„Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr“

Im Januar brach die Duisburger Polizei eine Wohnung auf und riss eine Israelflagge aus einem Fenster. Islamistische Demonstranten hatten begonnen, das Haus anzugreifen. Ein Gutachten gibt den Beamten Recht. Merkwürdig zu lesen ist es teilweise trotzdem.

Ausriss: YouTube

Am 10. Januar fand in Duisburg eine Demonstration gegen den Gaza Krieg statt. Als die Demonstranten in der Duisburger Innenstadt an einem Haus an der Claubergstrasse vorbei kamen, in dem eine Israelflagge im Fenster zu sehen war, eskalierte die Situation: Gegenstände wurden gegen das Haus geworfen, Demonstranten skandierten antisemitische Parolen und die Polizei griff ein: Nein, sie schützte nicht das Haus vor den Angriffen der Islamisten, sie nahm nicht diejenigen fest, die das Haus bewarfen und antisemtische Parolen skandierten, sondern sie stürmte zwei Wohnungen – die Beamten irrten sich zuerst im Stockwerk – und nahmen die israelische Flagge aus dem Fenster. Die Begründung: Die Fahne habe verschwinden müssen, weil ansonsten die Situation hätte weiter eskalieren können.

Dieser Ansicht schloss sich auch der Jurist Prof. Dr. Jürgen Vahle von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in einem Gutachten an, das heute dem Innenausschuss des Landtages vorgelegt wurde, das auch mir mittlerweile vorliegt: Die Aktion gegen die Israelflagge sei "(…) legal, weil Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit (…)" notwendig gewesen sei. Laut einer von Der Westen veröffentlichten DDP-Meldung fordert die Polizeigewerkschaft eine Entschuldigung von den Landespolitikern, die damals erklärt hatten, die Polizei hätte rechtswidrig gehandelt.

Dabei wirft der gutachterliche Blankoscheck für die Duisburger Polzei einige Fragen auf: Warum war die Polizei nicht darauf vorbereitet, dass eine solche Demonstration eskalieren konnte? In anderen Städten war das zu diesem Zeitpunkt schon der Fall gewesen. Das Gutachten hat dafür eine Antwort:  "Art und geplanter Verlauf der Versammlung boten keinen Anlass für Schutzvorkehrungen, die über die tatsächlich getroffenen hinausgingen." Vielleicht hätte ein Blick in den aktuellen Verfassungsschutzbericht der Polizei und dem Gutachter geholfen. Angemeldet hatte die Demo vom 10. Januar die islamistische Organisation Milli GörüÅŸ. Über die ist dort zu lesen: "Ziel der Bewegung (Milli GörüÅŸ) ist es, dieses heute herrschende, als „westliche“, „bürokratische Ordnung“ bezeichnete demokratische System zu überwinden und durch die in „Adil Düzen“ skizzierte „gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung“ zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt. Die Ablehnung „westlicher Demokratie“ und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die ‚Milli-GörüÅŸ‘-Ideologie ist evident. Dies zusammen mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen des Führers der ‚Milli GörüÅŸ‘, wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung (…) durch den Verfassungsschutz (…) erforderlich."

Dass die Anhänger einer antidemokratischen und antisemitischen Gruppierung sich nicht an Regeln der ihnen verhassten Gesellschaft halten, kann nur die Naivsten überraschen. Während die Duisburger Polizei und auch Prof. Vahle von Milli GörüÅŸ nichts Böses erwarten, begegnet man dem jungen Mann, der die Flagge in sein Fenster gehängt hatte, mit deutlich mehr Misstrauen. Der, so das Gutachten, gehöre zu  den Antideutschen und habe auch schon Plakate von Rechtsradikalen beschädigt. Klar, dass so einem alles zuzutrauen ist, und so lässt Vahe in seinem Gutachten seiner Phantasie freien Lauf – der könne ja alles nur inszeniert haben: "Eine gewisse Indizwirkung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass der Polizeieinsatz – mit hoher Wahrescheinlichkeit von der gegenüber liegenden Straßenseite – gefilmt und die Aufzeichnung anschließend zusammen mit einem Kommentar im Internet publiziert wurde. Hieraus könnte gefolgert werden, dass es den betroffenen Personen (Mieter bzw. Gästen der Wohnungen im Haus Clausberger Str.) maßgeblich darauf ankam, die Polizei zu einem – aus ihrer Sicht rechtswidrigen – Zugriff zu veranlassen und das (angebliche) Fehlverhalten anschließend publik zu machen. Zwingend ist der Schluss auf eine intendierte Inszenierung freilich nicht. Gegen die Wohnungsinhaber oder ihre Gäste bestehen nur Verdachtsmomente."

