EON Chef Wulf Bernotat ist auch Moderator des Initiativkreises Ruhr. Er sieht das Ruhrgebiet in der Krise gut aufgestellt und setzt auf Ruhr2010 zur Verbesserung des Revier-Images.
Ruhrbarone: Sie haben das Projekt Innovation City vorgeschlagen. Was verbirgt sich konkret hinter diesem Begriff?
Wulf Bernotat: Zunächst einmal ist es ein Gedanke, eine Idee. Wir beschäftigen uns im Initiativkreis intensiv mit dem Thema Innovation und haben nach Möglichkeiten gesucht, diese Innovationen – und vor allen Dingen die Kompetenzen unserer Mitgliedsunternehmen
auf diesem Feld – für jedermann sichtbar zu machen. Da kam uns der Gedanke, Innovationen aus dem Energie-Bereich in einer Art Musterquartier zu konzentrieren.
Was hat die Region davon, wenn eine Stadt als Leuchtturm fungiert?
Bernotat: Innovation City ist zunächst ein Arbeitstitel. Wir möchten nicht, dass der Eindruck entsteht, dass wir gleich eine ganze Stadt gestalten möchten. Auch gefällt mir die Begrifflichkeit Leuchtturm nicht so sehr. Ich bezeichne das Quartier oder den Stadtteil als gutes Beispiel, in dem viele Akteure ihre Stärken einbringen können – und durch die Bündelung der Kräfte und der Innovationen, die in einem solchen Großprojekt sichtbar werden können, deutlich zu machen, welche Innovationskraft im Ruhrgebiet steckt.
Viele Städte haben sich bereits beworben. Nach welchen Kriterien werden sie ausgewählt?
Bernotat: Über den regen Zuspruch der Kommunen und Städte habe ich mich sehr gefreut. Wir
diskutieren den Gedanken noch in unserem Innovationsnetzwerk und den damit verbundenen
Arbeitsgruppen. Für eine Standortdiskussion ist es noch viel zu früh. Wir müssen zunächst besprechen, was wir konkret tun wollen, wer so ein Großprojekt unterstützen kann und wie es sich finanzieren ließe. Das „Wo?“ ist heute nicht die wichtigste Frage.
In den vergangenen Jahren hat das Ruhrgebiet große Fortschritte gemacht: Das Wachstum lag zum Teil über dem NRW-Durchschnitt, die Zahl der Arbeitslosen ging zurück und es gab zahlreiche Unternehmensneugründungen. Wirft uns die Krise stärker zurück als andere Regionen Europas, weil zwei wichtigsten Branchen der Region – Logistik und Materialwirtschaft – von der Krise besonders betroffen sind?
Bernotat: Tatsächlich trifft das Ruhrgebiet eine wirtschaftliche Krise in denen von Ihnen genannten Bereichen augenblicklich sehr hart. Allerdings stehen wir im Vergleich zu anderen Regionen noch gut da. Zum Beispiel behauptete sich die Gesundheitsbranche, die im Ruhrgebiet mit fast 240.000 Arbeitskräften die größte ist, sehr gut.
Auch die Energiebranche, die ein Drittel der Wirtschaftsleistung in der Region ausmacht,
ist stabil. Wir sind an der Ruhr strukturell mittlerweile robust genug, um auch eine längere Durststrecke zu überstehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass viele Unternehmen aus dieser Krise gestärkt hervorgehen werden.
Ihre Initiative Ruhr2030 ist vor fast zwei Jahren mit einer großen Auftaktveranstaltung gestartet. Betrachtet man einige Projekte des IR, hat man den Eindruck, dass der ganz große Schwung raus ist.
