In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Privatschulen in Deutschland in Deutschland beständig erhöht. Fast 8 Prozent aller Schüler haben dem staatlichen Bildungssystem schon den Rücken gekehrt. Setzt die Politik auf längeres gemeinsames lernen befeuert sie den Privatschul-Boom. Oder bekommt, wie in Hamburg, Ärger mit den Wählern. Dort haben die Eltern das Reformvorhaben der Bürgerschaft offensichtlich gekippt.
Es gab eine Zeit, in der waren Privatschulen vor allem etwas für Trottel: Wer es auf einer normalen Schule nicht schaffte, ging auf eine Privatschule. Dort, so hieß es, könne man das Abitur kaufen. Wer aus einem wohlhabenden Elternhaus stammte und in der Pubertär arg über die Stränge schlug, kam in ein Internat. Ausnahmen bestätigten auch damals die Regel. Heute ist das anders: Fast jedes zehnte Kind besucht mittlerweile eine Privatschule. Internationale Schulen, Waldorfschulen, kirchliche Einrichtungen – das Angebot ist groß und bietet für jeden etwas. Vor allem auch einen gute Begründung, um im Bekanntenkreis zu erklären, warum die eigene Nachkommenschaft nicht in die Schule gehen darf, die für einen selbst ja gut genug war.
Sicher, einen internationalen Schulabschluss, den IB, kann man nur an wenigen staatlichen Schulen machen. Vor allem weil Kommunalpolitiker nicht wissen, wie einfach es ist, ihn auf öffentlichen Schulen anzubieten. Und große Klassen und ein mieser Matheunterricht machen gleich doppelt so viel Spaß, wenn man auf einer Waldorfschule ordentlich dafür zahlt. Nein, um Qualität geht es nicht bei den Privatschulen. Es geht um Homogenität. Ob konservativ, links, liberal – wenn es um die eigenen Kinder geht, sind sich da alle ziemlich einig. Auch wenn es nicht offen zugegeben wird.
Je größer der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und aus den bildungsfernen Schichten in den Schulen wird, umso mehr Eltern entschließen sich, ihre Kinder auf Privatschulen anzumelden.
Man will einfach nicht mit „denen“ zusammen auf eine Schule sein.
Darüber wird nicht gerne geredet, schon gar nicht offen, aber das ist fast immer der Grund, der nach ein wenig weiterbohren genannt wird, wenn Eltern einem erklären, warum die Wahl für eine Privatschule gefallen ist. Nahezu alle anderen Argumente sind aufgesetzt.
Eine der Fluchtburgen die es noch vor den vermeintlichen Schmuddelkindern gibt ist das Gymnasium: Nach vier Jahren ist für Gymnasiasten Schluss mit dem gemeinsamen lernen. Auf dem Gymnasium herrscht wieder die angestrebte Homogenität – zumindest in einem deutlich höheren Maße als auf den Grund- oder Gesamtschulen. Migrantenkinder die es hierhin geschafft haben, kommen normalerweise aus der langsam größer werdenden Migranten-Mittelschicht. Geht es gegen das Gymnasium, geht es um die Verkürzung der Gymnasialzeit, verstehen viele Eltern keinen Spaß mehr. Sicher, ihnen ist klar, dass es für Kinder aus bildungsfernen Schichten – egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund – besser ist, länger mit leistungsstärkeren Kindern auf eine Schule zu gehen. Nur was ihre Kinder, die sie als leistungsstark einschätzen, davon haben, kann ihnen niemand erklären. Sie werden das Gymnasium, die frühe Trennung der Kinder mit allen Mitteln verteidigen.
Deshalb war der Schulkampf in Hamburg so heftig. Und deswegen hat die Hamburger-Bürgerschaft auch den Volksentscheid verloren. Und deswegen wir der Widerstand auch in NRW hart werden, wenn die Gemeinschaftsschule eingeführt werden soll. Setzen SPD und Grüne hier das gemeinsame längere lernen durch, wie es alle Parteien in der Hamburger Bürgerschaft versuchten, werden cdie Eltern nicht nur protestieren. Sie werden, wenn sie es sich leisten können, ihre Kinder zunehmend auf Privatschulen schicken.
Entsprechend optimistisch sind die Privatschulen. Redet man mit Funktionären ihrer Verbände, gehen die von einem weiteren Wachstum aus. Die Faustformel: Je mehr Reformen, umso mehr Privatschüler. Und so könnten die anstehenden Bildungsreformen das Gegenteil vom dem erreichen, was ihre Initiatoren wollen. Wer es sich leisten kann, wird immer häufiger eine Privatschule wählen. Wer sich das nicht leisten kann, schickt seine Kinder auf eine öffentliche Schule. Geändert werden könnte dieses Elternverhalten nur durch massive Investitionen in die frühkindliche Bildung, die frühzeitig Defizite ausgleicht. Kindergartenpflicht, Sprachkurse, Sportangebote, Kultur für Kinder und vieles mehr wären, nötig um das zu erreichen. Den Willen, das zu finanzieren sehe ich leider nicht.