Nun, dass die Polizei in Deutschland eine Wohnung stürmt, um eine Israelflagge abzunehmen, damit Demonstranten, die zum Teil Fahnen von in Deutschland verbotenen Organisationen wie der Hamas schwenkten, glücklich und zufrieden sind, konnte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand vorstellen – auch der Wohnungsinhaber nicht, der den Ruhrbaronen damals  ein Interview gab.

Vielleicht sollte sich der Innenminister überlegen einen zweiten Gutachter zu bestellen. Jemand, der Polizisten in NRW ausbildet, ist vielleicht nicht der objektivste Gutachter, den man sich vorstellen kann. Es gibt in diesem Land viele Juristen. Das Land würde gut daran tun, die Stimme eines weiteren zu hören – und vielleicht ist der dann auch ein wenig unabhängiger. Aber das ist nur die Frage der juristischen Auseinandersetzung, diese ist jedoch in dieser Frage nicht die eigentlich interessante: Die Frage, ob das Verhalten der Polizei in Ordnung war, ist eine politische, und sie muss auch politisch beantwortet werden. Auf wessen Seite steht die Polizei? In Duisburg stand sie auf der Seite von einem gewalttätigen, antisemitischen Mob und tat alles, um diesen zu beruhigen. Auf der Seite des Bewohners der Clausbergstraße, der seine Solidarität mit Israel zeigte, stand sie nicht. Sein Recht auf freie Meinungsäußerung war anscheinend kein schützenswertes Gut.  

Pleitgens Pleite

Keine große Kulturhauptstadtparty in der Arena, keine abendliche Übertragung im ZDF. Warum hat man eigentlich Fritz Pleitgen zum Direktor der Kulturhauptstadt gemacht?

Firtz Pleitgen Foto: Ruhr2010

Firtz Pleitgen ist eine Journalistenlegende. Er moderierte souverän den Presseclub und gehörte zu den großen Auslandskorrespondenten. Für das Ruhrgebiet hat sich der in Duisburg geborene Pleitgen indes nie eingesetzt und daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen: Seine beruflicher und privater Lebensweg führte in aus dem Revier heraus. Kein Problem.  Aber warum wurde er Direktor der Kulturhauptstadt? Weil er lange Jahre Intendant des WDR war. Pleitgen sollte die Aufmerksamkeit der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie sichern. Sein Renommee und seine Kontakte sollten bei der medialen Vermarktung des Ruhrgebiets helfen. 

Daraus wurde nichts: Weder gelang es, ein tragfähiges Konzept für eine große Kulturhauptstadtshow zu entwickeln, noch konnten ARD oder ZDF dazu gebracht werden, eine solche Sendung in ihr Abendprogramm aufzunehmen.

Ein solche Sendung vom Konzept her zu entwickeln, kann so schwer nicht sein. Die Zutaten für eine große Samstagsabendshow sind bekannt. Prominente, Prominente und noch einmal Prominente. Sie hätte die Aufmerksamkeit garantiert, die Menschen dazu gebracht hätte sich für die Kulturhauptstadt zu interessieren und  – vielleicht – das Ruhrgebiet zu besuchen. Sie hätte dazu beitragen können, das Image des  Ruhrgebiets zu verbessern. Letzteres ist meiner Ansicht nach die wichtigste Aufgabe der Kulturhauptstadt. Also: Peter Lohmeyer und Iris Berben führen durch den Abend, Grönemeyer singt,  Chöre der Opern im Ruhrgebiet treten auf und die Orchester spielen populäre Melodien.

Dann Schalten zu prominenten Ruhrgebietlern im Ausland: Funke und Möller aus Hollywood erzählen, wie toll es im Revier war und wie gerne sie immer wiederkommen. Ein paar Fußballstars treten auf, etwas Comedy und von mir aus noch ein wenig Ballett. Fettich is.

