Die Chancen für die FDP auch nach der Wahl der Landesregierung anzugehören stehen schlecht. Dabei könnte die Partei von Schrumpfen der ehemaligen Volksparteien profitieren.
Schwarz-Grün, große Koalition, Rot-Rot-Grün – wenn über Koalitionen nach der Landtagswahl spekuliert wird, denkt schon seit Wochen niemand mehr an die FDP. Dabei können die Liberalen nach den meisten Umfragen sogar mit einem leichten Plus rechnen.
Sicher, auch die Liberalen leiden unter dem schlechten Start der Bundesregierung, dem Festhalten an wenig glaubwürdigen Steuersenkungen und der Klientelpolitik Westerwelles. Doch Stammwähler der FDP haben sehen für sich keine Alternative: Wer nicht daran glaubt, dass es der Staat schon regelt, wer keine Lust hat, den größten Teil des Jahres für das Finanzamt zu arbeiten, kommt in ihren Augen an den Liberalen nicht vorbei, auch wenn der Bekennermut der FDP-Wähler in den vergangenen Monaten deutlich nachgelassen hat.
Doch auch ein leicht verbessertes Wahlergebnis wird die FDP nicht in Macht umwandeln können: Die feste Bindung an die CDU, die ein Grund für den Aufstieg der FDP in Zeiten der großen Koalition war, hat sich zu einem Malus gewandelt: Nur in Dreier-Kombinationen mit, wahlweise, CDU und Grünen oder SPD und Grünen kann die FDP langfristig in einem Fünf-Parteien-System ihren Einfluss wahren. Die babylonische Knechtschaft, in der sich die FDP im Verhältnis zur Union befindet, wird zum Problem. Nur Grüne und FDP können nicht miteinander – und unter dieser Aversion leiden die Liberalen im Moment stärker als die Grünen.
Es gibt gute politische Gründe für den besonders bissig geführten Konflikt zwischen Grünen und FDP: Atompolitik, Sozialpolitik etc. Es gibt aber auch eine biografische Ebene, die der Parteienforscher Franz Walter im Spiegel beschrieben hat:
…im Grunde geht ein Teil der Ressentiments zurück auf die Pubertät der Hauptakteure in beiden Parteien. Die Jugendkultur vor etwa 30 Jahren war geteilt in – wohl mehrheitliche – „Trittins“ und – seinerzeit weniger zahlreiche – „Westerwelles“. Die einen gerierten sich sehr links, bekämpften zumindest mit Plaketten und Autoaufklebern die Atomkraft, verbrachten die Kneipenabende auf ziemlich schmuddeligen Sofas, trugen ausgefranste Parkas und lange Haare. Die anderen präferierten für die geselligen Abendstunden die mit teuren Alkoholika gut ausgestatteten Partykeller der Eltern, kleideten sich in gelbe Pullis und nicht ganz billige Kaschmir-Schals, legten Wert auf Façon beim regelmäßigen Haarschnitt und gaben sich betont affirmativ gegenüber dem Staat, der Wirtschaftsordnung, der Leistungsgesellschaft.
Das mag klischeehaft klingen, aber es war eine hunderttausendfach geteilte Alltagserfahrung irgendwo in den Jahren 1973 bis 1983.
Solange Grüne und FDP ihre Konflikte nicht entemotionalisieren und zu einem normalen Verhältnis zeinander kommen, wie es unter demokratischen Parteien üblich sein sollte, vergeben sich beide Möglichkeiten, ihre Politik umzusetzen. Die Jamaika-Koalition im Saarland zeigt, dass es eine, wenn auch nicht allzu große, Basis für eine gemeinsame Arbeit gibt.
Grüne und FDP sind im Kern liberale Parteien. Sie verkörpern verschiedene Fraktionen des Bürgertums. Zumindest miteinander reden sollte man da schon können – und wenn es nur aus egoistischen Gründen ist.
Die Verweigerung der FDP über eine Ampel in NRW auch nur nachzudenken ist im Kern genau so iedeologisch wie die Weigerung der Grünen, über Jamaica auch nur zu verhandeln. Es gibt keine „Modelle“ mehr: Passt es zwischen demokratischen Parteien, erreicht man zusammen mehr als mit anderen Partnern, sollte man es machen. Wenn nicht, lässt man es. So einfach sollte das sein.