Bernotat: Nein, ganz im Gegenteil. Wir sprechen hier von einem Prozess, der bis zum Jahr 2030 angelegt ist. Das Engagement der Mitgliedsunternehmen in den einzelnen Bereichen ist
ungebrochen. Unsere augenblickliche Arbeit ist das Verknüpfen von Kompetenzen und Ideen und deren konkrete Umsetzung. Das von mir initiierte Innovationsnetzwerk findet bei den Mitgliedern positive Resonanz und ich setze auf die gute Zusammenarbeit der Mitgliedsunternehmen an konkreten Themen.
Der Initiativkreis hat eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet – beispielsweise hat er von der Politik auch eine Verbesserung der Infrastruktur gefordert. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik auf Ihre Vorschläge adäquat reagiert?
Bernotat: Ja, sehr konstruktiv. Nicht zuletzt hat der Initiativkreis in enger Kooperation mit dem Landesverkehrsministerium das Positionspapier Infrastruktur auf den Weg gebracht. Darin spiegeln Land und Initiativkreis ihre Positionen zu wesentlichen Handlungsfeldern des Thementrios Verkehr-Mobilität-Logistik.
Beide zeigen darin zukunftsweisende Maßnahmen auf, die die Metropole Ruhr zu Europas größter Binnenverkehrsdrehscheibe machen. Die Effizienz des Verkehrssystems könnte darüber auf weltweites Spitzenniveau gesteigert werden. Die Zusammenarbeit mit der Landesregierung entwickelt sich sehr konstruktiv und positiv. Wir bekommen viel Zustimmung von den einzelnen
Ministerien und haben mittlerweile auch gute Kontakte auf der Arbeitsebene.
Viele Probleme im Ruhrgebiet liegen auch nach Meinung von Wirtschaftsexperten wie dem RWI-Chef Christoph M. Schmidt in seiner administrativen Zerstückelung. Warum hält sich der Initiativkreis in diesen Fragen traditionell zurück?
Bernotat: Nun, wir sagen schon an vielen Stellen, dass wir uns hier effektivere Strukturen wünschen. Wir tun es allerdings selten den Medien gegenüber. Wir diskutieren stattdessen mit
den Verantwortlichen selbst. Ich denke, dass gerade das Beispiel Kulturhauptstadt zeigt, dass das Ruhrgebiet zunehmend grenzübergreifend zusammenarbeitet. Wir können diese Zerstückelung
nicht allein mit Lobby-Arbeit überwinden. Es gilt, anhand von konkreten Beispielen die Kräfte der Kommunen zu bündeln. Nichts motiviert mehr als gemeinsamer Erfolg. Wer gemeinsame
Erfolgserlebnisse hat, der wird auch gern enger zusammenarbeiten.
Mit E.ON Ruhrgas, Haniel, der Deutsche Bahn und RWE gehören drei Unternehmen der Initiativkreis-Mitglieder zu den Hauptsponsoren der Kulturhauptstadt. Das sind noch nicht einmal fünf Prozent ihrer Mitglieder. Woher kommt die Zurückhaltung oder wird die Bedeutung der Kulturhauptstadt momentan überschätzt?
Bernotat: Unsere Mitglieder engagieren sich für die Kulturhauptstadt. Und das tun sie zum großen Teil auch bei den kulturellen Einrichtungen vor Ort. Ein Engagement, das Sie in ihrer Rechnung nicht erfasst haben, das aber für den Kulturstandort Ruhrgebiet wichtig ist. So unterstützen fast alle Mitgliedsunternehmen das Klavier-Festival Ruhr mit zusätzlichen Sponsorleistungen.
Wir sollten dieses Engagement nicht unterschätzen. Abgesehen davon engagieren sich die von ihnen genannten Mitgliedsunternehmen für die Kulturhauptstadt mit sehr großen Beträgen. Ich hoffe, dass wir auch weitere Unternehmen motivieren können, trotz der wirtschaftlichen Situation in konkrete Projekte der RUHR.2010 zu investieren. Das Ruhrgebiet hat mit dieser Veranstaltung eine große Chance, sich vor der Welt neu zu präsentieren und alte Vorurteile abzustreifen.