Das wäre ein Aufschlag gewesen, der die Kulturhaupstadt populär gemacht hätte. So ein Konzept hätte entwickelt und ZDF oder ARD hätten es übertragen müssen. Am besten die Sender hätten eine solche Show gleich konzipiert. Aber allen voran die Mainzelmännchen haben sich geweigert, diese Leistung zu erbringen. Mehr noch: sie haben zwei Millionen Euro von der Ruhr 2010 GmbH gefordert. Sonst würde nicht gesendet. Das ist beinahe so etwas wie eine Erpressung, die als Beteiligung an den Produktionskosten getarnt ist. Das ist eine Unverschämtheit für einen Sender, der gefühlt wöchentlich den Samstagabend fröhlichen Volksmusikanten als Vermarktungsplattform für Konzerte und CD-Verkäufe zur Verfügung stellt.

Fritz Pleitgen hätte der Mann sein müssen, der das anders hinbekommt, der hinter den Kulissen den Druck organisiert, um eine solche Show möglich zu machen. Ein Ex-Intendant ist immer auch ein Strippenzieher – und als Strippenzieher hat Pleitgen versagt.

Zur Not hätte man das ZDF öffentlich angreifen müssen, hätte der WDR sich für das Ruhrgebiet ins Zeug legen müssen, denn hier leben über fünf Millionen Menschen und verdammt viele von ihnen bezahlen Fernsehgebühren mit denen solche kulturellen Höhepunkte wie die Übertragung des Neusser-Schützenumzugs, Karnevalssendungen oder der Fassanstich auf dem Oktoberfest finanziert werden. Die Übertragung einer Show aus der Arena und von mir aus auch die Unterstützung bei der Konzeption sind schlichte Pflichtaufgaben für Sender, die von den Bürgern finanziert werden. Das muß einfach gehen – auch während der Wirtschaftskrise. 

Nun wird am 9. Januar am Samstagmittag die offizielle Eröffnung auf Zollverein live im ZDF übertragen. Zwischen den Pausen eine Biathlonsendung. Honoratioren TV vom Feinsten. Viele Sportfreunde werden sich über die lange Pinkelpause freuen.

Update: Ruhr2010 + Eröffnungsveranstaltung wird abgesagt

Die Eröffnungsveranstaltung der Kulturhauptstadt 2010  gescheitert.

Die Ruhr2010 GmbH bestätigt die Absage der Eröffnungsveranstaltung der Kulturhauptstadt im kommenden Jahr. Der Grund sind akute Finanzierungsprobleme. Insgesamt gibt es eine Finanzierungslücke von sieben Millionen Euro. Die Eröffnungsveranstaltung sollte am 9. Januar kommenden Jahres in der Schalke Arena stattfinden. Sie sollte eine große Party werden. Allerdings konnten die Kulturhauptstadtmacher bislang weder von der ARD noch vom ZDF eine Zusage für eine abendliche Ausstrahlung im Fernsehen erhalten. Die offizielle Eröffnung am selben Tag auf Zollverein mit Politikern und Kulturfunktionären wird nicht abgesagt und soll aufgehübscht werden. Die Eröffnungsveranstaltung ist nicht das einzige Projekt, das abgesagt wird: Auch die "Welt der Religion" im Gasometer in Oberhausen wird es nicht geben. Auch die  Schachtzeichen stehen auf der Kippe. Ebenso die zweite Stadt auf Zollverein – aber das wissen die Leser der Ruhrbarone ja schon lange.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Magna über die Pläne mit Opel…Welt

Ruhr2010: Englischsprachiges Portal für das Ruhrgebiet…Der Westen

Trauerspiel: Ripshorster Brücke nach fünf Jahren eröffnet…Der Westen

Dortmund: OB-Kandidaten diskutierten über Flughafen…Ruhr Nachrichten

Träume: Cuba muß schöön sein…Bo Alternativ

Klima: Kliamstudie ist online verfügbar…Zoom

Online: Wohin klickst Du…Muschelschubserin

DGB: "Krise in den Köpfen"…Der Westen

Linkspartei: "Linke machen sich selbst überflüssig"…Spiegel

Uni: Studiengebühren in NRW legal…Tagesspiegel

Kultur: Sloane verlängert in Bochum…Ruhr Nachrichten

Schalke: Magath wird Schalker…Stuttgarter Zeitung

 

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Update: Wissenschaftler für Sperrklausel bei den Kommunalwahlen

Eine Sperrklausel von2,5 Prozent bei den Kommunalwahlen und die Zusammenlegung von Kommunal- und Bundestagswahlen in diesem Jahr sind das Ergebnis einer Studie, die heute im Landtag vorgestellt wurde. Bezahlt wurde sie von der SPD-Landtagsfraktion.

