Der Dortmunder Stadtdirektor Ullrich Sierau (SPD) will Nachfolger von Gerhard Langemeyer werden. In die Oberbürgermeisterwahl geht er als Favorit
Ruhrbarone: Herr Sierau, Ihr Mitbewerber Pohlmann wirft Ihnen gerne vor, kein echter Dortmunder zu sein. Daran lässt sich ja nicht rütteln: Sie wurden in Halle an der Saale geboren.
Ullrich Sierau: Und Herr Pohlmann in Bremen. Wir sind beide Zugezogene, daran gibt es nichts zu deuten. Aber ich lebe seit dem Beginn meines Studiums in Dortmund und engagiere mich seit dem für Dortmund, auch während meiner Düsseldorfer Zeit im Ministerium. Also, ich sehe da kein Problem und die Dortmunder auch nicht.
Pohlmann versucht, im Wahlkampf die Pohlbürgerkarte zu spielen…
Und das klappt nicht, denn die CDU in Dortmund ist doch nicht die Partei des gesamten Bürgertums. Wir sind hier als SPD nach wie vor eine Volkspartei, die weite Teile der Bevölkerung erreicht – und wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir es können: Dortmund ist, bei allen Problemen, auf einem guten Weg. Schauen sie sich die hohe Zahl an zukunftssicheren Arbeitsplätzen an, die vielen Projekte, die wir auf den Weg gebracht haben – Dortmund hat früher als andere Städte die Lehren aus dem Strukturwandel gezogen und ist heute wieder ein attraktiver Standort mit wirklich guten Zukunftsaussichten.
Viele der Projekte haben sie aber auch einem sehr guten Draht zur ehemaligen Landesregierung zu verdanken. Dortmund wurde immer, wenn es um Fördermittel ging, sehr gut bedacht.
Auch die SPD-geführte Landesregierung hat uns das Geld nicht hinterher geworfen. Wir mussten, beispielsweise bei Phoenix, mit der Landesverwaltung lange diskutieren und sehr genau die Qualität unserer Projekte nachweisen. Aber wir hatten immer gute Projekte und gute Projekte bringen gutes Geld. Und bei der neuen Landesregierung haben wir festgestellt, dass wir akzeptiert werden – wir haben alleine für das U mehr als 30 Millionen Euro erhalten. Wir machen eine erfolgreiche Arbeit und werden dabei von den Landesregierungen unterstützt – auch von der Schwarz-Gelben Landesregierung, die unsere Arbeit hier schätzt. Das macht es für Herrn Pohlmann und CDU und FDP in Dortmund schwer, uns zu kritisieren.
Aber viele der Projekte laufen nicht so wie geplant: Phoenix zum Beispiel liegt hinter den Erwartungen zurück.
Phoenix West nicht, dort stehen Kräne, und auf Phoenix Ost entsteht gerade ein See. Für dieses Projekt gibt es eine Kosten-Nutzen-Analyse, und das Land fördert uns beim Phoenixsee. Jetzt haben wir die Situation, dass die Kosten höher werden als geplant. Wir haben mit der Vermarktung noch nicht richtig begonnen, aber schon lange Listen an Interessenten. Die Vielzahl der Interessenten wird sich auf den Preis auswirken – es ist also nicht auszuschließen, dass die Preise letztendlich höher werden als wir kalkuliert haben. Ich kann mich zwar den ganzen Tag vor irgendwas fürchten. Aber in zehn Jahren, wenn der Phoenixsee vermarktet ist, wird sich kein Mensch mehr an die heutigen Schwierigkeiten erinnern.
Die finanzielle Lage Dortmunds ist trotzdem schwierig. Die Stadt ist hoch verschuldet. Wie wird sich die Krise auf die Gewerbesteuern auswirken?
Im ersten Quartal hatten wir keinen Einbruch. Dortmund ist nun einmal eine Stadt, die im Strukturwandel relativ erfolgreich ist. Wir haben Unternehmen wie Wilo, ein Weltmarktführer im Maschinenbau, die sich in der Krise behauptet haben. Signal-Iduna baut neu in Dortmund, und wir haben viele andere Unternehmen, die gut durch die Krise kommen.
Ausgerechnet Dortmund wird von der größten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik nichts spüren?
Nein, so weit will ich nicht gehen, aber die Untergangsszenarien sehe ich nicht. Ich habe natürlich große Sorge um die Arbeitslosigkeit, die im Herbst wachsen wird – wie stark, werden wir sehen, aber einen Zusammenbruch der Gewerbesteuereinnahmen befürchte ich nicht. Im Kreis Siegen, bei dem die Autozulieferer sehr dominant sind, ist die Situation dramatischer. Wir sind nicht mehr monostrukturiert sondern auf dem Weg zum Tausendfüßler.
Wunderbar, eine Stadt ohne finanzielle Sorgen.
Da verstehen Sie mich falsch. Wir sind, wie alle Städte, strukturell unterfinanziert. Da muss etwas passieren. Wir müssen gegenüber dem Land und dem Bund klar machen, dass das nicht so weiter geht – das sehen alle Oberbürgermeister so und auch der Städtetag. Wir müssen Aufgaben erledigen, für die wir keine finanziellen Möglichkeiten haben.
