Über 115.000 Unterschriften bei der E-Petition gegen die Netzsperre und fast 230.000 Stimmen für die Piratenpartei bei der Europawahl zeigen langsam ihre Wirkung: Einige Sozialdemokraten wollen auf dem SPD-Parteitag am kommenden Wochenende in Berlin ihre Partei auf ein Nein zu Netzsperren festlegen.
Björn Böhning (SPD) Foto: Homepage
Mit dem Antrag des Bundestagsabgeordneten Björn Böhning und der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel soll die SPD darauf festgelegt werden, im Bundestag gegen den Gesetzentwurf der großen Koalition zu Internet-Sperren zu stimmen. Der Parteitag, auf dem vor allem die Verabschiedung des Wahlprogramms im Zentrum steht, könnte spannend werden: Neben dem Antrag zu den Netzsperren werden sich wohl auch linke Kritiker des Wahlprogramms zu Wort melden. Die Lage der SPD ist nach der Europawahl-Schlappe zu desaströs, als das der Parteitag so glatt wie geplant über die Bühnen gehen wird: Erfolg schafft Einigkeit und im Augenblick ist die SPD alles andere als erfolgreich. In das gerade erst begonnene Wahlkahr ist die SPD denkbar schlecht gestartet und all überall läuten die Totenglöcklein das Lied vom Ende der Sozialdemokraten – ein Klang an den sich viele Genossen mittlerweile allerdings gewöhnt haben dürften.
Die Netzgemeinde kann also einen ersten Erfolg verbuchen: Der Protest gegen Netzsperren und Spielekiller, die euphorische Wahl der Piratenpartei am vergangenem Wochenende – all das beginnt nun Wirkung zu zeigen: Zumindest in der SPD werden die ersten nervös, andere wagen es nun mit dem Wissen um die Unterstützung der "Generation C64" Alternativen zum durch keine Fachkenntnis getrübten Sicherheitswahn zu formulieren: "Internet-Sperren, wie sie die Bundesfamilienministerin der CDU vorschlägt, sind in Wirklichkeit nur Sichtblenden. Die Täter werden damit nicht ermittelt, die Seiten mit den schlimmen kriminellen Inhalten nicht gelöscht, sondern sollen lediglich mit technischen Maßnahmen vor zufälligem Zugriff verborgen werden. Diejenigen aber, die solches Material über das Internet beziehen wollen, stoßen nicht zufällig darauf. Sie suchen gezielt danach und können die geplanten Sperren ohne nennenswerten Aufwand umgehen. Auch wird einschlägiges Material in der Regel über andere Wege als das Web verbreitet. Die Sperre wird das vorgebliche Ziel nicht erreichen: Die Inhalte sind weiterhin vorhanden und können weiter konsumiert werden", heißt es in dem Böhning/Drohsel Antrag.
Ob er auf dem Parteitag eine Chance hat? Noch hat sich keiner der Sozialdemokraten aus der ersten Reihe gemeldet – und die Parteitagsregie wird kaum ein Interesse daran haben, dass ein Randthema wie die Netzsperren die Berichterstattung über den Parteitag dominiert. Vom Berliner-Parteitag soll ein Bild der Geschlossenheit ausgehen, er soll den Rahmen bilden, in dem sich Steinmeier als Kanzlerkandidat präsentiert und eine Alternative zur Politik der großen Koalition formuliert – kontroverse Diskussionen und knappe Abstimmungen sind da eher stöhrend.