Jörg Bogumil Foto: Ruhr Uni

Autoren der Studien sind Prof. Dr. Jörg Bogumil von der Ruhr Uni sowie der  Privatdozent Dr. Lars Holtkamp und Stephan Grohs. Es ist nach ihren eigenen Angaben die erste empirische Studie, die sich mit den Auswirkungen der Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen beschäftigt. Ein Ergebnis der Studie: Durch die Vielzahl kleiner Parteien in den Räten, die oftmals nur einen Vertreter entsenden dürfen,kämen nur noch schwer tragfähige Koalitionen zustande. Verfügen Oberbürgermeister und Landräte jedoch nicht über eine eigene stabile Mehrheit in den Kommunalparlamenten, würden sich schnell "Mobbingkoalitionen" bilden.

Der Rat der Wissenschaftler ist die Einführung einer 2,5 Prozenthürde bei den Kommunalwahlen und – um die Chancen kleinerer Parteien bei der Kommunalwahl durch eine hohe Wahlbeteiligung zu verringern – die Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Bundestagswahl in diesem Jahr.

Wer das Chaos in vielen Räten in den letzten Jahren erlebt hat, dass dadurch befördert wird, das zum Teil vier oder fünf Splittergruppen in den Räten sitzen, kann dem Ergebnis der Studie nur zustimmen. Vor allem Einzelkämpfer  sind schlicht überfordert, auch nur die Vielzahl der Vorlagen für Ratssitzungen seriös durchzuarbeiten.

Die Studie gibt es hier

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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Fazit: Frank Baranowski und die SPD…Hometwon Glory

Klima: Ruhrgebiet soll Hitzeinsel werden…Der Westen

Klima II: Wir dürfen die Hitzeinsel-Studien nicht lesen…Zoom

Energie: Gelsenkirchen wird wirklich Solarstadt…Gelsenclan

SPD: Zurück zur Kohle…Dnews

Opel: Magna will fünf Milliarden investieren…Ruhr Nachrichten

Ruhrtriennale: Musik und Religion…Ruhr Nachrichten

Opel II: Soziale Atombombe…Frankfurter Rundschau

Herne: Naturbad ist vom Tisch…Der Westen

ThyssenKrupp: Proteste gegen Schulz…Der Westen

Und sonst…

Obama: 100 Tage Revolution…Spiegel

Wahlen: Linke unter zehn Prozent…Stern

Online: Schweinegrippe infiziert Twitter…Tagesspiegel

Urheberrecht: David gegen Googliatt…FAZ

Terror: Schäuble von Islamisten bedroht…Welt

Pflegeberufe: Scheiss-Streik…Kueperpunk

 

 

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Kulturhauptstadt: Fehlen fünf Millionen?

Die Finanzkrise hat die Kulturhauptstadt erreicht. Millionen fehlen um das Programm im kommenden Jahr umzusetzen. Nun sollen Projekte überprüft werden.

Fünf Millionen Euro sollen im Etat der Kulturhauptstadt fehlen. Das war nach unseren Informationen das Ergebnis einer Sitzung des Arbeitsausschusses der Kulturhauptstadt am Freitag. Teilnehmer waren die Gesellschafter der Ruhr2010 GmbH, der Regionalverband Ruhr, der Initiativkreis Ruhr und das Land NRW. Verantwortlich für die Finanzierungslücke sind fehlende Sponsorengelder. Durch die Wirtschaftskrise sind viele Unternehmen nicht mehr in der Lage, Geld für Ruhr2010 zur Vefügung zu stellen. 65,5 Millionen Euro schwer ist der Etat der  Ruhr2010 für die Kulturhauptstadt – 70 Millionen hätte man gerne zusammen bekommen, um das im Herbst vorgelegte Programm umzusetzen.

