Die Zustimmung der SPD zu den Netzsperren wird für die SPD teuer. Nun hat der Online-Beirat der Sozialdemokraten seine Arbeit eingestellt.
Und weg ist die nächste "Generation" – mühsam und aufwändig hat sich die SPD in den den vergangenen Monaten in Teilen der Internet-Community ein positives Image aufgebaut, schon hat es die Parteiführung mit einem Beschluss wieder zerstört – Image und Wirklichkeit wollten einfach nicht zu einander passen. Sowas gab es schon mal. Als in den Achtziger Jahren die Partei für die NATO und die Atomkraft eintrat, verlor die SPD eine ganze Generation an die Grünen.
Zurück ins Jetzt. Nun droht auch noch der Online-Beirat der SPD seine Arbeit einzustellen. Oliver Zeisberger (barracuda) , Sascha Lobo (saschalobo.com), Nico Lumma (Lummaland) – sie alle wollen sich bis auf weiteres nicht mehr für die SPD engagieren, sollte die Fraktion – was als sicher gelten kann – am Donnerstag dem Netzsperren-Gesetz zustimmen: "Der 2007 vom Parteivorstand ins Leben gerufene Online-Beirat der SPD besteht aus rund 20 Mitgliedern, die sämtlich der Partei nahestehen oder Mitglieder sind. Aufgabe des Online-Beirats sollte es sein, den Parteivorsitzenden und den Parteivorstand in Fragen der politischen Kommunikation im Internet zu beraten. Obwohl der Online-Beirat kein offizielles Gemium ist, war bislang die öffentliche Aufmerksamkeit sehr hoch – es sind allein in diesem Jahr mehr als 40 Interviews geführt worden – unter anderem bei Maybritt Illner, Süddeutsche Zeitung, ZEIT, SPIEGEL, Stern, dpa, ZDF, ARD, 3sat. Sollte es mit der Unterstützung der SPD-Fraktion zu den Netzsperren kommen, werden die unterzeichnenden Mitglieder des Online-Beirats die Beirats- und Repräsentationstätigkeit bis auf Weiteres ruhen lassen." Unterzeichnet ist die Erklärung von Dr. Christoph Bieber(politik-digital), Sascha Boerger(virtueller Ortsverein), Markus Hagge (traveblog), Sascha Lobo, Nico Lumma, Andreas Maurer (1&1), Ute Pannen (apparent.typepad.com), Dr. Jan-Hinrik Schmidt (schmidtmitdete) und Oliver Zeisberger. Zeisberger ist als Chef der Agentur Online- Barracuda maßgeblich an den Kampagnen der SPD beteiligt und legt sich mit dieser Aktion mit seinem wohl wichtigsten Kunden an.
Die Unterzeichner machen auch klar, welche Konsequenzen die Zustimmung für die SPD langfristig haben wird: "Die SPD ist dabei, sich für die Digitale Generation unwählbar zu machen. Das wird sich bereits bei Bundestagswahl niederschlagen, weil mit der Entscheidung für die Netzsperren jeder Internet-Wahlkampf ad absurdum geführt wird – erst recht, weil der Online-Wahlkampf 2009 unter der besonderen Aufmerksamkeit aller Medien steht. Eben die Klientel, die Barack Obama zum mächtigsten Mann der Welt gemacht hat, die Multiplikatoren im Netz nämlich, sehen in den Netzsperren einen Verrat an allen Werten, die die SPD ausmachen: Demokratie, Fortschritt, Teilhabe. Es gibt eine handvoll lauter Stellvertreter dieser Generation; hinter ihnen stehen die 130.000 Mitzeichner der erfolgreichsten Petition aller Zeiten – aber auch die vielen Millionen jungen Menschen, die zum Teil schon wählen können und für die das Netz nicht einfach ein weiterer Medienkanal ist. Sondern der Ort, wo die Gesellschaft, ihre Gesellschaft stattfindet. Unwählbarkeit bedeutet hier für eine Partei also, sich jede Zukunftschance zu vernichten."
Zahlreiche Sozialdemokraten hatten in den vergangenen Monaten das Internet und vor allem Twitter und Facebook für sich entdeckt und waren dort sehr aktiv. Mit dem Beschluss der SPD konnten sie sich nur noch der Häme der Community sicher sein. Die SPD hat Teile ihrer Basis einmal mehr im Regen stehen lassen. Man wird in den nächsten Monaten sehen, ob sich die Klientel noch einmal für eine aktive Teilnahme am Wahlkampf begeistern lassen wird. Sicher, das Thema Netzsperren wird die Bundestagswahl nicht entscheiden. Aber einmal mehr ist es der SPD gelungen, einer zahlenmäßig großen Gruppe, die ihr wohlgesonnen war, vor den Kopf zu stoßen. Viele von ihnen hätten sich eine SPD gewünscht, die in dieser Frage, in der es um die Bewahrung von Grundrechten geht, "klare Kante" gegen die CDU gezeigt hätte.
Die Netzsperren für Kinderpornographie sind ein Sündenfall, dem weitere folgen werden – die politische Auseinandersetzung ist jetzt weitgehend durchgestanden. Weitere Netzsperren werden folgen – und sie werden auch weiterhin ohne ein Gericht, ohne Wissen der Betroffenen verhängt werden. Das Bild vom Dammbruch trifft – und Sozialdemokraten waren dabei.