Das sagen alle Kommunalpolitiker – und die Kommunalpolitiker sind ja in allen Parteien in der Mehrheit.
Sicher, Bundes- und Landespolitiker sind in allen Parteien nur eine kleine Minderheit.
Wieso gelingt es den Kommunalpolitikern in den Parteien nicht, dieses Problem über die Parteiprogramme zu lösen? Da gibt es in dieser Frage doch eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg.
Es gibt ja Beispiele für eine solche Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam das Ende der Gewerbesteuer verhindert, die für die Kommunen eine extrem wichtige Einnahmequelle ist – gegen den Willen der Wirtschaft und der Kammern. Aber die Frage kann man sich stellen. Ich denke da immer an Hans Eichel, der lange Zeit OB von Kassel war und später als Bundesminister die kommunale Sicht der Dinge nicht mehr so hatte. Da haben wir als Kommunalpolitiker in der Durchsetzung unserer Interessen sicher Defizite. Die Probleme können wir nur parteiübergreifend lösen. Es kann nicht sein, dass wir über den Soli bluten, uns aktuell die Landesregierung Geld entzieht und wir permanent neue Aufgaben von Bund und Land übertragen bekommen, die nicht gegenfinanziert sind. Wenn wir für das Jahr 2010 gezwungen sind, wieder einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, wird das eine harte Veranstaltung.
Wo wollen sie sparen?
Wir müssen die Verwaltung effizienter machen – wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass das geht. Möglichkeiten gibt es da in der internen Bürokratie, wo es nicht zu Lasten der Bürger geht. Aber die Dividenden der Arbeit der Vergangenheit geben uns neue Spielräume: Wir haben einen Gründungsboom in Hightechbranchen, das werden wir auch bei der Gewerbesteuer noch stärker spüren. Ende September 2008 hatten wir 290.000 Beschäftigungsverhältnisse – gut, nicht alle sozialversicherungspflichtig, aber das ist dennoch ein Erfolg. Wir wollen diese Zahl in den nächsten Jahren auf über 300.000 steigern, was sich durch die Krise verzögern wird, aber möglich ist. Allein auf Phoenix West haben wir den Platz für 10.000 Arbeitsplätze.
Es wird dauern, bis die da sind.
Sicher, es wird dauern – aber auch nicht so lange: Innerhalb eines Jahrzehnts ist es möglich, dass dieser Standort belegt sein wird.
Zwei weitere Punkte, die in Dortmund kontrovers diskutiert werden, sind der Flughafen und die Zukunft des Klinikums.
Beides sind wichtige Standortfaktoren.
Und teuer…
Ja, aber wir können heute nur erfolgreich spezialisierte Privatkliniken ansiedeln, weil die wissen, dass es ein Haus der Maximalversorgung, wie das städtische Klinikum gibt, auf dass sie in Notfällen zurückgreifen können. Nicht, dass es da nichts zu verbessern gäbe, aber eine Privatisierung würde Leistungseinschränkungen zur Folge haben, und das ist nicht zu verantworten.
Und der hochdefizitäre Flughafen?
Wir müssen seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern, aber er ist wichtig für den Standort. In einem ersten Schritt bin ich dafür, die Betriebszeit bis 22.30 Uhr auszuweiten – für verspätete Flugbewegungen auch bis 23.00 Uhr. Und die Verlängerung der Start- und Landebahn muss, allein aus Gründen der Flugsicherheit, geprüft werden. Wenn es dann in gut fünf Jahren eine Planfeststellungsbeschluss gibt, müssen wir genau schauen, ob die Verlängerung sich auch wirtschaftlich lohnt. Ich stelle da keinen Blankoscheck aus, will dem Flughafen aber eine Perspektive offen halten.
Der Chef der SPD-Ruhr, Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski, hat vor ein paar Wochen angeregt, das Ruhrparlament und einen OB für das Ruhrgebiet von den Bürgern im Revier direkt wählen zu lassen.
Der Vorschlag wird innerhalb der SPD diskutiert, ich halte das für einen interessanten Gedanken.
… aber …
… aber ich glaube nicht, dass das die entscheidenden Fragen sind. Entscheidend ist, dass die Städte vertrauensvoll miteinander arbeiten – und das tun wir seit Jahren: Ob beim Konzept Ruhr oder dem Masterplan: Das Rückrad der Kooperation ist der Zusammenhalt der Städte. Wenn dann noch ein direktgewähltes Ruhrparlament kommt, OK, ich halte die Frage aber für überbewertet.
In die OB-Wahl am 30. August gehen Sie als Favorit. Glaubt man der aktuellen WDR-Umfrage liegen Sie uneinholbar vorne. Entspannt das?
Nein, ich freue michb zwar über gute Umfragen aber Umfragen sind keine Wahlergebnisse. Auch wenn ich optimistisch bin – jetzt naczulassen und zu glauben es wäre gelaufen, wäre dumm. Ich werde bis zum letzten Augenblick um jede Stimme kämpfen.
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