Bochum kann sich das Konzerthaus nicht leisten und wahrscheinlich werden nicht alle Theater im Ruhrgebiet die nächsten Jahre überleben. Na und? Wir haben andere Sorgen.
Dass die Städte im Ruhrgebiet pleite sind ist keine Neuigkeit und zum Teil auch selbstverschuldet. Wer meint, sich in einer Region mit gerade einmal fünf Millionen Einwohnern 53 Stadtverwaltungen, vier Kreisverwaltungen und mehr als ein Dutzend Nahverkehrsunternehmen leisten zu müssen hat nun einmal kein Geld. Auch wenn Bund und Länder künftig weniger dreist Politik auf Kosten der Städte machen werden, wird das Geld für einen solchen Öffentlichen-Dienst de Luxe nicht ausreichen.
Wer am Wasserkopf nicht sparen will, muss sich nach Alternativen umschauen. Auch auf Druck der Aufsichtsbehörden geht es jetzt an die Kultur. Das Ruhrgebiet rühmt sich die dichteste Kulturlandschaft der Republik, was sag ich, Europas, der Welt, ja wahrscheinlich der gesamten Galaxis zu haben. OK, das meiste ist Mittelmaß und wir noch nicht einmal regional wahrgenommen. Auch die Auslastung ist häufig schlecht. Das ist nun einmal so, wenn Quantität vor Qualität geht: 50 Kreisligisten genießen zusammen weniger Aufmerksamkeit als ein Bundesligist. Und wenn von diesen vielen Spielstätten ein paar in den nächsten Monaten oder Jahren über den Jordan gehen sollten, ist mir das egal. Die Städte könnten immer noch gemeinsam für ein attraktives Angebot in diesem Kultursegment sorgen, wenn sie beginnen würden, ihre Mittel zusammen zu legen. Von da an ist das Gejammer über die sterbende Theaterlandschaft vor allem einer gut vernetzten Klientel zu verdanken. Andere Bereiche mit viel größeren Problemen werden hingegen kaum wahrgenommen und haben keine so wirksame Lobby.
Die Schulen zum Beispiel. Viele sind verrottet, miserabel ausgestattet. Schulen, die so aussehen, wie sie es in den meisten Ruhrgebietsstädten tun, sind ein Statement der Gesellschaft. Es lautet: „Was hier passiert interessiert uns nicht.“ Fast jede Sparkassenfiliale macht einen repräsentativeren Eindruck.
Es gibt gute Konzepte für Schulen und in einer Region wie dem Ruhrgebiet müssten sie dringend umgesetzt werden. Mülheim macht so etwas: Im Stadtteil Eppinghofen plant die Stadt eine „Zukunftsschule“: Einrichtungen der Jugendarbeit, Elternberatung, VHS-Kurse, Vereine, Kindertageseinrichtungen, eine Grundschule, – alles unter einem Dach in einem attraktiven, gut ausgestatteten Gebäude. Solche Konzepte braucht das Ruhrgebiet dringend. Es müsste hunderte dieser Schulen geben. Ich würde mir einen so breiten und lauten Protest für bessere Schulen und Kindergärten wünschen, wie es ihn für den Erhalt der hochsubventionierten Theater und Konzerthäuser gibt. Dort, nicht in den Theatern und Konzerthäusern, entscheidet sich die Zukunft des Ruhrgebiets. Um ein Theaterstück zu sehen, kann man auch mal eine halbe oder eine Stunde fahren. Das ist kein Problem. Aber die „Zukunftsschulen“ müssen schnell und flächendeckend errichtet werden. Und sie müssen vor allem in den Stadtteilen gebaut werden, in denen die bildungsfernen Schichten leben, sie müssen vor der Haustür zu finden sein.
Ein oder zwei gute Theater, ein oder zwei gute Konzerthäuser – damit hätte das Ruhrgebiet nicht mehr die dichteste Kulturlandschaft Deutschlands, aber es wäre ok. Wie schön wäre es hingegen, wenn wir die beste Bildungslandschaft hätten!