fast jeden Tag die Qual der Wahl, welche Band ich vorstelle. Fast alle erfüllen die technische Minimalanforderung für die Rubrik und verfügen über ein halbwegs vorzeigbares Youtube-Video.

Im Ruhrgebiet ist das anders. Ich würde zum Beispiel gerne mal Doris Klit ankündigen. Immerhin treten die regelmäßig in meiner Lieblingskneipe Intershop auf. Aber sie haben kein Video.

In vielen Läden, die einstmals ein gutes Programm hatten, präsentiert sich heute vor allem das schreiende Elend: Münchener Freiheit in der Zeche Bochum. Dafür hätte man früher zu Recht den ganzen Laden auseinander genommen.

Oder die Zeche Carl. Die fliegt auch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Bahnhof Langendreer? Viel ist da auch nicht mehr. Hundertmeister in Duisburg? Vergiss es.Das  FZW – im vergangenen Jahr noch eine feste Bank? Ein Trauerspiel, verursacht von Dilletanten.

Es gibt natürlich Läden, die sich viel Mühe geben: Spatz & Wal in Unna, Bahia de Cochinos in  Castrop, das AZ in Mülheim oder das Parkhaus in Duisburg. Aber bei aller Liebe: Alles zusammengezählt kann diese angebliche Metropole mit ihren  fünf Millionen Einwohnern nicht mit Köln mithalten. Schon lange nicht mehr. Und ich will hier nicht irgendeinen Kram vorstellen, nur weil er im Ruhrgebiet stattfindet. Sicher: Über Tipps sind wir dankbar. Und noch mehr darüber, wenn einer eine Idee hat, worin der Grund für das ganze Elend liegt. Meine Theorie: Überalterung. Wegzüge. Es gibt hier schon lange keine Szene mehr, die eine Live-Kultur tragen kann. Das Publikum fehlt.

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Lesung Pfeffer Stahl Rottstr.5

Morgen liest unser Autor  Carsten Marc Pfeffer im Rottstr. 5 Theater in Bochum.

Es gibt eigentlich nur gute Gründe, ins Rottstr. 5 Theater zu gehen: Die Stücke, die Konzerte oder die Lesungen. Eine Lesung findet morgen statt:  Carsten Marc Pfeffer und Enno Stahl tragen ihre Texte vor. Und danach wird mit einem waschechten Germanisten über die Gegenwartsliteratur diskutiert. Das Angenehme am letzteren ist, dass man dazu Bier trinken kann. Ein unglaublicher Vorteil gegenüber den Germanistikseminaren, an die ich mich erinnern kann.

Hier der offizielle Ankündigungstext – Es wird ein Abend für Schwerstintellektuelle:

Um in einer Welt der medialen Vielfalt noch literarische Texte zu schreiben, die Unmittelbarkeit erzeugen und Relevanz besitzen, bedarf es immer wieder der Suche nach neuen Formen. Enno Stahl und Carsten Marc Pfeffer begeben sich – auf ihre je eigene Art und Weise – auf die Suche nach neuen Ausdrucksformen.

Enno Stahl:

Wenn es nach dem 1962 in Duisburg-Rheinhausen geborenen Schriftsteller, Essayisten, Performer und promovierten Literaturwissenschaftler Enno Stahl geht, dann kann die Literatur nicht genug verschiedenartige und innovative Schreibweisen ausbilden, um der literarischen Rede eine Präsenz zu verleihen. Schon seit Mitte der 1980er Jahre veröffentlicht Stahl Romane, Novellen und Gedichte, die rigoros mit den konventionellen Formen brechen und den Versuch darstellen, Kunst und Leben zu verschalten. Stahl war zudem Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „ZeilenSprung“ (1985-1991), aus der 1988 der KRASH Verlag hervorging, dessen Programm z.B. aus „Literatur-Tapes“, „Multiples“, „Buch- und Textobjekten“ und „Kartonromanen“ bestand. Während Stahls Roman „Peewee rocks“ (erschienen 1997 KRASH-Verlag) aus „3 Gossenheften“ im Pappschuber besteht und sich durch eine atemberaubende „High Speed Prosa im Steno-Stil“ auszeichnet, besteht „Heimat & Weltall“ (2009) aus zwei Zyklen, die sowohl die frühere und aktuelle Lebenswelt als auch mögliche Zukunftsvisionen literarisch erkunden. Enno Stahl wird an diesem Abend zu seiner versprochenen „Werkschau im Ruhrgebiet“ anheben.

