Duisburg Bruckhausen ist ein sterbender Stadtteil: Hohe Umweltbelastung, viele Leerstände, marode Gebäude und ein kollabierter Immobilienmarkt kennzeichnen das Quartier. Die Stadt Duisburg will Teile des Quartiers abreissen. Das gefällt nicht allen.
Die Geschichtswerkstatt Duisburg Nord ist dagegen Teile Des Stadtteils abzureissen. Sie setzt auf einen neue Zukunft für das Quartier. Duisburgs Stadtentwicklungsdezernent Jürgen Dressler sieht das anders. Wir dokumentieren hier die Positionen beider Seiten. Der Konflikt in Bruckhausen ist aktuell, denn die Frage nach Abriss ganzer Quartiere wird sich künftig im Ruhrgebiet immer häufiger stellen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
fast unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzieht sich im Duisburger Norden zur Zeit ein städtebaulicher Skandal. Obwohl Normenkontrollverfahren gegen das Sanierungsverfahren anhängig sind, lässt die Stadt Duisburg in Bruckhausen Häuser abreißen und schlägt damit Schneisen in das Stadtbild.
Bruckhausen als Ensemble ist das herausragende Beispiel einer gelungenen Industriestadt des beginnenden 20. Jahrhunderts mit tatsächlich noch aktivem Hüttenwerk. Wie in der Begründung zum Bebauungsplan 1104 richtig dargestellt, ist die Entwicklung Bruckhausens als typischer Stadt des Ruhrgebiets noch heute im Stadtbild deutlich ablesbar. Das ist selten geworden. Ich zitiere den stellvertrenden Direktor des LWL-Industriemuseums, Thomas Parent:
„Nur noch an diesem Ort ist im Ruhrgebiet das enge Nebeneinander von montanindustrieller Arbeitswelt und unmittelbar anschließendem Wohngebiet erlebbar(…)Duisburg-Bruckhausen ist eine Geschichtslandschaft von hohem Denkmalwert. Die aufwändig gestalteten Stuckfassaden im Neurenaissance- und Jugendstil erinnern an öffentlichen und privaten Reichtum zu Zeiten früherer Hochkonjunktur(…)Bruckhausen ist fraglos ein hochkarätiges Geschichtsdenkmal und dies gilt für verschiedene Aspekte: Architektur-, Wirtschafts-; Sozial- und Kulturgeschichte(…)Im Duisburger Norden ist entlang der Kaiser-Wilhelm-Straße die spezifische Verstädterungsgeschichte unserer Region anhand von originaler Bebauung noch in einer Dichte ablesbar, wie sie an keinem anderen Ort im Ruhrgebiet mehr erhalten geblieben ist.“
Für die kommende Woche steht der Abriss zweier Gebäude an, die im „Plan Sanierungs- und angestrebtes Rückbaugebiet“ zur Sanierungssatzung außerhalb des „Rückbaugebietes“ liegen, also eigentlich erhalten werden sollten. Damit ist auf die Zusagen der Stadt kein Verlass mehr, es muss befürchtet werden, dass möglichst viel wertvolle Bausubstanz zerstört werden soll, bevor die Öffentlichkeit bemerkt, was vorgeht, oder die Normenkontrollen zu Ungunsten der Stadt ausgehen.
Weil Bruckhausen als vernachlässigter „Problemstadtteil“ gilt und die Pläne bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht menschenfreundlich und positiv („mehr grün!“) wirken, ist eine breite öffentliche Diskussion bisher ausgeblieben.
Mit freundlichen Grüßen aus Du-Nord
Katrin Susanne Gems
Hier das Antwortschreiben von Jürgen Dressler, dem Stadtentwicklungsdezernenten Duisburgs
Sehr geehrte Frau Gems,
für Engagement und sogar Leidenschaftlichkeit für eine Sache, von der man so wie Sie überzeugt scheint, bin ich grundsätzlich in hohem Maße aufgeschlossen. Ich halte es auch gerade im Umgang mit einer Behörde für erlaubt, in der Diktion Formulierungen zu wählen, die ungewöhnlich sind, aber Herzensanliegen vermitteln.
Ich habe auch überlegt, mich in ein Gespräch mit Ihnen zu begeben. Davon nehme ich jedoch Abstand, weil Ihr Ansatz erst einmal eine öffentliche Würdigung durch die Bürgerschaft erfahren soll. Es nützt Ihrem Anspruch nicht, wenn wir uns hier bilateral fachlich austauschen. Wenn Ihr Engagement eine gesellschaftspolitische Bedeutung erfahren soll, ist diese zunächst unbeeinflussbar von der fachlichen Meinung einer Behörde zu entwickeln.
Gleichwohl erlaube ich mir zwei Anmerkungen und nehme dabei Bezug auf Formulierrungen Ihrerseits:
1. Bruckhausen ist aus dem Nichts entstanden. Diese für das ganze Revier zutreffende Bemerkung bezieht sich auf die Industrialisierung. Sie folgt dem Prinzip aller räumlich-gesellschaftlichen Entwicklungen seit Anbeginn. Siedlungen entstanden und entwickelten sich dort, wo sich Menschen zivilisatorisch trafen, um Produktion, Handel und Dienstleistungen zu tätigen. Diese vielfach geographisch begründeten Entwicklungen erlebten ihre zwangsläufige Umkehrung dann, wenn die ökonomische Basis verloren ging. Die massive Schrumpfung des Reviers ist daher die natürliche Umkehr seiner Industrialisierung.
2. Sie weisen darauf hin, dass neue Technik neue Städte schafft und neue Gesellschaften entstehen lässt. Dies ist prinzipiell sicherlich richtig, trifft aber allerdings nur dann zu, wenn in den neuen Städten auch die Bedürfnisse der neuen Gesellschaften erfüllt werden können. Eine Reminiszenz – auch wenn sie noch so „geisteswissenschaftlich“ erträumt ist – steht in erlebtem Widerspruch zu denjenigen, die mit „ihren Füßen“ schön längst Zeichen gesetzt und in ihrer schrumpfenden Stadt oder gar im Umland alternative Wohnungsangebote in industrieferneren Quartieren aufgesucht haben.
Auch ein Bruckhausen nach Ihren Vorstellungen bleibt angesichts der Realitäten nur das, was Sie als „musealen Mißstand“ zutreffend charakterisieren. Damit zunächst genug an prinzipieller Meinung über Ihren Anspruch.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Dressler