Die Zahl von fünf fehlenden Millionen will Marc Oliver Hänig, der Pressesprecher, der Ruhr2010 GmbH nicht bestätigen, räumt allerdings ein, dass die Sponsorengelder nicht in der erwarteten Höhe geflossen sind: "Wir wollten ursprünglich acht Hauptsponsoren haben. Im Augenblick sind es mit RWE, Eon, Haniel und der Bahn vier und einer wird noch dazu kommen. Tatsache ist: Drei Hauptsponsoren fehlen und es wird schwer, sie in der augenblicklichen Wirtschaftslage zu finden."

Jeder der Hauptsponsoren zahlt mindestens zwei Millionen Euro in die Kasse der Kulturhauptstadt – allerdings lacht nicht immer Bargeld: In der Summe sind auch Sachleistungen enthalten. Man überprüfe nun einzelne Projekte, sagte Hänig, und gab zu bedenken, dass auch über den direkten Etat der Kulturhaupstadt von Unternehmen und Städten viel Geld in den Kulturbereich geflossen sei: Die 50 Millionen Euro für "Jedem Kind ein Instrument" oder die 55 Millionen Euro der Krupp-Stiftung für den Neubau des Folkwang-Museums hätte es ohne die Kulturhauptstadt nicht gegeben. "Es ist aber schon tragisch, dass  die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ihren Höhepunkt hat, wenn das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt ist."    

Ovision: Die Discounter kommen

Lange war nicht klar, was auf dem Ovisions-Gelände gegenüber dem Cenro wird. Einzelhandel durfte sich dort nicht ansiedeln: Das hat sich nun geändert. Lidl kommt und wird nicht lange alleine bleiben.

Berauscht war Oberhausen in den 90ern: Nach der Ansiedlung des Centros lebte die vom Rückzug der Stahlindustrie schwer gebeutelte Stadt  in dem Glauben einen Scoop gelandet zu haben: Tausende neue Jobs im Einzelhandel, in einem Freizeitpark und der heutigen Köpi-Arena wirkten wie das Startsignal für den Aufbruch in einen neue Zeit. Man legte nach: Die Heinz-Schleußer Marina kam, eine Fischshow siedelte sich an und eine mittlerweile leider kurz vor der Insolvenz stehende Märklinbahn-Welt wurde aufgebaut.

Und dann war da noch der zweite große, geplante Wurf: OVision. Auf 60 Hektar ehemalige Stahlwerksgelände gegenüber dem Centro sollte ein Freizeit- und Gewerbepark rund um das Thema Gesundheit errichtet werden mit Hotels, Showrooms der Fraunhofergesellschaften und einem begehbaren, gläsernen Menschen. Die Landesregierung stoppte die Stadt dabei, sich mit diesem Vorhaben zu ruinieren – auch ohne die Investitionen in Ovision ist Oberhausen heute die am meist verschuldete Stadt  in ganz NRW.

Nachdem der von den hochtrabenden Visionen nur noch ein eher trauriges O übriggeblieben war, wurde das Gelände 2006 an das Immobilienunternehmen Euro-Auctions verkauft, dessen Konzernmutter sich durch den Verkauf gebrauchter Land- und Baumaschinen nährt. Auch Euro-Auctions tat sich in der Folgezeit mit der Vermarktung der Riesenfläche schwer : Gerade einmal ein Fachhandel für Gartencenterbedarf siedelte sich bis zum vergangenen Sommer auf der Fläche an. Nun scheint allerdings eine Zeit des Aufbruchs die Ödnis mitten im Revier erfasst zu haben – wenn auch die Unternehmen, die sich dort ansiedeln nicht ganz dem eins angestrebten Niveau entsprechen dürften: Neben einem Hotel kommen nun eine Mega Spielhalle und ein Lidl-Markt auf das Gelände. Zumindest letzteres wäre noch vor kurzem unmöglich gewesen: Einzelhandel war auf der Fläche verboten – auch aus Rücksicht auf die schon durch das Centro schwer gebeutelten Nachbarstädte. Von dieser Politik ist Oberhausen in der Not abgerückt und es gehört nicht viel Fantasie dazu sich auszumalen, welche weiteren Unternehmen sich spätestens nach der Krise dort ansiedeln werden – Baumärkte, Großhändler für Bürobedarf, Unterhaltungselektronik und Möbel werden die ehemalige Ovisonsfläche mit dem typischen Vorortbesatz an Einzelhändlern bestücken. Und die angestammten Händler in den Resten der Oberhausener Stadtteilzentren und den Nachbarstädten müssen sich auf noch härtere Zeiten gefasst machen.