Carsten Marc Pfeffer

Der Bochumer Blogger, Musiker und Dramaturg Carsten Marc Pfeffer ist in der schöpferischen Zerstörung von literarischen Formen geübt und souverän. Für sein Ruhr.2010- Tagebuch „A Local Heroe´s Diary“ erfand er die „Nouvelle Digitale“, eine zeitgemäßen Internet-Literaturgattung, die den Prinzipien der Hermeneutik folgend, die Kommentarfunktion in den Textprozess miteinfließen lässt. Carsten Marc Pfeffer wird Auszüge aus seinen gefeierten Ruhrbarone-Blogs lesen. Mit dabei sind die Texte: „Ein Fest für Boris (A-Seite)“ und „Journalist in Resistance“.

Podiumsdiskussion

In einer anschließenden Podiumsdiskussion wird der Germanist Markus Tillmann mit beiden Autoren über die Situation deutschsprachiger Gegenwartsliteratur und die Suche nach neuen literarischen Formen sprechen.

Protest gegen Erdgasförderung

Am vergangenen Mittwoch stellte ExxonMobil in Münster seine Pläne zur Erdgasförderung in NRW vor. Das Unternehmen hofft auf Milliardenumsätze. Die zahlreichen Kritiker konnte das Unternehmen nicht überzeugen.

Jeder der fünf Regierungsbezirke in NRW hat einen Regionalrat und gemeinhin wirken diese politischen Gremien im Verborgenen. Weder Medien noch Bürger interessieren sich für die Arbeit der dort engagierten Politiker. Das war am vergangenen Mittwoch in Münster auf einer Sondersitzung des Regionalrates anders. Dort stelle das Energieunternehmen ExxonMobil seine Pläne zur Erdgasförderung vor. Im Sitzungssaal herrschte drangvolle Enge. Gekommen waren vor allem Gegner der Erdgasförderung im Münsterland.

In NRW lagern bis zu 2200 Kubikkilometer Erdgas. Neue Fördermethoden und gestiegene Gaspreise haben das Interesse der Industrie geweckt, sich die schwierig zu fördernden Gasvorkommen näher anzuschauen. Bekannt sind sie seit Jahrzehnten.

Kurz nach bekannt werden der Pläne mehrerer Energieunternehmen, mit Probebohrungen die in den Kohleschichten gebundenen Erdgasvorkommen zu erkunden, hatten sich bereits zahlreiche Bürgerinitiativen gebildet. Ihre große Sorge sind mögliche Umweltschäden bei den Probebohrungen und der späteren Ergasförderung. Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Gasvorkommen werden die Lagerstädten im Münsterland durch den Einsatz von Chemikalien erst förderfähig gemacht werden. Sowohl in Niedersachsen als auch in den USA kam es dabei zu teilweise schweren Belastungen des Grundwassers.

Gernot Kalkoffen, Vorstandsvorsitzender von ExxonMobil, gab sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern alle Mühe, die Sorgen zu zerstreuen. Eine Probebohrung in Nordwalde hat das Unternehmen beantragt. Detailliert wurde die Anlage erläutert und versprochen, die Kritiker in jeder Phase einzubeziehen.

Die stört schon, dass die Erdgasförderung in Deutschland dem Bergrecht unterliegt. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Bergrecht kennt beispielsweise keine Umweltverträglichkeitsprüfung und auch Bürgerbeteiligung galt nicht viel im alten Preußen.

Ein Grund, warum Gerd Bollermann, der für Bergbau in ganz NRW zuständige Regierungspräsident aus Arnsberg, auch eine Initiative auf den Weg gebracht hat, das Bergrecht zu überarbeiten. Seine Behörde versprach zudem die Pläne ExxonMobils von einem Experten wissenschaftlich begleiten zu lassen, der auch von den  Kritikern akzeptiert wird. Auch die Landesregierung kam den Gas-Gegnern entgegen und verlangt nun eine Wasserrechtliche Prüfung auch bei den Probebohrungen. Bislang war das nicht nötig.

Die Gegner konnte das nicht überzeugen. Adolf Denner aus Hiltrup, Mitglied einer Anti-Erdgasinitiative aus Steinfurt: „Viele Detailfragen, wie  die genauen Chemikalien, die zum Einsatz kommen werden, blieben offen. Ich habe meine Meinung nicht geändert.“

Vor ExxonMobil liegt noch viel Überzeugungsarbeit.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version in der Welt am Sonntag

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